Mittwoch, 7. September 2016
Sieger und Besiegte im Großen Preis von Baden
Freud und Leid liegen auch im Galopprennsport nah beinander. Sonntag nachmittag, der Große Preis von Baden, das zweitwichtigsten Rennen im deutschen Turfjahr, war gerade beendet. Im Mittelpunkt: der Sieger Iquitos, sein tüchtiger Trainer Hans-Jürgen Gröschel und der erfolgreiche Jockey Ian Ferguson. Kaum jemand interessierte sich hingegen für Boscaccio, die einstige Derby-Hoffnung, die diesmal abgeschlagen als Letzter im strömenden Regen die Ziellinie überquerte.

Natürlich war es eine grandiose Leistung von Iquitos, Trainer Gröschel und Jockey Ferguson, die den Großen Preis von Baden zu einer Demonstration gemacht hatten. Im Frühjahr hatte Iquitos schon den Großen Preis der Badischen Wirtschaft gewonnen und den großen Favoriten Ito in die Schranken verwiesen. Damals saß Norman Richter im Sattel und Trainer und Besitzer waren trunken vor Freude.
Hans Jürgen Gröschel hatte sein Trainerleben quasi gekrönt. Ein Mann, der schon vieles gesehen hatte im Turf, ein mit allen Wassern gewaschener Betreuer von Rennpferden. Eine seiner Qualitäten lag bzw. liegt darin, Pferde punktgenau zu den oftmals besser dotierten Meetings in Form zu bringen, Handicapper wohlgemerkt. Im Frühjahr gab es dann oben beschriebenen Gruppe 2-Erfolg und jetzt setzte der Bahnspezialist Iquitos (drei Starts, drei Siege lautet seine Iffezheimer Bilanz) noch einen drauf und triumphierte in der Champions League, einer Gruppe 1-Prüfung. Einfach nur gut, dieser Tag.
Das Gegenteil gilt für Boscaccio und seinen Anhang. Bekanntlich mag diese Kolumne das Pferd und hatte es auch gewettet. Wiedergutmachung für das enttäuschende Laufen als Favorit im Derby war angesagt, doch im prasselnden Regen ging Boscaccio schrecklich baden.
Schon zu Beginn pullte er stark, was immer ein schlechtes Zeichen ist. Später hatte ihn Dennis Schiergen beruhigt, doch souverän ging sein Partner nie. Spätestens als Schiergen ihn in dritter Spur nach vorne bringen wollte, schwanden die Hoffnungen. Das Pferd von Christian Sprengel hatte an diesem Tag mit dem Sieg nichts zu tun. Schon zu Beginn der Geraden stellte Dennis Schiergen alle Anstrengungen ein, im englischen Hindernissport würde man „pulled up“ sagen. Boscaccio war restlos geschlagen, Schiergen ließ ihn nur noch austrudeln.

Dreijähriges Desaster
Das sah wahrlich nicht gut aus. Ob es der weiche Boden war, der dem Hengst erneut den Zahn gezogen hat? Hoffentlich ist das Pferd gesund aus dem Rennen gekommen. Reaktionen der Verantwortlichen liegen mir nicht vor, online gibt es weder über Facebook noch über die Seite von Trainer Christian Sprengel etwas. Eine Anfrage blieb ohne Antwort. Enttäuschte sprechen nicht gerne in der Öffentlichkeit.
Der Große Preis von Baden war ein Desaster für die dreijährigen Hengste. Denn auch Dschingis Secret, der Derby-Dritte, lief schwach und wurde Vorletzter. Dabei hatte der seinen Boden. Was war der Große Preis von Baden in diesem Jahr wert? Wir zitieren einfach mal Harald Siemen: „Bei Lichte betrachtet muss man sagen, dass sowohl die Besetzung als letztendlich auch das Ergebnis – jedenfalls aus Sicht des Handicappers – enttäuschend war, denn die Dreijährigen blieben bis auf Pagella unter Form. Es gab zwar vier Gruppe-I-Sieger im Feld, aber bis auf Serienholde datieren deren Gruppe-I-Erfolge aus vergangenen Jahren. Zudem fehlten – aus unterschiedlichen Gründen – die vier Pferde mit dem bis dahin höchsten Rating in Deutschland: Protectionist, Ito, Isfahan und Savoir Vivre", schreibt der Chefhandicapper des deutschen Turfs in seinem Blog.
Die Verantwortlichen um Iquitos wird das wenig interessieren. Sie hatten ihren großen Moment.



Freitag, 2. September 2016
Der Erfolg eines Addi Furlers – heute undenkbar
16 Jahre ist das schon wieder vorbei. Am 30. August 2000 starb der Sportjournalist Adolf „Addi“ Furler, einer der Gründungs-Moderatoren der ARD-Sportschau. Im Rennsport ist Furler immer noch ein legendärer Namen: Denn der Moderator war ein großer Freund sowohl von Galopp- als auch Trabrennen. Beide Sportarten zählten in den siebziger und achtziger Jahren regelmäßig zum Programm der ARD. Das war weitgehend das Werk des Verstorbenen. Es waren goldene Zeiten, zumindest in den Erinnerungen.

So froh war ich als fußballbegeistertes Kind in den 70er Jahren nicht immer. Das Gegenteil war der Fall: Die Miene verdüsterte sich, wenn statt Fußball die Pferde im TV kamen. Es gab zwar schlimmere Sportarten. Turnen ging gar nicht, Autorennen wie die Formel 1 waren schon damals nicht der Hit. Aber Galopprennen fand ich wirklich nicht prickelnd – nicht nur im Fernsehen.
Wenn ich die Zeitschrift kicker im Tabakladen gekauft habe, lag oftmals auch die Zeitung Sport-Welt auf der Ladentheke. Der Name ließ aufhorchen: Vielleicht eine Alternative in Sachen Fußball? Falsch gedacht, diese Zeitung beschäftigte sich nur mit Pferderennen. Und wie die schon aussah: Eine „Bleiwüste“ mit spärlichen Fotos, die Sprache antiquiert und hausbacken. Eine andere Welt für einen Jungen, der in einer Großstadt aufwuchs.
Aber geguckt habe ich Furlers Übertragungen dennoch. Ähnlich wie Berichte vom Kunstturnen, Querfeldein-Radfahren oder der Formel 1. Früher war man da nicht wählerisch, schaute auch das, was einen nicht interessierte. Es gab eben viel weniger Alternativen. Fernsehen hatte gerade an Regentagen seine Bedeutung. Damit konnte die Wartezeit zum Fußball überbrückt werden.
Es sei oft ein zäher Kampf gewesen, sich gegen seine fußball-affinen Kollegen durchzusetzen, erinnerte sich Furler später einmal. Aber der Mann, der mit 14 den Berufswusch Jockey hatte, schaffte es: So tauchten regelmäßige Berichte von großen Rennen in der Sportschau auf. Das Derby wurde natürlich live gezeigt – sowohl Galopp und Trab. Und irgendwann in der Samstags-Sportschau gab es sogar Bilder des Grand Nationals – an einem Samstag, an dem die Bundesliga spielte. Unglaublich, das spektakuläre und auch (umstrittene) Rennen kannte alle meine Kollegen.

Wauthi oder Orofino
Dann war noch der Galopper des Jahres, die beste PR aller Zeiten für den Galoppsport. Den Galopper des Jahres kannte früher jeder. Namen wie Nebos, Wauthi oder Orofino zählten zur Allgemeinbildung des Sport-Interessenten. Der Kolumnist erinnert sich an launigen Ehrungen mit Pferden im Studio. Oder bilde ich mir das nur ein, dass Pferde im Studio waren?
1995 ging Furler als Sport-Moderator in den Ruhestand. Der Rennsport verlor seinen wichtigsten Fürsprecher. Galopprennen verschwand so langsam aus den öffentlich-rechtlichen Kanälen.
Die Gründe sind vielschichtig. Der Fußball boomte, entwickelte sich quasi zum Familiensport. Dazu gab es immer mehr TV-Sender, ARD-Sportschau und ZDF-Sportreportage verloren drastisch an Bedeutung.
Unvermögen von Seiten des Galopprennsports kam hinzu: Man setzte auf die falschen Partner, verschlief Entwicklungen. Andere Sportarten wie etwa Biathlon hatten bessere TV-Konzepte. Galopprennen wurden zur Randsportart.
Heute wäre der Erfolg des Addi Furlers kaum noch möglich. Das Interesse zersplitterte sich, TV Sender konkurrieren heute mit dem Internet und dem Smartphone.
Zu Furlers Zeiten hatte der Zuschauer die Wahl zwischen ARD, ZDF und den regionalen Dritten Programmen. Niemand setzt sich heute an langweiligen Regentagen einfach so vor den Fernseher und guckt TV – egal was kommt.
Zudem waren früher diese Bilder im TV die einzigen Bildern von Galopprennen. Es gab keine Live-Rennen beim Buchmacher geschweige denn im Internet. Heute kann ich Pferderennen live im Netz etwa bei den Online-Buchmachern verfolgen (wenn ich denn eine kleine Wette gemacht habe), die Zusammenfassungen kann ich unter anderem auch bei German Racing gucken.
Nichtdestotrotz wäre eine stärkere TV Präsenz für den Turf schön, doch Top-Quoten wie zu Furlers Zeit sind nicht mehr drin. Wenigstens wird das Top-Rennen der Großen Woche in Iffezheim, der Große Preis von Baden, in der ZDF-Sportreportage zu sehen sein. Ich glaube das allerdings erst, wenn ich den Beitrag gesehen habe. Das Rennen hat übrigens eine Top-Besetzung. Mein Tipp ist Boscacchio, der das schlechte Laufen im Derby korrigieren wird. Addi Furler würde das gefallen – zumindest die Übertragung bei den ehemaligen Kollegen des ZDF.



Addi Furler konnte auch Fußball und erklärt hier den Elfmeter. Präzise, sachlich, verständlich - eben ein Könner auf vielen Gebieten.



Dienstag, 30. August 2016
Harte Arbeit für Dortmund, leichtes Spiel für Bayern
Sie ist wieder da, die Fußball-Bundesliga. Eindrücke zum Saisonauftakt von den Großen Zwei der Liga. Der FC Bayern siegt im Schongang, Borussia Dortmund müht sich gegen gute Mainzer.

Stimmt schon, hier war lang nichts los. Manche haben sogar Beiträge vermisst. Aber der Autor hat einfach mal innegehalten, immerhin war er seit März 2009 jeden Monat mit diesem Blog auf „Sendung“. Es mag auch ein wenig Verdruss sein – manche Entwicklungen in Turf und Fußball nerven doch gewaltig.
Zum Beispiel die Fußball-Bundesliga. Natürlich ging es schon immer nur um das Geld, nur so „Deppen“ wie der Kolumnist und andere Fans denken beim Fußball an Vereinstreue und ähnliche Werte. Aber die Großen haben immer die Kleinen gefressen – und im deutschen Fußball ist der FC Bayern München schon seit Urzeiten der Allergrößte.
Der Unterschied: Früher wurde die Bayern auch oft Meister, nur waren sie nicht so überlegen. Es gab immer mal Spiele, die sie gegen Klubs wie Freiburg, Köln oder eben Werder Bremen verloren haben. Danach lachte sich halb Fußball-Deutschland – zumindest der Teil Deutschlands, der nicht Bayern-Fan war – kaputt. Dicke Luft darauf an der Säberner Straße, nicht nur die Boulevard-Presse hatte viel zu schreiben.
Das ist leider Vergangenheit. Der FC Bayern hat seit Jahren eine Super-Mannschaft, die die Bundesliga so dominiert wie noch nie. Ob die Trainer nun Heynckes, Guardiola oder jetzt Ancelotti heißen – die Münchner gewinnen ihre Partien wie sie wollen.
Eigentlich wollte ich mir das Eröffnungsspiel der kommenden Bundesligasaison in der ARD gar nicht anschauen. Keine Ahnung, warum die DFL-Verantwortlichen ausgerechnet Bayern München gegen Werder Bremen als Spiel ausgesucht hatten. Schon vorher eine eindeutige Sache.

Werder hilflos
In echt war es noch schlimmer: Eine lethargisch wirkende Bremer Mannschaft, die gegen – zugegeben sehr spielfreudige – Bayern nicht eine einzige Torchance erarbeitete. Auch wenn bei Werder wichtige Leute wie Junuzovic, Pizarro oder Neuzugang Kruse fehlten, war es doch eine schlimme Demütigung für die Hanseaten. Wie so oft in den letzten Jahren, wenn es gegen München ging. Der Kolumnist konnte es spätestens nach dem 0:3 nicht mehr ertragen. Was wohl ein Kämpfer glorreicher Werder-Tage wie Dieter Eilts bei einem solchen Debakel gemacht hätte?
Einen Tag später ging es in den Signal Iduna Park, immer noch der schönste Ort in Dortmund. Heimspielauftakt des BVB gegen Mainz 05 bei gefühlten 40 Grad.
Die Borussia hatte im ersten Jahr mit Trainer Thomas Tuchel nach der großen Zeit von Jürgen Klopp eine großartige Saison gespielt. Nur zu einem Titel reichte es nicht, weil die Bayern einfach zu gut waren. Dennoch war die Stimmung in der Pause nicht besonders gut: Das verlorene Pokalfinale gegen die Bayern und natürlich die Abgänge der drei Stützen Hummels, Gündogan und Mkhitaryan. Besonders der Abgang des Ersten zu den Bayern tut weh. Dazu verließen verdiente Fan-Lieblinge wie Jakub Blaszykowski den Verein bzw. werden wie Neven Subotic den Klub wechseln.



Rückkehrer: Mario Götze kam von Bayern München zurück zum BVB. (Bild: Wikimedia Commons/Marcello Casal jr./Agencia Brasil)

Young Dortmund
Immerhin hat Borussia das Geld in das Team investiert. Viele neue gute Leute, die Scouts hatten ganze Arbeit geleistet. Hochtalentierte Leute wie Dembele oder Emre Mor, die ganz Europa gejagt wurde. Ein Europameister wie Guerreiro, den vorher niemand kannte. Dazu Bartra, Rode und Merino. Und nicht vergessen Andre Schürrle und Mario Götze, dessen Abgang zum FC Bayern damals nicht nur den Kolumnisten erzürnte.
Alles vergessen, alle Wunden sind geheilt. Meine Befürchtung ist jedoch, dass Götze nie wieder an seine Dortmunder Bestform anknüpfen wird. Dafür saß er in München zu viel auf der Bank bzw. war verletzt. Diese Zeit wird Narben hinterlassen haben.
Gegen Mainz fehlte Götze dann auch leicht verletzt, sein Name war aber kein Thema im Stadion. Von den Neuen standen Bartra, Rode, Dembele und Schürrle in der Startelf, es wurde ein holpriger Auftakt in der Gluthitze. Mainz war aber auch ein guter Gegner, hat schon seit Jahren Qualität und hätte bei besserem Abschluss einen Punkt verdient gehabt.
Beim BVB passte noch nicht viel zusammen, vieles blieb im Ansatz stecken. Immerhin blieb Aubameyang abschlussstark und konnte der in Wolfsburg noch so wacklige Schürrle überzeugen