Montag, 4. Juli 2011
Der Tag danach: Gewinner und Verlierer im Derby 2011
Die Anspannung ist vorbei, das Deutsche Galopp-Derby 2011 (das Rennvideo) ist Geschichte. Es ist der Tag danach und es war wie so oft im wichtigsten Ereignis des Turfjahres: Wieder nicht den Derbysieger getroffen, zuletzt war das übrigens Adlerflug im Jahre 2007. Dabei habe ich den Sieger Waldpark schon hoch eingeschätzt, nur gespielt habe ich andere Kandidaten. Entscheidend ist „eben auf’m Platz“: Da war auf weichem Boden in Hamburg-Horn Waldpark das eindeutig beste Pferd.
Es war ein großer Tag für Andreas Wöhler, dem Mann mit der besten Trainer-Homepage im deutschen Turf. Denn er sattelte auch noch den Zweiten Earl of Tinsdal und feierte damit einen legendären Doppelerfolg.
Auch Jockey Jozef Bojko wird seinen Enkeln (wenn er diese mal hat) noch von diesem Tag erzählen: Seit einer gefühlten Ewigkeit ist er in Deutschland, ritt früher unter anderem viel für das Quartier von Hubertus Fanelsa. Der Mann mit der Vorliebe für elegante Hutkreationen hat sich aus dem Rennsport zurückgezogen, seit geraumer Zeit ist Bojko nun zweiter Jockey hinter Eddie Pedroza im Wöhler-Stall. Wie immer hatte Pedroza die erste Wahl und entschied sich für den späteren Zweiten Earl of Tinsdal: Der lief großartig, untermauerte eindrucksvoll seinen Ruf als Pferd mit einem exzellenten „turn of foot“. Nur einer war an diesem Tag besser: der Stallgefährte Waldpark mit eben diesem Bojko im Sattel.
Der gebürtige Slowake hat ein Problem, was er mit anderen Jockeys aus dem ehemaligen Ostblock teilt: In Deutschland gelten sie höchstens als gute Jockeys für die kleinen Rennen, für die großen Prüfungen wird oftmals ein prominenter Reiter aus England, Irland odee Frankreich eingeflogen. Auch im Vorfeld hätten viele lieber einen ausländischen Top-Jockey auf Waldpark gesehen. Doch Trainer und Besitzer blieben stur und wurden belohnt. Bojko arbeitete sich im Horner Bogen nach vorne, ritt das perfekte Rennen, machte einfach alles richtig an diesem Tag. Und schon waren die Kritiker ruhig.
Es war zudem ein großer Tag für das Gestüt Ravensberg, den Besitzer des Derbysiegers. Ein einst großer Name des deutschen Turfs, dessen Erfolge jedoch weit vor meiner Zeit lagen. In den letzten Jahren war es eher ruhig um die Vollblüter in den golden-blauen Farben. Das letzte richtig gute Pferd aus dem Quartier war Wurftaube. Die Stute, einst trainiert von Harro Remmert, wurde mit den Jahren immer besser, gewann unter anderem Gerling-Preis und Deutsches St. Leger und lief besonders bei weichem Boden stark. Damit schließt sich der Kreis: Denn Waldpark ist der Sohn der Wurftaube und ihr bislang bester Nachkomme. Bislang brachte sie einige ganz ordentliche Pferde wie etwa den Steher Waldvogel, aber ein Gruppe 1-Triumphator war noch nicht dabei. Waldpark kommt aus dieser berühmten W-Familie, in der es schon mal mit Waidwerk und Wilderer zwei Derbysieger gab.

Der Panther wurde zur Katze
Wo Sieger sind, sind die Verlierer nicht weit: Brown Panther zum Beispiel, der Gast aus England. Jockey Richard Kingscote ritt ihn sehr offensiv von der Spitze aus, zum Schluss fehlten auf dem anstrengenden Boden die Reserven. Das sei eigentlich gar nicht der Plan gewesen, erklärte Kingscote nach dem Rennen. Hätte das Pferd von Michael Owen bei etwas ökonomischerer Reitweise gewonnen? Kaffeesatzleserei, vielleicht waren die Gegner bei seinem überlegenen Sieg in Royal Ascot doch nicht so gut, es war ja nur ein Handicap. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf seine weitere Karriere. Brown Panther ist weitaus besser als seine Hamburger Form und wird noch für Aufsehen sorgen – jede Wette.
Lange Gesichter ebenfalls beim Gestüt Schlenderhan: Der „FC Bayern des deutschen Turf“ (so ein User des Galopperforums, nicht nur die Farben passen ja durchaus zu den Münchenern) hatte einen Derbyjahrgang wie schon lange nicht mehr und stellte mit Arrigo, Ibicenco und Mawingo drei Top-Chancen. Das Ergebnis war enttäuschend: Von den fünf Startern endete Mawingo auf Platz 4 noch am besten, immerhin lag Stalljockey Adrie de Vries mit seiner Wahl richtig. Was auch kein echter Trost ist.
Nichts wurde es zudem mit der Turfmärchen namens Gereon: Das Pferd von Besitzertrainer Christian Zschache wurde zwar kräftig gewettet, endete aber geschlagen auf Platz 10. Der schlagzeilenträchtige Jockeywechsel von Georg Bocskai auf John Murtagh blieb ohne Erfolg.
Und dann waren da noch meine Wetttipps, letztendlich alle chancenlos: Brown Panther siehe Text oben, der Schlenderhaner Ibicenco lag eigentlich gut im Rennen, war aber einfach nicht gut genug. Dann war da noch meine Langzeitwette Sommernachtstraum: Der war immerhin in Baden-Baden Zweiter hinter Waldpark, wurde sogar vom späteren Derbysieger etwas behindert. Im Derby kam er mit Nasenbluten aus dem Rennen und war letztlich völlig chancenlos. Und nichts wurde aus dem Sommernachtstraum zum Toto 200.



Donnerstag, 30. Juni 2011
Derby-Triumph für einen Shirocco
Schlenderhan gegen den Rest der Welt – so könnte man das Deutsche Derby 2011 am Sonntag in Hamburg-Horn charakterisieren. Da kann der deutsche Rennsport noch so kriseln, die Faszination des Derbies bleibt. Auch in diesem Jahr stellt diese Kolumne wieder die Starter im wichtigsten Rennen der Turfsaison vor. Eine erste Vorschau gab es bekanntlich bereits im Mai, aber da waren die wichtigsten Vorbereitungsrennen noch nicht gelaufen.

1 Arrigo (Jens Hirschberger/Gestüt Schlenderhan): Sieger in der Union, dem wichtigsten Derby-Trial in Deutschland, gewann dort äußerst knapp gegen den Stallgefährten Ametrin, zeigte aber viel Speed. In den Bavarian Classics unterlag er hauchdünn Mawingo, ebenfalls aus Schlenderhan. Stehvermögen ist vorhanden, lief bislang nur auf gutem Boden, bevorzugt aber angeblich durchlässiges Geläuf. ****

2 Ametrin (Jens Hirschberger/Gestüt Schlenderhan): Noch sieglos, zeigte aber seine bislang beste Form als Zweiter in der Union hinter Arrigo, wo er anfangs sogar noch etwas grün lief. Ein Pferd, das noch Reserven haben dürfte, aber ich bin bei Frontrennern im Derby immer etwas skeptisch – außer der Boden ist schwer. Das wird er wahrscheinlich nicht sein. ***

3 Lindenthaler (Peter Schiergen/Gestüt Ebbesloh): In Deutschland noch unbesiegt, Sieger im Krefelder Busch-Memorial. Dort ging es aber über 1700 Meter. Danach war der Schiergen-Schützling chancenlos in einem französischen Gruppe 2-Rennen über 2200 Meter. Die vor ihm Placierten waren danach allesamt geschlagen – liefen aber auch in Top-Rennen. Leichte Fragezeichen zudem, ob die 2400 Meter für Lindenthaler nicht zu lang werden. Der Hengst ist nicht die Wahl des Stalljockeys. **

4 Mawingo (Jens Hirschberger/Gestüt Schlenderhan): Adrie de Vries durfte wählen und hat sich etwas überraschend aus dem großen Schlenderhaner Aufgebot für Mawingo entschieden. Nach den reinen Leistungen ist das aber nachvollziehbar, unter anderem schlug er in einer Kampfpartie den Stallgefährten Arrigo in den Bavarian Classics. Dort ging es jedoch über 2000 Meter, ob er über die Derbydistanz von 2400 Meter kommt, ist als Sohn des Spitzenmeilers Tertullian durchaus fraglich. ***

5 Ibicenco (Jens Hirschberger/Gestüt Schlenderhan): „Ein Rennen für den Richter“ meinten die Kommentatoren nach dem Prix Du Lys, einem Gruppe 3-Rennen über 2400 Meter in Chantilly. Nur hauchdünn unterlag Ibicenco auf der französischen Derbybahn. Die Gegner würde ich mal als gute französiche zweite Wahl einschätzen, aber die Leistung sah schon sehr gut aus. ****

6 Gereon (Christian Zschache/Christian Zschache): Das Pferd mit dem unglücklichen Rennverlauf in der Union, zumindest wäre Gereon noch näher an den zwei Erstplacierten gewesen, wenn er ein glattes Rennen gehabt hätte. Besitzertrainer Christian Zschache wechselte darauf den Jockey, statt Altmeister Georg Bocskai reitet jetzt mit Johnny Murtagh ein Top-Name der Szene. Zumindest lief Gereon wie ein Steher in der Union. Sehr gute Möglichkeiten, den Spieß diesmal umzudrehen. ****

7 Saltas (Peter Schiergen/Gestüt Ittlingen): Der Ritt von Asterblüte-Stalljockey Andrasch Starke. Lief eigentlich nie richtig schlecht, aber immer fehlte der letzte Tick, um den Sieger zu gefährden. ***

8 Brown Panther (Tom Dascombe/Owen Promotions Ltd.): „Das ist der deutsche Derbysieger 2011“ war meine erste spontane Reaktion. Gerade hatte Brown Panther mit der berühmten „Finger in der Nase“ die King George V Stakes während der Rennwoche Royal Ascot gewonnen. Das war zwar nur ein Handicap, aber eines der Top-Kategorie. Die Sieger dieser Prüfung sind meist potenzielle Gruppe-Pferde. Bei Brown Panther können wir das potenziell vergessen, er dürfte noch zu ganz anderen Taten bereit sein. Es war der dritte Erfolg in Serie und bereits die Form aus Haydock, als der Scirocco-Sohn nach schlechtem Rennverlauf beschleunigte und noch leicht gewann, sah nach hohem Leistungsvermögen aus. Das einzige, was mich stört, ist die Tatsache, dass Brown Panther wahrscheinlich als Favorit an den Ablauf kommen wird. *****

9 Theo Danon (Peter Schiergen/Stall D’Angelo): In der Union letztlich chancenlos, davor aber ein überzeugender Sieger im Hannoveraner Derby-Trial, wo er immerhin Ametrin schlug. Nach Abstammung nicht unbedingt ein sicherer Steher, auch fehlt vielleicht das letzte Stück Klasse. **

10 Silvaner (Peter Schiergen/Margot Herbert): Der Winterfavorit 2010, in diesem Jahr aber noch sieglos, zuletzt ohne echte Chance gegen Mawingo und Arrigo im Bavarian Classic. Steher, aber nur Außenseiter. Immerhin reitet ihn Terry Hellier, früher einmal ein Spezialist für die Wartetaktik. Das funktionierte in großen Prüfungen oftmals sehr gut, im Derby aber noch nie. **

11 Earl of Tinsdal (Andreas Wöhler/Sunrace Stables): Ein Pferd mit viel Kampfgeist und die Wahl von Stalljockey Eddie Pedroza. Für die letzte schwächere Form ist er entschuldigt, weil er ein Hufeisen verlor. Davor gewann der Wöhler-Schützling drei Mal in Serie, unter anderen den Frühjahrspreis des Bankhauses Metzler in Frankfurt. Läuft gerne von vorne, nur gewinnt man so nicht oft das Derby. ***

12 Waldpark (Andreas Wöhler/Gestüt Ravensberg): Der Sohn der grandiosen Wurftaube, unter anderem Siegerin im Gerling-Preis und im St. Leger. Ihr Nachkommen hat noch eine weiße Weste, siegte im Mai als Dreijähriger mühelos im Ausgleich 3 und dann ebenfalls leicht im Iffezheimer Derbytrial. Nicht die Wahl des Stalljockeys, aber ein Pferd, das noch nicht alle Karten aufgedeckt haben könnte. Auf so starke Gegner traf er jedoch noch nie. ****

13 Sommernachtstraum (Waldemar Hickst/Lars-Wilhelm Baumgarten, Sebastian J. Weiss): In dieser Kolumne im Mai angesagt und von mir zum Toto 200 gespielt. Normalerweise triumphieren Sieglose nicht im Derby und vielleicht kommt das Rennen noch etwas zu früh. Denn auch im Iffezheimer Derby-Trial lief der Scirocco-Sohn etwas grün. Zudem behinderte ihn der spätere Sieger Waldpark, Doch dann zog der Hengst noch einmal gut an, ohne Waldpark jedoch zu gefährden. Die längere Strecke wird ihm entgegenkommen. Und dann hoffen wir einfach mal auf ein glattes Rennen. ***

14 Ordensritter (Horst Steinmetz/Stall Nizza): Die gleichen Farben gewannen einst mit Nicaron das Derby. Ordensritter dürfte jedoch kaum in dessen Fußstapfen treten – Riesen-Außenseiter. *

15 Tahini (Jens Hirschberger/Gestüt Schlenderhan): Der Schlenderhaner, der am höchsten am Toto stehen wird. Ganz chancenlos ist er nicht, zumal der Medicean-Sohn sein Stehvermögen schon mehrmals bewiesen hat und noch einiges an Reserven haben könnte. **

16 Appleby (Sascha Smrczek/Stall Schloss Benrath): Wer unbedingt einen Starter für eine lukrative Platz-Wette haben möchte, der sollte sich mal Appleby anschauen. Der ist zwar noch sieglos, lief aber bislang gar nicht so verkehrt. Zuletzt in der Bremer Derbyvorprüfung kam der Mamool-Sohn noch mit viel Speed auf Platz 2. Zudem hat Sascha Smrczek seine Pferde derzeit glänzend in Schuss. Allerdings muss sich Appleby schon ziemlich verbessern, um hier eine Platzchance zu haben. **

17 Mi Senor (Andreas Wöhler/Stall Darboven): Lange hielt er vorne stand im Bremer Derby-Trial, doch dann wurden ihm die 2200 Meter zu lang. Kein Wunder, war die Schwester Mi Emma doch eine Meilerin, aber eine von sehr hohem Format. Davon ist Mi Senor noch weit entfernt. *

18 Hoseo (Erika Mäder/Roswitha Sturm): Nach keiner bislang gezeigten Form hier mit dem Hauch einer Chance. *

Fazit: Das überragende deutsche Pferd fehlt in diesem Jahr, dafür hat Schlenderhan einen starken klassischen Jahrgang mit fünf Startern. Und erstaunlicherweise hält die Stallform eigentlich seit April. Ein Scirocco-Sohn wird gewinnen: Brown Panther, der Schlenderhaner Ibicenco oder als ganz verwegener Tipp Sommernachtstraum.

Was bedeuten die Sterne
***** Top-Favorit
**** sehr gute Chancen
*** Chancen, wenn alles passt
** Außenseiter mit geringen Chancen
* Dabei sein ist alles.



Dienstag, 21. Juni 2011
Ein Pferd namens Horst
Mal wieder etwas aus unserer beliebten Rubrik Feuilleton: Galopprennen im Film, in diesem Fall das todsichere Ding beim Wetten. Die Szene stammt aus dem Ruhrgebiets-Kultfilm Bang Bang Boom. Hilmi befindet sich auf der Dortmunder Rennbahn und hat einen brandheißen Tipp. Er ruft seinen Kumpel Keek an. „Horst ist Super-Geheimtipp, steht 40:1“, sagt Hilmi. Sie „pflastern“ das Pferd namens Horst ordentlich – doch der wird nur Zweiter. Dummerweise war es nicht Keeks Geld, sondern das seines Kumpels Kalle. Dummerweise neigt dieser etwas zu Gewalttaten und sitzt derzeit im Knast. Doch Hilmi hat eine Lösung parat – grandios. Bis 3:12 absolut sehenswert…..