Dienstag, 1. Dezember 2015
Als „Lüdenscheid“ mal Gerald Asamoah applaudierte
„Dieser Weg wird kein leichter sein“ – irgendwie logisch, dass Ex-Profi Gerald Asamoah seine Biografie so titelt. War doch dieser Song von Xavier Naidoo die Mannschaftshymne der deutschen Nationalelf bei der Heim-WM 2006. Asamoah war der Mann für die Beschallung des Teams. Der einstige Stürmer hat eine interessante Geschichte, doch leider fehlt es seiner 2013 erschienenen Biografie ein wenig an Tiefe. Es gibt allerdings schon ein paar markante Stellen.

Zum Beispiel die Erinnerungen an einen Juni-Abend in Cottbus im Jahre 1997. Das entscheidende Spiel um den Regionalliga-Aufstieg zwischen Energie Cottbus und Hannover 96, dem damaligen Club Asamoahs. Immer wenn der in Ghana geborene Spieler und sein Mitspieler Otto Addo am Ball waren, tönten rassistische Affenlaute durch das „Stadion der Freundschaft“. Diese pfeifenden Schwachmaten waren einfach nur daneben und dieses Erlebnis erschüttert Asamoah heute noch. „Es war Hass pur und ein Spießrutenlauf bis in die Kabine“, erinnert er sich.
Mit Rassismus wird der Stürmer einige Mal in seiner Laufbahn konfrontiert. Nicht nur in Cottbus oder später in Rostock. So hatte er schon ein paar Bedenken bei seinem Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. „Ich bin von allen deutschen Nationalspielern am schwärzesten“, sagte er. Doch zum Glück blieben die rassistischen Idioten im Hintergrund, Asamoah nahm an den zwei Weltmeisterschaften 2002 und 2006 teil und bestritt immerhin 43 Länderspiele.
Dabei hing seine Karriere schon am seidenen Faden, denn eine „Verdickung der Herzscheidewand“ bedrohte die sportliche Laufbahn. Erst eine Untersuchung in den USA beendete die Zweifel.
Asamoah ist ein lustiger Typ. Aber auch dem fehlen manchmal die Worte. So wie bei seinem ersten Auftritt im Kreise der Nationalmannschaft. „Das Essen blieb fast unberührt“, so beeindruckt war er von den Kollegen, die noch vor gar nicht langer Zeit seine Idole waren. Eine erstaunliche Entwicklung, stellt er fest: „Noch vor kurzem wurde ich als Nigger beschimpft und mit Bananen beworfen, jetzt war ich Nationalspieler mit Erfolg“.

Schalker Idol
Ein paar nette Anekdoten gibt es zudem: Etwa, wenn Asamoah mit Schalke-Tasche beim Debüt in der Nationalmannschaft auftaucht. Erstaunlich: Ich wusste gar nicht, dass Profis Sporttaschen haben. Ich dachte, sie hätten nur Kulturbeutel. Immerhin ist der Ausstatter der Gleiche.
Dennoch bleibt vieles in dieser Biografie an der Oberfläche, fehlt etwas die Tiefe. Enttäuschend etwa die Schilderungen über die Zeit in Schalke. Kaum ein Spieler passt so gut zum Ruhrgebiets-Fußball wie der Kämpfer Gerald Asamoah, der sich zudem großartig mit dem Klub identifiziert. Doch dieser Teil liest sich manchmal so wie die oftmals grauenhaften Meisterserien, die in kicker, Bild oder Sport-Bild erscheinen.
Immerhin hatte er ein versöhnliches Erlebnis, als er 2011 im Dortmunder Heinrich Heine-Gymnasium trotz Bedenken zum Thema Fremdenfeindlichkeit sprach und im gelb-schwarzen Herzland mit Applaus bedacht wurde. Denn bei vielen eingefleischten BVB-Fans ist Asamoah nicht beliebt. Eben weil er jahrelang beim Erzrivalen Schalke spielte und „sich in den Revierderbys immer richtig reingehauen hat.“ Und weil er im Vorfeld auch immer einen dummen Spruch Richtung „Lüdenscheid“ losließ und so die Stimmung anheizte.
Dabei hätten die Dortmunder Fans die kämpferische Spielweise von Asa“ geliebt, wenn er denn statt des blauweißen einen schwarzgelben Dress getragen hätte. Zudem kommt der Autor Peter Großmann, bekannt als Moderator im ARD-Morgenmagazin, aus Dortmund. Es geht doch mit Dortmund und Gelsenkirchen.

Das Buch


Fokus Fussball



Donnerstag, 26. November 2015
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“
Die Nachricht kam doch ziemlich überraschend: Red Cadeaux ist an den Folgen seiner Verletzung im Melbourne Cup gestorben. Kleiner Schock am Sonntagmorgen: Denn eigentlich schien der Wallach nicht mehr gefährdet, von einem Ruhestand inmitten anderer Legenden in Australien war die Rede. Nachruf auf ein großartiges Rennpferd, das nicht nur Down under die Massen bewegte.

Das Problem bei vielen guten Flachrennpferden? Sie sind einfach viel zu kurz aktiv – ein Jahr, maximal zwei. Bestes Beispiel ist Golden Horn, aktueller englischer Derbysieger und Arc-Triumphator. Leider tanzte er nur eine Turf-Saison. Das liegt natürlich am System Rennsport und Vollblutzucht. Denn es folgt eine lukrative Karriere als Deckhengst, weitere kleine Golden Horns lassen ihre Besitzer hoffen und viel Geld bezahlen. Doch leider werden Helden der Rennbahn nicht in zwei Jahren gemacht.
Es sind die erst Unscheinbaren, die diese Rolle übernehmen. Die Pferde, die dreijährig im klassischen Alter gar nicht entdeckt waren, weil ihre Leistungen noch nicht gut genug waren. Wie Red Cadeaux: ein fuchsfarbener Hengst (damals noch). Der Vater war ein guter Sprinter namens Cadeaux Genereux. Die Mutter Artiste lief dreimal, wurde einmal in einem Rennen mit nur drei Startern weit geschlagen Zweite. Das war ihre beste Leistung. Auch ihre späteren Nachkommen hinterließen keine großen Spuren.
Ron Arculli kaufte den jungen Red Cadeaux für 55 000 Guineas und schickte ihn zu Ed Dunlop ins Training. Dunlop ist ein bekannter Name im englischen Turf, schon Vater John Dunlop feierte schöne Trainer-Erfolge. Das beste Pferd von Sohn Ed war die grandiose Stute Ouija Board. Dunlop junior gilt als Trainer, der seinen Pferden Zeit lässt.
So war das auch mit Red Cadeaux: Das Debüt absolvierte er dreijährig am 13. April 2009 in den Toteplacepot Maiden Stakes in Yarmouth über die Meile. Favoriten waren andere, das Pferd von Besitzer Ron Arculli wurde als 50:1-Schuss Sechster. Auch der nächste Start in Kempton erneut über die Meile brachte keine Verbesserung: Wieder landete Red Cadeaux als 50:1-Chance im Mittelfeld.
Erst beim vierten Start auf der Allwetterbahn in Wolverhampton platzte im Handicap über lange 2400 Meter der Knoten: Der Fuchs siegte deutlich vor Decorum, später übrigens in Deutschland trainiert von Sascha Smrczek. „Ein fortschrittlicher Typ, der noch weiter nach oben klettern sollte“, analysierte die Racing Post. Das Fachblatt sollte Recht behalten.

Löwenherz
Weitere gute Leistungen folgten und vierjährig hatte sich Red Cadeaux weiter verbessert. Er gewann ein besseres Handicap in Lingfield und lief in guten Rennen. Zum ersten Mal fiel der Fuchs dem Kolumnisten auf, als er im Old Borough Cup, einem Heritage Handicap über 2800 Meter und dotiert mit rund 70 000 Pfund, Zweiter wurde. Schon damals zeigte er viel Kampfgeist, doch es reichte nicht ganz. Einige Wochen später wurde er wiederum Zweiter im Cesarewitch Trial in Newmarket.
Je länger die Strecke war, desto besser wurde der Sohn eines Sprinters. Dazu erreichte er erst mit fünf, sechs und sieben Jahren den Zenit seines Leistungsvermögens. Aber es waren nicht unbedingt die Siege, für die Red Cadeaux bekannt wurde.
Denn sieben Erfolge bei 54 Starts sind keine Bilanz eines Siegertypen, obwohl er einige schöne erste Plätze feierte. Zum Beispiel der Curragh Cup auf der gleichnamigen irischen Bahn, der erste Gruppe-Sieg. Oder der auch finanziell sehr lukrative Triumph in der Hong Kong Vase im Dezember 2012, übrigens sein letzter Erfolg.



Fette Beute: Der Treffer in der Hong Kong Vase

Doch es waren die zweiten Plätze, mit denen Red Cadeaux die Herzen des Rennvolks eroberte. Im Sport liebt man oft den knapp geschlagenen Verlierer mehr als den Gewinner. Die drei zweiten Plätze im Melbourne Cup – dem Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillsteht – machten Red Cadeaux zum Helden. 2011 mit Nase von Dunaden geschlagen, 2013 eine drei-viertel Länge gegen Fiorente unterlegen und dann 2014 mit acht Jahren ehrenvoller Zweiter hinter Protectionist – das ist eigentlich die Bilanz eines Siegers.
Leider wurde dann auch der Melbourne Cup quasi sein Schicksal. Das Bild vom weinenden Jockey Gerald Mosse ging um die Welt, als er den verletzten Red Cadeaux angehalten hatte. Fast fünf Millionen Pfund galoppierte Red Cadeaux in seiner sechsjährigen Karriere ein. Er lief in England, Schottland, Irland, Dubai, Frankreich, Hongkong, Singapur, Japan und Australien.
„Er hatte das Herz eines Löwen und wusste nie, wann er aufgeben sollte“, sagte sein Trainer Ed Dunlop. „Das ist der traurigste Moment in meinem Leben“, so der Trainer nach dem Tod von Red Cadeaux. „Er war ein vielgeliebtes Mitglied unserer Familie.“
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“, erklärte Victoria Racing Club Chief Executive Simon Love. Natürlich findet der Vielgeliebte seine letzte Ruhestätte auf der Rennbahn in Flemington, dem Ort des Melbourne Cups.

Die Tribut-Seite der Racing Post



Montag, 23. November 2015
77er Dornberger Tresen-Leben


Auch heute noch sehenswert: Doku über einen Amateur-Verein aus Bielefeld

Innenansichten eines Fußball-Vereins: Der ZDF-Sportspiegel hat 1977 den Amateur-Fußballverein TuS Dornberg 02 besucht. Das Ergebnis ist ein starkes Zeitdokument aus den siebziger Jahren mit dem passenden Namen „Verlängerung am Tresen“.

Autor dieses Schätzchens ist der ZDF-Sportjournalist Michael Palme, 2010 leider verstorben. Palme war jemand, der viele Dinge im Sport immer wieder hinterfragte. Wie ein Journalist das machen sollte, doch galt er für manche im Sport auch als Dauernörgler.
Dass Palme sein Handwerk verstand, zeigte er mit dieser Dokumentation über den Bielefelder Vorortverein TuS Dornberg 02. Überwiegend traf das ZDF-Team seine Protagonisten in der Vereinskneipe Horstkotte. Denn dort spielte bzw. spielt sich ein großer Teil des Vereinslebens ab.
Jeder, der selbst aktiv Fußball gespielt hat und ein wenig älter ist, kennt das: In der Vereinskneipe bzw. am Tresen feiert man immer noch die größten Erfolge. Da gibt es überraschende Eingeständnisse, lasten Niederlagen nicht mehr so schwer, Siege jedoch werden zu Triumphen. Und man lernt die Mitspieler erst richtig kennen. Gute Vereine zeichnen sich auch durch ein aktives Leben außerhalb des Platzes aus.
Wie der TuS Dornberg: Die erste Mannschaft stieg 1977 in die Landesliga auf. Eine Liga, in der auch damals schon im Amateurfußball Geld bezahlt wurde. Sportlich durchaus ambitioniert: Spieler, die vor jedem Spiel in den Kneipen versackten, hatten (und haben) dort keine Chance.

Aus dem Leben
Palme und sein Team fangen dieses Geschehen großartig ein. Weil sie dokumentieren und nur sparsam kommentieren. So erlebt der Zuschauer Typen wie Gerd „Klöte“ Menger, Spieler der ersten Mannschaft und auch im Feiern ganz groß.
Es sind Szenen ohne Glamour und falsches Gehabe: Die Protagonisten sind bodenständig, jeder wird geduzt, man kennt sich. Der Sportplatz ist ein Aschenpl atz, der bei jedem Regen unter Wasser steht.
Hartmut Ostrowski, ein anderer Spieler der ersten Mannschaft, machte später große Karriere und war von 2008 bis 2011 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG. Eine Zeit, die ihn aber viel Kraft kostete und zum Burnout führte. „Ich bin viele Mal gestorben“, gestand er der FAZ.
Der TuS Dornberg erlebt derzeit auch schwierige Zeiten: Die erste Mannschaft wurde zu Saisonbeginn aus der Landesliga abgemeldet, nachdem sie jahrelang immerhin in der Oberliga Westfalen kickte. David Odonkor, einst schneller Stürmer von Borussia Dortmund, war in Dornberg kurz mal mal Trainer in der Westfalenliga.
Die ambitionierten Zeiten sind wohl vorbei: Die eigentlich zweite Mannschaft, die jetzt aber die Erste ist, spielt ganz unten in der Kreisliga C. Immerhin ist sie dort Tabellenführer und Spaß macht es offenbar auch. Und aus dem Aschenplatz wurde ein schöner Kunstrasenplatz.