Montag, 4. Januar 2016
Zlatan gegen den Rest der Welt
Er kokettiert schon sehr mit seinem Außenseiter-Image und seiner Herkunft aus einem Problemviertel. „Ich bin Zlatan Ibrahimovic“, nennt der schwedische Weltklasse-Stürmer seine Biografie. „Meine Geschichte erzählt vom (Journalisten) David Lagercrantz.“ Bester Spruch: „Du kannst einen Typen aus dem Ghetto holen, aber du holst niemals das Ghetto aus einem Typen.“ nurpferdeundfussball hat das Werk gelesen. Ein Fazit in sechs Punkten.

Philosophie
„Es ist okay, nicht so zu sein wie alle anderen. Glaubt nur immer an euch selbst, für mich ist es trotz allem gut ausgegangen.“

Inhalt
Das Werk beginnt mit einem Schlüsselerlebnis beim FC Barcelona im Herbst 2009. „Du“, sagte der damalige Barca-Coach Pep Guardiola. „Hier bei Barca stehen wir mit beiden Füßen auf dem Boden. Und hier kommen wir nicht mit Ferraris und Porsches zum Training.“ Peng, das saß beim aus armen Verhältnissen stammenden Zlatan, der gerne seinen automobilen Reichtum zeigte. Doch das Verhältnis Ibrahimovic und Guardiola wurde noch schlechter.
Danach geht es streng chronologisch weiter:
- die schwere Kindheit im Malmoer Problemviertel Rosengard. Die Eltern kommen aus dem damaligen Jugoslawien, leben getrennt und schlagen sich mit diversen Jobs durchs Leben.
- Die ersten fußballerischen Gehversuche bei diversen Klubs. Dort gilt der junge Zlatan als hochtalentiert, ist aber nur schwer ins Team integrierbar. Später wechselt Ibrahimovic dann zu Malmö FF. Ein Verein mit viel Tradition, 18facher schwedischer Meister und in den 80er Jahren mal Finalist in der Champions League, die damals noch Europapokal der Landesmeister hieß.
- Die anderen Profistationen, allesamt erste Adressen des Weltfußballs: Ajax Amsterdam, Juventus Turin, Inter Mailand, FC Barcelona, AC Mailand. Nur das letzte Gastspiel bei Paris Saint Germain kam zu spät für die Biografie.

Beifall
Ibrahimovic/Lagercrantz reden nichts schön und benennen im Gegensatz zu anderen Büchern dieser Art die Probleme knallhart. „Mit Küsschen oder so war nichts bei uns“, schreibt er über eine Jugend in Rosengard. „Du musstest die Zähne zusammenbeißen, und es gab Chaos und Streit und Schläge und Ohrfeigen.“ Das macht hart im Schmelztiegel der Nationen in Malmö.
Inhaltliche Höhepunkte sind die Jugendjahre und die erste Profistation bei Ajax Amsterdam sind sehr spannend zu lesen. Der Weltklub Ajax etwa, er holt seine Neuverpflichtungen und verfrachtet sie in ein ödes Apartment in den Vororten, ohne sich weiter um seine jungen und teuren Spieler zu kümmern. Ibrahimovic eckt bei vielen an, zieht sein Ding gnadenlos durch. Er will nach oben und landet bei Trainer Fabio Capello, dessen gnadenloser Siegeswille ihn mächtig beeindruckt.
„Ihr seid faul, ihr seid Scheiße“, sagt Capello einst zu seinen Spielern. Ibrahimovic schätzt Capello danach noch mehr.

Pfiffe
Je weiter im Text, desto langweiliger wird es. Profileben im Luxus. Die Journalisten belagern ihn, Ibrahimovic mag sie nicht. Und immer lockt mehr Geld: Zlatan ist auch nur einer dieser Söldner, der von Verein zu Verein zieht und sein Gehalt dabei immer wieder erhöht. Immerhin ist er so ehrlich und sagt nichts über Vereinsliebe und die besten Fans der Liga. Aber die selbstherrliche Art des Zlatan Ibrahimovic nervt manchmal gewaltig.

Lieblingsfeind
Ganz klar Pep Guardiola, der heutige Trainer des FC Bayern München und damalige Coach des FC Barcelona. Zwei Welten trafen offenbar aufeinander: der asketisch und bescheiden wirkende Guardiola, der nach „Ghetto-Art“ gerne mit seinem Reichtum protzende Zlatan. Am meisten ärgert „Ibra“, dass Guardiola ihn quasi wie Luft behandelt und nicht mit ihm spricht. Er könne mit starken Persönlichkeiten nicht zurechtkommen, schreibt der Schwede über Pep. Oder mit Leuten, die nicht ins Barca-System passen.

Urteil
Eine Biografie wie die Spielweise des Zlatan Ibrahimovic: Oft herzerfrischend unkonventionell, manchmal ein wenig daneben. Der Mann ist eben eine ehrliche Haut und kennt nur Vollgas.



Mittwoch, 23. Dezember 2015
Don Cossack der Tipp in einem tollen King George
Am zweiten Weihnachtstag um 16:10 deutscher Zeit schon was vor? Eine Alternative zu Printen und Plätzchen ist wie immer die King George VI Chase (natürlich Grade 1, Distanz 4.828 m) auf der Rennbahn in Kempton. 2015 ist die Prestigeprüfung so offen wie schon lange nicht mehr. Starter und Chancen.

Al Ferof (Trainer Dan Skelton): Der markante Schimmel war in den letzten Jahren zweimal Dritter im King George, jedes Mal deutlich hinter dem damaligen Stallgefährten Silviniaco Conti. Damals trainiert von Paul Nicholls, seit dieser Saison aber heißt der Betreuer Dan Skelton. Überzeugende Generalprobe in der Peterborough Chase, profitierte aber auch vom Sturz seines stärksten Gegners. Ein Top-Pferd, das aber noch nie über drei Meilen gewonnen hat.

Ballynagour (Trainer David Pipe): Immer hoch geschätzt im Pipe-Stall, aber auch in Bestform immer ein Stück hinter den Besten. Stärkste Form war ein zweiter Platz in der Aintree Bowl hinter Silviniaco Conti. Zuletzt jedoch wieder deutlich geschlagen in Haydock in der Lancashire Chase (Gr.1).

Cue Card (Trainer Colin Tizzard): Ob es am neuen Stallgebäude liegt? Oder beflügelt der neue Steuermann Paddy Brennan? Cue Card präsentiert sich in dieser Saison so gut wie noch nie. Man muss nur das Strahlen in den Augen von Trainer Colin Tizzard sehen, wenn er über den Wallach spricht. Zwei Erfolge zuletzt und besonders der Treffer in den Lancashire Oaks gegen Silviniaco Conti war eine grandiose Vorstellung. Es ist der vierte Versuch in der King George Chase, das beste war bislang ein zweiter Platz. Das soll besser werden, der Tizzard-Stall ist zudem gut in Form.



Ein Blick zurück ins Jahr 1999: Es siegte der hochklassige See More Business mit Jockey Mick Fitzgerald. Es war sowohl der zweite Erfolg für See More Business als auch Trainer Paul Nicholls nach 1997. Nicholls blieb bekanntlich nicht bei zwei King George-Triumphen stehen

Don Cossack (Trainer Gordon Elliott): In acht seiner letzten neun Starts blieb Don Cossack teilweise sehr überlegen vorne, nur in der Ryanair Chase in Cheltenham langte es nach einem Fehler und einem schlechten Rennverlauf „nur“ zu Platz 3. 200 Meter weiter und er hätte gewonnen, so beschleunigte er noch. Danach aber machte der im Gestüt Etzean aufgewachsene Sholokhov-Sohn keine „Gefangenen“ mehr, siegte unter anderem gegen Cue Card und Al Ferof. Zwei leichte Erfolge in dieser Saison, die Distanz sollte passen.

Irish Cavalier (Trainer Rebecca Curtis): Talentiertes Pferd, kommt aus dem Nachwuchs-Bereich und zeigte dort einige gute Formen. Mit seinen sechs Jahren steht er zudem am Anfang seiner Karriere. Die King George Chase ist die bislang schwerste Aufgabe, der Wallach müsste sich schon deutlich steigern. Zudem scheiterten die zwei Versuche über drei Meilen. Immerhin läuft es am Stall wieder besser.

Silviniaco Conti (Trainer Paul Nicholls): Spezialist, der den dritten Sieg in Folge im King George anstrebt. Trainer Paul Nicholls ist zudem der Experte für diese Prüfung, denn davor war das Prestige-Rennen fest in Händen des mächtigen Kauto Star. Aber ist Silvianico noch so gut wie in den Jahren zuvor? Die diesjährigen Vorstellungen waren in Ordnung, allerdings war er beispielsweise in Haydock deutlich hinter Cue Card. Auch die Trainerform war schon mal besser.

Smad Place (Trainer Alan King): Das Pferd mit dem besten Stehvermögen im Feld, immer hoch eingeschätzt im Stall. Der Schimmel lieferte seine bislang beste Vorstellung mit einem Start-Ziel-Erfolg im Hennessy in Newbury ab. Das Rennen mag zwar nur ein Handicap sein, aber wird in der Regel von sehr guten Pferden gewonnen. Davor war der King-Schützling mehrmals in Grade 1-Aufgaben deutlich geschlagen. Zudem könnte Smad Place auf dem flachen Kurs in Kempton gegen Pferde mit mehr Speed den Kürzeren ziehen.

Valseur Lido (Trainer Willie Mullins): Ein Sohn des einst in Frankfurt von Dave Richardson trainierten Anzillero. Auch schon Grade 1-Gewinner in der Novice-Klasse, kommt mit soliden Formen, war aber mehrfach hinter dem Stallgefährten Vautour.

Vautour (Trainer Willie Mullins): Letzte Saison ein überragender Newcomer, gewann die J L T Novices Chase in Cheltenham wie ein Pferd anderer Klasse. Kennt nur die Plätze 1 und 2, der Saisonauftakt war eher ein Arbeitssieg. Jetzt geht es gegen die großen Jungs. Die Klasse sollte Vautour haben, die Distanz ist aber so weit wie noch nie.

Urteil
Silviniaco Conti wäre natürlich ein Champion der Herzen, wenn er den Hattrick in diesem Rennen schaffen würde. Sein Trainer ist ein Meister, wenn es darum geht, Pferde punktgenau zu trainieren. Doch im Vergleich zu den Vorjahren sind die Rivalen besser in Form: Cue Card und Smad Place kommen mit großartigen Formen, Vautour sollte noch längst nicht alles gezeigt haben. Aber mein Tipp heißt Don Cossack, ebenfalls gut in Schuss und ein Kandidat mit weiteren Reserven.



Sonntag, 20. Dezember 2015
Kein Renntag, kein Match-Race und bald kein Bremer Turf?
Das Wort kein – es prägte den deutschen Rennsport zuletzt. Die schlechteste Meldung kam aus Bremen, wo es nach dem Willen des Senats ab Ende 2017 keine Rennbahn mehr geben soll.

Wo ist der deutsche Rennsport, wenn man ihn mal haben möchte? Zum Beispiel an diesem Sonntag auf der Dortmunder Galopprennbahn. Gefühlte Frühlingstemperaturen, keine Konkurrenz durch den Bundesligisten Borussia Dortmund, der letzte Sonntag vor Weihnachten – traditionell ein Tag, an dem sich der Kolumnist auf die Rennbahn wagt. Trotz des meist eintönigen Sandbahn- Allerleis: Guter Besuch wäre bei diesen Temperaturen und der fehlenden Konkurrenz garantiert gewesen.
Nur leider ist der Sonntag in Deutschland diesmal generell ohne Renntag. Dafür öffnet der Dortmunder Rennverein am Mittwoch, den 23. Dezember, seine Pforten. Die PMU macht es möglich und zahlt, aber es wird an einem normalen Alltag kurz vor Weihnachten nur wenige Besucher locken. Und immerhin gab es letzten Sonntag Pferderennen in Dortmund. An einem Sonntag, an dem auch der BVB Eintracht Frankfurt besiegte, was dem Dortmunder Rennverein einige Besucher kostete. Keine Ahnung, warum an diesem Tag nicht Neuss veranstaltete.

Duelle nur noch privat
Es war eine komische Woche für den deutschen Rennsport. Da war der Turf mal in aller Munde, als in einem Zweikampf die Handicapper Gamgoom und Ach was aufeinandertrafen. Eine großartige Idee von Gamgoom-Besitzer Guido Schmitt und eine ebensolche Reaktion von Ach was-Besitzer Christian Sundermann, der die Herausforderung annahm. Die Medien-Resonanz schlug die des Derbys um Längen – einerseits traurig, andererseits funktioniert die moderne Medienlandschaft leider so. BILD wird auch mehr gelesen als die Süddeutsche Zeitung.
Aber so ein Match wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die Spaßbremsen sitzen beim Dachverband DVR: keine Wetten mehr, keine Züchterprämien mehr, die Leistungen zählen nicht. Eben zukünftig ein „Pferdeduell mit Kirmescharakter.“ (Newsletter Aufgalopp). Nun wird an zukünftigen Zweikämpfen nicht der deutsche Turf genesen und wird diese Form nicht permanent einsetzbar sein, aber Charme hatte die Idee schon.
Noch schlimmer waren allerdings die Nachrichten, die aus Bremen kamen. Dort verkündete Wirtschaftssenator Martin Günthner das baldige Ende der dortigen Rennbahn in der Vahr. Ende 2017 soll das Turfgeschehen Wohnungen weichen, die Wohnungsnot im Stadtstaat mache den Zugriff des Senats unabdingbar. Zudem gebe es ein Sonderkündigungsrecht des Senats und davon mache man jetzt eben Gebrauch.

Nur Werder populärer
Nun war das Verhältnis zwischen Bremer Rennverein und Senat schon lange ramponiert, stand der Kurs schon vor zwei Jahren vor dem Ende. Doch immerhin gab es zuletzt zarte Tendenzen der Besserung.
Das sagt auch Fran Lenk, Sprecher des Bremer Rennvereins, in einem Interview mit dem Bremer Weser-Kurier. „….wir haben eine gute Perspektive. Wir waren gerade dabei, den Galopprennsport in Bremen wieder zu beatmen und wären sicherlich über kurz oder lang auch in der Lage gewesen, ein siebtes und gar achtes Rennen (Renntage sind gemeint)zu gestalten.“
Es gebe eine ganze Reihe von Gründen, so Lenk weiter. „Da ist zum einen die Tradition, gerade die Hansestadt steht ja für Tradition – das ist eine tolle Symbiose. Die Rennbahn ist ein Kulturgut, wir haben ein hohes sportliches Niveau, das Areal ist die grüne Lunge in der Vahr. Und die Galopprennbahn ist über das Jahr gesehen nach Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga die zweiterfolgreichste Freiluftsportart.“
„Der Tod eines Standortes ist der rennsportliche Tod der Region, dann fallen Besitzer, Aktive und Besucher weg“, schrieb Turf-Times-Herausgeber Daniel Delius 2013 in seinem Editorial Aufgalopp. Das ist auch heute noch richtig, denn die Liebe zum Rennsport beginnt in der Regel mit dem Besuch einer nahen Rennbahn. Hoffnungsschimmer: Immerhin gibt es auch lokal einige Opposition gegen den Plan des Senators.