Sonntag, 20. Dezember 2015
Kein Renntag, kein Match-Race und bald kein Bremer Turf?
Das Wort kein – es prägte den deutschen Rennsport zuletzt. Die schlechteste Meldung kam aus Bremen, wo es nach dem Willen des Senats ab Ende 2017 keine Rennbahn mehr geben soll.

Wo ist der deutsche Rennsport, wenn man ihn mal haben möchte? Zum Beispiel an diesem Sonntag auf der Dortmunder Galopprennbahn. Gefühlte Frühlingstemperaturen, keine Konkurrenz durch den Bundesligisten Borussia Dortmund, der letzte Sonntag vor Weihnachten – traditionell ein Tag, an dem sich der Kolumnist auf die Rennbahn wagt. Trotz des meist eintönigen Sandbahn- Allerleis: Guter Besuch wäre bei diesen Temperaturen und der fehlenden Konkurrenz garantiert gewesen.
Nur leider ist der Sonntag in Deutschland diesmal generell ohne Renntag. Dafür öffnet der Dortmunder Rennverein am Mittwoch, den 23. Dezember, seine Pforten. Die PMU macht es möglich und zahlt, aber es wird an einem normalen Alltag kurz vor Weihnachten nur wenige Besucher locken. Und immerhin gab es letzten Sonntag Pferderennen in Dortmund. An einem Sonntag, an dem auch der BVB Eintracht Frankfurt besiegte, was dem Dortmunder Rennverein einige Besucher kostete. Keine Ahnung, warum an diesem Tag nicht Neuss veranstaltete.

Duelle nur noch privat
Es war eine komische Woche für den deutschen Rennsport. Da war der Turf mal in aller Munde, als in einem Zweikampf die Handicapper Gamgoom und Ach was aufeinandertrafen. Eine großartige Idee von Gamgoom-Besitzer Guido Schmitt und eine ebensolche Reaktion von Ach was-Besitzer Christian Sundermann, der die Herausforderung annahm. Die Medien-Resonanz schlug die des Derbys um Längen – einerseits traurig, andererseits funktioniert die moderne Medienlandschaft leider so. BILD wird auch mehr gelesen als die Süddeutsche Zeitung.
Aber so ein Match wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die Spaßbremsen sitzen beim Dachverband DVR: keine Wetten mehr, keine Züchterprämien mehr, die Leistungen zählen nicht. Eben zukünftig ein „Pferdeduell mit Kirmescharakter.“ (Newsletter Aufgalopp). Nun wird an zukünftigen Zweikämpfen nicht der deutsche Turf genesen und wird diese Form nicht permanent einsetzbar sein, aber Charme hatte die Idee schon.
Noch schlimmer waren allerdings die Nachrichten, die aus Bremen kamen. Dort verkündete Wirtschaftssenator Martin Günthner das baldige Ende der dortigen Rennbahn in der Vahr. Ende 2017 soll das Turfgeschehen Wohnungen weichen, die Wohnungsnot im Stadtstaat mache den Zugriff des Senats unabdingbar. Zudem gebe es ein Sonderkündigungsrecht des Senats und davon mache man jetzt eben Gebrauch.

Nur Werder populärer
Nun war das Verhältnis zwischen Bremer Rennverein und Senat schon lange ramponiert, stand der Kurs schon vor zwei Jahren vor dem Ende. Doch immerhin gab es zuletzt zarte Tendenzen der Besserung.
Das sagt auch Fran Lenk, Sprecher des Bremer Rennvereins, in einem Interview mit dem Bremer Weser-Kurier. „….wir haben eine gute Perspektive. Wir waren gerade dabei, den Galopprennsport in Bremen wieder zu beatmen und wären sicherlich über kurz oder lang auch in der Lage gewesen, ein siebtes und gar achtes Rennen (Renntage sind gemeint)zu gestalten.“
Es gebe eine ganze Reihe von Gründen, so Lenk weiter. „Da ist zum einen die Tradition, gerade die Hansestadt steht ja für Tradition – das ist eine tolle Symbiose. Die Rennbahn ist ein Kulturgut, wir haben ein hohes sportliches Niveau, das Areal ist die grüne Lunge in der Vahr. Und die Galopprennbahn ist über das Jahr gesehen nach Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga die zweiterfolgreichste Freiluftsportart.“
„Der Tod eines Standortes ist der rennsportliche Tod der Region, dann fallen Besitzer, Aktive und Besucher weg“, schrieb Turf-Times-Herausgeber Daniel Delius 2013 in seinem Editorial Aufgalopp. Das ist auch heute noch richtig, denn die Liebe zum Rennsport beginnt in der Regel mit dem Besuch einer nahen Rennbahn. Hoffnungsschimmer: Immerhin gibt es auch lokal einige Opposition gegen den Plan des Senators.



Freitag, 11. Dezember 2015
Ein Lob der Stallform
Außenstehende schütteln darüber oft den Kopf, aber die These stimmt: Läuft eines oder laufen mehrere Pferde gut und gewinnen sogar, dann zieht das auch ihre Artgenossen mit. Diese siegen dann ebenfalls, auch wenn andere Mitbewerber vielleicht bessere Vorformen haben. Am letzten Wochenende gab es in England ein gutes Beispiel für gute Stallform: Sieben Pferde sattelte Trainer Gary Moore Freitag und Samstag in Sandown. Sechs Mal triumphierte das Quartier aus Lower Beeding, West Sussex.

Manchmal wären Tipps von außen ganz nützlich. Zum Beispiel am Samstag vor einer Woche. „Mein Freund“, hätten ihnen eine Stimme von außen zugeflüstert, als sie gerade das Rennprogramm des Tages begutachteten. „Wette die Pferde von Gary Moore in Sandown. Flute Bowl, Ar Mad und zur Krönung des Ganzen Sire De Grugy in der Tingle Creek Chase. Neben Siegwetten machst du noch eine Siegschiebe auf die drei. Der Trainer hat großartige Form, gestern hat er mit drei Startern drei Rennen gewonnen.“
Hätte man diese Tipps befolgt und eine Siegschiebe für fünf Euro gespielt, hätte man fast 1950 Euro gewonnen. Keine schlechte Rendite, aber natürlich blieb die Stimme von außen ungehört.
Weil es gegen jedes dieser Pferde auch Gegen-Argumente gab: Flute Bowl lief etwa in einem sehr ausgeglichen besetzten Stuten-Handicap, Ar Mad traf in der Henry VII Chase (Gr. 2) auf hoch eingeschätzte Kandidaten prominenter Stelle und Stallcrack Sire De Grugy enttäuschte beim Saisonauftakt wie in der Saison zuvor.

Familiensache
Trainer Gary Moore gilt als harter Arbeiter, zählt aber nicht zu den Großen der Branche. Der Stall ist ein Familienbetrieb – Vater Coach, die Söhne Jamie und Joshua reiten, ein weiterer Sohn ist der Top-Flachjockey Ryan Moore, trainiert werden sowohl Hindernis- als auch Flachpferde. Karinga Bay war zu Beginn der neunziger Jahre ein bekanntes Pferd, das unter anderen den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann. Aber in der Regel betreute Moore schwächere Kandidaten, die Erfolge von Sire De Grugy in den Grade 1-Prüfungen waren die bislang größten seiner Karriere.
Aber am Samstag lief alles optimal: Flute Bowl gewann sicher, Ar Mad sprang und galoppierte die Kontrahenten von der Spitze aus müde und der Sire profitierte auch ein wenig vom Pech seines Rivalen Special Tiara, überstand zudem eine Überprüfung. Der Kolumnist hängte sich zumindest beim Sire mit einer Wette rein, obwohl Special Tiara sein Mumm war. Aber die Frage stellt sich dennoch: Hat der Moore-Schützling, das überragende Pferd der Saison 2013/2014 über die kurze Jagdstrecke, wieder an die Bestform anknüpfen können? Oder haben ihn die guten Leistungen seiner Kollegen beflügelt?

Spezialisten
Für Außenstehende ist das Thema Stallform schon ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen?
Erklärungen sind schwer, doch Beispiele, dass sich Pferde eines Stalles beflügeln können, existieren viele. Die andere Seite: Alle Pferde eines Quartiers laufen schlecht. Dafür gibt es eher Gründe: Etwa ein Virus im Stall, der alle Insassen beeinträchtigt.
Beim Thema Stallform fällt einem der Begriff Meeting-Spezialist ein – etwas, das sich auch in Deutschland beobachten lässt. In Baden-Baden fällt da etwa der Name Hans Jürgen Gröschel, dessen Starter oft durch die Bank gut laufen. Vor ein paar Jahren räumten mal dort die Handicapper von Besitzer-Trainer Christian Peterschmitt, ebenso die Pferde von Nadine Verheyen vom Stall Molenhof. Die leider verstorbenen Dortmunder Trainer Uwe Stoltefuß und Norbert Sauer waren jahrelang ebenfalls Spezialisten, dessen Starter auf den Meetings in Baden-Baden und Hamburg zu beachten waren und oft sehr gut liefen.
Manche Trainer sind erwiesene Frühstarter, bei anderen kommen die Pferde erst im Herbst in Bestform. Und andere haben eben nur an einem Tag ihre Pferde in Top-Form. Jedenfalls hat es sich in den Jahren bewährt, bei Tipps die Stallform einzubeziehen. Manchmal funktioniert es nicht – in den meisten Fällen aber doch.
Alle kamen bei Trainer Moore übrigens auch nicht durch: Leo Lunar endete im letzten Rennen im englischen Sandown im geschlagenen Feld. Obwohl die Wetter das Pferd ziemlich runter im Kurs gewettet hatten, wurde es nicht mit dem vierten Sieg für das Quartier. Aber sonst war es ein Wochenende, dass der englische Hindernis-Trainer und sein Team ihr Leben lang nicht vergessen werden. „Sandown ist die beste Rennbahn der Welt – zumindest für uns“, sagte ein glücklicher Moore.



Donnerstag, 3. Dezember 2015
Derby-Starter 2015: Ein schwacher Jahrgang
Schon im Vorfeld häuften sich die Hiobsbotschaften: Mit Karpino und Quasillo verabschiedeten sich früh zwei Top-Favoriten verletzungsbedingt und liefen nicht im wichtigsten Rennen eines Vollblüters. Es ist wieder Zeit zur Analyse: Wie entwickelten sich die Derby-Starter weiter. Das Ergebnis ist ein wenig ernüchternd.



Derbysieger Nutan musste früh die Renn-Karriere beenden (Foto Rühl/German Racing)

Nutan: Der überlegene Derbysieger, der wie ein Pferd anderer Klasse siegte. Das war erst sein vierter Lebensstart, aber leider folgte nur noch ein weiterer. Dabei schlug sich Nutan sehr achtbar im Großen Preis von Berlin gegen Cracks wie Second Step und Ito, wurde Dritter. Doch das war sein letzter Start, verletzungsbedingt beendete der Duke-of-Marmalade-Sohn seine Laufbahn und wurde Deckhengst.

Palace Prince: Eine der größten Derby-Überraschungen, weil ihm nur wenige das Stehvermögen für 2400 Meter zugetraut hatten. Danach sattelte ihn Trainer Löwe im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3) über 2050 Meter und Palace Prince siegte knapp gegen den talentierten Iquitos. Später griffen die Verantwortlichen nach den Sternen: Die Leistung als Vierter im Großen Preis von Baden (Gr. 1) war ordentlich, die Aufgabe in den Champion Stakes in Ascot eine Nummer zu groß.

Fair Mountain: Lief ein tolles Rennen aus dem Vordertreffen und sorgte mit seinem dritten Platz für einen kleinen Trost im Wöhler-Quartier. Beim nächsten Start im Preis der Deutschen Einheit am 3. Oktober war er laut Trainer-Homepage „zu frisch“ und wurde Siebter von acht Pferden. Aber der Fokus lag eh’ auf dem Großen Preis von Bayern am 1. November und mit dem dritten Platz hinter den überlegenen Ito und Prince Gibraltar zeigte sich das Quartier sehr zufrieden.

Areo: Der Derby-Tipp dieser Kolumne, verkaufte sich als Vierter ordentlich und hatte einen sehr starken Moment auf der Geraden. Eine Siegchance besaß er jedoch nicht, aber die Leistung war schon formgemäß. Kein weiterer Start in Deutschland, das Gestüt Ittlingen verkaufte den Hengst bereits Ende Juli nach Hongkong.

Rogue Runner: So recht konnte der Hengst seine Vorschusslorbeeren nie einlösen. Schon vorher glich seine Karriere einem Wellental und das setzte sich auch fort. Der Derby-Lauf auf Platz 5 war eine seiner besseren Leistungen, danach kam eine weitere Enttäuschung in Krefeld. Platz 4 im Bosporus-Cup in Istanbul zeigte wieder das bessere Gesicht. Auf der Arc-Sale im Oktober wechselte der King’s Best-Sohn den Besitzer. Der erste Start für Eckhard Sauren und Trainer Mario Hofer endete als 15 von 16 in einem Listenrennen in Deauville.

Summer Paradies: Sechster im Derby, danach kein weiterer Start. Der Hengst musste wegen einer Verletzung pausieren und wechselte von Trainer Jens Hirschberger zum Kollegen Marco Klein.

Molly Le Clou: Der Derby-Siebte ging wieder zurück auf die Meile, zumal er auf dieser Distanz als Dritter im Mehl-Mülhens-Rennen seine beste Leistung zeigte. Zwei Starts in der Topkapi Trophy/Istanbul (Gruppe 2) und im Premio Vittorio Di Capua/Mailand (Gruppe 1), zweimal war der Schimmel deutlich geschlagen.

Isidor: Achter im Derby, gut gewettet, aber nie ein Faktor. Nach dem Derby-Start kam der Schlenderhaner nicht mehr auf die Bahn.

Iraklion: Der Derby-Neunte hat immerhin vier Starts nach der Hamburger Prüfung absolviert. Dabei belegte der Schützling von Trainer Christian Sprengel dreimal Platz 4, besonders die Leistungen in den Listenrennen über Steher-Distanzen lesen sich ganz ordentlich.

Lovato: Ging sieglos ins Derby, wurde 10 und enttäuschte danach als 14:10-Schuss in einem Maidenrennen in Hoppegarten, als der Ittlinger gegen die Schlenderhanerin Amazona unterlag.

Shimrano: Der Union-Sieger startete als Favorit, doch er fand nie ins Rennen und endete weit geschlagen als 11. Eine rätselhafte Vorstellung, nach der Prüfung kritisierten die australischen Besitzer Trainer Paul Harley wegen zu hartem Training und Jockey Adrie de Vries für seinen Ritt. Nach dem Derby lief Shimrano nicht mehr. Trainer Harley kündigte seinen Trainerjob, obwohl diese Entscheidung schon vor dem Derby fiel.

Shadow Sadness: 12. in Hamburg und danach viermal chancenlos, unter anderem im St. Leger in Dortmund. Der Überraschungs-Erfolg im Frankfurter Metzler-Preis aus dem April wurde eigentlich nie bestätigt.

Graasten: Platz 13 im Derby, im Laufe des Jahres kamen drei weitere Starts hinzu. Ob Ausgleich 1 in Hoppegarten, Auktionsrennen in Baden-Baden oder Altersgewichtsrennen in Maisons Laffitte: Jedes Mal blieb der Ebbesloher ohne Chance.

Koffi Prince: Wenigstens ein Pferd, das ein Rennen nach dem Derby gewann. Der markante Fuchs aus dem Rennstall Darboven siegte im Oktober in Hoppegarten im Ausgleich 1. Weiterhin platzierte sich der 14. im Derby in zwei weiteren guten Handicaps.

Nordic Flight: Im Derby als 15. eine kleine Enttäuschung, lieferte das Pferd aus dem Stall von Peter Schiergen danach immerhin drei solide Leistungen ab: Sieg im Badener Auktionsrennen (siehe Video unten), Zweiter in einem Düsseldorfer Listenrennen und Platz 3 im klassischen St. Leger in Dortmund. Bei der Arc-Sale ging der Adlerflug-Sohn für 300 000 Euro an australische Interessenten.



Bonusdargent: Einer der größten Außenseiter im Derby und dort als 16. ohne Möglichkeiten. Nach Hamburg unplatziert im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3), im Herbst wechselte der Hengst von Trainerin Erika Mäder zur Kollegin Pia Brandt nach Frankreich. Dort begann er immerhin mit einem Sieg und Platz 2 in Altersgewichtsrennen, bei zwei weiteren Starts in Listenrennen erntete der Neu-Franzose nichts.

Hot Beat: Vorletzter im Derby. Die beste Leistung bei drei späteren Starts war ein zweiter Platz im Ausgleich 1 hinter Moscatello. Im St. Leger landete der Ammerländer im Mittelfeld.

Shining Rules: Letzter in Hamburg, diese Anstrengungen forderten ihren Tribut. Die beste Leistung war noch ein zweiter Platz im Bad Harzburger Auktionsrennen, die anderen Starts in Auktionsrennen und im Ausgleich 2 endeten unplatziert.

Urteil
Nach den Leistungen der Derby-Teilnehmer 2015 ist die Klasse von 2012 eine schlechte. Nur Palace Prince gewann nach dem Derby ein (schwaches) Gruppe-Rennen, nur drei weitere Pferde siegten überhaupt. Natürlich ist es Pech, das hoch gehandelte Kandidaten wie Quasillo und Karpino sich früh verletzten und der überlegene Derbysieger Nutan nach nur einem weiteren Start seine Laufbahn beenden musste. Dennoch ist die Bilanz der Derby-Starter reichlich dürftig. Die beste Vertreterin des Vollblut-Jahrgangs 2012 lief nicht im Hamburger Rennen: die Stute Nightflower siegte unter anderem im Kölner Preis von Europa. Immerhin trug sie die gleichen Farben wie der Derby-Triumphator.

Quellen: eigene Recherchen, Turf-Times, Racebets, Galopponline