Dienstag, 6. November 2012
Voetbal experience: Nur die Pokale fehlen
Der erste Eindruck ist orange, der zweite ebenfalls. Der Farbton dominiert den großen Raum, an dessen Wand sie alle hängen, die die Fußballgeschichte der Niederlande geschrieben haben – als Portraitfoto. Die Hall of Fame der Nationalspieler. Ich befinde mich im Nationalen Fußballmuseum der Niederlande in Middelburg, im „Voetbal experience“.


Wo sind sie denn? Jan Wouters? Rene van de Kerkhof? Willy van de Kerkhof?

Und damit sind die Niederländer den Deutschen mal einen Schritt voraus. Das Deutsche Fußballmuseum erlebte ja erst vor kurzem seinen ersten Spatenstich an seinem Standort am Dortmunder Hauptbahnhof – immerhin in der Stadt des aktuellen Deutschen Meisters und in einer Region, die als fußballverrückt gilt. Middelburg hingegen ist ein nettes und ruhiges Städtchen auf Zeeland, fußballerisch allerdings tiefste Provinz. Doch genau hier befindet sich Voetbal experience, etwa versteckt in einem Einkaufszentrum.
Was aber auch ganz folgerichtig ist. Denn die treuesten Anhänger der „Elftal“ kamen vorwiegend aus der Provinz und sorgten bei Fußball-Großereignissen wie Welt- und Europameisterschaften für den richtigen Farbton.
Denn es ist schon erstaunlich: Die geographisch so kleinen Niederlande waren in den letzten 40 Jahren eine richtige Fußballmacht. Das Land hatte immer große Spieler: Cruyff, Neeskens, Haan oder Rep etwa in den 70ern; Gullit, van Basten, Rijkaard oder Ronald Koeman in den 80ern, später dann etwa Seedorf, Davids, van der Sar oder die de Boer-Brüder – um nur einige zu nennen. Und auch heute zählt das Land zur fußballerischen Elite.

Die Schwalbe des Bernd Hölzenbein
Nur mit den Titeln klappte es nicht so gut. Der Trophäenschrank ist etwas karg gefüllt, nur 1988 gewann das Team die Europameisterschaft. Ausgerechnet in Deutschland – beim Erzrivalen. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Deutsch-Niederländische Fußballgeschichte einen Extra-Raum im Museum einnimmt.
„Wir sind mal wieder alle drauf reingefallen“, sagte nach dem Abpfiff Herman Kuiphof, der 1974 das WM-Finale zwischen Deutschland und den Niederlanden für das holländische Fernsehen kommentiert hatte. Die Mutter aller Niederlagen, ein 1:2, das die Fußballpsyche unseres Nachbarn noch auf Jahre verletzte. Der Besucher kann die Highlights noch einmal miterleben; das angebliche Foul an Bernd Hölzenbein war eine der größten Schwalben der Fußballgeschichte.
Jedenfalls fühlte sich das Oranje-Team betrogen, zumal man das beste Team bei dieser WM 1974 war. Vier Jahre später verloren die Niederlande dann unter reichlich dubiosen Umständen das Finale gegen Gastgeber Argentinien, doch diese Niederlage sorgte für weit weniger Aufsehen.
Die Revanche gegen Deutschland kam 1988: Halbfinale gegen den Gastgeber und Marco van Basten wurde mit seinen Toren nicht nur zum Schreck von Jürgen Kohler, sondern schockte ganz Deutschland. Nach der Begegnung gab es viele unschönen Szenen und wenn man im Fußballmuseum die Höhepunkte des Spiels noch einmal anschaut, sieht man selbst an kleinen Ausschnitten, wie heftig die Rivalität zwischen beiden Teams war.
Nur das Trikot von Olaf Thon, das Hans van Breukelen nach dem Spiel zur Körperreinigung benutzt haben soll, habe ich nicht entdeckt. Danach folgte ein 2:0-Finalerfolg über die damalige Sowjetunion mit diesem Wahnsinns-Tor von Ruud Gullit. Zweifellos ist dieser Teil des Museums aus deutscher Sicht der eindeutige Höhepunkt.


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Schießen wie die Profis
Ansonsten kann man unter anderem wie die Profis kommentieren, an der Playstation große Matches der Fußballgeschichte nachspielen, diverse Kostbarkeiten aus der Fußballschatzkiste begutachten oder Fußball-Songs singen. In einer nachgestellten Kabine befinden sich einzelne Spinde mit den Trikots der einzelnen Profivereine der Niederlande – also nicht nur Ajax, Feyenoord oder der PSV.
Und natürlich kann man selbst aktiv werden, zum Beispiel in der Skillzone sehen, wie hart der eigene Schuss ist. Nur leider waren bei unserem Besuch mindestens zwei Drittel der Bälle nicht gescheit aufgepumpt.
Und noch ein Kritikpunkt: 17,50 Euro Eintritt sind für einen Erwachsenen fast schon die Schmerzgrenze, aber für Kinder geht das gar nicht. Es gibt keine Ermäßigungen. Eine vierköpfige Familie wird so mal eben 70 Euro nur für Eintritt los.

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