Freitag, 22. Juli 2011
„Vier Asse und ein Joker“ im King George
Zwei Gruppe 1-Rennen über die Derbydistanz von 2400 Meter sind die Höhepunkte des Rennsport-Wochenendes in England und Deutschland. Denn sowohl in den King George VI and Queen Elisabeth Stakes im englischen Ascot als auch im Großen Preis von Berlin (der ehemalige Deutschland-Preis) in Berlin-Hoppegarten treffen Top-Pferde aufeinander. Vorschauen und Gedanken zum Berliner Rennen gibt es hier und hier. Diese Kolumne konzentriert sich jedoch auf das, was am Samstag um 17:30 deutscher Zeit auf der Rennbahn in der englischen Grafschaft Berkshire passieren wird.
Das King George ist einer der Höhepunkte des englischen Turfsommers, eine Prüfung mit sehr hohem Renommee. Doch wie so häufig in all den Jahren ist das Rennen mit nur fünf Startern quantitativ recht schwach besetzt, die Qualität stimmt jedoch. „Vier Asse und ein Joker“ schreibt der englische Guardian und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn sieht man einmal von Debussy ab, der wahrscheinlich als Pacemaker für seinen Stallgefährten Rewilding agieren wird, treffen mit Workforce, St. Nicholas Abbey, Nathaniel und eben jenem Rewilding vier hochklassige Protagonisten aufeinander.


King George 2001: Galileo besiegt Fantastic Light, vielleicht folgt ihm ja sein Sohn Nathaniel in der Ausgabe 2011.

Einziger Dreijähriger im Feld ist Nathaniel. Der Gosden-Schützling gewann zuletzt hoch überlegen die King Edward VII Stakes (Gruppe 2, 2400 Meter) und lief dort wie ein Pferd, dessen Leistungsvermögen noch gar nicht richtig erfasst ist. Auch die anderen Formen lesen sich nicht schlecht: nur mit Kopf geschlagen in der Chester Vase von Treasure Beach, dem späteren irischen Derbysieger und englischen Derbyzweiten. Beim Debüt unterlag er nur Frankel mit einer halben Länge. Im englischen Derby lief Nathaniel wegen des zu festen Bodens nicht, der weiche bis gute Untergrund in Ascot wird ideal sein. Er muss schon was in der Arbeit gezeigt haben, denn Trainer und Besitzer meldeten den Nachkommen des großen Galileo für 75 000 Pfund nach. Na gut, wenn jemand Lady Rothschild heißt und Besitzerin von Nathaniel ist, dann zahlt man diese Summe eher aus der Kaffeekasse.
Die Gegner sind aber erste Sahne: Zum Beispiel Workforce aus dem großen Quartier von Sir Michael Stoute. Er gewann grandios das englische Derby im Vorjahr und triumphierte außerdem im Oktober im Arc. 2400 Meter sind eindeutig die beste Distanz für den Kings Best-Sohn, die 2000 Meter gegen So You Think waren etwas kurz. Den einzigen Flop seiner Karriere leistete sich Workforce ausgerechnet im letztjährigen King George, als er abgeschlagen hinter seinem Stallgefährten Harbinger ins Ziel trudelte.
So You Think, der importierte Australier aus dem Quartier von Aidan O’Brien, dient auch als Referenz für Rewilding. Nur schlug er diesen im Gegensatz zu Workforce – Jockey Frankie Dettori wird das Rennen hingegen in nicht so guter Erinnerung haben, weil er danach eine lange Sperre wegen übermäßigem Gebrauch der Peitsche kassierte. Der Sohn von Tiger Hill galt schon immer als sehr veranlagtes Pferd und scheint in diesem Jahr den richtigen Schwung zu haben. Zudem überzeugt mich Mahmood Al Zarooni als Trainer der blauen Godolphin-Armada weitaus mehr als sein Kollege Saeed Bin Suroor.
Ballydoyle schickt natürlich auch einen aussichtsreichen Kandidaten. Allerdings keinen Dreijährigen und auch keinen So You Think, sondern St. Nicholas Abbey. Der galt im letzten Jahr bis zum Frühjahr als bester Dreijähriger im großen O’Brien-Stall, floppte dann in den englischen 2000 Guineas und wurde darauf nicht mehr gesichtet. In diesem Jahr ist er wieder da und gewann zuletzt nach einem unglücklichen Rennverlauf noch den Coronation Cup (2400 Meter, Gr. 1) in Epsom gegen die starke Stute Midday. Auch St. Nicholas Abbey muss noch nicht alle Karten aufgedeckt haben.

Urteil
Hochklassiges Feld, schön was zu rätseln. Für jeden der großen Drei Workforce, Rewilding und St. Nicholas Abbey spricht etwas. Aber auch wenn ich im King George wahrlich keine gute Bilanz habe und meine Tipps bei Pferden von Trainer John Gosden in der Regel daneben liegen: Nathaniel muss man zu diesem Kurs einfach mitnehmen.