Montag, 20. Juni 2011
Die Sehnsucht nach dem Totilas des Turf
Manchmal schaut man als Anhänger des Galopprennsports richtig neidisch auf andere Sportarten. Bestes Beispiel: Das vergangene Wochenende. Turf-Höhepunkt waren die deutschen 1000 Guineas auf dem Düsseldorfer Grafenberg, immerhin ein klassisches Rennen. Zugegeben: Kein Laie kann etwas mit dem Begriff Klassiker bezogen auf den Galopprennsport anfangen. Es ist aber eines der wichtigsten Rennen der Saison, dennoch ist die Medienresonanz bescheiden. Die lokalen Zeitungen aus Düsseldorf berichteten darüber, überregional erschien noch was in der Welt. Wenn ich bei Google-News German 1000 Guineas eingebe, finde ich 36 Beiträge.
Im rund 70 Kilometer entfernten Dortmund war das Rennen zum Beispiel den Ruhr-Nachrichten noch nicht mal eine Meldung wert. Keine Ahnung, ob der Mitbewerber Westfälische Rundschau darüber berichtet hat – eine Abfrage auf der Westen.de ergab jedenfalls kein Ergebnis.
Dabei war es sportlich eher ein Saure-Gurken-Wochenende: Keine Fußball-Bundesliga, keine Formel 1, die Frauenfußball-WM in Deutschland beginnt erst nächste Woche. Eigentlich ideal für Randsportarten – davon profitieren aber andere Sportarten.

Volkssport Dressur
Wie zum Beispiel das Spring- und Dressurreiten. Dort standen in den letzten Tagen die Deutschen Meisterschaften im sauerländischen Balve auf dem Programm. Erster Unterschied: Von langen Übertragungen am Nachmittag im dritten Fernsehprogramm des WDR darf man im Galopprennsport nur träumen. Dort ist man schon froh, dass sich ein Sender wie Sport 1 mal wieder erbarmt, 15 Minuten am Sonntag zu opfern. Die German 1000 Guineas waren dort aber nicht zu sehen.
Auch die Printmedien stehen auf Spring- und Dressurreiten: Den Ruhr Nachrichten (die nicht im Sauerland erscheint) sind die Meisterschaften mehrere Geschichten wie diese wert. Das Blatt hat sogar einen eigenen Redakteur nach Balve geschickt, in der Printausgabe vom Montag waren die Meisterschaften ein großes Thema.
Ähnlich sah es bei Westfälischer Rundschau und Westfalenpost (die im Sauerland erscheinen) aus.
Und natürlich facht ein Pferd mit dem Namen Totilas die Medienresonanz an. Der Hengst kostete eine Heidensumme, gilt als weltbestes Dressurpferd und ist ein richtiger Star. Alle stürzen sich auf ihn. Die Suche nach Totilas führt bei Google News zu 323 Meldungen – wohlgemerkt nur für den Montag. Ausgerechnet der elitäre Dressurrennsport, in der Regel das Betätigungsfeld von Sprößlingen sehr reicher Eltern, fasziniert auf einmal alle.
Immerhin können die Galopper etwas daraus lernen: Sie brauchen einen vierbeinigen Star, so eine Attraktion wie Overdose. Da kann man nur hoffen, dass keiner aus der Schlenderhaner Armada das Derby gewinnt, sondern Gereon aus Hoppegarten. Denn der hat all diese Underdog-Qualitäten, die ihn zum Star machen können. Da wäre zum einen ein Trainer, der nur ein paar Pferde trainiert und der noch nie eines dieser Klasse trainiert hat. Dann ist er auch noch Besitzer dieses Pferdes, sitzt zudem im Rollstuhl . Nicht zu unterschätzen ist der Ost-Bonus, kommen die sonst erfolgreichen Pferde doch fast immer aus den gleichen Zentren im Westen. Jetzt muss Gereon nur noch gewinnen - oder ganz unglücklich verlieren. Das macht sich medienmäßig immer gut.



Freitag, 17. Juni 2011
Giganten des Turf und ein heißer Kandidat für das deutsche Derby 2011
Das ist schon ganz großes Kino, was da derzeit im englischen Ascot abgeht. Drei Tage sind vorbei beim königlichen Rennfestival und an solchen Tagen möchte ich sogar Engländer sein (ansonsten spricht einiges dagegen): Denn wie diese so ein Festival feiern, das ist schon grandios. Natürlich spiegelt der „Karneval der englischen Oberschicht" (ZDF) nicht die Realität im englischen Turf wider, denn dort sind die Basisrennen ähnlich schlecht dotiert wie in Deutschland.
Es ist dennoch eine große Show, die da abläuft. Die Stars der Branche sind fast komplett anwesend. Vierbeinige Topathleten wie Goldikova, Frankel, So You Think oder Fame and Glory sind zwar kontraproduktiv beim Wetten, weil sie so niedrig stehen und scheinbar unverlierbar sind. Aber jeder freut sich auf ihren Auftritt. Die Geschichten der ersten drei Tage von Royal Ascot 2011.

Dämpfer für das Wunderpferd
Die Engländer haben ihn schon in den Turf-Olymp aufgenommen: Spätestens nach seinem Sieg in den englischen 2000 Guineas zählt Frankel zu den Großen des Turfs. Dabei ist er erst drei Jahre alt, hatte vor dem Start in den St. James’s Palace Stakes gerade mal vier Rennen bestritten. Diese alle jedoch mit dem berühmten „Finger in der Nase“ gewonnen. Alles andere als eine Deklassierung des gut klassigen Feldes galt da schon als Enttäuschung.
Nach dem Rennen war dann die Reaktion eher gemischt: Der Schützling von Henry Cecil hatte zwar gewonnen, das Feld aber nicht „zerstört“. Kurz sah es sogar so aus, als wenn ihn Zoffany aus dem Stall von Aiden O’Brien gefährden könnte. Denn Tom Queally hatte den Favoriten früh nach vorne beordert, weil sein Hengst stark nach vorne pullte und der Pacemaker eigentlich überflüssig war. Doch mit fortlaufender Distanz wurde Frankel kürzer; Queally hätte sich einiges anhören müssen, wenn die beiden das Rennen verloren hätten. Es blieb aber beim sicheren Sieg – und die Meile ist offensichtlich die beste Distanz für den Galileo-Sohn. Den deutschen Dreijährigenjahrgang wertete Excelebration, bekanntlich Sieger im Mehl-Mülhens-Rennen, mit seinem guten dritten Platz auf.
Das Rennen

Die Königin ist tot, es lebe der König
Sie ist schon eine lebende Legende: Goldikova, die sechsjährige Stute aus dem Stall von Freddie Head. Nur einmal in 23 Starts war sie nicht placiert, insgesamt 13 mal triumphierte sie in Gruppe 1-Rennen in Frankreich, England und den USA. Mehrfach schlug sie dabei Paco Boy. Goldikovas Serie ist nun zu Ende: Frankreichs erste Pferdedame verlor allerdings in allen Ehren gegen Canford Cliffs. Ein Pferd, das zu den besten Meilern Europas zählt, über einen bemerkenswerten Speed verfügt und vorher schon vier Gruppe 1- Rennen gewann. Dienstag folgte der Erfolg Nr. 5 in den Queen Anne Stakes. Jockey Richard Hughes machte das, was er am besten kann, aber manchmal übertreibt: Warten, Canford Cliffs im Hintergrund halten. Doch diesmal fand Hughes den richtigen Moment, gegen den Speed von Canford Cliffs war Goldikova chancenlos.
Für den Jockey und Trainer Richard Hannon war dieser Erfolg eine kleine Revanche. Denn Hannon trainierte auch Paco Boy, Hughes saß meist im Sattel. Altmeister Hannons Worte bewahrheiteten sich zudem: Er hatte Canford Cliffs immer etwas stärker eingeschätzt als Paco Boy.
Das Rennen

Ein moralischer Sieg
Frieden und Freude nach den King’s Stand Stakes am Dienstag: Weil ich den Sieger Prohibit gewettet hatte, der nach allen Formen diesen Erfolg längst verdient hatte. Ebenso dürften die Verantwortlichen von Overdose nach dem Rennen aufgeatmet haben. Die „Budapester Wasserpistole“ (Attheraces-Mann Matt Chapman vor dem Start) beeindruckte mit Platz 4, „blitzte“ das Feld von vorne und war am Ende in dieser Gruppe 1-Prüfung nicht weit geschlagen. Eine couragierte Leistung, die viele (ich auch) dem Hengst nach seiner schwachen Form aus Haydock nicht zugetraut hätten. Ungarns Liebling profitierte vom etwas weicheren Boden, aber die Form war schon fast so stark wie vor der Verletzungspause. Vielleicht rockt Overdose wirklich noch die Insel mit einem Gruppe 1-Erfolg.
Das Rennen

Banker geputzt
Das war schon eine Ansage. „Das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, soll Aidan O’Brien über See You Then gesagt haben. Dabei hat O’Brien in seiner illustren Karriere eine Vielzahl herausragender Vollblüter trainiert: Galileo, Rock of Gibraltar oder Henrythenavigator – um nur einige zu nennen. Und dieser Hengst aus Australien, der dort die Mitteldistanz-Szene ziemlich dominierte, soll noch besser sein? Sein Status lässt sich auch daran bemessen, dass ein sehr gutes Pferd wie Jan Vermeer für ihn in den Prince of Wales’s Stakes als Tempomacher agieren sollte.
Diese Taktik ging jedoch anfangs völlig in der Hose und es kam wie es kommen muss: Der hohe Favorit See You Then wurde kurz vor dem Ziel gestellt – nicht von meinem Tipp Planteur, sondern vom Godolphin-Schützling Rewilding. Der Tiger Hill-Sohn galt schon immer als hochtalentiertes, aber spätes Pferd, floppte allerdings als hoher Favorit im englischen St. Leger. Doch frisch ist er offenbar am besten: Nach einem perfekt abgestimmten Ritt von Frankie Dettori zog der Hengst noch an dem angeblich unverlierbaren Ballydoyle-Giganten vorbei. Frankies berühmter Sprung aus dem Sattel fiel noch euphorischer aus als sonst, doch die Ernüchterung folgte schnell: Wegen übertriebenem Peitscheneinsatz kassierte Dettori neun Tage Sperre. Godolphin machte dennoch mal wieder einen richtigen Prestigepunkt gegen den alten Rivalen Ballydoyle. Und so langsam stellt Mahmoud Al Zarooni seinen Trainerkollegen Saeed Bin Suroor ziemlich in den Schatten….
Das Rennen

Thronfolger
Fame and Glory hatte gerade im Ascot Gold Cup triumphiert und die Kameras schauten mal kurz auf Aidan O’Brien. Die Zuschauer sahen etwas seltenes: Fast schon euphorischer Jubel. Dem ansonsten so kontrolliert und unterkühlt wirkendem irischen Trainer war die Erleichterung trotz aller Verkleidung regelrecht anzusehen. Es ist ja auch ein besonderes Rennen für das irische Championquartier: Der einstige Stallgefährte Yeats hatte früher fast ein Dauer-Abo auf diese Steherprüfung, eine Statur des Cup-Helden weihte die ältere Dame in den Pastelltönen just an diesem Tag ein. Er könnte jetzt einen Nachfolger haben: Nach Klasse stand Fame and Glory so und so heraus, nur bei der langen Distanz gab es noch ein paar Fragezeichen. Am Ende nicht mehr…
Das Rennen

Derbysieger 2011?
„Das ist der deutsche Derbysieger 2011“ war mein erste Reaktion. Brown Panther gewann die King George V Stakes hoch überlegen, das Pferd von Trainer Tom Dascombe hat noch eine Nennung für das Deutsche Derby in Hamburg-Horn. Zu Deutschland passt, dass Brown Panther –wie einige andere Derbykandidaten – vom einstigen Horn-Triumphator Scirocco stammt. Für mich war der Hengst eine der besten Chancen des ganzen Festivals. Sein vorheriger Sieg in Haydock fiel schon eindrucksvoll aus: Wie er dort nach schlechtem Rennverlauf beschleunigte, das sah nach Rennpferd aus. Normalerweise sind Favoriten nichts für mich in solchen heißen Rennen, aber diesmal war eine Ausnahme fällig. 50:10 zahlte Brown Panther letztendlich, aber was ist die Form wert? Erst einmal war es „nur“ ein Handicap, aber eines der gehobenen Kategorie, das meist von einem potenziellen Gruppe-Pferd gewonnen wird? Die Klasse der Gegner? Schwer einzuschätzen, weil dreijährige Pferde am Start waren, von denen einige noch viel Potential haben dürften. Derzeit sind es aber noch Handicapper. Jedenfalls wäre es eine schöne Geschichte: Zumal sein Besitzer Michael Owen für zusätzliche Schlagzeilen sorgen dürfte.



Donnerstag, 9. Juni 2011
Royal Ascot: Nur die Pferde stören etwas


Treffender Beitrag von deutsche welle tv über die Rennen in Royal Ascot. Ich habe nur keine Ahnung, wo man den Sender sehen kann. Das königliche Festival auf der Rennbahn im englischen Ascot steht jedenfalls vor der Tür: Am 14. Juni geht es los, am 18. Juni ist Schluss, macht in der Summe fünf Tage hochklassigen Galopprennsport.
Nur dass die Pferde nicht unbedingt die Hauptrolle spielen. Das königliche Rennfestival ist für viele Besucher das, was der Karneval in Deutschland ist. Das heißt Verkleiden und Alkohol bis zum Stillstand der Augen – zumindest bei manchen Besuchern. In der königlichen Loge mag es etwas distinguierter zugehen – offiziell.
Sportlich beginnt es am Dienstag schon mächtig, wenn Frankel, Triumphator in den englischen 2000 Guineas, in den St. James's Palace Stakes (Gruppe 1, 1600 Meter) unter anderem auf Dubawi Gold, Zweiter in den englischen und irischen 2000 Guineas, und Excelebration, Sieger im deutschen Mehl Mülhens-Rennen, trifft. „Ich habe alte Männer getroffen, die Pferderennen seit langen Jahren schauen und die sagen, dass sie noch nie so ein Rennpferd gesehen haben“, zitiert die Sporting Life Tom Queally, den Jockey von Frankel.
Ein weiteres Highlight sind die King’s Stand Stakes für die schnelle Brigade. Mit dabei unter anderem Overdose und einige starke Gäste aus Übersee.