Wetter sind abergläubisch. Ich bin da keine Ausnahme. So ist es seit gewisser Zeit ein schlechtes Zeichen, wenn ein am Mittag hoffnungsvoll ausgetüftelter Wett-Tipp im Laufe des Renntages auf einmal von vielen anderen geteilt wird und dieses Pferd richtig gewettet wird. Oder noch schlimmer: Der eigene Tipp avanciert zum Favoriten in einem dieser englischen Mega-Handicaps. Diese Wette scheitert garantiert – so war es auch gestern.
Am Mittwoch begann das Dante-Meeting im englischen York. Die Pferderennen auf der Vorzeigebahn im englischen Norden sind immer eine Empfehlung wert. Ich mag die Bahn, zumal ich dort schon einige schöne Treffer hatte.
Die meisten Prüfungen auf dem Knavesmire sind sowohl quantitativ als auch qualitativ stark besetzt. Speziell die Handicaps zählen zur hohen Schule der Pferdewette. Dafür gibt es attraktive Quoten, Erfolge lohnen sich also.
So war es auch gestern. Wie häufig habe ich mittags ein paar Tipps beim Buchmacher abgegeben und dann die Rennen am Nachmittag am Computer verfolgt. Konkret: Siegwetten auf Satellite im ersten Rennen, Another Wise Kid in einem dieser ultraschwierigen Sprint-Handicaps, Lightning Moon im Gruppe 2-Sprint sowie Ribblehead im abschließenden Handicap. Dazu kam noch eine Siegschiebe mit den Pferden Lightning Moon und Ribbleshead.
Gut, Satellite und Another Wise Kid waren nur chancenreiche Außenseiter und spielten dann auch keine große Rolle in ihren Prüfungen. Bei Lightning Moon war ich zuversichtlicher. Obwohl es in den Sprints immer ziemlich eng hergeht und in dieser Prüfung ziemlich viele chancenreiche Kandidaten am Start waren: Astaire, Muthmir, Naadirr oder Lucky Kristale etwa. Doch die Leute wetteten alle den noch ungeschlagenen Schützling von Ed Walker, der sich bei allen Starts kontinuierlich verbessert hatte und als Kandidat für noch höhere Weihen galt. Nicht umsonst hat Godolphin ihn gekauft, jedoch bei Walker im Training belassen. Als 50:10-Favorit ging Lightning Moon ab, hatte auch ein reelles Rennen (also kein Grund, den Jockey zu beschimpfen), war aber ohne Chance. Es siegte ein 40:1-Schuss namens Glass Office.
Days Steamer
Bei 130 oder mehr stand Ribblehead am Mittag. Da musste der Kolumnist zugreifen, zumal die Formen gut waren und der Name Easterby in York immer beachtet werden muss. Für Trainer Tim Easterby (und seinen Onkel Mick Easterby) sind die Rennen auf dem Knavesmire quasi Heimspiele, die sie gewinnen wollen.
Das gleiche Wissen teilten jedoch unzählige andere Zocker. „Ribblehead ist das best gewettete Pferd des Tages“, berichtete der Racing UK-Reporter aus dem Wettring. Oder wie es im Englischen so schön heißt: „The days steamer“. Kein Wunder, der Hengst hatte gute Formen und Clipper Logistics, die Besitzer, sponserten den Gruppe-Sprint auf der Bahn. Da wäre es schön, wenn man sich Sponsorgelder durch Siegprämien teilweise zurückholen könnte. Am Ende ging Ribblehead zu einem Kurs von 80:10 ab.
Auf der Bahn war er jedoch chancenlos und mit Platz 10 deutlich geschlagen. Kein schlechtes Rennen, kein großer Fehler des Jockeys – einfach nicht gut genug an diesem Tag.
Umgekehrt – Pferd mittags gewettet, vor dem Rennen geht der Kurs hoch und höher – habe ich zuletzt hingegen gute Erfahrungen gemacht. Beim Cheltenham-Festival zum Beispiel. Es war vorher eine Zeit des Leidens – kein Tipp kam an, den Kolumnisten neigten schon arge Selbstzweifel. Aber als die Verzweiflung immer größer wurde, kam am Freitag die Rettung in Form von Martello Tower in der Albert Bartlett Hurdle. Eigentlich hatte der Gast aus Irland nach den Vorformen allererste Chancen, doch die Masse bevorzugte andere. Auf 150:10 ging das Pferd von Margaret Mullins hoch – und gewann überzeugend. Und mein Festival war halbwegs gerettet.
Es müssen bewegende Momente gewesen sein: Der letzte Renntag zum Abschied des großen AP McCoy. Eine ausverkaufte Rennbahn in Sandown Park. Einer der schönsten Hinderniskurse auf der britischen Insel. Der Rahmen war perfekt, nur mit dem Abschiedssieg klappte es leider nicht für McCoy. Aber das ist höchstens ein ganz, ganz winziger Makel in einer ansonsten perfekten Laufbahn.
Es war das Ende einer großartigen Abschiedstour nach der Verkündigung seines Abschieds im Februar. Überall im Lande hatten die Besucher den Ausnahmejockey frenetisch gefeiert. McCoy zeigte sich geehrt. „Es ist sehr schön, dass ich den Respekt des ganzen Landes habe“, sagte er am Sonntag nach seinem Karriere-Ende dem Sender ATR.
„Ich wollte aufhören, wenn ich noch gut reiten kann“, hatte Coy den Zeitpunkt seines Rücktritts begründet. Einerseits schön, wenn jemand auf der Höhe seiner Leistungskraft aufhört. Denn nichts ist schlimmer als einen alternden Champion zu erleben, der nur noch ein Schatten vergangener Jahren ist. Dieses blieb der Rennwelt zum Glück erspart.
Andererseits wird er natürlich fehlen: McCoy, dieser Dynamiker im Sattel. Der Endkämpfe reiten konnte wie kaum ein anderer und noch mal unerklärliche Reserven aus seinen vierbeinigen Partnern herauslockte.
Dauer-Champion
Man muss sich das mal vorstellen: 1995/1996 gewann McCoy sein erstes Championat der Hindernisjockeys in England. Damals ritt er noch gegen Koryphäen wie Richard Dunwoody, Adrian Maguire, Graham Bradley oder Jamie Osborne. Das Internet war noch in den Kinderschuhen. Wer in Deutschland englische Rennen sehen wollte, musste zum Buchmacher gehen oder auf die Insel reisen.
Vieles änderte sich, doch eines nicht: Bis heute gewann kein anderer Hindernisjockey den Meistertitel in England. 20-mal hieß es: Erster Anthony Peter McCoy. Der arme Richard Johnson – er konnte als ewiger Zweiter einem schon ein wenig leid tun.
Aber sein ewiger Rivale brach alle Rekorde, ritt jedes Jahr weit über 100 Sieger. Das heißt neben allem Ruhm auch: Dauerstress, Kilometer ohne Ende im Auto, weil es fast jeden Tag in England Hindernisrennen gibt. Und immer reitet die Gefahr mit.
McCoy, der am 4. Mai 41 wird, war nicht nur auf den großen Festivals und in den großen Samstags-Veranstaltungen erfolgreich. Die Basis seiner Meisterschaften waren Prüfungen mit Preisgeldern von 5000 Pfund oder weniger. Auf Rennbahnen wie Towcester, Taunton oder Exeter.
Pridwell
Mein „Lieblings McCoy-Ritt“ stammt aus dem Jahr 1998 in der Aintree Hurdle. Eigentlich galt Istabraq (in den Farben des späteren McCoy-Patrons J P McManus) als unschlagbar, eine Niederlage schien ausgeschlossen. Doch Pridwell und Tony McCoy schafften an diesem Tag die Sensation auf schwerem Boden.
Mit einem Jockey in Top-Form. Dieser Ritt (siehe Video unten) zeigt noch mal alle seine Qualitäten: Taktisches Geschick, Gefühl und Willensstärke. Wie er im Finish noch an Istabraq und Charlie Swan vorbeizog, war einfach nur grandios.
Denn Pridwell, trainiert von Martin Pipe, war ein etwas schwieriges Pferd. Wenn der Wallach Lust hatte, konnte er richtig gut laufen. Doch manchmal hatte Pridwell keine Lust: Dann blieb er einfach am Start stehen. Auch das hatte McCoy schon erlebt.
Alles Gute, Mister McCoy. Und erst ein Mal alles sacken lassen.
Die beste Nachricht nach dem Grand National 2015: Es gab keine tödlichen Unfälle, Pferde und Jockeys kamen einigermaßen unversehrt aus dem Rennen. Auch der heftig gestürzte Balthazar King macht nach Aussage seines Trainers Philip Hobbs Fortschritte. Mit Many Clouds gewann ein Pferd mit den besten Vorleistungen, leider auch von dieser Kolumne heftig unterschätzt. Jockey Leighton Aspell feierte sogar seinen zweiten Erfolg in Serie.
Das Grand National polarisiert: Auch in Deutschland wird und wurde das Rennen zum Beispiel auf Facebook heftig diskutiert. Viele sind dagegen, weil es zu gefährlich sei und zu viele Pferde stürzen. Allerdings: Auch 2015 musste kein Pferd seinen Einsatz mit dem Leben bezahlen. Es war das dritte Jahr in Folge ohne schwere Unfälle. Das hängt auch damit zusammen, dass nach dem fatalen Rennen 2012 die Hindernisse entschärft wurden.
In diesem Jahr kamen 19 der 39 Pferde ins Ziel. Neun wurden angehalten, elf fielen bzw. warfen ihren Reiter ab. Die schwerste Verletzung zog sich der Mitfavorit Balthazar King zu, der sich mehrere Rippen brach und in die Tierklinik nach Liverpool gebracht wurde. Doch auch ihm geht es nach Aussage seines Trainers Philip Hobbs besser.
Kein Happy-End für Mc Coy
Bei Many Clouds, dem späteren Gewinner, dachte ich vorher, warum muss so ein hochklassiges Pferd in so einem schweren Rennen ran. Ein Kandidat, der irgendwann in den nächsten Jahren den Gold Cup in Cheltenham, das wichtigste Jagdrennen in England und Irland, gewinnen wird. Da bin ich mir sicher. Doch jetzt musste er mit Höchstgewicht in einer hochgefährlichen Aufgabe ran. Auf nicht passendem Boden.
Doch Many Clouds ignorierte meine Bedenken und sprang die schweren Hindernisse wie kleine Hürden. Leighton Aspell hatte den Wallach immer im Vorderfeld platziert. Saint Are lieferte zwar lange Widerstand, doch am Ende setzte sich das Stehvermögen des Siegers durch.
„Ich hatte eigentlich nichts mit ihm nach dem Gold Cup gemacht. Auch nicht über ein National-Hindernis geschult“, sagte sein Trainer Oliver Sherwood. Im Gold Cup lief er schwach. Und Sherwood dachte, dass Many Clouds eigentlich noch ein Jahr zu jung für diese schwere Aufgabe sei. Doch Besitzer Trevor Hemmings, eine der größten Patrone im englischen Hindernissport und ein großer Anhänger des Nationals, dachte anders und behielt Recht.
Damit war es nichts mit dem Grand National-Triumph für Champion Jockey Tony Mc Coy zum Abschied seiner großartigen Karriere. Shutthefrontdoor hatte zwar ein gutes Rennen, doch am Ende fehlten die letzten Körner und es wurde Platz 5. Alvarado, ein Tipp dieser Kolumne, hüpfte sicher über die Hindernisse und machte auf den letzten Metern noch richtig Boden gut. Aber leider zu spät, Platz 4 und dennoch eine tolle Leistung.
Aus deutscher Sicht ist der Status des Grand National unglaublich. Man sieht die vollen Ränge, man staunt über die umfangreichen Vorschauen in den englischen Zeitungen und bewundert die aufwendigen Fernsehübertragungen von Channel 4 (nur den Modetypen hätten sie zuhause lassen können) und Racing UK. Und der Beobachter muss leider wieder feststellen, welch ein Entwicklungsland Deutschland doch in Sachen Turf-Medienpräsenz ist.
Freud und Leid
8,8 Millionen Zuschauer schauten das Rennen am Samstag bei Channel 4. Sonst gucken nicht so viele Pferderennen auf der Insel – der National hat auch hier einen Sonderstatus. „Die meisten der Zuschauer denken nicht an Galopprennen bis zum nächsten Grand National“, schreibt Greg Wood im Guardian.
Nicht so toll ist, dass zwei Pferde im Rahmenprogramm nach Stürzen ihr Leben ließen. Der talentierte Seedling war nach seinem Sturz im ersten Rennen am Samstag nicht zu retten, der auch von dieser Kolumne hoch geschätzte Balder Succes fiel fatal am Freitag. Das waren Stürze über normale Hindernisse. Es bleibt ein gefährlicher Sport.
Ansonsten aber konnte sich der Kolumnist freuen. Weil sich Vorbereitung doch lohnt und das Formbuch doch Recht hat. Tagliatelle bestätigte seine gute Form aus Cheltenham und gewann am Donnerstag auf etwas längerer Distanz. Am Samstag kam sogar die Siegschiebe-Wette mit Sizing Granite und Aintree-Spezialist Whisper an. Nur der Treffer im National fehlt immer noch.
Der nächste Versuch in der Lotterie Grand National
Für manche ist es ein Festtag, für andere eher ein Grund zur Besorgnis – am Samstag steht das Grand National in Aintree auf dem Programm. Das umstrittenste Pferderennen auf der Welt. Auch der Kolumnist sieht es eher mit gemischten Gefühlen – und hofft dennoch, dass er endlich mal seine persönliche Tipp-Misere beendet. Spring Heeled und Alvarado sollen dabei helfen. Das Wichtigste jedoch ist, dass alle Pferde und Jockeys gesund nach Hause kommen.
Der April ist eigentlich ein großartiger Monat für Turffreunde. Es wird wärmer, auf der Flachen beginnt die Gras-Saison, in vielen Prüfungen für den Derbyjahrgang versammeln sich Hochkaräter, die später in der Saison klassischen Ruhm ernten. Also eine Zeit zum Träumen – und dann ist da noch das Hindernismeeting in Aintree bei Liverpool. Eigentlich hochklassiger Sport, nicht so gut wie Cheltenham, aber auch noch sehr gehobenes Niveau. Doch die anderen Rennen auf dem eher flacheren Mildmay-Kurs interessieren nicht so sehr, im Fokus steht das Grand National. Diese Prüfung ist oftmals eine Steilvorlage für sogenannte Tierschützer, weil eben soviel passieren kann.
Aber das Grand National ist eben englische Tradition und fester Bestandteil des Sportkalenders auf der Insel. So wie Royal Ascot oder das Ruderduell Oxford gegen Cambridge. Das National ist das Rennen, auf das alle gucken und das in England auch die Leute zum Wetten animiert, die sonst eher weniger mit Pferderennen zu tun haben. Es ist die umstrittenste Prüfung der Welt, auch wenn die Hindernisse modifiziert wurden und nicht mehr so furchterregend sind wie in früheren Zeiten. Dennoch ist die Distanz zu lang (über 7 Kilometer), das Feld mit rund 40 Pferden zu groß und die Hindernisse immer noch ungewohnt und schwer. Selbst für routinierte und erfahrene Pferde – und nur solche kommen im Grand National an den Start.
Ein Fest für die Wettindustrie
Der Kolumnist liebt den Hindernissport, doch das Grand National sieht er eher grenzwertig. Wenn er selbst ein Rennpferd besitzen würde, würde er es im National nicht starten lassen. Am Ende lachen eh’ meist die Buchmacher, wenn wieder irgendein ein Außenseiter gewinnt. Für sie ist dieses Rennen das Umsatzstärkste im ganzen Turfjahr.
Und natürlich werde ich das Rennen am Samstag schauen. Meine persönliche Bilanz in Sachen Grand National-Siegtipp ist niederschmetternd. Über Platz 2 bin ich noch nicht gekommen, es ist die einzige große Prüfung im Turf, in der ich noch nie einen Sieger hatte.
Tumultartige Szenen werden sich am Samstag abspielen, wenn A P Mc Coy bei seinem letzten Auftritt mit Shutthefrontdoor gewinnen würde, doch Favoriten sind nicht unbedingt mein Ding in dieser Lotterie.
Meine Tipps sind Spring Heeled und Alvarado – beides gute Springer, wenig geprüft und beide kommen als relativ geschonte Pferde an den Ablauf. Und beide Kandidaten stehen bei Kursen von 20:1, also lohnt sich ein Treffer. Alvarado ist zudem schon gut über den Kurs gelaufen. Aber wie gesagt – 40 Pferde, große Hindernisse und eine lange Strecke – da kann viel passieren. Aber hoffentlich nicht zuviel. Wer Statistik benötigt, um dieses Rätsel zu lösen, dem seien diese Seiten empfohlen.
Eines der ersten Nationals, an das ich mich erinnern kann: 1994 siegte Miinnehoma mit Richard Dunwoody im Sattel, trainiert von Martin Pipe.
Sole Power, Secret Circle, Solow, Dolniya und Prince Bishop – alles großartige Pferde, die beim Dubai World Cup 2015 in den Gruppe 1-Prüfungen erfolgreich waren. Besonders auf die weitere Rennkarriere der zwei Franzosen Solow und Dolniya bin ich sehr gespannt. Doch mein Pferd des Tages heißt Brown Panther, auch wenn dieser „nur“ den Dubai Gold Cup, eine Gruppe 2-Prüfung für die Steher, gewann. Aber der Kolumnist hatte schon immer eine hohe Meinung vom inzwischen siebenjährigen Shirocco-Sohn. Unter anderem wegen des deutschen Vaters; zudem ist Züchter und Besitzer Michael Owen ein ehemaliger Fußballer. Und das passt eben besonders zu diesen Seiten.
Sie sind schon ein gewaltiges Spektakel, die Rennen am World Cup-Tag in Dubai. Nicht nur das Preisgeld ist außergewöhnlich hoch, auch die Rennbahn in Meydan ist gigantisch. Wer die tollen Bilder im Stream von Dubai Racing gesehen hat, der durfte die 2010 erstellte Tribüne mehrfach von oben bewundern. Ob das architektonisch jetzt schön ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber der Kontrast zu manchen deutschen Rennbahnen mit ihren denkmalgeschützten Tribünen, die oft scheinbar nur von der Farbe zusammen gehalten werden, ist gewaltig.
Jedenfalls hat Brown Panther auch schon einen deutschen Rennkurs gesehen. 2011 war es, da war das Vollblut aus England zusammen mit Trainer Tom Dascombe, Jockey Richard Kingscote und Besitzer Michael Owen zu Gast in Hamburg. Das Deutsche Derby 2011 stand auf dem Programm – und nicht nur diese Kolumne war überzeugt, dass Brown Panther das wichtigste deutsche Rennen gewinnen könne. Doch es bleib beim Konjunktiv, der Hengst wurde nur Platz 5 hinter Waldpark, Earl of Tinsdal, Saltas und Mawingo. Vielleicht hatte Jockey Kingscote ein wenig zu viel Tempo an der Spitze gemacht, am Ende fehlten rund fünf Längen auf den Sieger.
Spätzünder
Rund drei Wochen vorher war der Stern von Brown Panther aufgegangen: Da gewann er im Stile eines Klassepferdes die King George V Stakes während Royal Ascot. Diese Prüfung ist zwar nur ein Handicap, aber mit reichlich Potenzial nach oben. Am Start sind eher Dreijährige des zweiten Bildungsweges, oft laufen da Pferde, die später richtig erfolgreich werden.
Aus dem 2011-Rennen kamen immerhin mit Census und Danadana zwei spätere Gruppe 3-Sieger und auch Well Sharp entwickelte sich zu einem guten Handicapper über die Steherdistanzen.
Doch Brown Panther übertraf sie alle. Platz 2 im englischen St. Leger 2011 zeigte schon mal die Richtung, doch erst fünfjährig entwickelte sich der Shirocco-Sohn zum Gruppe 2-Sieger, als er 2013 den Goodwood Cup über zwei Meilen gewann.
Je länger die Strecke, desto besser – und so wurde 2014 zum großen Erfolgsjahr mit Triumphen in Chester, Sandown und The Curragh (Irisches Leger, Gruppe 1) sowie Platzierungen in wichtigen Steherprüfungen in Ascot, Longchamp und Goodwood. Im Alter von sechs Jahren machte das Pferd von Besitzer Michael Owen noch mal einen Schritt nach oben. Da verzeiht man gerne den Flop zum Jahresschluss beim Breeders Cup in Santa Anita, wo die Strecke mit 2400 Metern reichlich kurz war.
Zahltag: Brown Panther gewinnt den Dubai Gold Cup für die Steher. Aber wohin schaut Richard Kinsgcote? Sieht er Besitzer und Züchter Michael Owen mitlaufen? (Foto: Dubai Racing Club)
Kingscote hellwach
Im Dubai Gold Cup ging es wieder über zwei Meilen. Das Rennen war früh entschieden: Nachdem Richard Kingscote den Hengst kurz zu Beginn der Geraden aufforderte, machte dieser einen Schub nach vorne und löste sich von der durchaus starken Konkurrenz. Zudem war es ein schöner Zahltag für Trainer Tom Dascombe, Jockey Richard Kingscote und Besitzer und Züchter Michael Owen, das einstige Wunderkind des englischen Fußballs.
„Das ist so anders als Fußball spielen“, erklärte Owen danach. „Ich unterschreibe nur die Schecks, es ist Richard im Sattel und Tom und das Team zuhause, die die Arbeit machen. Darum bin ich nervöser, weil ich das Ergebnis nicht beeinflussen kann.“
Brown Panther ist der vierbeinige Star der Manor House Stables, die Owen zusammen mit Betfair-Mitgründer Andrew Black besitzt. Seit 2008 trainiert Tom Dascombe dort – und auch Jockey Richard Kingscote (28) ist schon lange dabei.
2011 entschieden sich Owen/Dascombe mal für einen Jockey mit einem prominenteren Namen und verpflichteten Kieren Fallon für Black Panther. Doch seit August 2013 hat Kingscote den Ritt wieder und saß bei all den schönen Erfolgen im Sattel.
In Dubai war es das Comeback nach Verletzung. Sein Trainer war vorher ein wenig skeptisch, ob der Jockey fit sei, doch das Renngeschehen widerlegte Dascombe. Kingscote zeigte sich hellwach.
Owen gestand, die letzten 200 Meter quasi mit gerannt zu sein. Nun war er früher ein Spieler mit schnellem Antritt, über seine aktuelle Kondition erzählte der einst beim FC Liverpool großgewordene Owen aber nichts. Jedenfalls sei Brown Panther etwas ganz Besonderes: „Ich werde nie wieder so ein Pferd besitzen oder gar züchten.“
Im Februar dreht sich im englischen Hindernissport oft schon alles um den März. Das große Cheltenham Festival steht vor der Tür, die Ereignisse im Februar stehen ein wenig im Schatten – außer sie bieten neue Erkenntnisse für die Olympiade der Hindernissportler. An den Februar 2015 wird die Rennwelt sich aber auch so erinnern. Es war der Monat, in dem Anthony Peter McCoy, kurz AP oder auch Tony genannt, seinen Rücktritt erklärte. Der erfolgreichste Hindernisjockey aller Zeiten, der alle Rekorde brach, beendet seine illustre Karriere zum Ende der Saison. Natürlich ist McCoy einer unserer Helden des Februars.
AP McCoy (Jockey): Der 7. Februar war für mich eigentlich mal ein turffreier Samstag. Da ist selten, aber manchmal stehen eben andere Dinge im Vordergrund. Die Überraschung folgte am Abend beim Blick auf die Renn-News des Tages: Tony McCoy gewann die Game Spirit Chase in Newbury (Gr.2) mit Mr Mole – und verkündete daraufhin seinen Rücktritt am Ende der National-Hunt-Saison.
Unfassbar! Hindernisrennen ohne den erfolgreichsten Jockey aller Zeiten sind doch eigentlich undenkbar, so lange begleitet er mich schon. Richard Dunwoody war zwar stilistisch schöner, aber McCoy war und ist Energie, Leidenschaft, Willen und Mut. Eben ein Ausnahme-Reiter.
Zum Annähern an das „Phänomen McCoy“ empfehle ich diesen Artikel aus der Turf-Times. Wer noch mehr Zeit hat, dem sei eine Doku aus dem Jahr 2002 ans Herz gelegt, die den Typen McCoy sehr gut erfasst. Einer seiner besten Ritte war der auf Wichita Lineman beim Cheltenham Festival 2009 (das Video gibt es hier). Einfach nur staunen.
Was er danach macht, steht noch nicht fest. Ehemalige Jockeys sind übrigens ganz schlechte Tipster.
Carlingford Lough (Pferd): Noch mal McCoy. Einen Tag nach seiner Rücktrittserklärung feierten ihn die Zuschauer im irischen Leopardstown frenetisch. Im Sattel von Carlingford Lough hatte der Jockey den Hennessy Gold Cup 2015 (Gruppe 1) gewonnen und dabei die irischen Steepler-Elite geschlagen. Den Wallach, im Besitz seines Patrons J P Mcmanus und trainiert von John Kiely, wird McCoy auch im Cheltenham Gold Cup reiten. Chancenlos ist Carlingford Lough dort nicht: ein Pferd, das sich aus Handicaps Stück für Stück nach oben gearbeitet hat und das mit dem Championjockey bestens harmoniert.
Balder Succes (Pferd): Vor der Ascot Chase (Gruppe 1) sprachen die Experten eher vom starken Novice Ptit Zig, vom irischen Gast Ballycasey oder der Stute Ma Filleule, die zudem günstiger im Gewicht stand. Doch am Ende mussten sich alle Balder Succes aus dem Stall von Alan King beugen. Gut, keiner weiß, wie das Rennen ausgegangen wäre, wenn es Ptit Zig beendet hätte. Aber dennoch war es eine beeindruckende Vorstellung des Siegers, der phantastisch sprang. Wayne Hutchinson musste ihn nur im Rhythmus halten.
Es war die bislang beste Form des Goldneyev-Sohnes, die längere Distanz von über 4000 Metern passte sehr gut. In Cheltenham hat er noch Nennungen für die Champion Chase (3219 Meter) und die Ryanair Chase (4225 Meter), für letztere steht er deutlich tiefer im Wettmarkt. Das einzige, was ein wenig stört, ist die schlechte Form von Balder Succes auf dem Cheltenham-Kurs.
Sire De Grugy (Pferd): „Es war schon ein wenig verrückt“, sagte Jockey Jamie Moore nach dem Rennen. Doch die Strategie zahlte sich aus: Jamie und Trainer-Vater Gary Moore hatten Sire De Grugy einen letzten Aufgalopp vor der Champion Chase gegeben und ihn im Bombay Hunt Cup, einem Handicap, gesattelt. Dort trug der Wallach das Höchstgewicht von über 75 kg, die Gegner zehn Kilo weniger.
Der Sire aber gewann problemlos und standesgemäß gegen Gegner, die er allerdings auch schlagen musste. Es war die Art des Erfolges, die Jamie Moore glücklich machte: „In der Gerade dachte ich, das ist er wieder.“ Die alte Klasse blitzte auf, vergessen war das missglückte Comeback in der Game Spirit Chase, wo er Fehler machte und Jamie Moore am letzten Hindernis zu Boden beförderte.
Cheltenham und die Titelverteidigung in der Champion Chase kann kommen. In der letzten Saison hatte Sire De Grugy in Abwesenheit von Sprinter Sacre die Zweimeilen-Jagdrennen dominiert, nach einer Verletzung im April aber bis zum Newbury-Start pausiert. Nicht nur Jamie und Gary Moore sind für den 11. März gerüstet. Es wird eine Champion Chase zum Niederknien (siehe unten).
Ein Jockey in Top-Form, ein aufstrebender Trainer, das Comeback eines vierbeinigen Superstars und zwei große Hoffnungen für das Cheltenham Festival – unsere „Helden“ des Januars im englischen National Hunt-Sport.
Sprinter Sacre (Pferd): Zumindest die Wetter vertrauten Sprinter Sacre in bewährter Manier. Auf unter 20 wetteten sie den einstigen Dominator der „Jagdsprinter“ (der Jagdrennen um die Zwei Meilen-Marke) bei seinem Start in Ascot herunter. Dabei war es das Comeback nach schwerer Verletzung, zudem gab es mit Dodging Bullets einen ernstzunehmenden Konkurrenten.
Das Ergebnis war befriedigend: Gegen den fitten und deutlich verbesserten Dodging Bullets hatte der Network-Sohn keine Chance, allerdings schickte ihn Barry Geraghty nur über den Kurs und rührte in der Zielgeraden keinen Finger.
Verständlich nach der langen Pause, denn das Ziel heißt Cheltenham. Die lange Abstinenz merkte man dem Schützling von Trainer Nicky Henderson deutlich an, der einst so ökonomische und flüssig über die Hindernisse gleitende Sprinter sprang teilweise sehr hoch und ein wenig abgehackt. Jedenfalls ging er nicht unter, aber glanzvoll sieht eben anders aus. Nur die Sprinter-Wetter waren sauer. Aber selber schuld, wenn man ein Pferd nach einer langen Verletzungspause zu so einem lausigen Kurs wettet.
Un de Sceaux: (Pferd): Schon über die Hürden gewann Un de Sceaux seine Rennen mit großer Überlegenheit. Doch der Stall von Willie Mullins verfügt bekanntlich über großartiges Potenzial in dieser Kategorie (Hurricane Fly, Faugheen, Annie Power etc.) und ganz in diese Liga passte das Pferd mit dem unaussprechlichen Namen nicht (Rating 161). Da blieb „nur“ ein Grade 2-Triumph im französischen Auteil.
Vielleicht sah man im Mullins-Quartier Un de Sceaux auch eher als zukünftigen Crack für Jagdrennen. Jedenfalls scheint der Frontrenner in diesem Metier bestens aufgehoben. Zwar stürzte er beim ersten Start – weit in Führung liegend – am drittletzten Hindernis, doch das hinterließ keine Spuren. Beim zweiten Start distanzierte er seine Gegner (der Zweite siegte danach hoch überlegen) sehr leicht.
Ende Januar übertraf er diese Leistung in Leopardstown noch, als der Wallach in der Irish Arkle Novice Chase (Gr. 1) die sehr starken Gegner Gilgamboa und Clarcam quasi aus den Schuhen galoppierte. Das war eine Vorstellung, die jeden beeindruckte. Eine Mischung aus Leichtigkeit, Geschick, Tempo und Spaß – so schön können Hindernisrennen sein. Normalerweise wette ich keine Pferde unter 20 am Toto. Besonders nicht beim Cheltenham-Festival, aber wenn, dann wäre Un de Sceaux die berühmte Ausnahme.
Noch mal zum Genießen: Un de Sceauxs Erfolg in Leopardstown gegen Clarcam und Gilgamboa
Many Clouds (Pferd): Es war ein packender Endkampf im Bet Bright Cup in Cheltenham. Die zwei Schimmel Smad Place und Dynaste bedrängten Many Clouds, doch dieser setzte sich mit viel Kampf und Herz durch. Ein schöner Erfolg für Trainer Oliver Sherwood und Jockey Leighton Aspell, die zuletzt nicht immer so im Rampenlicht standen.
Aber mit Many Clouds haben sie einen veritablen Kandidaten für den Cheltenham Gold Cup im März. Der Wallach, der in den bekannten gelb-grünen Farben von Trevor Hemmings läuft, hat sich in dieser Saison weiter verbessert, ist ein sicherer Springer und verfügt über viel Stamina. Das stellte er bereits im November bei seinem Sieg im Hennessy eindrucksvoll unter Beweis.
Allerdings zeigte der Clouding-Sohn seine besten Formen immer auf weichem Boden. Den wird er in Cheltenham im März nicht unbedingt treffen. Also ein Grund zur Vorsicht, auch wenn sein Trainer sagt, dass er auch guten Boden kann.
Harry Fry (Trainer): Auch als Wetter hat man seine Lieblinge – ob Jockey oder Trainer. Weil man ihre Pferde am besten trifft und sie damit schöne Gewinne bescheren. Mein absoluter Favorit bei den Trainern im englischen Hindernissport heißt schon seit einiger Zeit Harry Fry, gefühlte Trefferquote 100 Prozent.
Fry, ein ehemaliger Assistent von Paul Nicholls, begann seine Trainer-Karriere im Oktober 2012 und hatte von Beginn an Erfolg. Die Wetter hatten das schnell mitbekommen, seine Starter stehen häufig sehr tief am Toto. Was nicht verwundert bei solchen Zahlen: In der Saison 2012/2013 gewannen 28 Prozent der Fry-Starter, 2013/2014 sogar 29 Prozent und in dieser Saison immer noch satte 27 Prozent.
Das neue Jahr begann mit erstaunlichen fünf Siegen an den ersten drei Tagen. Nicht nur Stall-Star Rock on Ruby überzeugte, auch Bitofapuzzle und Highland Retreat siegten in besseren Aufgaben. Hinzu kommen einige talentierte Pferde, die einiges für die Zukunft versprechen.
Daryl Jacob (Jockey): Entweder zweiter Mann bei Trainer Paul Nicholls oder Freelancer – vor dieser Entscheidung stand Daryl Jacob im April 2014. Er entschied sich für das Freisein – und lag richtig.
Scheinbar sind Zentnerlasten von seinen Schultern gefallen, denn der Jockey agiert mit so viel Selbstvertrauen wie noch nie. Es ist diese Mischung aus Lockerheit und Zielstrebigkeit, die ihn derzeit beflügelt. Im Dezember konnte der 32jährige mit Reve de Sivola (Trainer Nick Williams) und Bristol De Mai (Trainer Nigel Twiston-Davies) zwei Grade 1-Erfolge feiern. Hinzu kamen schöne Erfolge unter anderem für die Trainer Colin Tizzard und Nicky Henderson.
Im Januar ging es gut weiter. Das letzte Wochenende war ein besonders erfolgreiches: In Sandown gewann Jacob drei Rennen, unter anderem die wichtigste Prüfung des Tages mit Gitane Du Berlais für den irischen Top-Trainer Willie Mullins.
In der letzten Saison hatte ich den Eindruck, dass für Jacob der Druck des Nummer 1-Jockeys bei Top-Trainer Nicholls zu groß war. Zumal sein ehemaliger Patron manchmal wirklich nerven kann – auch sein Nachfolger Sam Twiston-Davies kann davon inzwischen ein Lied singen.
Es ist an der Zeit, dass diese Kolumne mal wieder ein Pferd feiert: Hurricane Fly gewann seine fünfte Irish Champion Hurdle in Serie, schlug unter anderem seinen alten Rivalen Jezki und sorgte für großen Jubel auf der Rennbahn in Leopardstown. Welch ein Athlet!
Der sonntägliche Sieg war harte Arbeit. Denn unterwegs sah es gar nicht so gut aus. Jockey Ruby Walsh musste schon im Bogen etwas auf Hurricane Fly arbeiten, während Tony Mc Coy auf Jezki noch ruhig saß. Auch in der Zielgerade ging der Rivale besser. Doch auch mit 11 Jahren gibt sich der Hurricane so schnell nicht geschlagen. Und als dann Jezki am letzten Hindernis strauchelte, war der Weg frei für den Schützling von Trainer Willie Mullins. Allerdings hätte der Hurricane auch ohne das Missgeschick seines Kontrahenten gewonnen. Zweiter wurde Arctic Fire, ebenfalls aus dem Mullins-Stall, für Jezki blieb nur Platz 3.
Der Empfang danach für den Sieger war frenetisch. Nirgendwo werden große Sieger so gefeiert wie in Irland – das ist zumindest mein Eindruck. Selbst als Zuschauer am Bildschirm bekomme ich dabei feuchte Augen. Aber seht selbst…(das Dank für dieses Video geht an Peter Busch).
Dabei sah es in der letzten Saison schon so aus, als wenn sich die großartige Karriere von Hurricane Fly so langsam dem Ende zuneigt. Zweimal hatte ihn Jezki geschlagen, erst in der Champion Hurdle in Cheltenham und dann noch mal in Punchestown. Doch der „alte Herr“ fand eine Antwort: Dreimal trafen die beiden Rivalen in dieser Saison aufeinander und jedes Mal hatte Hurricane Fly die Nase vorn.
Wie Kauto Star und Big Buck's
Es ist die Bilanz eines Superstars: Der Sieg in Leopardstown war der 22. Grade 1-Erfolg, darunter auch zwei erste Plätze in der englischen Champion Hurdle in Cheltenham. Und nicht nur für Jockey Ruby Walsh zählt Hurricane Fly zu den ganz Großen des Hindernissports: Er vergleicht den Wallach mit Kauto Star und Big Buck's, zwei der besten Pferde, die Walsh geritten hat.
Nächstes Ziel für den Montjeu-Sohn ist die Champion Hurdle in Cheltenham. Wie so häufig in den Jahren zuvor scheint der Stall von Willie Mullins auch 2015 bestens gerüstet. Faugheen oder Hurricane Fly lautet die Frage für Ruby Walsh, wen er denn reiten soll. Keine leichte Entscheidung, Ex-Kollege Charlie Swan empfiehlt übrigens den jüngeren Faugheen, noch ungeschlagen und der kommende Star für die Champion-Rennen.
Der Sonntag war mal wieder ein großer Tag für den Mullins-Stall: Un de Sceaux gewann die Frank Ward Solicitors Arkle Chase (das zweite Grade 1-Rennen auf der Karte) und beeindruckte alle. Es waren zwar nur zwei Gegner, aber wie das Pferd mit dem unaussprechlichen französischen Namen die sehr guten Clarcam und Gilgamboa in Schach hielt, das war ganz großes Kino.
Unter 20 steht er bei den Bookies inzwischen für die Arkle Chase in Cheltenham. Für viele wird der Wallach der Banker des Festivals sein. Das ist schon Wertschätzung genug.
Manchmal muss es den Geschäftsführer oder Manager einer deutschen Rennbahn doch richtig schütteln. Etwa, wenn er auf die Eintrittspreise englischer Rennbahnen schaut. Denn die nehmen Preise, die ein deutscher Rennbahn-Manager nie durchdrücken könnte. Und die Zuschauer in England zahlen dies auch noch. In Deutschland blieben hingegen die Tribünen leer und es gebe heftige Proteste gegen diesen Bonzensport.
Nehmen wir einmal an, der (in diesem Fall) fiktive Geschäftsführer einer deutschen Rennbahn sieht die Ticketpreise für das Grand National Meeting in Aintree. Da kosten die teuersten Karten für den Princess Royal Roof und den Lord Daresbury Roof am Samstag jeweils 95 Pfund (ca. 123 Euro) – und die sind auch schon ausverkauft.
Wer unbedingt sitzen möchte, dem bleiben „nur“ die Earl of Derby Terrace und die Lord Sefton Terrace (beide 90 Pfund, ca. 116 Euro) oder die etwas günstigeren „West Tip Seats“ für schlappe 72 Pfund oder 93 Euro. Der „normale“ Tattersalls“-Bereich kostet am Tag des durchaus umstrittenen Klassikers 49 Pfund (ca. 63 Euro).
Dafür hat der Besucher keinen Sitzplatz, aber Zugang zum Führring und kann die Rennen auf dem oder der „Mound“ verfolgen, einem aufgeschütteten asphaltierten Hügel. Die Stimmung dort ist famos, wie überhaupt die ganze Atmosphäre toll ist. Dennoch: 63 Euro ohne festen Platz für maximal sieben Rennen sind eine ganze Menge Holz.
Wohlgemerkt: Das sind nur die Kosten für das Betreten des Rennkurses. Wer noch was essen und trinken will, muss zusätzlich kräftig bezahlen. Da kann der Besucher nur auf einen dicken Wett-Treffer hoffen, wenn ihm seine Finanzen wichtig sind.
Nun, merkt unser fiktiver Geschäftsführer aus Deutschland an, sei das Grand National das bekannteste Rennen der Welt und somit einzigartig. Aber andere Top-Veranstaltungen wie das Cheltenham Festival oder Royal Ascot in England nehmen auch diese hohen Ticketpreise.
Das Limit nach oben ist scheinbar unbegrenzt. Doch die Zuschauer bezahlen diese Preise, Cheltenham etwa meldete in den letzten Jahren häufig ausverkauft. Dabei kann der Besucher das Ganze auch viel gemütlicher im TV oder im Internet schauen und sieht dabei viel besser. Unser fiktiver Geschäftsführer wundert sich und träumt davon, dass so etwas auch in der Heimat möglich wäre.
Generell gilt, dass der Besuch einer Rennbahn in England ein kostspieliges Vergnügen ist (siehe Preise York). Es gibt auch billigere Plätze, doch die sind weit vom Ziel entfernt und ermöglichen noch nicht mal den Besuch des Führrings. Gelegentlich gibt es mal leise Proteste gegen die hohen Ticketpreise, doch es ändert sich nicht viel. Freier Eintritt wie auf dem Kurs in Towcester bleibt eine Ausnahme.
Anderer Status
In Deutschland ist die Situation ganz anders. 17 Euro für einen Stehplatz am Hamburger Derbytag, dem wichtigsten Renntag des Jahres, sind eine Ausnahme. Auf den nordrhein-westfälischen Bahnen (zum Beispiel Köln) zahlt der Besucher auch bei Grupperennen weniger als 10 Euro für einen Stehplatz. Oder kommt umsonst hinein.
Sind die Engländer also viel reicher als die Deutschen? Im Gegenteil zu Deutschland hat England die Bankenkrise 2009 wirtschaftlich hart getroffen. Aber es gibt auf der Insel eine ganze Menge reicher Leute, alt- und neureich. Andere belasten ihre Kreditkarte bis zum Limit. Die deutsche Mentalität unterscheidet sich deutlich: „Geiz ist geil“, der einstige Slogan einer Elektrokette, gilt immer noch viel im Land der Discounter Aldi und Lidl.
Hinzu kommen Status der Veranstaltungen und die Bedeutung des Sports. Cheltenham und Aintree sind sportliche Höhepunkte des Jahres. Genügend Leute sind daher bereit, diese Preise zu zahlen. Dazu hat der Rennsport einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Während der Turf hier Randsport ist, hat er auf der Insel zwar auch ein paar Probleme, zählt aber dennoch zu den Top-Sportarten wie Fußball, Rugby oder Kricket. Englische Medien berichten mehr über Pferde als über die Formel 1.
Übrigens: Für mindestens 103 Euro war der Interessent im letzten Jahr bei den Rolling Stones dabei. Und manche Londoner Fußballclubs wie Chelsea oder Arsenal sind auch nicht günstiger. Eine komische Welt, denkt sich da unser fiktiver Geschäftsführer.
Coleman, Williams, Silviniaco und ein persönlicher Sieg
Auch im englischen Hindernissport ist nicht alles Gold was glänzt: Aktuell krankt der Sport an kleinen Starterfelder. Nicht nur im Dezember starteten in vielen Prüfungen nur wenige Pferde. Dennoch war der Weihnachtsmonat reich an Höhepunkten: Zum Beispiel das King George in Kempton oder das Welsh National in Chepstow. Und hier ist sie wieder, unsere subjektive Auswahl derer, die im Dezember in England und Irland positiv auffielen.
Martin Keighley (Trainer): Martin Keighley ist eigentlich ein Kollege. Denn auch er führt einen Blog auf seiner Homepage und aktualisiert diesen sogar regelmäßig. Am Sonntag, den 14. Dezember, spürt der Leser regelrecht den Stolz auf die Ereignisse zwei Tage vorher: „Von wegen, unsere Pferde sind nicht in Form. Cheltenham am Freitag bewies das Gegenteil“, notierte der Trainer. Denn Benbane Head und Any Currency sorgten an diesem Freitag für den ersten Doppelerfolg des Trainers auf der englischen Renommierbahn.
Und das feierten Trainer und Team frenetisch, denn solche Erfolge sind natürlich die beste Werbung für einen Stall, der ansonsten in tieferen Kategorien agiert.
Martin Keighley lernte übrigens sein Handwerk bei der Trainerlegende David Nicholsen, Betreuer unter anderem solch großartiger Pferde wie Viking Flagship und Barton Bank. Nicht nur, dass Keighley auf dessen ehemaligen Gelände in der Nähe von Cheltenham trainiert. Auf seiner Homepage erinnert er zudem noch einmal an den „Duke“.
Aidan Coleman (Jockey): Irgendwie kommt es einem vor, als wenn Aidan Coleman schon ewig im Geschäft ist. Dabei ist der Mann erst 26 (Geburtsjahr 1988) und damit für einen Jockey noch durchaus jung. Seit 2007 reitet der Ire überwiegend für Trainerin Venetia Williams, in den letzten Jahren steigerte er sich von Saison zu Saison.
Auch in diesem Jahr sieht es gut aus und so ein Monat wie der Dezember mit drei Prestige-Erfolgen tut besonders gut. Erst der Erfolg mit dem Spezialisten Any Currency für Trainer Martin Keighley über den Cross-Country-Kurs in Cheltenham, dann folgte am nächsten Tag der Triumph mit Niceonefrankie im Caspar Cavian Gold Cup in Cheltenham. Das war ein exzellent abgestimmter Ritt von der Spitze, als Coleman mit dem Schützling von Venetia Williams das ganze Feld müde galoppierte.
Fast noch besser wurde es Ende Dezember im Welsh National in Chepstow: Emperor’s Choice (Trainerin Venetia Williams) siegte nach einer Energieleistung von Ross und Reiter mit einem kurzen Kopf gegen Benvolio. Und Coleman kassierte einen Klaps des Glückwunsches vom knapp unterlegenen Kollegen Sam Twiston-Davies. Tolle Geste!
Herzschlagfinish nach fast 6 Kilometern auf schwerem Geläuf im Welsh National: Emperor’s Choice siegt mit einem kurzen Kopf vor Benvolio
Venetia Williams (Trainerin): Die letzten beiden Saisons liefen sehr gut für Venetia Williams. Endlich konnte die Trainerin mal wieder ein paar Siege am prestigereichen Wochenende feiern. Auch in diesem Jahr kommen die Pferde so langsam wieder ins Rollen: Im Dezember gab es bereits oben beschriebenen Siege mit Niceonefrankie und Emperor’s Choice, dazu glänzte der starke Houblon Des Obeaux mit Höchstgewicht als Zweiter in einem gutbesetzten Handicap in Ascot gegen den noch lange nicht erfassten The Young Master.
Ihren größter Erfolg verzeichnete Williams aber 2009, als der Riesen-Außenseiter Mon Mome im Grand National triumphierte. Diesen Erfolg bestätigte der Wallach aber leider nie mehr so recht.
Silviniaco Conti (Pferd): Selbstverständlich gehört der Gewinner der King George Chase in diese Kolumne. Denn die Grade 1-Prüfung in Kempton ist wohl das wichtigste Rennen in der ersten Hälfte der englischen Hindernissaison.
Silviniaco Conti, trainiert von Paul Nicholls und geritten von Noel Fehily, wiederholte seinen Erfolg aus dem Vorjahr und lieferte erneut eine tadellose Vorstellung. Schon davor wusste der Dom Alco-Sohn in der Betfair Chase in Haydock zu gefallen, speziell auf weichem Boden zählt der Wallach-Sohn zur absoluten Spitzenklasse. Nur im letzten Cheltenham-Cup enttäuschte er ein wenig, obwohl er als Vierter auch nicht weit geschlagen war.
Aber der flache Kurs in Kempton liegt ihm besser. Silviniaco setzt damit den Erfolgskurs seines Trainers in diesem Rennen fort: Seit 2006 hat Paul Nicholls die King George Chase sieben Mal gewonnen, fünf Mal alleine mit dem unvergessenen Kauto Star.
Bayan (Pferd): Mein persönliches Dank galt in diesem Monat Bayan aus dem irischen Stall von Gordon Elliot. Denn der Wallach gewann als 150:10-Chance die Ladbroke Handicap Hurdle in Ascot und war mein Tipp in diesem Rennen. So und so lief die englische Hindernissaison wettmäßig bislang sehr gut und Bayan war die Krönung des Halbjahres. Dabei war ich erstaunt, wie hoch der irische Gast stand. Denn eigentlich hatte er gute Leistungen aus zwei stark besetzten irischen Handicaps, die letzte Form aber datierte aus einem Flachrennen im September. Doch das war genau der Plan, ein möglichst frisches Pferd nach England zu schicken.