Montag, 21. Februar 2011
Dortmunder Zauberfußball
Wo Torhüter zu Helden werden: Der Signal-Iduna-Park, das ehemalige Westfalenstadion, ist bislang in der Rückrunde ein guter Ort für Torhüter der Dortmunder Gegner. Thomas Kessler machte da am Samstag keine Ausnahme: Der Keeper des FC St. Pauli reagierte mehrfach prächtig bei Dortmunder Torchancen, ohne ihn hätte der Aufsteiger vier oder fünf Tore kassiert. Der kicker gab ihm die Note 1,5 und wählte den ehemaligen Kölner zum „Spieler des Spiels“: „Beschützte sein Team mit herausragenden Rettungstaten. Ohne ihn wäre die Partie für St. Pauli zum Fiasko geworden“, urteilte das Fachblatt.
„Spieler des Spiels“ waren vorher auch schon Manuel Neuer (Note 1, er war sogar „Mann des Tages“) und Sven Ulreich (Note 2), die Schlussleute der ersten beiden BVB-Heimgegner Schalke und Stuttgart. Im Gegensatz zu Kessler sicherten sie allerdings ihren Teams das Remis – was besonders für den Revierrivalen Schalke 04 höchst schmeichelhaft war, weil die Borussia in diesem Derby haushoch überlegen war und den Gegner teilweise regelrecht vorführte.
Kesslers Team ging hingegen leer aus. Bis zur 39 Minute hielt der FC St. Pauli das 0:0, dann brachen alle Dämme: Barrios machte das 1:0 und selten wirkte ein Jubel befreiender als nach diesem Tor. Ganze Gesteinsbrocken fielen den Besuchern vom Herzen, wenn sie denn mit Schwarz-Gelb sympathisierten. Denn vorher hatte der BVB wieder famos kombiniert, nur der verdiente Treffer wollte nicht fallen.
„Meine Mannschaft hat eine indiskutable Vorstellung abgeliefert. Das war katastrophal, einfach desolat, ein echter Tiefschlag“, meinte Holger Stanislawski, Trainer des Kiezclubs, frustriert nach dem Spiel.
Da kann man nur sagen: Einspruch, Herr Stanislawski! Nicht St. Pauli war so schwach, der BVB war so stark. Nur die Chancenverwertung ist ein Problem, ansonsten gilt: Es ist derzeit einfach ein Genuss, Borussia Dortmund spielen zu sehen. Ich gehe lang genug ins Stadion, aber so phänomenal wie diese Mannschaft kombiniert, das habe ich noch von keinem Dortmunder Team der Vergangenheit gesehen. „Purer Lustfußball“ nannte das der kicker treffend in seiner Match-Analyse. Das Gerede von der Krise nach drei Unentschieden in der Rückrunde ist einfach nur dummes Zeug.

Breite Brust
Am letzten Mittwoch war ich fasziniert von der Partie Arsenal gegen Barca in der Champions League. Beide Mannschaften waren unglaublich passsicher, kombinierten in höchstem Tempo. Natürlich hat die Champions League ein höheres Niveau als die Bundesliga und es wäre vermessen, den BVB auf eine Stufe mit Barca zu stellen. Dennoch nähert sich die Borussia der Saison 2010/2011 diesem Level. Auch das Team von Jürgen Klopp kombiniert ungemein passsicher, verfügt durch die Bank über spielstarke Leute. Ein Mats Hummel spielt beispielsweise als Innenverteidiger Pässe, da hätten sich deutsche Abwehrspieler früherer Generationen die Beine gebrochen.
Nächste Woche geht es zum Gipfel nach München. Selten fuhr ein Dortmunder Team mit so breiter Brust zu den Bayern, auch wenn der BVB dort schon ewig nichts mehr geholt hat. Es gibt eine ganze Menge Leute, die sagen, wenn Dortmund dort siegt, ist das Meisterschaftsrennen gelaufen. Falls Bayern allerdings gewinnt, wird es noch einmal eng.
Ich bin da anderer Meinung: Auch wenn der BVB mit einer Niederlage zurückfährt, hat er noch zehn Punkte Vorsprung auf die Bayern. Auf Leverkusen wären es sieben, wenn Bayer in Bremen gewinnen würde. Und das reicht allemal bis zum Saisonende: Weil sowohl Bayern auch Bayer noch Spiele verlieren werden, zumal sie auch noch in Champions League bzw. Europa League spielen müssen. Und auf internationaler Ebene ist ja Dortmund - wenn auch reichlich unglücklich - bereits gescheitert.



Donnerstag, 17. Februar 2011
Der ewige Arsene
Etwas flapsig nennt man das wohl „vorglühen“: Weil Borussia Dortmund im nächsten Jahr mit hohen Wahrscheinlichkeit wieder in der Champions League spielt, schaue ich mir die Spiele der europäischen Königsklasse noch genauer an. Zum Beispiel das Duell am Mittwoch zwischen Arsenal London gegen FC Barcelona: Zwei Mannschaften der europäischen Spitzenklasse, die eine ähnliche Spielphilosophie auszeichnet. Beide Teams sind offensiv ausgerichtet, es dominiert das gepflegte Kurzpassspiel, viel Direktspiel – und alles passiert in einem Wahnsinnstempo. Da waren Erwartungen und Vorfreude groß.
Zum Glück erfüllte das „Duell der Passkünstler“ (kicker) dann auch die Erwartungen. Es war ein tolles Spiel zweier technisch perfekter Teams. 60 Minuten dachte ich, dass Barca die Partie locker nach Hause bringt. Der Ball lief grandios durch die Reihen der Katalanen; Xavi, Iniesta, Messi und co. bewiesen eindrucksvoll, dass sie derzeit das beste Vereinsteam der Welt sind. Doch dann lockerte Barca das Tempo; Arsenal fand zurück ins Spiel, profitierte beim 1:1 von einem Fehler von Victor Valdes im Barcelona-Tor, erarbeitete sich weitere Chancen und kam sogar zum 2:1 durch den eingewechselten Arshavin.
Barcelona ist also auch ohne den berühmten „Bus“ schlagbar. Mit dieser Taktik hatte Jose Mourinho im letzten Jahr mit seinem damaligen Klub Inter Mailand die Katalanen in der Champions League ausgeschaltet. Mourinho hatte strikte Defensive angeordnet, quasi einen „Bus in den Strafraum“ geschoben.
So eine Taktik widerspricht allerdings völlig der Philosophie von Arsenal-Manager Arsene Wenger. „Er will schönen Fußball spielen wie Barcelona, er weigert sich, die irre anmutenden Transfersummen für die Top-Stars zu zahlen, und er glaubt an den Aufbau von Mannschaften mit jungen Spielern, die er selbst ausgebildet hat“, charakterisierte der kicker den Franzosen sehr treffend in seinem Champions League-Sonderheft.
Seit September 1996 trainiert der Elsässer den Londoner Traditionsklub – und er hat im Laufe der Zeit den Verein gründlich umgekrempelt. „French Revolution“ schrieben die englischen Gazetten häufig in den ersten Jahren, „Boring Arsenal“, wie die Westlondoner aufgrund ihrer ergebnisorientierten Spielweise gerne in den achtziger Jahren tituliert wurden, war längst Vergangenheit.

Fish, Chips und Lager
Wenger setzte auf Offensive und Kurzpass, brachte moderne Trainingsmethoden in den Verein und kümmerte sich auch um Dinge wie die Ernährung seiner Spieler. Das war offensichtlich völlig neu für englische Profis: Nach dem Vormittagstraining ging es häufig nach einer ordentlichen Portion Fish und Chips zum nachmittäglichen Umtrunk ins nächste Pub. Da verwunderte es nicht, dass eine Arsenallegende wie der kantige Abwehrspieler Tony Adams zum Alkoholiker wurde.
Drei Mal holte Arsenal unter Wenger den Titel in der Premiere League, vier Mal den FA-Cup. In den letzten Jahren stand er allerdings erstmals etwas in der Kritik. Denn der letzte Titel lag schon einige Jahre zurück (2005 FA-Cup), sein Jugend-Konzept fand nicht mehr überall Anklang. Zudem monierten manche Kritiker, dass kaum noch ein Engländer im Startteam stand.
Die großen Namen fehlten bis auf Arshavin auch in den letzten Jahren bei den Neueinkäufen. Allerdings kamen mit Squillaci, Vermaelen, Koscielny und Charmakh etwas routiniertere Spieler. Aber keine großen Namen, andere Vereine der Premiere League rüsten da ganz anders auf. Das Gerüst bilden weiter Spieler, die früh zu den Gunners kamen und die Wenger und sein Trainerteam formten.
In dieser Spielzeit läuft es in der Premiere League ganz ordentlich, nur haben die Westlondoner Pech, dass der alte Rivale Manchester United eine fast perfekte Saison statt. Mit seinem Managerkollegen Alex Ferguson verband Wenger lange Zeit eine heftige Rivalität, inzwischen verstehen sich diese beiden Alpha-Tiere des englischen Ligafußballs aber besser.
Das Emirates Stadium, in dem Arsenal seit 2006 spielt, ist fast immer ausverkauft. Ohne Mitgliedschaft läuft gar nichts – bei Eintrittspreisen, bei denen man in Deutschland nur die Ohren anlegt. Die Premiere League ist ein kostspieliger Spaß und in London noch einmal besonders teuer. „Wer 50 Pfund für ein Fußballspiel bezahlt, der erwartet ein Spektakel“, meint Wenger. Und das bekamen die Zuschauer am Mittwoch zweifellos..



Montag, 14. Februar 2011
Mein Mumm heißt Peddlers Cross
Die Spannung steigt: Noch fünf Wochen bis zum Beginn des Cheltenham-Festivals (15. bis 18. März), dem Gipfeltreffen der besten Hindernispferde aus England und Irland. Racing Post und Sporting Life haben schon seit geraumer Zeit Extra-Cheltenham-Seiten. Auch diese Kolumne wird in nächster Zeit die wichtigsten Rennen dieses grandiosen Festivals analysieren. Den Auftakt machen die wichtigsten Protagonisten der Champion Hurdle, dem großen Höhepunkt des ersten Tages.

Binocular: Der Titelverteidiger und Führende im Wettmarkt. Das war schon imponierend, wie Binocular in der Champion Hurdle 2010 im letzten Jahr die Zielgerade in Cheltenham hochstürmte und letztendlich leicht gegen Khyber Kim triumphierte. Wie schon in den Jahren zuvor brauchte der Schützling von Trainer Nicky Henderson etwas Zeit: Beim Saisonauftakt fehlten die letzten Reserven gegen Peddlers Cross und Starluck. Es folgten ein überzeugender Sieg in der Christmas Hurdle in Kempton und zuletzt ein standesgemäßer Erfolg in einem Listenrennen in Sandown gegen schwächere Gegner. Eine Form, die allerdings nur schwer einzuschätzen ist….

Hurricane Fly: Die große irische Hoffnung, allerdings noch nie außerhalb der grünen Insel gelaufen. Immer ein Pferd mit einem Riesenruf, kleine Verletzungen stoppten jedoch bislang einen Cheltenham-Start. Vier Mal in Folge erfolgreich, zuletzt sehr leicht gegen Solwhit auf weichem Boden in der Irish Champion Hurdle. Der Mullins-Schützling ist aber noch nie gegen so starke Gegner gelaufen. Einst trainierte ihn in Frankreich Jean-Luc Pelletan, der zu Beginn der neunziger Jahre als Jockey in Deutschland aktiv war.

Menorah: Erst sechs Jahre und ein Starter mit einer phänomenalen Bilanz: 9 Starts, 6 Siege, 3 zweite Plätze. Auf der Bahn in Cheltenham ist Menorah sogar noch ungeschlagen, war unter anderem Kampfsieger in der letztjährigen Supreme Novice Hurdle gegen Get Me Out of Here. Auch die letzten Formen auf der Bahn sahen sehr gut aus, besonders der Erfolg mit Höchstgewicht in der Grade 2 Greatwood Handicap Hurdle. Ein Pferd mit einem fantastischen Kampfgeist und die beste Chance seit langem für Trainer Philip Hobbs und Jockey Richard Johnson, mal wieder in einem Prestige-Rennen zu triumphieren. Die einzige schwächere Form zeigte der Kings Theatre-Sohn auf gut bis festem Boden in Doncaster.


Phantastische Bilder, die an ein Ausnahmepferd erinnern: Istabraq in den bekannten Farben von J P Mc Manus triumphierte 1998 erstmals in der Champion Hurdle. Es folgten noch zwei weitere Erfolge.

Peddlers Cross: Sogar noch ungeschlagen in sechs Starts ist Peddlers Cross, ein weiterer Sechsjähriger und das Aushängeschild des Stalles von Trainer Donald Mc Cain. Der Wallach hat schon während des Festivals gewonnen, siegte im vergangenen Jahr in den Neptune Investment Management Novice Hurdle. Dort war die Strecke zwar rund 1000 Meter länger als in der Champions Hurdle, aber zum einen war Peddlers Cross auch über zwei Meilen erfolgreich, zum anderen ist Stehvermögen auf der hügeligen Bahn von Cheltenham immer von Vorteil. Zu Saisonbeginn überzeugte der Wallach gegen Binocular, danach verhinderten leichter Husten und Meetings, die dem Winter zum Opfer fielen, einen weiteren Start. Jetzt sei aber alles wieder in Ordnung, sagt Donald Mc Cain und plant noch einen weiteren Vorbereitungsstart in Kelso oder Wincaton.

Oscar Whisky: So etwas wie ein „dunkles“ Pferd, das noch einiges an Reserven haben könnte. Dennoch steht der zweite Starter von Trainer Nicky Henderson vor der bislang schwersten Aufgabe seiner Karriere. Sechs Siege bei sieben Starts lesen sich aber eindrucksvoll, der einzige „Wermutstropfen“ war der vierte Platz hinter Menorah in der Supreme Novices Hurdle. In dieser Saison lieferte Oscar Whisky zwei tadellose Vorstellungen gegen schwächere Gegner ab, besonders der Erfolg in Cheltenham, wo er auf der Zielgerade noch gute Reserven zeigte, beeindruckte.

Mille Chief: Nach einem schwacher Saison 2009/2010 hat Trainer Alan King seine Pferde derzeit wieder prächtig in Schuss. Sein aussichtsreichster Starter in der Champion Hurdle ist Mille Chief, zuletzt mit Höchstgewicht überlegener Sieger auf schwerem Boden in einem Handicap in Sandown. Da bin ich erst einmal etwas skeptisch: Formen auf schwerem Boden täuschen oftmals, weil viele Pferde diese Verhältnisse überhaupt nicht mögen. Der Wallach hat bestimmt noch Luft nach oben, doch auf Kontrahenten dieser Güteklasse traf er noch nie. Für die Statistiker: Auch sein Stallgefährte Katchit triumphierte fünfjährig in der Champion Hurdle.

Khyber Kim: Der Zweite aus dem Vorjahr, wo ihn nur Binocular schlug. In dieser Jahr nur einmal am Start, doch er war chancenlos in der Christmas Hurdle gegen seinen alten Rivalen. Lange Zeit war fraglich, ob er überhaupt läuft, doch jetzt gab Trainer Nigel Twiston-Davies grünes Licht. Doch was hat Khyber Kim noch in petto? In Bestform ist er brandgefährlich, aber der neunjährige Wallach wird auch nicht jünger.

Der Rest: Erstaunlich tief steht bei einigen Buchmachern Dunguib, vor zwei Jahren Gewinner des Festival Bumpers und 2010 der irische Banker in der Supreme Novices Hurdle. Das Ergebnis ist bekannt: Dunguib wurde „nur“ Dritter, sein Reiter musste sich hinterher einige Kritik anhören, weil er ihn zu sehr aus der Reserve geritten habe. Seinen letzten Start absolvierte er im April 2010 in Cheltenham. Noch gibt es viele Fragezeichen.
Cue Card dürfte eher in einem der Novice-Rennen laufen, Solwhit und Silviniaco de Conti haben mehrmals ihre Grenzen gesehen. Bleibt noch Get me out of There, im letzten Jahr Zweiter in der schon mehrfach genannten Supreme Novice Hurdle hinter Menorah,aber vor Dunguib, die letzten Formen waren aber zu schlecht.

Urteil: Mal wieder ein phantastisches Rennen mit einer Menge an Möglichkeiten. Mein Mumm ist allerdings spätestens seit seinem Newbury-Sieg Peddlers Cross, den größten Gegner sehe ich in Menorah. Von den Außenseitern gefällt mir Oscar Whisky am besten.

Kurse gibt es hier, Wettfreunde auf der Insel haben eine etwas größere Auswahl.