Donnerstag, 26. November 2015
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“
Die Nachricht kam doch ziemlich überraschend: Red Cadeaux ist an den Folgen seiner Verletzung im Melbourne Cup gestorben. Kleiner Schock am Sonntagmorgen: Denn eigentlich schien der Wallach nicht mehr gefährdet, von einem Ruhestand inmitten anderer Legenden in Australien war die Rede. Nachruf auf ein großartiges Rennpferd, das nicht nur Down under die Massen bewegte.

Das Problem bei vielen guten Flachrennpferden? Sie sind einfach viel zu kurz aktiv – ein Jahr, maximal zwei. Bestes Beispiel ist Golden Horn, aktueller englischer Derbysieger und Arc-Triumphator. Leider tanzte er nur eine Turf-Saison. Das liegt natürlich am System Rennsport und Vollblutzucht. Denn es folgt eine lukrative Karriere als Deckhengst, weitere kleine Golden Horns lassen ihre Besitzer hoffen und viel Geld bezahlen. Doch leider werden Helden der Rennbahn nicht in zwei Jahren gemacht.
Es sind die erst Unscheinbaren, die diese Rolle übernehmen. Die Pferde, die dreijährig im klassischen Alter gar nicht entdeckt waren, weil ihre Leistungen noch nicht gut genug waren. Wie Red Cadeaux: ein fuchsfarbener Hengst (damals noch). Der Vater war ein guter Sprinter namens Cadeaux Genereux. Die Mutter Artiste lief dreimal, wurde einmal in einem Rennen mit nur drei Startern weit geschlagen Zweite. Das war ihre beste Leistung. Auch ihre späteren Nachkommen hinterließen keine großen Spuren.
Ron Arculli kaufte den jungen Red Cadeaux für 55 000 Guineas und schickte ihn zu Ed Dunlop ins Training. Dunlop ist ein bekannter Name im englischen Turf, schon Vater John Dunlop feierte schöne Trainer-Erfolge. Das beste Pferd von Sohn Ed war die grandiose Stute Ouija Board. Dunlop junior gilt als Trainer, der seinen Pferden Zeit lässt.
So war das auch mit Red Cadeaux: Das Debüt absolvierte er dreijährig am 13. April 2009 in den Toteplacepot Maiden Stakes in Yarmouth über die Meile. Favoriten waren andere, das Pferd von Besitzer Ron Arculli wurde als 50:1-Schuss Sechster. Auch der nächste Start in Kempton erneut über die Meile brachte keine Verbesserung: Wieder landete Red Cadeaux als 50:1-Chance im Mittelfeld.
Erst beim vierten Start auf der Allwetterbahn in Wolverhampton platzte im Handicap über lange 2400 Meter der Knoten: Der Fuchs siegte deutlich vor Decorum, später übrigens in Deutschland trainiert von Sascha Smrczek. „Ein fortschrittlicher Typ, der noch weiter nach oben klettern sollte“, analysierte die Racing Post. Das Fachblatt sollte Recht behalten.

Löwenherz
Weitere gute Leistungen folgten und vierjährig hatte sich Red Cadeaux weiter verbessert. Er gewann ein besseres Handicap in Lingfield und lief in guten Rennen. Zum ersten Mal fiel der Fuchs dem Kolumnisten auf, als er im Old Borough Cup, einem Heritage Handicap über 2800 Meter und dotiert mit rund 70 000 Pfund, Zweiter wurde. Schon damals zeigte er viel Kampfgeist, doch es reichte nicht ganz. Einige Wochen später wurde er wiederum Zweiter im Cesarewitch Trial in Newmarket.
Je länger die Strecke war, desto besser wurde der Sohn eines Sprinters. Dazu erreichte er erst mit fünf, sechs und sieben Jahren den Zenit seines Leistungsvermögens. Aber es waren nicht unbedingt die Siege, für die Red Cadeaux bekannt wurde.
Denn sieben Erfolge bei 54 Starts sind keine Bilanz eines Siegertypen, obwohl er einige schöne erste Plätze feierte. Zum Beispiel der Curragh Cup auf der gleichnamigen irischen Bahn, der erste Gruppe-Sieg. Oder der auch finanziell sehr lukrative Triumph in der Hong Kong Vase im Dezember 2012, übrigens sein letzter Erfolg.



Fette Beute: Der Treffer in der Hong Kong Vase

Doch es waren die zweiten Plätze, mit denen Red Cadeaux die Herzen des Rennvolks eroberte. Im Sport liebt man oft den knapp geschlagenen Verlierer mehr als den Gewinner. Die drei zweiten Plätze im Melbourne Cup – dem Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillsteht – machten Red Cadeaux zum Helden. 2011 mit Nase von Dunaden geschlagen, 2013 eine drei-viertel Länge gegen Fiorente unterlegen und dann 2014 mit acht Jahren ehrenvoller Zweiter hinter Protectionist – das ist eigentlich die Bilanz eines Siegers.
Leider wurde dann auch der Melbourne Cup quasi sein Schicksal. Das Bild vom weinenden Jockey Gerald Mosse ging um die Welt, als er den verletzten Red Cadeaux angehalten hatte. Fast fünf Millionen Pfund galoppierte Red Cadeaux in seiner sechsjährigen Karriere ein. Er lief in England, Schottland, Irland, Dubai, Frankreich, Hongkong, Singapur, Japan und Australien.
„Er hatte das Herz eines Löwen und wusste nie, wann er aufgeben sollte“, sagte sein Trainer Ed Dunlop. „Das ist der traurigste Moment in meinem Leben“, so der Trainer nach dem Tod von Red Cadeaux. „Er war ein vielgeliebtes Mitglied unserer Familie.“
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“, erklärte Victoria Racing Club Chief Executive Simon Love. Natürlich findet der Vielgeliebte seine letzte Ruhestätte auf der Rennbahn in Flemington, dem Ort des Melbourne Cups.

Die Tribut-Seite der Racing Post



Montag, 23. November 2015
77er Dornberger Tresen-Leben


Auch heute noch sehenswert: Doku über einen Amateur-Verein aus Bielefeld

Innenansichten eines Fußball-Vereins: Der ZDF-Sportspiegel hat 1977 den Amateur-Fußballverein TuS Dornberg 02 besucht. Das Ergebnis ist ein starkes Zeitdokument aus den siebziger Jahren mit dem passenden Namen „Verlängerung am Tresen“.

Autor dieses Schätzchens ist der ZDF-Sportjournalist Michael Palme, 2010 leider verstorben. Palme war jemand, der viele Dinge im Sport immer wieder hinterfragte. Wie ein Journalist das machen sollte, doch galt er für manche im Sport auch als Dauernörgler.
Dass Palme sein Handwerk verstand, zeigte er mit dieser Dokumentation über den Bielefelder Vorortverein TuS Dornberg 02. Überwiegend traf das ZDF-Team seine Protagonisten in der Vereinskneipe Horstkotte. Denn dort spielte bzw. spielt sich ein großer Teil des Vereinslebens ab.
Jeder, der selbst aktiv Fußball gespielt hat und ein wenig älter ist, kennt das: In der Vereinskneipe bzw. am Tresen feiert man immer noch die größten Erfolge. Da gibt es überraschende Eingeständnisse, lasten Niederlagen nicht mehr so schwer, Siege jedoch werden zu Triumphen. Und man lernt die Mitspieler erst richtig kennen. Gute Vereine zeichnen sich auch durch ein aktives Leben außerhalb des Platzes aus.
Wie der TuS Dornberg: Die erste Mannschaft stieg 1977 in die Landesliga auf. Eine Liga, in der auch damals schon im Amateurfußball Geld bezahlt wurde. Sportlich durchaus ambitioniert: Spieler, die vor jedem Spiel in den Kneipen versackten, hatten (und haben) dort keine Chance.

Aus dem Leben
Palme und sein Team fangen dieses Geschehen großartig ein. Weil sie dokumentieren und nur sparsam kommentieren. So erlebt der Zuschauer Typen wie Gerd „Klöte“ Menger, Spieler der ersten Mannschaft und auch im Feiern ganz groß.
Es sind Szenen ohne Glamour und falsches Gehabe: Die Protagonisten sind bodenständig, jeder wird geduzt, man kennt sich. Der Sportplatz ist ein Aschenpl atz, der bei jedem Regen unter Wasser steht.
Hartmut Ostrowski, ein anderer Spieler der ersten Mannschaft, machte später große Karriere und war von 2008 bis 2011 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG. Eine Zeit, die ihn aber viel Kraft kostete und zum Burnout führte. „Ich bin viele Mal gestorben“, gestand er der FAZ.
Der TuS Dornberg erlebt derzeit auch schwierige Zeiten: Die erste Mannschaft wurde zu Saisonbeginn aus der Landesliga abgemeldet, nachdem sie jahrelang immerhin in der Oberliga Westfalen kickte. David Odonkor, einst schneller Stürmer von Borussia Dortmund, war in Dornberg kurz mal mal Trainer in der Westfalenliga.
Die ambitionierten Zeiten sind wohl vorbei: Die eigentlich zweite Mannschaft, die jetzt aber die Erste ist, spielt ganz unten in der Kreisliga C. Immerhin ist sie dort Tabellenführer und Spaß macht es offenbar auch. Und aus dem Aschenplatz wurde ein schöner Kunstrasenplatz.



Mittwoch, 18. November 2015
Sieben NH-Jockeys für das Notizbuch
Es wird die erste englische National Hunt-Saison ohne Dauerchampion AP Mc Coy. An guten und eisenharten Jockeys mangelt es jedoch nicht. Barry Geraghty, Richard Johnson, Ruby Walsh, Aidan Coleman oder Brian Hughes etwa. Aber auch Andere leisten hervorragende Arbeit. nurpferdeundfussball nennt sieben Jockeys, die am Start einer vielversprechenden Karriere stehen bzw. nicht so sehr im Rampenlicht stehen.

Der Newsletter Aufgalopp hatte es in der letzten Woche gut erfasst: „Der Rennsport-Freund bekommt feuchte Augen, wenn er auf die Insel schaut“, schrieb der morgendliche Wachmacher der Fachzeitschrift Sport-Welt und meinte die englische Hindernissaison: In Cheltenham gab es drei Tage Top-Sport beim Open Meeting, in den nächsten Wochen gibt es Höhepunkte nicht nur in Ascot und Newbury. Und so geht es weiter bis ins späte Frühjahr.
Im Blickpunkt: die Jockeys. Es ist ein knüppelharter Job mit Gefahren aller Art. Bei manchen Stürzen stockt dem Betrachter der Atem. Doch diese Jungs stehen oft wieder auf und reiten im nächsten Rennen, als wenn nichts passiert wäre. Und es gibt nicht nur die obengenannten großen Namen. Hier sind sieben Reiter, auf die man ebenfalls achten sollte.

Nico de Boinville: Der Aufsteiger unter den englischen Hindernisjockey. Bereits in seiner ersten professionellen Saison 2014/2015 siegte er mit Coneygree im Cheltenham Gold Cup, dazu kamen erneut mit Coneygree und Whisper zwei weitere Erfolge auf höchster Ebene. Der 26jährige begann relativ spät professionell, war ein erfolgreicher Amateur und ritt bei Nicky Henderson jahrelang in der Arbeit, unter anderem Sprinter Sacre. Und weil Barry Geraghty jetzt die Mc Manus-Pferde reitet, dürften sich bei Top-Trainer Henderson zukünftig viele Chancen bieten.

Daryl Jacob: Den 32jährigen Iren noch als Geheimtipp zu bezeichnen, ist zugegeben ein wenig übertrieben. Denn Jacob zählt schon seit Jahren zur Spitze und war auch mal erster Jockey bei Paul Nicholls. Doch irgendwie stimmte die Chemie nicht mehr, die Saison 2013/2014 war auch nicht die Beste des Quartiers. Zudem war es nicht einfach, einen Ausnahmekönner wie Ruby Walsh zu beerben. Dabei ist Jacob selbst ein großartiger Jockey: Stark im Finish und mit einem guten taktischen Verständnis. Für mich ist der Ire immer eine Wette wert.

Harry Skelton: Sohn des bekannten Springreiters Nick Skelton und die Familie spielt auch bei Harry Skelton eine wichtige Rolle. Meist reitet er für Bruder Dan Skelton, der seit 2013 trainiert und einen hervorragenden Start hinlegte. Beide Skelton-Bruder lernten das Geschäft bei Paul Nicholls – Harry als Conditional Jockey, Dan als Assistenztrainer. Das bürgt für Qualität, auch wenn der Grade 1-Erfolg den beiden noch fehlt. Der 26jährige Harry Skelton gewann immerhin schon den Irish Grand National.

Paul Moloney: Schon lange im Geschäft (37 Jahre, fast 6000 Ritte), aber für mich einer der meist unterschätzten Jockeys. Dabei ist Moloney gerade in Jagdrennen ein famoser Jockey, der seine Pferde geduldig einsetzt. Das mag auch an seinem Patron Trainer Evan Williams liegen, der häufig spätreife Pferde trainiert, die erst mit zunehmender Routine besser werden. Dafür ist Moloney der passende Mann im Sattel.

Will Kennedy: Auch einer dieser eher unbekannten Helden des Sports. Vor einigen Jahren galt Kennedy mal als der kommende Mann, aber Verletzungen verhinderten die große Karriere. Jetzt ist er 34, die meisten Ritte macht er für Ian Williams und Dr. Richard Newland. Zwei Trainer der eher mittleren Kategorie, aber Kennedy macht seinen Job gut. Besonders über die großen Sprünge hat er oft das richtige Timing. Und das auf Pferden, die nicht unbedingt zu den Top-Favoriten zählen.



„Es ist ein Extremsport“, sagt Jockey Will Kennedy. Eine starke Selbstdarstellung des Jockeys.

David Bass: So vor zwei, drei Jahren war das immer eine erfolgversprechende Strategie in den großen Hürden-Handicaps: Man tippe das Pferd mit David Bass, denn der war seine Erlaubnis als Auszubildender immer wert. Zumal sein Ausbilder Nicky Henderson immer wieder Pferde in diese Prüfungen schickte, die noch Reserven hatten. Bass „vollstreckte“ immer ziemlich cool, positionierte seinen Partner meist im Vordertreffen und entschied dann das Rennen. Als die Azubi-Erlaubnis weg war, tat sich Bass wie viele andere Jockeys etwas schwer. Doch in der letzten Saison ging es wieder aufwärts, besonders die Partnerschaft mit Trainer Kim Bailey verspricht Erfolg.

Sean Bowen: Sohn von Trainer Peter Bowen und mit 18 Jahren der jüngste in dieser Runde. In der letzten Saison wurde er Champion der Nachwuchsreiter und manche sehen ihn schon als „neuen AP“. Auch sein sonst sehr kritischer Ausbilder Paul Nicholls ist voll des Lobes. Das sind natürlich aVorschusslorbeeren, aber spätestens nach seinem Erfolg mit Just A Par im bet365 Gold Cup Chase in Sandown kann ich die Huldigungen nachempfinden.