Montag, 7. Februar 2011
Ein Schuss Tristesse: Winterrennen in Wambel
Launige Worte des Präsidenten: Pferderennen in Dortmund sollen wieder Event-Charakter haben. „Wo man hingeht, um zu sehen und gesehen zu werden“, formulierte es Markus Sträter, Präsident des Dortmunder Rennvereins, im Interview mit dem Fachblatt Sport-Welt. Die Gegenwart der Winterrennen in Wambel ist allerdings hart genug und weit von Ereignis-Charakter entfernt. nurpferdeundfussball war am Sonntag vor Ort.
Vergessen wir mal das ganze Event-Gerede: So ganz out sind Galopprennen nicht – auch wenn mancher Zeitgenosse das Gegenteil behauptet. Am Sonntag in Dortmund war das Publikum altersmäßig schon gemischt. Die Studentenclique freute sich tierisch über ihre Gewinne bei der Platzwette freute, auch wenn die ältere Generation dominierte. Das Wetter war zudem in Ordnung: etwas windig, aber trocken und für die Jahreszeit richtig warm.


Bekannt und gelobt: Der Bratwurst-Profi aus Unna

Ich bin mir nicht sicher, ob früher die Winterrennen besser besucht waren. Die Rennvereine nennen ja nie Besucherzahlen, wobei das in Dortmund aufgrund des freien Eintritts eher nicht mehr möglich ist. Am Sonntag füllte sich die Bahn so langsam, richtig voll war es jedoch nicht. Das war es früher aber meist auch nicht, nur die Zeiten, dass ganze Busse aus dem Rheinland anreisten, sind Geschichte.
Definitiv höher war früher der Wettumsatz. Über 130 000 Euro hätte man vor 20 Jahren nur gelacht, so ein Sonntag im Februar hätte mindest 500 000 DM gebracht. Nicht viel hingegen hat sich bei den Preisgeldern getan, die waren vor 20 Jahren fast auf dem gleichen Niveau.
Sportlich dominieren weiter die Handicaps der unteren Kategorie, der „Nützlichkeitssport“, wie die Sport-Welt immer so schön schrieb, dominiert. Nur mit einem Unterschied: In der Vergangenheit gab es meist einen Ausgleich 2 als sportlichen Höhepunkt. Das waren meist schöne Wettrennen. Nur kommen sie heute nicht mehr zustande, weil Pferde dieser Klasse inzwischen lieber in Frankreich Rennen bestreiten, da sie dort viel mehr Geld verdienen können.

Das Elend des Wettscheins
Eine Schönheit war die Dortmunder Rennbahn im Winter noch nie. Es wirkt alles etwas trist, die Wetthalle in der zweiten Tribüne verkörpert die gleiche Trostlosigkeit wie immer. Die unter Denkmalschutz stehende Tribüne ist ansonsten ein Pluspunkt im Winter: Die Glasscheiben bieten Wetterschutz, die Sicht ist auf den meisten Plätzen gut und das Catering funktioniert ebenfalls.
Die meisten Besucher verfolgten allerdings die Rennen draußen vor den Tribünen auf dem Rasen. Mein Geheimtipp ist die mittlere Treppe; auf deren oberen Stufen hat man den besten Blick auf die Allwetterbahn.
Auf Sparflamme kochte am Sonntag hingegen der Service-Gedanken des Dortmunder Rennvereins. So wenige offene Wettkassen habe ich in Dortmund noch nie gesehen, teilweise bildeten sich lange Schlangen vor diesen. Konsequenz: Manche Besucher konnten nicht mehr ihren Schein abgeben, da sie noch an den Kassen anstanden, als die Rennen schon gestartet waren.


Überlegener Sieger: Valenziani aus dem Stall von Mario Hofer gewann das dritte Rennen, so stark waren die Gegner des nobel gezogenen Sohns von Royal Applause aber nicht ...

Für Verzögerungen sorgte außerdem (wie immer) der viel zu komplizierte Wettschein, der selbst Profi zweifeln lässt. Für Neulinge ist der Schein noch erklärungsbedürftiger. Ich weiß nicht, warum man nicht einfach Ansagekassen für die einfachen Wettarten wie Sieg und Platz öffnet. So was wie der Quick-Tipp-Schein in der Viererwette geht da schon in die richtige Richtung.
Immerhin haben sie in Dortmund das Catering halbwegs in den Griff bekommen. Was auch daran liegt, dass der Bratwurstprofi Kratz aus Unna inzwischen präsent ist. Manche meinen ja, dass der Niedergang der Mülheimer Bahn mit der zwischenzeitlichen Abstinenz des Kratz-Wagens direkt zusammenhängt. So weit würde ich nicht gehen, aber die Qualität des Bratwurstprofis ist schon sehr ordentlich und deutlicher besser als das, was früher an den Ständen angeboten wurde. Dennoch bleibt noch viel zu tun…
Wetttechnisch war es übrigens ein ziemlicher Flop-Tag für mich. Was ich am Sonntag in Wambel verloren habe, habe ich allerdings am Samstag in Sandown gewonnen. So ist eben das Zockerleben.



Mittwoch, 2. Februar 2011
Die Grätscher aus der Waldhof-Schule
Der kicker beschäftigt sich seit einigen Wochen mit sportlich abgestürzten Traditionsklubs. Nach Rot-Weiss Essen und Lokomotive Leipzig porträtierte das Fachblatt in dieser Woche Waldhof Mannheim. Inzwischen kickt der Klub nach einem „beispiellosen Selbstzerstörungsprozess mit Insolvenz (2003), zweimaligem Lizenzentzug (2003,2010) und mehrfachem Abstieg“ (kicker) in der fünftklassigen Oberliga Baden-Württemberg. Gut, dass Sepp Herberger, der berühmteste Spross des Vereins aus dem Mannheimer Arbeiterviertel, diesen Absturz nicht mehr miterleben durfte. Der Alt-Bundestrainer spielte dort in den zwanzigen Jahren. In dieser Zeit stand der Waldhof laut kicker für „präzises Flachpassspiel auf hohem technischen Niveau“.
Jüngere erinnern sich eher an die Jahre 1983 bis 1990, als die Mannheimer in der Bundesliga kickten. Da ging es eher rustikal bei den Waldhof-Buben zu. Ich verbinde mit Waldhof Mannheim einige der ödesten Spiele, die ich je im Dortmunder Westfalenstadion gesehen habe. Zum Beispiel aus der Saison 1983/84 ein fürchterliches 0:0, das in der Saison danach von einem noch schlimmeren 0:0 getoppt wurde. Der Höhepunkt war allerdings ein trostlosen Nachmittag im Dezember 1987: Es regnete ununterbrochen, Waldhof hatte wie üblich richtig Beton angerührt, stand mit neun Mann am eigenen Strafraum und kam im ganzen Match einmal vor das Dortmunder Tor. Das reichte zu einem 1:0-Sieg – eine Begegnung, die mich noch lange verfolgt hat, weil sie so grauenhaft war.
Irgendwie war der Verein damals richtig unsympathisch. Schon der Trainer nervte mit seinem Gebrabbel, das man nur rund um Mannheim und Darmstadt verstand, und seinem albernen Pepita-Hut. Klaus Schlappner, kurz „Schlappi“ genannt, setzte auf Tugenden wie Kampf und Willen. Passend zum Zeitgeist, denn im deutschen Fußball dominierten in dieser Zeit die Renner und Kämpfer, Fußball wurde gearbeitet und „nicht gespielt“. Strikte Manndeckung lautete das Motto – zur Not folgten die Abwehrspieler ihren Gegenspielern noch auf die Toilette.

Bollwerk
„Schlappis“ Truppe baute auf eine kompakte Abwehr: Dort standen mit Dieter Schlindwein, Dimitrios Tsionanis und Roland Dickgießer kompromisslose Gesellen – wüste Grätscher, die nur das Spiel zerstörten und denen dabei jedes erlaubte und nicht erlaubte Mittel recht war. Technisch waren die Schlindwein, Tsionanis und Dickgießer eher einfach aufgestellt, offensive Fähigkeiten musste ein Manndecker aber damals auch nicht haben.
Überhaupt ist der SV Waldhof in den siebziger und achtziger Jahren die „Grätscher-Schule“ der Nation. Aus dem Klub kamen einige der kompromisslosesten Abwehrspieler Deutschlands, die allesamt zu Nationalspielern wurden – zweikampfstark, kampfkräftig, aber eben auch spielerisch limitiert. Es begann mit Karlheinz Förster, der in der Waldhofer Jugend spielte, bevor er dann beim VfB Stuttgart zum Nationalspieler avancierte. Auch sein älterer Bruder Bernd kickte ein Jahr bei den Mannheimern, bevor er dann ebenfalls zum VfB Stuttgart wechselte. Es folgte dann Paul Steiner, der später zum 1.FC Köln wechselte.
Die größte Karriere von allen machte wohl Jürgen Kohler, der in Waldhof seine fußballerische Ausbildung erhielt und dann in Köln, München, Turin und Dortmund Titel und Ruhm einheimste. Und auch Christian Wörns, sein späterer Mitspieler in der Nationalmannschaft und beim BVB, stammt aus der Waldhof-Schule. Mit einem Unterschied: Die Italiener brachten Kohler das Fußballspielen bei, in Dortmund war der „Fußballgott“ durchaus auch spielerisch gereift.

Wer noch immer nicht genug hat vom SV Waldhof: Hier gibt es eine durchaus sehenswerte Reportage über den Verein, lief wohl in der ZDF-Sportreportage und ist viel bessser als das, was der Sender heute im Sport abliefert.



Donnerstag, 20. Januar 2011
Erinnerungen an die Zeit mit Sammer
Kommt er nun oder kommt er nicht? Wird Matthias Sammer, derzeit noch als Sportdirektor in Diensten des DFB, neuer Sportchef des Hamburger SV? Noch weiß das Sammer selbst noch nicht, schreibt der in Sachen DFB meist gut informierte kicker.
Dennoch ein willkommener Anlass für diese Kolumne, mal auf das Wirken von Matthias Sammer bei Borussia Dortmund zurückzublicken. Denn der gebürtige Dresdener prägte von 1993 bis 2004 als Spieler und später Trainer entscheidend die Entwicklung des BVB in dieser Zeit.
1993 kam Sammer nach einem eher missglückten Gastspiel bei Inter Mailand nach Dortmund. Dort entwickelte er sich schnell zu einem Führungsspieler, bestimmte als Libero maßgeblich das Spiel der Millionentruppe von Trainer Ottmar Hitzfeld. Der Nationalspieler wurde schnell einer der Macher im Team und glänzte durch herausragende Leistungen. Pflegeleicht war der überehrgeizige Sammer aber nicht: Gerne stauchte er schon mal - wenn es nicht so lief und oder seine Kollegen es etwas lässiger angehen wollten - seine Mitspieler wie Andy Möller auf dem Feld zusammen.
Auch Trainer Hitzfeld hatte es nicht immer leicht mit dem mündigen Spieler Matthias Sammer, der seinen Trainer häufig hinterfragte. Der Erfolg heilte jedoch lange Zeit alle Differenzen: 1995 und 1996 wurde Dortmund Deutscher Meister, 1997 folgte der Champions League-Triumph gegen Juventus Turin – ausgerechnet im Münchener Olympiastadion, der Heimat des damaligen Rivalen FC Bayern München.

Vom Retter zum Buhmann
Zum Schluss seiner aktiven Laufbahn war Sammer häufig verletzt. Als es dann als Spieler nicht mehr weiterging, wurde er – nicht gerade gewollt – Trainer. In der Saison 1999/2000 hatte die Borussia nach dem ersten Spieltag der Rückrunde Trainer Michael Skibbe entlassen und unter seinem Nachfolger Bernd Krauss schlitterte Borussias Millionenelf unaufhörlich Richtung Abstieg. Was nicht nur an Krauss lag: Die Mannschaft präsentierte sich als zerstrittener Haufen, viele Spieler hatte ihre beste Zeit hinter sich oder konnten ihre Leistung abrufen. Der BVB-Vorstand unter Präsident Gerd Niebaum zog die Notbremse; Sammer übernahm mit Altmeister Udo Lattek gemeinsam das Traineramt, zusammen schafften sie den Klassenerhalt.
Zu Beginn der Saison 2000/2001 rückte Sammer allein in die Verantwortung. Es ging wieder aufwärts, auch weil der BVB – auch wenn er es sich finanziell gar nicht mehr leisten konnte – die Mannschaft teuer verstärkte. Unter anderem kamen Jan Koller, Tomas Rosicky und Marcio Amoroso. 2002 wurde Dortmund dann Meister, profitierte davon, dass Bayer Leverkusen Nerven zeigte. Zudem war das ein Dortmunder Team, mit dem man Erfolg haben musste – so gut war dieses üersonell besetzt. Überspitzt formuliert: Auch der Zeugwart wäre mit dieser Truppe Meister geworden.
Danach ging es abwärts: Sammer wurde immer mehr zum Freund einer vorsichtigen Taktik. Das sah dann meist so aus: Langsamer Spielaufbau, die Mannschaft spielte mehr quer als nach vorne. Ziemlich ideenlos wurde das Mittelfeld überbrückt, in dem der Ball von hinten auf den langen Koller geschlagen wurde – trotz eines Tomas Rosicky im Mittelfeld, einem klassischen Spielmachertyp, dem Sammer mit Defensivaufgaben den Spaß am Spiel nahm. Folgerichtig verpasste Dortmund mit Rang 3 die direkte Qualifikation für die Champions League – der erste Rückschlag für den damals finanziell schon ziemlich angegriffenen BVB.
Die nächste Spielzeit begann mit einem Schock, als die Westfalen in der Champions League-Qualifikation am FC Brügge scheiterte. In der Bundesliga wurde es noch trostloser: Die Spiele wurden immer grauenhafter. Sammer, so der Eindruck, hatte der Mannschaft jegliche Spielfreude ausgetrieben, das Pfeifkonzert zur Halbzeitpause gehörte zum guten Ton im Westfalenstadion. Die Ehe Sammer – BVB war am Ende; Mit Platz 6 verpasste Dortmund das internationale Geschäft. Matthias Sammer ging als Trainer zum VfB Stuttgart und wurde dort nach einem Jahr entlassen. Grund: die wenige attraktive Spielweise, das schwäbische Publikum rebellierte angeblich. Doch die Herren Staudt und Hundt im VfB-Vorstand zeigten damals schon ihre „fachlichen“ Qualitäten: Als Nachfolger verpflichteten sie ausgerechnet Giovanni Trappatoni, den Defensivspezialisten aus Italien.