Freitag, 11. Dezember 2015
Ein Lob der Stallform
Außenstehende schütteln darüber oft den Kopf, aber die These stimmt: Läuft eines oder laufen mehrere Pferde gut und gewinnen sogar, dann zieht das auch ihre Artgenossen mit. Diese siegen dann ebenfalls, auch wenn andere Mitbewerber vielleicht bessere Vorformen haben. Am letzten Wochenende gab es in England ein gutes Beispiel für gute Stallform: Sieben Pferde sattelte Trainer Gary Moore Freitag und Samstag in Sandown. Sechs Mal triumphierte das Quartier aus Lower Beeding, West Sussex.

Manchmal wären Tipps von außen ganz nützlich. Zum Beispiel am Samstag vor einer Woche. „Mein Freund“, hätten ihnen eine Stimme von außen zugeflüstert, als sie gerade das Rennprogramm des Tages begutachteten. „Wette die Pferde von Gary Moore in Sandown. Flute Bowl, Ar Mad und zur Krönung des Ganzen Sire De Grugy in der Tingle Creek Chase. Neben Siegwetten machst du noch eine Siegschiebe auf die drei. Der Trainer hat großartige Form, gestern hat er mit drei Startern drei Rennen gewonnen.“
Hätte man diese Tipps befolgt und eine Siegschiebe für fünf Euro gespielt, hätte man fast 1950 Euro gewonnen. Keine schlechte Rendite, aber natürlich blieb die Stimme von außen ungehört.
Weil es gegen jedes dieser Pferde auch Gegen-Argumente gab: Flute Bowl lief etwa in einem sehr ausgeglichen besetzten Stuten-Handicap, Ar Mad traf in der Henry VII Chase (Gr. 2) auf hoch eingeschätzte Kandidaten prominenter Stelle und Stallcrack Sire De Grugy enttäuschte beim Saisonauftakt wie in der Saison zuvor.

Familiensache
Trainer Gary Moore gilt als harter Arbeiter, zählt aber nicht zu den Großen der Branche. Der Stall ist ein Familienbetrieb – Vater Coach, die Söhne Jamie und Joshua reiten, ein weiterer Sohn ist der Top-Flachjockey Ryan Moore, trainiert werden sowohl Hindernis- als auch Flachpferde. Karinga Bay war zu Beginn der neunziger Jahre ein bekanntes Pferd, das unter anderen den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann. Aber in der Regel betreute Moore schwächere Kandidaten, die Erfolge von Sire De Grugy in den Grade 1-Prüfungen waren die bislang größten seiner Karriere.
Aber am Samstag lief alles optimal: Flute Bowl gewann sicher, Ar Mad sprang und galoppierte die Kontrahenten von der Spitze aus müde und der Sire profitierte auch ein wenig vom Pech seines Rivalen Special Tiara, überstand zudem eine Überprüfung. Der Kolumnist hängte sich zumindest beim Sire mit einer Wette rein, obwohl Special Tiara sein Mumm war. Aber die Frage stellt sich dennoch: Hat der Moore-Schützling, das überragende Pferd der Saison 2013/2014 über die kurze Jagdstrecke, wieder an die Bestform anknüpfen können? Oder haben ihn die guten Leistungen seiner Kollegen beflügelt?

Spezialisten
Für Außenstehende ist das Thema Stallform schon ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen?
Erklärungen sind schwer, doch Beispiele, dass sich Pferde eines Stalles beflügeln können, existieren viele. Die andere Seite: Alle Pferde eines Quartiers laufen schlecht. Dafür gibt es eher Gründe: Etwa ein Virus im Stall, der alle Insassen beeinträchtigt.
Beim Thema Stallform fällt einem der Begriff Meeting-Spezialist ein – etwas, das sich auch in Deutschland beobachten lässt. In Baden-Baden fällt da etwa der Name Hans Jürgen Gröschel, dessen Starter oft durch die Bank gut laufen. Vor ein paar Jahren räumten mal dort die Handicapper von Besitzer-Trainer Christian Peterschmitt, ebenso die Pferde von Nadine Verheyen vom Stall Molenhof. Die leider verstorbenen Dortmunder Trainer Uwe Stoltefuß und Norbert Sauer waren jahrelang ebenfalls Spezialisten, dessen Starter auf den Meetings in Baden-Baden und Hamburg zu beachten waren und oft sehr gut liefen.
Manche Trainer sind erwiesene Frühstarter, bei anderen kommen die Pferde erst im Herbst in Bestform. Und andere haben eben nur an einem Tag ihre Pferde in Top-Form. Jedenfalls hat es sich in den Jahren bewährt, bei Tipps die Stallform einzubeziehen. Manchmal funktioniert es nicht – in den meisten Fällen aber doch.
Alle kamen bei Trainer Moore übrigens auch nicht durch: Leo Lunar endete im letzten Rennen im englischen Sandown im geschlagenen Feld. Obwohl die Wetter das Pferd ziemlich runter im Kurs gewettet hatten, wurde es nicht mit dem vierten Sieg für das Quartier. Aber sonst war es ein Wochenende, dass der englische Hindernis-Trainer und sein Team ihr Leben lang nicht vergessen werden. „Sandown ist die beste Rennbahn der Welt – zumindest für uns“, sagte ein glücklicher Moore.



Donnerstag, 3. Dezember 2015
Derby-Starter 2015: Ein schwacher Jahrgang
Schon im Vorfeld häuften sich die Hiobsbotschaften: Mit Karpino und Quasillo verabschiedeten sich früh zwei Top-Favoriten verletzungsbedingt und liefen nicht im wichtigsten Rennen eines Vollblüters. Es ist wieder Zeit zur Analyse: Wie entwickelten sich die Derby-Starter weiter. Das Ergebnis ist ein wenig ernüchternd.



Derbysieger Nutan musste früh die Renn-Karriere beenden (Foto Rühl/German Racing)

Nutan: Der überlegene Derbysieger, der wie ein Pferd anderer Klasse siegte. Das war erst sein vierter Lebensstart, aber leider folgte nur noch ein weiterer. Dabei schlug sich Nutan sehr achtbar im Großen Preis von Berlin gegen Cracks wie Second Step und Ito, wurde Dritter. Doch das war sein letzter Start, verletzungsbedingt beendete der Duke-of-Marmalade-Sohn seine Laufbahn und wurde Deckhengst.

Palace Prince: Eine der größten Derby-Überraschungen, weil ihm nur wenige das Stehvermögen für 2400 Meter zugetraut hatten. Danach sattelte ihn Trainer Löwe im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3) über 2050 Meter und Palace Prince siegte knapp gegen den talentierten Iquitos. Später griffen die Verantwortlichen nach den Sternen: Die Leistung als Vierter im Großen Preis von Baden (Gr. 1) war ordentlich, die Aufgabe in den Champion Stakes in Ascot eine Nummer zu groß.

Fair Mountain: Lief ein tolles Rennen aus dem Vordertreffen und sorgte mit seinem dritten Platz für einen kleinen Trost im Wöhler-Quartier. Beim nächsten Start im Preis der Deutschen Einheit am 3. Oktober war er laut Trainer-Homepage „zu frisch“ und wurde Siebter von acht Pferden. Aber der Fokus lag eh’ auf dem Großen Preis von Bayern am 1. November und mit dem dritten Platz hinter den überlegenen Ito und Prince Gibraltar zeigte sich das Quartier sehr zufrieden.

Areo: Der Derby-Tipp dieser Kolumne, verkaufte sich als Vierter ordentlich und hatte einen sehr starken Moment auf der Geraden. Eine Siegchance besaß er jedoch nicht, aber die Leistung war schon formgemäß. Kein weiterer Start in Deutschland, das Gestüt Ittlingen verkaufte den Hengst bereits Ende Juli nach Hongkong.

Rogue Runner: So recht konnte der Hengst seine Vorschusslorbeeren nie einlösen. Schon vorher glich seine Karriere einem Wellental und das setzte sich auch fort. Der Derby-Lauf auf Platz 5 war eine seiner besseren Leistungen, danach kam eine weitere Enttäuschung in Krefeld. Platz 4 im Bosporus-Cup in Istanbul zeigte wieder das bessere Gesicht. Auf der Arc-Sale im Oktober wechselte der King’s Best-Sohn den Besitzer. Der erste Start für Eckhard Sauren und Trainer Mario Hofer endete als 15 von 16 in einem Listenrennen in Deauville.

Summer Paradies: Sechster im Derby, danach kein weiterer Start. Der Hengst musste wegen einer Verletzung pausieren und wechselte von Trainer Jens Hirschberger zum Kollegen Marco Klein.

Molly Le Clou: Der Derby-Siebte ging wieder zurück auf die Meile, zumal er auf dieser Distanz als Dritter im Mehl-Mülhens-Rennen seine beste Leistung zeigte. Zwei Starts in der Topkapi Trophy/Istanbul (Gruppe 2) und im Premio Vittorio Di Capua/Mailand (Gruppe 1), zweimal war der Schimmel deutlich geschlagen.

Isidor: Achter im Derby, gut gewettet, aber nie ein Faktor. Nach dem Derby-Start kam der Schlenderhaner nicht mehr auf die Bahn.

Iraklion: Der Derby-Neunte hat immerhin vier Starts nach der Hamburger Prüfung absolviert. Dabei belegte der Schützling von Trainer Christian Sprengel dreimal Platz 4, besonders die Leistungen in den Listenrennen über Steher-Distanzen lesen sich ganz ordentlich.

Lovato: Ging sieglos ins Derby, wurde 10 und enttäuschte danach als 14:10-Schuss in einem Maidenrennen in Hoppegarten, als der Ittlinger gegen die Schlenderhanerin Amazona unterlag.

Shimrano: Der Union-Sieger startete als Favorit, doch er fand nie ins Rennen und endete weit geschlagen als 11. Eine rätselhafte Vorstellung, nach der Prüfung kritisierten die australischen Besitzer Trainer Paul Harley wegen zu hartem Training und Jockey Adrie de Vries für seinen Ritt. Nach dem Derby lief Shimrano nicht mehr. Trainer Harley kündigte seinen Trainerjob, obwohl diese Entscheidung schon vor dem Derby fiel.

Shadow Sadness: 12. in Hamburg und danach viermal chancenlos, unter anderem im St. Leger in Dortmund. Der Überraschungs-Erfolg im Frankfurter Metzler-Preis aus dem April wurde eigentlich nie bestätigt.

Graasten: Platz 13 im Derby, im Laufe des Jahres kamen drei weitere Starts hinzu. Ob Ausgleich 1 in Hoppegarten, Auktionsrennen in Baden-Baden oder Altersgewichtsrennen in Maisons Laffitte: Jedes Mal blieb der Ebbesloher ohne Chance.

Koffi Prince: Wenigstens ein Pferd, das ein Rennen nach dem Derby gewann. Der markante Fuchs aus dem Rennstall Darboven siegte im Oktober in Hoppegarten im Ausgleich 1. Weiterhin platzierte sich der 14. im Derby in zwei weiteren guten Handicaps.

Nordic Flight: Im Derby als 15. eine kleine Enttäuschung, lieferte das Pferd aus dem Stall von Peter Schiergen danach immerhin drei solide Leistungen ab: Sieg im Badener Auktionsrennen (siehe Video unten), Zweiter in einem Düsseldorfer Listenrennen und Platz 3 im klassischen St. Leger in Dortmund. Bei der Arc-Sale ging der Adlerflug-Sohn für 300 000 Euro an australische Interessenten.



Bonusdargent: Einer der größten Außenseiter im Derby und dort als 16. ohne Möglichkeiten. Nach Hamburg unplatziert im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3), im Herbst wechselte der Hengst von Trainerin Erika Mäder zur Kollegin Pia Brandt nach Frankreich. Dort begann er immerhin mit einem Sieg und Platz 2 in Altersgewichtsrennen, bei zwei weiteren Starts in Listenrennen erntete der Neu-Franzose nichts.

Hot Beat: Vorletzter im Derby. Die beste Leistung bei drei späteren Starts war ein zweiter Platz im Ausgleich 1 hinter Moscatello. Im St. Leger landete der Ammerländer im Mittelfeld.

Shining Rules: Letzter in Hamburg, diese Anstrengungen forderten ihren Tribut. Die beste Leistung war noch ein zweiter Platz im Bad Harzburger Auktionsrennen, die anderen Starts in Auktionsrennen und im Ausgleich 2 endeten unplatziert.

Urteil
Nach den Leistungen der Derby-Teilnehmer 2015 ist die Klasse von 2012 eine schlechte. Nur Palace Prince gewann nach dem Derby ein (schwaches) Gruppe-Rennen, nur drei weitere Pferde siegten überhaupt. Natürlich ist es Pech, das hoch gehandelte Kandidaten wie Quasillo und Karpino sich früh verletzten und der überlegene Derbysieger Nutan nach nur einem weiteren Start seine Laufbahn beenden musste. Dennoch ist die Bilanz der Derby-Starter reichlich dürftig. Die beste Vertreterin des Vollblut-Jahrgangs 2012 lief nicht im Hamburger Rennen: die Stute Nightflower siegte unter anderem im Kölner Preis von Europa. Immerhin trug sie die gleichen Farben wie der Derby-Triumphator.

Quellen: eigene Recherchen, Turf-Times, Racebets, Galopponline



Dienstag, 1. Dezember 2015
Als „Lüdenscheid“ mal Gerald Asamoah applaudierte
„Dieser Weg wird kein leichter sein“ – irgendwie logisch, dass Ex-Profi Gerald Asamoah seine Biografie so titelt. War doch dieser Song von Xavier Naidoo die Mannschaftshymne der deutschen Nationalelf bei der Heim-WM 2006. Asamoah war der Mann für die Beschallung des Teams. Der einstige Stürmer hat eine interessante Geschichte, doch leider fehlt es seiner 2013 erschienenen Biografie ein wenig an Tiefe. Es gibt allerdings schon ein paar markante Stellen.

Zum Beispiel die Erinnerungen an einen Juni-Abend in Cottbus im Jahre 1997. Das entscheidende Spiel um den Regionalliga-Aufstieg zwischen Energie Cottbus und Hannover 96, dem damaligen Club Asamoahs. Immer wenn der in Ghana geborene Spieler und sein Mitspieler Otto Addo am Ball waren, tönten rassistische Affenlaute durch das „Stadion der Freundschaft“. Diese pfeifenden Schwachmaten waren einfach nur daneben und dieses Erlebnis erschüttert Asamoah heute noch. „Es war Hass pur und ein Spießrutenlauf bis in die Kabine“, erinnert er sich.
Mit Rassismus wird der Stürmer einige Mal in seiner Laufbahn konfrontiert. Nicht nur in Cottbus oder später in Rostock. So hatte er schon ein paar Bedenken bei seinem Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. „Ich bin von allen deutschen Nationalspielern am schwärzesten“, sagte er. Doch zum Glück blieben die rassistischen Idioten im Hintergrund, Asamoah nahm an den zwei Weltmeisterschaften 2002 und 2006 teil und bestritt immerhin 43 Länderspiele.
Dabei hing seine Karriere schon am seidenen Faden, denn eine „Verdickung der Herzscheidewand“ bedrohte die sportliche Laufbahn. Erst eine Untersuchung in den USA beendete die Zweifel.
Asamoah ist ein lustiger Typ. Aber auch dem fehlen manchmal die Worte. So wie bei seinem ersten Auftritt im Kreise der Nationalmannschaft. „Das Essen blieb fast unberührt“, so beeindruckt war er von den Kollegen, die noch vor gar nicht langer Zeit seine Idole waren. Eine erstaunliche Entwicklung, stellt er fest: „Noch vor kurzem wurde ich als Nigger beschimpft und mit Bananen beworfen, jetzt war ich Nationalspieler mit Erfolg“.

Schalker Idol
Ein paar nette Anekdoten gibt es zudem: Etwa, wenn Asamoah mit Schalke-Tasche beim Debüt in der Nationalmannschaft auftaucht. Erstaunlich: Ich wusste gar nicht, dass Profis Sporttaschen haben. Ich dachte, sie hätten nur Kulturbeutel. Immerhin ist der Ausstatter der Gleiche.
Dennoch bleibt vieles in dieser Biografie an der Oberfläche, fehlt etwas die Tiefe. Enttäuschend etwa die Schilderungen über die Zeit in Schalke. Kaum ein Spieler passt so gut zum Ruhrgebiets-Fußball wie der Kämpfer Gerald Asamoah, der sich zudem großartig mit dem Klub identifiziert. Doch dieser Teil liest sich manchmal so wie die oftmals grauenhaften Meisterserien, die in kicker, Bild oder Sport-Bild erscheinen.
Immerhin hatte er ein versöhnliches Erlebnis, als er 2011 im Dortmunder Heinrich Heine-Gymnasium trotz Bedenken zum Thema Fremdenfeindlichkeit sprach und im gelb-schwarzen Herzland mit Applaus bedacht wurde. Denn bei vielen eingefleischten BVB-Fans ist Asamoah nicht beliebt. Eben weil er jahrelang beim Erzrivalen Schalke spielte und „sich in den Revierderbys immer richtig reingehauen hat.“ Und weil er im Vorfeld auch immer einen dummen Spruch Richtung „Lüdenscheid“ losließ und so die Stimmung anheizte.
Dabei hätten die Dortmunder Fans die kämpferische Spielweise von Asa“ geliebt, wenn er denn statt des blauweißen einen schwarzgelben Dress getragen hätte. Zudem kommt der Autor Peter Großmann, bekannt als Moderator im ARD-Morgenmagazin, aus Dortmund. Es geht doch mit Dortmund und Gelsenkirchen.

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