Mittwoch, 8. Juni 2011
Führen wie der Blatter Sepp
Was war das für eine Groteske in der letzten Woche beim Fußball-Weltverband FIFA. Selbstverständlich wählten die Delegierten den bisherigen Präsidenten Joseph S. Blatter wieder. Vorher gab es eine schöne Schlammschlacht: Sein Gegenkandidat Mohamed Bin Hammam (Katar) verzichtete, weil ihm die sogenannte FIFA-Ethik-Kommission der Korruption bezichtete. Nur Blatter hat weiter ein reines Gewissen.
Das sorgt nicht nur bei führenden deutschen FIFA-Kritikern wie Jens Weinreich oder Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung für Empörung. Selbst das Fachblatt kicker, früher immer stramm auf FIFA-Linie und immer noch ziemlich auf DFB-Kurs, spricht seit einiger Zeit von Korruption innerhalb des Weltfußballverbandes.
Aber, liebe Nachwuchs-Machiavellis und BWL-Studenten im fortgeschrittenen Semester, Ihr könnt einiges vom Management a la Blatter lernen. Ihr müsst nur gewisse Regeln beachten. nurpferdefussball enthüllt exklusiv die Management-Leitlinien des Joseph S. Blatter.

Kritik ignorieren, Probleme aussitzen: Da ist der Sepp ganz groß drin. Kritik prallt bei ihm äußerlich unbeteiligt ab (na gut, nicht immer, manchmal bricht er auch Pressekonferenzen einfach ab), Krisen sitzt er aus. Und seit seinem Amtsantritt hat er schon einige schlimme Situationen erlebt. Was stört es eben die stolze Eiche, wenn sich das niedrige Borstenvieh dran weidet. Wichtig sind zudem (Pseudo)-Aktionen, um Probleme zu beseitigen. Das übernimmt der Präsident höchstpersönlich.

Das Gute betonen: Großen Wert legt Blatter in seinen Reden und Interviews auf Begriffe wie Leidenschaft, Fairplay, Transparenz, Ethik oder Fortschritt. Gerne spricht er auch von der großen weltweiten Fußball-Familie. Wir sitzen doch alle in einem Boot – geführt von den weisen Männern der FIFA.

Klotzen: Als FIFA-Präsident stellt man etwas dar in der großen Welt. Nur keine falsche Bescheidenheit: Top-Hotels, Privatjets, die besten Plätze im Stadion – keine Ahnung, wann jemand wie Blatter zuletzt Eintritt für ein Fußballspiel bezahlt hat.

Orden sammeln: Zahllose Auszeichnungen schmücken die Karriere des Joseph S. Blatter. Unter anderem ist er Träger des Ordens Jarowslas des Weisen (Ukraine), Träger des „Order of Good Hope" der Republik Südafrika, dazu Ritter der französischen Ehrenlegion. Unter natürlich hat er auch das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und ist Ehrenmitglied des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Nur keine Scheu vor Diktaturen oder politisch fragwürdigen Regimes. Denn die haben unheimlich tolle Auszeichnungen. Vielleicht wird es ja doch noch etwas mit dem Friedensnobelpreis.

Geschenke machen: 1998, was war das damals für ein Ärger. Dieser schwedische Typ von der UEFA, er sprach wahrlich von solchen Dingen wie Transparenz. Doch wer gewann die Wahl? Natürlich unser Held – und so hat jetzt der Fußballverband von Mali ein Hauptquartier, in dem das Büro des Verbandspräsidenten größer ist als das des Landespräsidenten. Weil der Präsident ein Herz für die kleinen Verbände hat und sie finanziell unterstützt. Das schafft Dankbarkeit und bringt Wählerstimmen. Wo das Geld letztendlich landet – Themenwechsel.

Die Schwächen der Kollegen kennen: Zweifellos die größte Stärke des Sepp Blatter. So hat er sich mit Leuten wie diesen umgeben, von denen einige nichts gegen gutgemeinte Geschenke (es kann auch Bargeld sein) haben. Das weiß der Blatter Sepp: Und wenn dann einer davon wie Jack Warner nach seiner Suspendierung von einem „Tsunami spricht, der die die ganze FIFA zum Einsturz bringen kann", dann sind das nur leere Worte. Weil der Ticketspezialist Warner doch einige Flecken in seiner sauberen Weste hat und ihm die materiellen Pfründe dann doch wichtiger sind als die gute Sache.



Sonntag, 5. Juni 2011
Wenn Menschenmassen Dortmund-Wambel stürmen

Donnerstag, gegen 15 Uhr, Rennbahn-Wambel: Menschen, Menschen, Menschen

In dieser Woche häufen sich die Turf-Großereignisse: Seit letztem Samstag läuft schon das Frühjahrsmeeting in Baden-Baden, gestern (Freitag) gab es die englischen Oaks, heute folgte dann das englische Derby, am Sonntag findet das französische Derby statt. Und dann war noch am Donnerstag der Sparkassen-Renntag in Dortmund. Natürlich war ich bei letzterem live dabei.
Der Laie freut sich, der Profi stöhnt: Die sogenannten Volksrenntage stoßen auf ein geteiltes Echo. Seit Ewigkeiten sponsert die Sparkasse Dortmund diesen Renntag am Feiertag Himmelfahrt und verteilt viele, viele Freikarten. Entsprechend gut besucht ist die Rennbahn, besonders wenn das Wetter mitspielt. Donnerstag war perfektes Wetter, trocken, etwa 25 Grad. Und so zog es Familien mit Kindern, Vatertagsausflügler und die Turfprofis nach Wambel.
Manches hat sich im Laufe der Zeit verändert: Früher war das etwa mit den leicht bis volltrunkenen Bollerwagen-Trupps viel schlimmer. Es gab Jahre, da waren zum Schluss die Nüchternen in der Minderheit auf dem Rennplatz. Das ist Vergangenheit: Heute ist das eine Familien-Veranstaltung, bei der die schnellen Pferde eine wichtige Rolle spielen, aber nicht alles sind.
Für den Profi sind Volksrenntage hingegen die Pest: Weil sich lange Schlangen vor Wettschaltern und Verpflegungsständen bilden, der Führring (der in Dortmund direkt in den Biergarten übergeht und wenig Zuschauerplätze bietet) dicht umdrängt ist und irgendwelche fremde Leuten seinen Stammplatz bevölkern.
So schlimm war es am Donnerstag nicht, zumal die Dortmunder Bahn durchaus Rückzugsorte vom Trubel bietet. 10 000 Zuschauer sollen da gewesen sein, der Umsatz war mit rund 150 000 Euro bei so vielen Besuchern wie so häufig ziemlich dürftig. Außerdem veranstaltete Baden-Baden fast zeitgleich, das zog viel Umsatz ab.

Happy Royal macht Freude
Ärgerlich ist, dass Baden Racing erstmals an diesem Tag eine Derbyvorprüfung veranstaltete und damit dem Dortmunder Rennverein quasi eine Prüfung mit viel Tradition wegnahm. Der Große Preis der Sparkasse Dortmund war diesmal ein Ausgleich 1. So viel also zum Thema Solidarität im deutschen Turf.
Sportlich sattelte der Dortmunder Lokalmatador Uwe Stoltefuß mit Sommerabend und Birthday Lion die ersten zwei in obigem Ausgleich, gewann der unverwüstliche Egon mal wieder eine gut ausgesuchte Pflichtaufgabe und bewies Summernight Sky aus dem Ostmann-Quartier, dass Pferde auch trotz einer Aversion gegen die Startbox gewinnen können.
Meinen Tag finanziell rettete Happy Royal, ein schon neunjähriger Wallach aus dem Stall von Besitzertrainerin Karin Niester. Der Senior, der aus einer Pause kam, gewann souverän den Ausgleich 4. Großen Anteil daran hatte Jockey Fernando Alberto Guanti – ein Name, der mir vor kurzem noch gar nichts gesagt hatte. Seit Dienstag kenne ich ihn jedoch: Da ritt der Panamese Fol Liam in Baden-Baden zum Sieg – ähnlich beherzt, ähnlich taktisch klug von der Spitze wie mit Happy Royal. Nur dass er den England-Import Fol Liam richtig marschieren ließ und damit seine Gegner quasi aus den Schuhen galoppierte. Es war übrigens ein grandioser Dienstag – mit Nardo (wie Fol Liam ebenfalls trainiert von Besitzertrainer Christian Peterschmitt) und Laufmasche wettete ich zwei weitere Sieger. Und das auf einer Bahn, auf der ansonsten meine Bilanz eher durchwachsen ist.


Wo laufen sie denn? Da unten....



Donnerstag, 2. Juni 2011
Epsom Derby: Der nächste Freudentag für die Royals?
Es wäre so eine schöne Geschichte: Carlton House, das Pferd der englischen Queen, gewinnt das englische Derby auf der Galoppprennbahn in Epsom. Doch Schrecksekunde am Dienstag: Der Hengst verletzte sich leicht, nach einem Galopp am Donnerstag gab es aber grünes Licht für den Start. Und der wird kein Spaziergang, denn die Gegner am Samstag sind durchaus nicht schlecht. Nur der große Frankel läuft nicht, den lässt Trainer Henry Cecil leider auf der Meile. Die chancenreichsten Kandidaten im Überblick.

Carlton House (Trainer Michael Stoute): Überzeugender Gewinner der Dante Stakes in York. In der wichtigsten englischen Derbyvorprüfung schlug er unter anderem Seville. Das sah schon nach Rennpferd aus, wie Carlton House trotz aller Unreife in York siegte, zumal er am Anfang noch ziemlich stark pullte. Zudem hatten die Stoute-Pferde zu diesem Zeitpunkt noch wenig Form. Im Stall von Sir Michael Stoute galt er schon früh als Derbykandidat. Sein Trainer weiß einen Derbykandidaten punktgenau vorzubereiten. So hat bereits fünf Derbies gewonnen, unter anderem mit Workforce im letzten Jahr. Leichte Bedenken gibt es noch, ob Carlton House nach Abstammung das nötige Stehvermögen über 2400 Meter besitzt.

Pour Moi (Andre Fabre): So etwas wie das „talking horse“ der letzten Tage, zumal er offensichtlich eine beeindruckende Arbeit auf der Derbybahn in Epsom absolviert haben soll. Andre Fabre, 19facher französischer Championtrainer, schickt den Sohn von Montjeu an den Start und „hält ihn für seine beste Chance, das englische Derby jeweils zu gewinnen“. Zuletzt triumphierte Pour Moi in einem Gruppe 2-Rennen in Saint-Cloud und zeigte dabei grandiosen Speed (siehe unten). Mit Mickael Barzalona sitzt einer der zukünftigen Top-Jockeys im Sattel.


Kommt ein Pur Moi angeflogen: Der Sieg des Fabre-Schützlings im Prix Greffulhe, Platz 3 ging an Vadamar

Recital (Trainer Aidan O’Brien): Der kürzeste im Wettmarkt aus dem O’Brien-Quartier. Recital gewann das Derrinstown Stud Trial in Leopardstown gegen den Stallkameraden Memphis Tennessee. Zweijährig war er bereits auf schwerem Boden im Grand Criterium de Saint Cloud erfolgreich. Sein Pilot heißt wieder Kieren Fallon; kaum jemand ritt früher den schwierigen Derby-Kurs in Epsom so gut wie Fallon, der zudem einst als Stalljockey große Erfolge mit O’Brien feierte. Alerdings steht noch gar nicht fest, ob Fallon ihn überhaupt reiten darf. Etwas Bedenken, ob Recital mit dem Epsom-Kurs zurechtkommt, habe ich schon, so wie er in Leopardstown lief.

Seville (Trainer Aidan O’Brien): 2. hinter Carlton House im Dante, 2. hinter Casamento in der Racing Post Trophy in Doncaster – bei drei seiner vier Starts belegte Seville den Ehrenplatz. An mangelndem Stehvermögen sollte er nicht scheitern.

Native Khan: (Trainer Ed Dunlop): Zeigte seine bislang beste Form als Dritter hinter Frankel in den 2000 Guineas, davor Sieger in den jedoch relativ schwach besetzten Craven Stakes. Beides Mal ging es über 1600 Meter – ob der Schimmel das Stamina für 2400 Meter hat, daran bestehen einige Zweifel. Sein Jockey Olivier Peslier glaubt aber an das Stehvermögen des Hengstes. Wenn Peslier recht hat, ist Native Khan ein sehr interessanter Starter.

Ocean War (Trainer Mahmoud Al Zarooni): Gut gesteigerter Godolphin-Hengst, gewann zuletzt trotz einiger Unreife ein Listenrennen über 2000 Meter in Newmarket. Muss sich aber steigern, vielleicht kommt das Derby für den Schimmel auch noch etwas früh.

Vadamar (Trainer Alan Royer-Dupre): Als Favorit 3. hinter Pour Moi, den er in Epsom wiedertrifft. Eine Formunkehr dürfte schwierig sein, aber wenn Vadamar mit der Bahn in Epsom zurechtkommt, könnte er alle überraschen. Lief jedes Mal wie ein großer Steher, sein Trainer verbreitet jedenfalls reichlich Optimismus.

Memphis Tennessee (Trainer Aidan O’Brien): Dritter Starter aus dem O’Brien-Quartier. Der zweite Platz hinter dem Stallgefährten Recital im Derrinstown Stud Trial in Leopardstown sah nicht schlecht aus, eine richtige Chance hatte Memphis Tennessee aber nicht. Sicherlich ein Pferd mit Potenzial, aber andere Ballydoyle-Pferde sollten bessere Möglichkeiten haben.

Treasure Beach (Trainer Aidan O’Brien): Knapper Sieger in der Chester Vase gegen Nathaniel, der eigentlich für das Derby vorgesehen war. Dennoch muss er sich steigern, andere Kandidaten haben stärkere Formen.

Masked Marvel (Trainer John Gosden): Gut gesteigerter Hengst aus dem Quartier von John Gosden. Zuletzt Sieger in einem Listenrennen gegen Namibian, der die Form aber nicht aufgewertet hat. Deutlicher Außenseiter.

Urteil
Durch seinen Trainingsstopp könnte Carlton House endlich zu einer vernünftigen Quote unterwegs sein, zumal zuletzt viel Geld auf Pour Moi und Recital floss. Das Pferd für die Überraschung ist Vadamar, gespannt bin ich auf Native Khan: Wenn er mit der Distanz zurechtkommt, könnte der Schützling von Ed Dunlop brandgefährlich sein,