Deutschland gegen Italien – das sind doch die Spiele, für die sich Fußball-Welt- oder Europameisterschaften lohnen. Bei denen man den ganzen ekligen Kommerz vergisst. Diesmal gewann Deutschland den Klassiker im Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft 2016 und das alles auf höchst dramatische Weise im Elfmeterschießen. Kein Abend für schwache Nerven.
Was wäre in Deutschland los gewesen, wenn Italien die Lotterie 11Meter-Schießen gewonnen hätte?. Wenn in diesem Duell auf Augenhöhe die Squadra Azzura das glücklichere Team gewesen wäre und ins Viertelfinale eingezogen wäre? Die Kritik an Trainer Joachim Löw wäre hart gewesen. Die heftigen Worte von ARD-Experte Mehmet Scholl wären nur der Anfang gewesen, andere Experten wären mit der gleichen Leier gekommen. Auf Spiegel online jedenfalls teilte die Mehrheit der User die Kritik von Scholl. Über 50 Prozent der Befragten meinten: „Ja, das DFB-Team ist dann am stärksten, wenn es sein eigenes Spiel durchzieht.“ Deutlich weniger finden, dass „Anpassung an den Gegner sinnvoll“ sei.
Jedenfalls bleiben uns diese Diskussionen jetzt glücklicherweise erspart. Denn auch der Kolumnist – der sonst „Yogi“ Löw“ nicht so positiv sieht – fand die Entscheidung des Bundestrainers für die Dreier-Abwehrkette richtig. Weil das DFB-Team sonst gegen schnell umschaltende Italiener zu offen gewesen wäre.
Normalerweise finde ich Spiele attraktiv, in denen es viele Strafraumszenen gibt. Diese gab es in Bordeaux nicht. Aber dennoch war schon die erste Halbzeit faszinierend. Weil sich beide Teams belauerten, weil jeder auf den ersten Fehler des anderen wartete. Es war ungemein intensiv, es knisterte vor Spannung – auch ohne großartige Strafraumszenen. „Die Deutschen übertreffen die Italiener fast an taktischen Finessen“, meinte der englische Alt-Internationale Alan Shearer, der für die BBC als Experte arbeitet. (Die englische BBC übertrifft übrigens ARD und ZDF in ihren Analysen um Längen. Beispiel: die Diskussion nach dem Deutschland-Italien-Spiel).
Elfmeter Nr. 18
In der zweiten Halbzeit schien sich das Spiel dann doch zugunsten des DFB-Teams zu wenden. Deutschland verstärkte den Druck, kam zu guten offensiven Aktionen. Besonders Mario Gomez zeigte, warum das Team einen richtigen Stürmer braucht. Gomez schuf Räume, war wesentlich am 1:0 beteiligt. Als er dann verletzt aus dem Spiel ging, kam Italien besser ins Spiel. Die Stürmer Pelle und Eder, die vorher bei Hummels und Boateng abgemeldet waren, verteilten die Bälle, das 1:1 war verdient, auch wenn der Handelfmeter etwas unglücklich war.
So beharkten sich die Teams auf hohem Niveau und weil in der Verlängerung beide das Risiko scheuten, kam es zum Showdown. Das Ergebnis ist bekannt: Jonas Hector traf entscheidend bei Elfmeter Nr. 18, Deutschland beendete seine Niederlagen-Serie gegen Italien bei großen Veranstaltungen.
Groß gefeiert wurde nicht. Schon eine halbe Stunde nach Jonas Hectors Schuss ins Glück sei es ruhig geworden in der Kabine, erzählte Bundestrainer Löw. Das Spiel habe „körperlich wie psychisch Spuren hinterlassen“. Und jetzt wartet im Halbfinale Gastgeber Frankreich auf Löws geschundene Mannschaft.
Mal wieder großer Turf-Sport am Wochenende. Drei Höhepunkte: die bet 365 Lancashire Oaks in Haydock, die Coral Eclipse Stakes in Sandown (beide am Samstag) und natürlich der Große Hansa Preis am Sonntag in Hamburg mit dem Australien-Heimkehrer Protectionist. Zweimal Gruppe 2, einmal Gruppe 1. Eine kleine Vorschau.
Wir beginnen mit den Ladies in den englischen Lancashire Oaks in Haydock, einer Gruppe 2-Prüfung über 2400 Meter. Aus deutscher Sicht steht eindeutig der Start von Nightflower im Fokus. Die Stute aus dem Quartier von Peter Schiergen gewann im letzten Jahr immerhin den Kölner Preis von Europa (Gruppe 1), war mehrfach Gruppe 1-platziert hinter starken Pferden, bei ihrem einzigen diesjährigen Start war sie jedoch im GP der badischen Wirtschaft enttäuschend früh geschlagen. Der weiche Boden in Haydock wird ihr entgegenkommen, nach Bestform sollte sie diese Aufgabe lösen können.
Aber hätte wenn aber: Viele ihrer Gegnerinnen haben noch Potenzial nach oben. Da ist die Godolpin-Stute Endless Time, die fünf ihrer sechs Starts gewonnen hat, allerdings ihr Jahresdebüt gibt. John Gosden hat seit 2011 dreimal dieses Rennen gewonnen, mit Furia Cruzada(Top-Stute aus Südamerika) und Lady of Camelot sattelt er zwei interessante Kandidatinnen. Dann ist da noch die Dreijährige Fireglow aus dem Mark Johnston-Quartier, Vierte in den englischen 1000 Guineas und Zweite hinter der guten So Mi Dar über 2000 Meter. Die Distanz in den Oaks ist also Neuland, aber die längere Strecke könnte Fireglow entgegenkommen. Meinen zumindest einige Experten, ich bin da nicht so sicher.
Tipp: Nightflower
Ein paar Meilen südlich kommt es in Sandown über 2000 Meter zu den Coral Eclipse Stakes, traditionell oft das erste Aufeinandertreffen der Top-Dreijährigen mit den besseren älteren Pferden über die quasi neutrale Strecke von 2000 Metern. Klarer Favorit ist The Gurkha aus dem O'Brien-Stall, eindrucksvoller Gewinner der französischen Poule d'Essai des Poulains in Deauville (den französischen 2000 Guineas) und zuletzt guter Zweiter in den St. James Palace Stakes in Ascot. Das sind zwei Top-Formen über die Meile auf weichem Boden. Die 400 Meter längere Strecke in Sandown sollte der Galileo-Sohn auch können, die Quoten unter Pari schrecken mich aber ab.
Wer sind also die Gegner? Time Test könnte vierjährig noch mal zulegen, mag die Bahn in Sandown (drei Starts, zwei Siege, ein zweiter Platz) und hat auf gut bis weichem Boden schon gewonnen. Die Form in diesem Jahr war gut, die Pferde von Trainer Roger Charlton laufen derzeit ganz ordentlich. Das Fragezeichen ist der Boden. Wenn es er zu weich wird, dann würde ich eine Alternative zu suchen.
Die wäre My Dream Boat, der zuletzt in den Prince of Wales' Stakes (Gruppe 1) auf weichem Boden alle überraschte und als Außenseiter gewann. Das war die bislang beste Form des Hengstes. Eine Erwähnung verdient zudem der Godolphin-Starter Hawkbill, der fünf seiner sieben Starts siegreich gestaltete. Die Eclipse Stakes sind aber noch einmal eine Stufe höher.
Tipp: Time Test, alternativ My Dream Boat bei weichem oder schweren Boden
Erinnerungen an 1997: Pilsudski mit Mick Kinane schlägt die hohe Favoritin Bosra Sham und den damaligen englischen Derbysieger Benny The Dip
Damit geht unsere Reise weiter nach Hamburg-Horn. Am Samstag beginnt die Derby-Woche, am Sonntag ist der Große Hansa Preis (Gruppe 2, 2200 Meter) das sportliche Highlight. In den Jahren zuvor ließ die Besetzung oftmals zu wünschen übrig, in diesem Jahr kommt aber ein starkes Feld an den Start. Da ist zum Beispiel der Melbourne Cup-Sieger von 2014, Protectionist.
Seine Geschichte ist viel dokumentiert: Irgendwann verlor der Steher bei Rennen über viel zu kurze Strecken Form und Lust, die Besitzer Australian Bloodstock schickten den Hengst zurück zu Trainer Andreas Wöhler nach Deutschland. Natürlich haben die Besitzer den Melbourne Cup wieder im Visier. Der erste Auftritt von Protectionist in Düsseldorf war sehr ordentlich, jetzt sind im Hansa-Preis, den der Hengst vor zwei Jahren gewann, die Gegner stärker.
Zum Beispiel der nachgenannte Iquitos, der alle Vorleistungen noch mal bei seinem Erfolg im GP der badischen Wirtschaft noch mal steigerte. Guignol, Sirius und die dreijährige Stute Meergörl sind weitere interessante Kandidaten. Mein Tipp ist allerdings Techno Queen. Natürlich ist der Hansa-Preis ihre bislang schwerste Aufgabe, aber das Pferd von Trainer Toni Potters könnte immer noch Reserven haben. Die Distanz passt, die lange Zielgerade liegt der speedstarken Stute. Zudem hat sie schon in Hamburg gewonnen.
Ach England, was war denn das? 1:2 verliert das Mutterland des Fußballs gegen das „kleine“ Island und hinterher sprachen alle davon, wie schön doch Fußball sein kann. Wenn mal nicht der Favorit gewinnt. Wenn Spieler aus Vereinen wie Bodö/Glimt, Hammarby IF oder Cardiff City (immerhin zweite englische Liga) die verwöhnten Spieler aus der Premiere League, der reichsten Liga der Welt, schlagen. Wenn eben arm reich besiegt. Ein paar Thesen zu diesem bemerkenswerten Spiel.
Island ist ein sehr gutes Team
So groß war die Sensation eigentlich gar nicht. Wir zitieren die Süddeutsche Zeitung: „Wenn man die Entwicklung des isländischen Fußballs ein bisschen verfolgt, ist der Einzug ins Viertelfinale keine so große Überraschung, wie es zunächst scheint. Der Erfolg hat viele Gründe. Zufall und Glück gehören nicht dazu“, schreibt das Blatt. So qualifizierten sich die Skandinavier souverän für die EM, besiegten unter anderen zweimal die Niederlande. Und schon in der WM-Qualifikation scheiterte Island erst in den Playoffs an den starken Kroaten.
Die guten Resultate sind kein Zufall. Dafür wurde kräftig in die Infrastruktur investiert, entstanden überall wetterunabhängige Fußball-Hallen, hat Island die meisten lizenzierten Trainer der Welt im Vergleich zur Einwohnerzahl. Talentierte Spieler verlassen oft früh die Insel, die Erlöse dafür fließen in den Nachwuchsbereich. Keiner des EM-Kaders spielt in der heimischen Amateur-Liga.
Dazu beherrscht das Team das 4-4-2-System perfekt. Wenn es bei dieser EM einen Preis für mannschaftliche Geschlossenheit gibt, dann geht der an Island.
Das Versagen der Engländer
Eigentlich lief es doch perfekt: Das frühe 1:0 durch den Elfmeter von Wayne Rooney, das hätte für Ruhe sorgen müssen. Aber quasi im Gegenzug fiel das 1:1 nach einem langen Einwurf der Isländer, beim 1:2 fiel Keeper Joe Hart wie die berühmte Bahnschranke und setzt damit die traurige Tradition englischer Torwart-Fehlleistungen fort. Aber egal, zu spielen waren noch 70 Minuten. Es folgte ein fußballerischer Offenbarungseid der Three Lions. Ein apathisches Team, geschockt, ohnmächtig, ohne Mut und ohne jegliche Strategie. Trainer und Team versagten gemeinsam, Island musste gar nicht zittern.
Der Blick in die englischen Gesichter sagte einiges: Apathisch lagen viele Spieler nach dem Schlußpfiff auf dem Rasen, die Fans waren schon lange nicht mehr zu hören. „Bilder für die Ewigkeit, monumentale Szenen des Scheiterns, mit einer ganz eigenen Ästhetik“, notierte die Süddeutsche Zeitung. Trainer Roy Hodgson verkündete später auch seinen Rücktritt.
Die Reaktion danach
Vielleicht dachten viele Spieler auch schon an die Häme zuhause. Dabei war dieses Team voller talentierter Spieler und hatte teilweise auch ganz ordentlich gespielt, nur die Chancenauswertung war mangelhaft. Doch jetzt hatten sie versagt und die englischen Zeitungen – auch die Nicht-Boulevardblätter – sind gnadenlos in ihrer Kritik. Da wird wenig differenziert, da gibt es nur Schwarz und Weiß. „England erleidet die ultimative Demütigung durch eine beschämende Niederlage gegen den kleinsten Fisch im Turnier. Geschlagen von Island - einem Land mit der Einwohnerzahl in der Größe von Leicester“, schreibt das rechte Boulevardblatt Daily Mail. "Brrrexit Hodgson. Völlige Demütigung“, wortspielt der Daily Mirror. "Ice Wallies“, übersetzt Eis-Trottel, schimpfte die The Sun.
Englische Fans nach der Blamage: Erstaunlich kühl. Ausnahme?
Wie geht es jetzt weiter
Englands Fußball hat große Erfahrungen mit Niederlagen. Der Guardian weiß schon, wie es weitergeht: Erst wird der Trainer zurücktreten (hat Hodgson schon gemacht), der Verband wird sagen, dass man den Jugendbereich weiter verbessern wird (grass roots), einige der Nationalspieler werden sich in ihrem Urlaub schön neureich daneben benehmen und der Boulevard hat seine Schlagzeilen. Dann kommt ein neuer Manager, England schafft ein paar gute Resultate in unbedeutenden Spielen (am besten gegen Deutschland) und schon träumen sie auf der Insel von neuen Großtaten. Bis zur nächsten WM…...