Mittwoch, 21. September 2016
Der Mann, der schon Jürgen Klopp beeindruckte
Das war schon eine Überraschung am Dienstag: Hannes Wolf wird neuer Cheftrainer beim Zweitligisten VfB Stuttgart und somit Nachfolger des selbst gegangenen Josh Luhukay.

Hannes wer? werden viele gefragt haben, aber in Dortmund ist der Mann bekannt: Seit 2009 arbeitet er als Jugendtrainer bei Borussia Dortmund und feierte mit dem schwarz-gelben Nachwuchs schöne Erfolge. Dazu formte und förderte er den Nachwuchs für die erste Mannschaft: Felix Passlack und Christian Pulisic schafften den Sprung zu den Profis.
In den Jahren davor machte Wolf im Dortmunder Amateurfußball mächtig Eindruck. So war er vier Jahre Spielertrainer und Trainer der ersten Mannschaft des ASC 09 Dortmund. In dieser Zeit führte Wolf den ASC von der Bezirksliga in die Westfalenliga und brachte damit den Großverein aus dem Dortmunder Südosten zu ganz neuen Höhen. Selten prägte ein Trainer einen Verein so wie Wolf den ASC. „Das Ende einer großen Ära“, schwärmte die Westfälische Rundschau 2009 (die zu diesem Zeitpunkt noch eine richtige Zeitung war und nicht dieses „Zombie-Blatt“ wie heute) zum Abschied.



Im idyllischen Aplerbecker Waldstadion - verkehrstechnisch aber ohne eigenes Auto eine Katastrophe - setzte Wolf Akzente. Vielleicht wird er ja noch mal daran denken, wenn er in der Mercedes-Benz-Arena zu Stuttgart steht. (Foto: ASC 09)

Viele im Dortmunder Amateurfußball nennen Wolf einen großen Innovatoren. Sowohl taktisch als auch spieltechnisch brachte er viele neue Ideen in den Feierabend-Fußball. Dass heute zwei Dortmunder Teams – ASC 09 und FC Brünninghausen – in der Oberliga (5. Liga) und vier Mannschaften darunter in der Westfalenliga (6. Liga) spielen, hat auch etwas mit Hannes Wolf zu tun. Denn andere Vereine setzten ebenfalls auf junge und fachlich versierte Trainer. Selten war der Amateurfußball in Dortmund so gut aufgestellt wie jetzt. Zum Vergleich: 2007 kickten die ranghöchsten Dortmunder Amateur-Kicker noch in der Landesliga (7. Liga).

Irgendwann Deutscher Meister
„Hannes hat genaue Vorstellungen von seiner Arbeit und seiner Zukunft. Er weiß, was er will, verfolgt seine Pläne mit einer Konsequenz und Geradlinigkeit, wie man sie in dem Alter selten erlebt”, sagte schon 2007 Miguel Moreira, zu diesem Zeitpunkt ASC-Spielführer und heute Assistenztrainer bei Wolf, der ihn auch nach Stuttgart begleiten wird.
„Was Hannes uns gelehrt hat, war ja ein Novum. Wir haben die Viererkette gelernt, anders nach vorne gespielt. Er ist für jeden Trainer ein Vorbild. Ich habe schon in Aplerbeck immer gesagt, dass Hannes irgendwann Deutscher Meister wird. Ich erinnere mich an Abende, da haben wir zweieinhalb Stunden trainiert und dreieinhalb danach über Fußball geredet“, blickt Giovanni Schiattarella zurück, einst Spieler beim ASC und heute Trainer des Dortmunder Landesligisten Arminia Marten.
Vielleicht sollte der VfB Stuttgart mal Heiner Brune kontaktieren. Der Mann war Fußball-Chef beim ASC und hatte Wolf vom Schwerter Klub Eintracht Ergste verpflichtet. Brune ließ seinen neunen Trainer einfach machen – mit Erfolg.
„So, wie er hier gearbeitet hat”, sagte Heiner Brune später, „kann ich mir bei Hannes alles vorstellen, irgendwann auch den Sprung in den bezahlten Fußball. Sein enormes Fachwissen auf den Punkt genau zu vermitteln, ist seine größte Stärke. Wenn er selbst einen Jürgen Klopp in einem 20 Minuten-Gespräch überzeugt, muss da schon was hinter stecken.”

Alte Bekannte
Klopp holte Wolf dann auch 2009 zum BVB, die sportliche Bilanz kann sich sehen lassen: Drei deutsche Meisterschaften im U17 und U19-Bereich. Jetzt also der Sprung in den Profi-Bereich. Was erwartet den Trainer in Stuttgart beim Traditionsclub? Erst einmal die ehemaligen Dortmunder Mitch Langerak, Kevin Großkreutz und Daniel Ginczek. Doch ansonsten kommt er in einen Verein, der in den letzten Jahren quasi von Katastrophe zu Katastrophe wankte.
In den letzten Jahren machte der VfB eigentlich nur noch negative Schlagzeilen: Seit 2008 – dem Jahr der letzten Meisterschaft des VfB – versuchten zwölf Trainer ihr Glück. Manche scheiterten auch an der Ungeduld einer wenig sachkundigen Führung. Das sportliche Konzept änderte sich mit jedem Trainer. Das konnte nicht gut gehen, der Abstieg in diesem Jahr war die logische Folge.
Vorbild für die Verpflichtung von Hannes Wolf dürfte Julian Nagelsmann (Hoffenheim) sein, der als ehemaliger Jugendtrainer das Profi-Team in der Bundesliga hielt. Auf eines dürfte Wolf aber zukünftig verzichten: auf Einsätze in der zweiten Mannschaft des ASC 09 Dortmund, Kreisliga B.



Freitag, 16. September 2016
„Heimsieg“ für Near England
11 Pferde gehen an den Start für den letzten Klassiker der Saison. Das St. Leger 2016 in Dortmund ist auf dem Papier eine offene Angelegenheit. Aber im Turf spielen nicht nur Formen eine Rolle. Und eine Weisheit der Dortmunder Rennbahn lautet: Unterschätze nie die Starter des Gestüts Wittekindshof. Die Vorschau.

Wir schreiben das Jahr 1986, der Kolumnist hatte gerade begonnen, seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Nicht irgendwo, sondern in Flensburg am oberen Ende der Republik. Fast schon Dänemark. In der Realität bedeutete das lange Bahnfahrten am Sonntagabend mit vielen Leidensgenossen und ganzer mieser Stimmung. Dennoch war ich am St. Leger-Sonntag 1986 auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel und habe sogar die Siegerin Prairie Neba für 2,50 DM getroffen. Gewinn satte 41 DM, weil die Siegerin am Toto 164 stand. Meine Laune wurde besser, ohne gut zu werden. Aber alles sah doch sonniger aus, der Gedanke an das Geschreie im Grundwehrdienst wurde erträglicher.
Lange ist das her, die BW-Zeit ist längst Folklore, das St. Leger aber immer noch da. 30 Jahre später könnte es wieder einen Stutensieg geben. Die Ladies haben so und so eine gute Bilanz in der Prüfung. Starter und Chancen im 132. St. Leger in Dortmund.

1. Iraklion (Trainer Christian Sprengel/ Jockey Michel Cadeddu, GAG 87,0 kg): Das Pferd von Trainer Christian Sprengel lief immer in guter Gesellschaft, blieb aber meist ohne Chance. Den zweiten Platz hinter Protectionist würde ich nicht überbewerten. Außenseiter.

2. Mighty Mouse (Trainerin Annika Fust/Jockey Rene Piechulek, GAG 89,5 kg): In England gewann erstmals mit Trainerin Laura Mongan eine Frau das Leger, Annika Fust (ehemals Rosenbaum) könnte ihr in Deutschland folgen. Mighty Mouse kommt mit guten Formen an den Ablauf, es ist jedoch erst der zweite Start in diesem Jahr. Als geschontes Pferd durchaus gefährlich, wenn er die Distanz kann. Die ist nämlich Neuland.

3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Marc Robert Lerner, GAG 90,0 kg): Bewährter Steher, zuletzt überlegener Sieger auf schwerem Boden im Langen Hamburger und war dort unter anderem vor Summershine. Kandidat mit Chancen, aber nicht die Wahl des Stalljockeys. 2014 Dritter.

4. Tellina (Trainer Andreas Wöhler, Jockey Eduardo Pedroza, GAG ?): Der große Unbekannte. Gruppesieger aus Südafrika im Besitz des Gestütes Fährhof. Zuletzt im März in Meydan in sehr guter Gesellschaft unterwegs. Der letzte Sieg datiert aus dem Jahr 2014. Andreas Wöhler wird aber wissen, warum er den Silvano-Sohn im St. Leger an den Start schickt. Zudem ist er die Wahl des Stalljockeys.

5. Bebe Cherie (Trainer Markus Klug, Jockey Cäcilia Müller, GAG 89,5 kg): Zuletzt ohne Möglichkeit gegen Weltmacht, die sie Sonntag wieder trifft. Davor eine ordentliche Form hinter Wasir in Hoppegarten. Viel Stehvermögen, die 2800 Meter könnten schon ein wenig zu kurz sein. Besten Formen auf tiefen bis weichem Boden, den die Youmzain-Tochter wahrscheinlich nicht haben wird. Für andere Starter spricht mehr.

6. Summershine (Trainerin Anna Schleusner-Fruhriep/Jockey Bayarsaikhan Ganbat, GAG 78 kg): Solide Stute, zuletzt oft im Einsatz, beste Form war der zweite Platz im Langen Hamburger hinter Rock of Romance. Je länger die Strecke, desto besser. Dennoch wäre ein Erfolg schon rein rechnerisch eine Überraschung.

7. Techno Queen (Trainer Toni Potters, Jockey Daniele Porcu, GAG 93 kg): Im letzten Jahr großartig gesteigerte Stute, 2015 im St. Leger Zweite hinter Virginia Sun. In diesem Jahr immer in starker Gesellschaft unterwegs, zuletzt Dritte hinter Parvaneh in Baden Baden über 2400 Meter. Davor unterlag sie Ventura Storm, am letzten Samstag Zweiter im englischen St. Leger. Ein Pferd mit viel Speed und ersten Chancen.

8. Weltmacht (Trainer Markus Klug, Jockey Adrie de Vries, GAG 90 kg): Immer hoch in der Einschätzung des Kolumnisten, nur ein Gruppe 1-Pferd wurde sie nicht. Aber dennoch eine Starterin mit viel Potenzial. Zuletzt wehrte sie alle Angriffe im Badener Steherpreis über 2800 Meter ab. Die Wahl von Stalljockey Adrie de Vries und ein logischer Mitfavorit.



Die Prüfung 2014: Kaldera fängt Virginia Sun noch ab, ein Jahr später siegte die hier noch knapp Unterlegene

9. Buzzy (Trainer Guido Förster, Jockey Antoine Hamelin, GAG 75 kg): Dreijähriger, gewann ein Sieglosenrennen, danach im Derby, Listenrennen und Ausgleich 1 völlig chancenlos. Klarer Außenseiter, obwohl sein Vater Mamool ein großer Steher war.

10. Near England (Trainer Markus Klug, Jockey Andreas Helfenbein, GAG 91,5 kg): Die Gewinnerin des Hamburger Stuten-Preises über 2200 Meter auf tief-schwerem Boden, danach kam sie in der Diana nie ins Rennen. Nach Vorformen hätte ich etwas Bedenken, aber die Lord of England-Tochter sollte noch Reserven haben. Hinzu kommt der Wittekindshof-Faktor in Dortmund: Die Starter von Hans-Hugo Miebach, dem ehemaligen Präsidenten des Dortmunder Rennvereins, sind auf der Heimatbahn immer zu beachten. Das günstige Gewicht spricht zudem für die Stute.

11. She’s Gina (Trainer Markus Klug, Jockey Maxim Pecheur, GAG 91.5 kg): Die zweite dreijährige Stute im Feld. Respektable Leistung als Sechste im Preis der Diana als große Außenseiterin, das Pferd davor wertete die Form mit dem Badener Gruppensieg gewaltig auf. In Hamburg Dritte hinter der Stallgefährtin Near England, auch davor immer ordentlich gelaufen. Distanz ist neues Terrain.

Urteil
Natürlich haben Techno Queen und Weltmacht die besten Voraussetzungen, ist Rock of Romance ein bewährter Steher und hat Tellina schon ganz andere Gegner gesehen. Aber in Dortmund macht es sich bezahlt, die Wittekindshof-Pferde zu spielen. Near England ist eine talentierte Stute und könnte die Favoriten überraschen.



Mittwoch, 14. September 2016
Am Ende lachte George Baker doch
Große Freude und tiefes Leid liegen auch im Galopprennsport oft nahe beieinander. Das verlängerte Turf-Wochenende bot die ganze Palette. Von Tod bis zum totalen Triumph.

Es hätte so schön sein können. Der Renntermin am Abend auf der Rennbahn im Krefelder Stadtwald bot zwar keinen großen Sport, aber einen schönen Zeitvertreib. Solche Termine müsste es häufiger geben. Ein lauer Sommerabend mit Pferderennen und Biergarten.
Doch die Stimmung wurde schnell verhagelt: Zwei Pferde stürzten so schwer, dass sie nicht mehr zu retten waren. Petite Gold und Weißer Stern liefen ihr letztes Rennen, Brüche sind nur schwer reparabel bei einem Pferd. Die Voraussetzungen seien optimal gewesen, sagten Rennleitung und Rennverein nach den Vorfällen. Die Bahn staubte allerdings an manchen Stellen gewaltig.
Zum Glück gibt es tote Tiere nicht bei jedem Renntag. Pferde verletzen sich auch auf der Koppel, in der Box, auf den Galopps usw. Pferderennen sind definitiv keine Tierquälerei, wie manche nassforsche Tierschützer-Organisation behauptet.

Herzschlag
Dabei hatte das Galopp-Wochenende so gut angefangen. Freitagnachmittag, dritter Tag des St. Legers im nordenglischen Doncaster: Der Sport ist teilweise grandios mit tollen Pferden und Weltklasse-Jockeys. Die Rennen sind hartumkämpft, die Endkämpfe eng und dramatisch. Herzschlag-Finals. All‘ diese Dinge, mit denen etwa ein Formel 1-Rennen nie konkurrieren kann und die in ihrer Intensität auch manches Fußball-Spiel schlägt.
In den Scotsman Stakes, einem Listenrennen für zweijährige Hengste, endeten drei Pferde quasi in einer Linie. Rodaini, Salsabeel, Larchmont Lad – die Jockeys Silvestre da Souza, William Buick und Sean Levey machen die Prüfung zu einem echten Thriller. Am Ende gewinnt Rodaini mit da Souza, der Kolumnist hatte Larchmont Lad gewettet.
Schon vorher stockte dem Betrachter mehrfach der Atem: Im Doncaster Cup, der Gruppe 2-Prüfung über weite 3621 Meter, bestimmten Quest for More und George Baker von der Spitze aus das Rennen, doch am Ende siegte Sheikhzayedroad und Martin Harley. Mit einer Nase nach einem gigantischen Endkampf zweier Top-Jockeys. Offiziell gab es ein Foto-Finish, doch Harley wusste es scheinbar schon vorher und gab seinem Pferd einen freudigen Klaps.
Und auch Roger Charlton, der Trainer von Quest for More, hatte die Ahnung, dass es nicht reichen würde. „Das ganze Leben ist voller Qualen“, sagte er nach der Prüfung Attheraces-Interviewer Matt Chapman.
Für Jockey George Baker war der zweite Platz an diesem Tag nichts Neues: In den Mallard Stakes, der zweitwichtigstes Prüfung des Tages, sah er lange wie der Gewinner aus. Doch dann kam Wall of Fire und fing Seamour, den Ritt von George Baker, noch ab. Diesmal war er vielleicht etwas früh vorne, aber Seamour ist auch ein Typ von Pferd, das seinen eigenen Kopf hat. „Quirky“ nennen die Engländer das.

Geschichte gemacht
Baker ist für einen Reiter mit über 1,80 m sehr groß, sein ganzes Leben dürften Diäten, Hungern und eiserne Disziplin prägen. Am nächsten Tag lohnten alle Qualen. Denn da saß er im Sattel von Harbour View und triumphierte im englischen St. Leger.
Dazu wurde Turf-Geschichte geschrieben: Als erste Frau gewann Trainerin Laura Mongan den Klassiker über 2800 Meter, der erstmals 1776 ausgetragen wurde.
Der Sieg von Harbour View war eines dieser Erfolge, die den „Reichensport“ Galopp sympathisch machen. Mongan trainiert rund 20 Pferde – sowohl Flach als auch Hindernis – in Epsom, der berühmten Heimat des englischen Derbys. Ihr letzter Erfolg feierte sie im August in einem Class 5-Handicap in Brighton. Keine Ahnung, ob Aidan O’Brien jemals in seinem Leben ein Class 5-Handicap gewonnen hat. Wahrscheinlich nicht.
Ian Mongan, Lauras Gatte, ritt einst als Jockey für Henry Cecil und spielt eine wichtige Rolle in der täglichen Arbeit. „Henry Cecil sagte immer, gute Pferde machen gute Trainer“, erinnerte er sich in dieser Stunde des Triumphes an seinen alten Chef.
Diesmal hatte George Baker den richtigen Takt gefunden und den 230:10-Schuss zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt. Ein Raunen ging durch die Menge, als Harbour View an Ventura Storm und Housesofparliament vorbeizog und viel Stehvermögen zeigte.
„Für uns war es keine große Überraschung“, sagte hinterher Laura Mongan selbstbewusst. Doch Harbour View profitierte auch vom Sturz des Favoriten Idaho aus dem mächtigen O’Brien-Quartier mit Seamie Heffernan, der Mitte der Gerade ins Straucheln kam. Zum Glück blieben alle unversehrt.