Es war mal wieder Grand National-Wochenende in England und mehr Schlagzeilen als der Sieger Ballabriggs machte die Tatsache, dass mit Dooneys Gate und Ornais zwei Pferde nach Stürzen das Rennen nicht überlebten.
Und schon kommen sie wieder, die kritischen Stimmen der Tierschützer. „Wenn Pferde beim Grand National-Meeting getötet werden, dann sind ihre Tode keine Unfälle, sondern komplett voraussagbar. ….Das Grand National ist Tierquälerei wie die Stierkämpfe in Spanien“, erklärte Andrew Tyler, Direktor der Protestgruppe Animal Aid. Auch andere Tierschutzorganisationen möchten das Rennen am liebsten verbieten.
Nun sieht diese Kolumne das Grand National durchaus kritisch. Zu lang, zu schwere Hindernisse, zu viele Starter – was ich vor zwei Jahren hier geschrieben habe, unterschreibe ich heute noch. Und natürlich ist jedes tote Pferd ein totes Pferd zu viel.
Das Argument mit der Tierquälerei ist dennoch daneben : Hindernisrennen sind eben gefährlich – für Pferde und Jockeys. Das Grand National ist vielleicht das gefährlichste Rennen der Welt. Nur sind die Starter erfahrene Pferde – Topathleten, die oftmals bewusst auf das Grand National vorbereitet werden. Sie führen ein Leben, von dem viele ihrer Artgenossen nur träumen dürfen. Das Argument Tierquälerei passt vielmehr zum Leben vieler Tiere, die später als Nahrungsmitteln auf unseren Tellern landen.
Dennoch war das Grand National 2011 keine Werbung für den Sport. Die beiden toten Pferde, ein völlig entkräfteter Sieger, der siegreiche Jockey Jason Maguire enthielt zudem eine Strafe wegen übermäßigem Gebrauch der Peitsche: „Gegner des Rennens hatten einen großen Tag gestern“, schreibt Ex-Jockey Peter Scudamore. Dabei seien die Umstände außergewöhnlich gewesen: Es war heiß, das Geläuf fest, das höhere Tempo erhöhte die Gefahr für Pferde und Reiter, so Scudamore. „Wenn die Rennbehörden entscheiden würden, dass das Rennen auf festem (und damit schnellem) Boden nicht stattfindet, wäre ich nicht dagegen.“ Nur sollte man auch anerkennen, dass diese Risiko-Elemente für Reiter und Pferde Hindernisrennen und speziell das Grand National so attraktiv machen.
Fast neun Millionen Zuschauer (Marktanteil 65 Prozent) sahen bei der BBC in England das Rennen live – Quoten, von denen man hier in Deutschland nur träumen kann. Doch für viele auf der Insel ist es das einzige Pferderennen, das sie im Jahr schauen. Und da stören solche Bilder wie vom Samstag…
Normalerweise interessieren mich die Flachrennen auf der Allwetterbahn im englischen Lingfield nicht besonders, doch am Samstag um 15.40 Uhr mache ich da mal eine Ausnahme: Der Grund ist ein Rennpferd mit dem Namen Xi . Es wird trainiert auf der Rennbahn in Dortmund von Norbert Sauer und läuft am Samstag um 15:40 Uhr in den Clever Stakes, einem Listenrennen über 1200 Meter. Dotiert ist das Rennen mit 35 000 Pfund und dafür lohnt es sich, dass sich Sauer und Mitbesitzer Christian Bruer am Freitag ins Auto setzen und über Calais und Dover den Ort nördlich von London ansteuern. Mit dabei im Anhänger ist eben dieser Xi, am Jockey sollte es nicht scheitern: Im Sattel sitzt die grandiose Hayley Turner.
„Das ist natürlich eine große Herausforderung für das Pferd. Aber warum sollen wir es nicht einfach mal probieren“, sagte Sauer der Dortmunder Tageszeitung Ruhr-Nachrichten. Es ist der erste Starter des Trainers im Mutterland des Turfs, obwohl der 71jährige schon lange im Geschäft ist.
Warum sollte er auch nicht? Dreimal gewann der Hengst, der vorher in Ungarn gelaufen war, mit dem berühmten Finger in der Nase über 1200 Meter auf der Dortmunder Sandbahn. Das waren zwar nur Handicaps der Kategorien 3 und 4, aber Xi siegte wie ein Pferd, das noch einiges an Reserven hat. Jetzt geht es allerdings gegen gestandene englische Sprinter in einem Listenrennen. Am Mittwoch gab es noch 19 Nennungen für das Rennen. Ein Blick auf seine wahrscheinlich stärksten Gegner.
Hitchens (Racing Post Rating 117): Bahn- und Distanzsieger, bewährt in zahlreichen großen Sprinthandicaps auf der Insel. Der letzte Start war ein Erfolg im November in den Listed Golden Rose Stakes in Lingfield über 1200 Meter. Dort war der Schützling von Trainer David Barron bereits vor einigen Gegnern, die er am Samstag wieder trifft.
Angels Pursuit (RPR 127): Trainiert vom Championtrainer Richard Hannon, das Pferd mit dem höchsten Rating im Rennen. Siebter in dem von Hitchens gewonnenen Listenrennen, zuletzt Vierter in einem gut besetzten Handicap in Kempton, davor dort Sieger – jedoch beides Mal über 1400 Meter. Angels Pursuit war auch schon über 1200 Meter siegreich.
Arganil (RPR 119): Die Bilanz von acht Siegen bei 15 Starts auf Sand liest sich sehr gut, mehrfacher Listensieger auf diesem Belag. Aktuelle Form ist auch nicht schlecht.
Beauchamp Victory (RPR 124): Ein weiterer Allwetterspezialist, der aber auf längeren Strecken stärker einzuschätzen ist.
Brave Prospector (RPR 121): Gute Form bereits in diesem Jahr, war Dritter hinter Hitchens in den Golden Rose Stakes, auf Turf bereits platziert in Grupperennen.
Duff: (RPR 120): Neunjähriger Sprintveteran, bewährt in vielen Turf-Schlachten, zuletzt Rang 3 in den Sunbury Stakes (Listenrennen) in Kempton über 1400 Meter. Hat aber auch schon starke Formen über 1200 Meter gezeigt.
Five Star Junior (RRP 116): mehrfacher Bahn- und Distanzsieger, zuletzt erfolgreich auf dieser Bahn in einem gut besetzten Handicap. Davor Zweiter hinter Anne of Kiev, die er am Samstag aber deutlich im Gewicht ungünstiger trifft.
Anne of Kiev (RPR 117): Lingfield-Spezialistin, Form dort in fünf Starts 1-1-1-5-2, zuletzt erfolgreich gegen Five Star Junior, obwohl sie mehr Gewicht trug. Traf noch nie auf solche Gegner, der Sprung in die Listenklasse sollte aber möglich sein.
Nachtrag 25.2.: Jetzt startet Xi doch nicht in England. Der Grund dafür steht hier.
Twist Magic: Trauriger Abschied von einem echten Charakter
Pferderennen über Hindernisse sind oft faszinierend, aber teilweise auch brutal: Denn Pferde stürzen und manchmal enden diese Stürze tödlich. Wie jetzt bei Twist Magic, einem der Top-Steepler über die kürzeren Strecken in Großbritannien. Der Wallach stürzte am Mittwoch am vorletzten Hindernis in der nachterminierten Peterborough Chase (Grade 2) in Newbury. Er stand zwar wieder auf, doch die Verletzung war so schwer, dass er nicht zu retten war. „Er war so ein wunderbares Pferd und es ist eine wirkliche Tragödie, aber diese Dinge passieren eben“, sagte sein Trainer Paul Nicholls der Racing Post.
Dennoch sind das die Nachrichten, die betroffen machen – besonders, wenn man erst heute am Donnerstag davon erfährt, weil man derzeit ganz andere Dinge im Kopf hat. Aber Twist Magic war eines dieser Pferde, die die Faszination des Hindernissports ausmachen. Weil er im Laufe der Zeit zu einem guten Bekannten wurde, den man schätzen lernte – mit all seinen Stärken und Schwächen. Das letzte Rennen zeigte noch einmal die ganze Klasse des Wallachs: Twist Magic ging überlegen, sprang fantastisch und steuerte einem weiteren großen Erfolg entgegen. Die Strecke war zwar etwas länger als sonst, dennoch machte der Nicholls-Schützling den frischesten Eindruck im Feld. Während alle anderen Jockeys schon mehr oder weniger fleißig arbeiteten, saß Sam Thomas immer noch ziemlich ruhig auf Twist Magic – bis zum fatalen vorletzten Hindernis.
Dr. Jekyll and Mr Hyde
Twist Magic verkörperte immer etwas von „Dr. Jekyll and Mr Hyde“, hatte seine guten und schlechten Seiten. Grandios aufgelegt war der Winged Love-Sohn zum Beispiel auf der Rennbahn Sandown. Dort triumphierte er unter anderem zwei Mal in der Tingle Creek Chase, einem Grade 1-Rennen über zwei Meilen (hier sein Sieg 2008). An seinen guten Tagen war er ein großartiger Springer, der ein phänomenales Tempo über die schweren Sprünge gehen konnte.
Seine andere Seite zeigte er meist auf der Rennbahn in Cheltenham. Dort brauchte man ihn gar nicht auf dem Wettschein haben, in der Queen Mother Champion Chase fiel er entweder oder lief ganz grauenhaft wie 2008, als er 52 Längen hinter dem überlegenen Sieger Master Minded endete.
Zuletzt war es oft eher Glückssache, ob Twist Magic überhaupt startet. Denn manchmal – wie in Punchestown – blieb er einfach am Start stehen. Er war eben ein echter Charakter.
Insgesamt lief er 30 Mal, gewann zehn Rennen (davon fünf Grade 1-Rennen) und galoppierte für seine Besitzer Barry Fulton, Tony Hayward und Michael Lynch fast 580 000 Pfund Preisgeld ein.
Diese Summe hätte er in Deutschland in Hindernisrennen nie verdienen können. Neben Well Chief ist Twist Magic vielleicht das beste Pferd aus deutscher Zucht im englischen Hindernissport. 2003 wurde er als Jährling auf der Auktion in Iffezheim für 9500 Euro nach Frankreich verkauft. Dort lief er nie auf der Flachen, gewann 2005 für Trainer Guillaume Macaire ein Hürdenrennen in Auteil. Im Oktober des gleichen Jahres startete Twist Magic erstmals für Trainer Paul Nicholls über die Hürden im nordenglischen Wetherby – und endete weit geschlagen als Sechster.
Es droht ein Wochenende mit Entzugserscheinungen – pferdesportmäßig. Zumindest am Samstag, weil dort bereits jetzt alle Hindernisrennen in England wegen Schnee und Eis abgesagt wurden. Das ist traurig, weil der englische National Hunt-Sport mich quasi im Winter aufrecht hält. Aber keine Chance am Wochenende: die Top-Karte Sandown mit der Tingle Creek Chase abgesagt, in Wetherby und Chepstow fielen die Rennen ebenfalls den winterlichen Bedingungen Opfer.
Nun mag der Leser ja argumentieren, dass es doch Flachrennen auf den Allwetterbahnen in England gibt. Das ist richtig: Am Samstag veranstalten Kempton und Southwell, am Abend kommt noch Wolverhampton hinzu. Diese Rennen sind jedoch kein Ersatz: Ich finde Flachrennen auf den Allwetterbahnen langweilig – immer die gleichen (langsamen) Pferde, von denen mal der, mal der gewinnt. Wenn ich Pferderennen auf Sand wetten möchte, dann kann ich das außerdem auch in Deutschland.
Und da wären wir bei Dortmund am Sonntag. Auch in Deutschland geht das Geschehen auf den Winterbahnen ziemlich an mir vorbei. Die Winterrennen mögen ja ihre Berechtigung haben. Ich habe großen Respekt vor Trainern und Besitzer aus dem Osten oder Südwesten dieser Republik, die bei schlechten Bedingungen weite Wege auf sich nehmen, um ihre Pferde für diese lausigen Preisgelder laufen zu lassen. Aber der Unterhaltungswert dieser Rennen ist doch sehr beschränkt. Ich würde nie auf die Idee kommen, im Winter nach Neuss zu fahren.
Dortmund ist da etwas anders gelagert. Weil die Rennbahn quasi um die Ecke liegt und ich als Dortmunder ein „Heimspiel“ habe, könnte ich doch eigentlich hingehen. So schlimm sieht das Programm auch gar nicht aus – große Felder, einige ganz interessante Pferde. Dennoch bin ich mir noch nicht schlüssig: Es ist kalt draußen und so prickelnd ist die Atmosphäre in Wambel nicht. Ein Ersatz für Sandown ist das jedenfalls nicht…
Die englische Hindernissaison hat Fahrt aufgenommen. Einer der Höhepunkte vor Weihnachten ist der Hennessy Gold Cup in Newbury, obwohl „nur“ eine Handicap Chase Grade 3 über weite 5400 Meter. Aber ein faszinierendes Rennen und die Prüfung, bei dem mir erstmals richtig bewusst wurde, was für ein großartiges Pferd Denman ist. Denn 2007 spielte er unter Höchstgewicht mit den sehr guten Gegnern und gewann ganz leicht. 2009 wiederholte er den Erfolg, 2010 strebt der Nicholls-Schützling den dritten Erfolg an. Das wird aber nicht leicht – nurpferdefussball stellt die wichtigsten Kandidaten des Rennens vor.
Denman: Weil Nicholls-Stalljockey Ruby Walsh verletzt ist, sitzt Sam Thomas wieder im Sattel von Denman. Mit dem Wallach feierte der Jockey seine größten Erfolge, gewann neben dem Hennessy Gold Cup 2007 auch noch den Cheltenham Gold Cup 2008. Der Vorjahressieger strebt seinen dritten Sieg im Hennessy Gold Cup an, bei den Buchmachern ist er Favorit. Ich bin allerdings eher skeptisch: Höchstgewicht, gute Gegner und zudem zeigte Denman nach seiner Verletzung zwar gute Leistungen, aber nicht mehr so herausragend wie in der Saison 2007/2008. Neptune Collonges: Zweiter Starter aus dem Nicholls-Stall, zeigte schon ganz excellente Formen. Pausierte jedoch die komplette Saison 2009/2010, erst mal abwarten. Taranis: Ein weiterer Starter aus dem Quartier von Championtrainer Paul Nicholls, hat eine gute Bilanz bei seinen Saisondebüts, gewann zuletzt im Januar 2010 überlegen gegen Carruthers und Madison Du Berlais. Diese stehen diesmal allerdings im Gewicht erheblich günstiger. Eher ein chancenreicher Außenseiter. Madison Du Berlais: Der Gewinner dieses Rennens 2008, schlug einst einen an diesem Tag indisponierten Denman in Kempton. In der letzten Jahr ziemlich außer Form, sein Trainer David Pipe servierte ihm einen Aufgalopp in Exeter. In Bestform gut möglich, aber er wird auch nicht jünger. Silver By Nature: einer der Aufsteiger des letzten Jahres, formstark und ein guter Springer, der nicht am mangelnden Stehvermögen scheitern wird. Benötigte aber immer etwas Anlaufzeit, auch wird der Boden nicht schwer genug sein. Carruthers: Frontrenner, der sein schwaches Saisondebüt mit Sicherheit steigern wird. Dürfte als 7jähriger noch Potenzial zur Verbesserung haben, ich würde ihn aber lieber über eine etwas kürzere Stecke sehen. Diamond Harry: Top-Hürdler, war einer der Mitfavoriten für die Royal Sun Alliance Chase, eines der Toprennen für die Novice Chaser. Dort allerdings angehalten, weil er zu viele Fehler machte. Und Fehler wird sich Diamond Harry auch in diesem Feld mit vielen guten Springern nicht leisten können. Bei Betfair wäre der Schützling von Nick Williams eine klassische Lay-Wette – aber so etwas mache ich ja nicht. Weird Al: Noch ungeschlagen (4 von 4) über die schweren Sprünge, die letzte Form auf zu kurzem Weg in Carlisle wurde durch den Mitsieger Little Josh deutlich aufgewertet. Der Wallach steht vor der bisher schwersten Aufgabe seiner Karriere, dennoch brandgefährlich. Zumal die längere Distanz passt und die Pferde von Trainer Ian Williams allesamt derzeit sehr gut laufen. Burton Point: Zweiter in der RSA Chase während des Cheltenham-Festivals, danach leichter Sieger in Aintree – einer der Top Novice Chaser (ich habe keine Lust, diesen Begriff immer zu übersetzen) des Vorjahres gibt sein Saisondebüt. Siegkandidat – das Einzige, was mich etwas stört, dass in dieser Saison die Pferde von Nicky Henderson meist den ersten Start noch brauchten. In den Vorjahren war das aber bei Burton Point nicht der Fall. Big Fella Thanks: Von Paul Nicholls zu Trainer Ferdy Murphy gewechselt, unterlag zum Saisondebüt auf schwerem Boden gegen Hey Big Spender, den er jetzt wieder trifft und gegen den er sogar ungünstiger im Gewicht steht. Im Vorfeld durchaus gewettet, die Pferde von Trainer Ferdy Murphy haben auch deutlich an Form gewonnen, allerdings gibt es Kandidaten mit deutlich besseren Aussichten. Pandorama: Der nächste faszinierende Teilnehmer aus der Nachwuchs-Brigade. Drei Starts über die großen Sprünge, drei Erfolge – zuletzt erfolgreich in zwei Grade 1-Rennen. Dabei schlug er in Leopardstown Weapon’s Anmesty, den späteren Sieger der RSA Chase. Verpasste dann Cheltenham und Punchestown wegen Verletzung, soll aber wieder topfit sein. Erster Start außerhalb Irlands und Jahresdebüt, aber das dürfte nicht nachteilig sein, weil der Schützling von Trainer Noel Meade in den ersten Jahr immer bei seinem ersten Starts erfolgreich war.
Urteil: Ein faszinierendes Rennen. Die Tribüne wird beben, wenn Denman seinen dritten Erfolg in dieser Prestige-Prüfung feiern würde. Er trifft allerdings auf ein erlesenes Feld und besonders die Nachwuchs-Brigade mit Weird Al, Burton Point und Pandorama sollte ein ernster Prüfstein für den Giganten aus dem Nicholls-Stall sein. Mein Tipps sind Weird Al und Pandorama, von den Außenseitern mit höheren Quoten verdienen noch Madison Du Berlais und Taranis Beachtung.
Quoten gibt es unter anderem hier, das vorläufige Starterfeld hier.
Man könnte fast Mitleid mit Blame und seinem Team haben: Da gewinnt der Hengst mit dem Breeders’ Cup Classic eines der wichtigsten Rennen des Turfs, seine Besitzer dürfen sich über mehr als 2,6 Millionen Dollar Siegprämie freuen – und fast alle sprachen danach über Zenyatta, die unglückliche Zweite, der nur ein kurzer Kopf am 20. Erfolg in Serie und am zweiten Triumph im Breeders’Cup fehlte. Ihr Jockey Mike E. Smith kämpfte danach mit den Tränen. „Es war meine Schuld. Sie hätte gewinnen müssen und es schmerzt“ gestand ihr ständiger Pilot. Smith, ein „Hall of Fame-Jockey, der auf vielen guten Pferden saß, beschreibt Zenyatta als „die Beste von allen. Ein Geschenk Gottes“.
Es war das übliche Drama. „And Zenyatta is dead last“, sagte Rennkommentator Trevor Denman, einen Spruch, den die Europäer schon aus dem Vorjahr kennen. Wie immer lag die wuchtige Stute, so groß wie ein englischer Steepler, weit zurück, scheinbar hoffnungslos geschlagen – und dann auf der Zielgerade kam der berühmte Turbo. Die Masse tobte, Zenyatta flog heran, kämpfte tapfer – nur diesmal reichte es nicht. Eben jener Blame mit Jockey Garrett Gomez konnte seinen knappen Vorsprung ins Ziel verteidigen. Kleiner Trost: Der Sieger ist ein fantastisches Pferd, mehrfacher Grade 1-Gewinner und einer der besten Vollblüter der USA.
Es war ein grandioses Finale des Breeders’ Cup auf der Rennbahn in Churchill Downs. Dabei begann der Samstag für mich und viele deutsche Zuschauer reichlich bescheiden: Weil Racebets nicht wie am Freitag die exzellenten Bilder des englischen attheraces (ATR) zeigte, sondern meinte, diesmal reichen die Bilder aus Italien mit Breeders’ Cup und Trabrennen aus Bologna und Siracusa. Das ging gar nicht, aber zum Glück gab es den offiziellen Breeders’ Cup Stream aus den USA. Und bei den amerikanischen Kommentatoren war der Name Zenyatta der meistgenannte des ganzen Abends.
Popstar und First Lady
Für Europäer wirkt das etwas befremdlich, aber spätestens als die Stute die Bahn betrat, wird ihr Status deutlich. Zenyatta ist in den USA ein Popstar auf vier Beinen, Kameras begleiteten jeden ihrer Schritte und als sie dann durch einen langen Tunnel in den Führring schritt, wurde es richtig laut – fast so wie im großartigen Westfalenstadion, wenn der BVB ein Tor geschossen hat.
„Die Amerikaner sprechen nur von Zenyatta“, hatten Matt Chapman und John Mc Cririck bereits am Freitag auf ATR geklagt. „Big Mac“, einer der bekanntesten TV-Presenter in England und leicht erkennbar durch sein exzentrisches Outfit, sah so aus, als wenn er nach dem Renntag noch ein paar Enten schießen gehen würde. Aber die beiden hatten schon Recht. Und so stand nicht nur Blame im Schatten von Zenyatta: Auch die grandiose Goldikova, die zum dritten Mal in Folge in der Breeders’ Cup Mile siegte und damit Geschichte schrieb. Und vielleicht gibt es sogar Sieg Nummer Vier 2011. Oder Dangerous Midge, auf dem in Abwesenheit von Arc-Gewinner Workforce Frankie Dettori ein brilliantes Rennen ritt und den Breeders’ Cup Turf gewann. Oder der zweijährige Uncle Mo, der im Stile eines Ausnahmepferdes den Breeders’ Cup Juvenile Dirt für sich entschied. Oder oder oder….
Nur meine Tipps waren Essig. Der Teufel muss mich geritten haben, Proviso gegen Goldikova zu empfehlen. Nur Uncle Mo verhinderte ein völliges Waterloo.
Goldikova und Zenyatta die Stars eines großen Tages
Es ist wieder so weit – das Breeders Cup-Wochenende steht vor der Tür. Europas Turfelite trifft auf die Besten der USA, diesmal in Churchill Downs, Louisville/Kentucky, Heimat des berühmten Kentucky Derbys. Können die Europäer ihre Erfolgsserie der letzten Jahre fortsetzen? Nein, meinen manche Experten, weil die Bahn in Churchill Downs für europäische Pferde schwieriger sei als etwa Santa Anita, Austragungsort 2009.
Prognosen für den Breeders Cup sind immer schwer. Zum einen, weil die amerikanischen Formen nur schwer zu werten sind, zum anderen haben die meisten Starter aus England, Irland und Frankreich eine lange Saison hinter sich.
Dennoch wagt nurpferdeundfussball Prognosen, konzentriert sich allerdings auf den Samstag. So schlecht ist meine Wettbilanz bei diesem Meeting nicht. Erstaunlicherweise hatte ich in den letzten Jahren immer den Sieger im Sprint (einem Rennen, wo mir kaum ein Starter etwas sagte). Zudem habe ich mich oftmals gnadenlos an irgendwelche Stallform drangehängt, denn manche Trainer hatten gerade ihre Schützlinge für diese Rennen in Topform.
Breeders Cup Juvenile Turf
Drei Europäer laufen wahrscheinlich, alle kommen mit soliden Formen an den Start und alle sind prominent im Wettmarkt (zumindest bei den englischen Buchmachern, am amerikanischen Toto könnte es anders aussehen): Master of Hounds (Trainer Aidan O’Brien), Mantoba (Brian Meehan) und Utley (John Gosden). Stärkste US-Waffe scheint Air Support zu sein, ich versuche es mal mit einem Außenseiter: Willcow Inn war immerhin Dritter in den Futurity Stakes, einem Grade 1-Rennen. Es ist allerdings sein erster Start auf Turf.
Breeders Cup Sprint (Dirt)
Einen Rennen mit vielen unbekannten Größen über schnelle 1200 Meter. Mein Tipp ist der ungemein beständige Smiling Tiger, die größte von vielen Gefahren ist Big Drama. Godolphin sattelt Girolamo, von längeren Distanzen erfolgreich auf den Sprint umgestellt.
Breeders Cup Turf Sprint
Das nächste lustige Rätsel raten ohne europäische Beteiligung. Hochinteressant ist die dreijährige Stute , fünf Mal in Folge unbesiegt. Allerdings stört die Startbox 9. Vielleicht kann ja Stradivinsky über schnelle 1000 Meter die Form gegen Silver Timber umdrehen.
Breeders Cup Juvenile (Dirt)
Europa vertritt Biondetti, immerhin Gruppe 1-Sieger in Italien und zumindest auch Sand erprobt. Das Godolphin-Pferd ist aber nur Außenseiter. In der Favoritenrolle dürfte Uncle Mo stehen. Der Schützling von Todd Pletcher ist ein hochtalentiertes Pferd, triumphierte zuletzt hoch überlegen in einer Grade1-Prüfung. Grade1-Sieger sind auch bereits Boys at Tosconovo und Jaycito. Für den exotischen Touch sorgt Murjan, immerhin bereits klassischer Sieg in Peru.
Breeders Cup Mile (Turf)
Höhepunkt Nummer 1 für Europa: Das grandiose Duo Goldikova und Olivier Peslier möchte natürlich den Vorjahrestriumph wiederholen. Frankreichs „First Lady des Turfs“ trifft wieder auf ihren Dauerrivalen Paco Boy, den sie auch in Longchamp hinter sich ließ. Ob der Hannon-Schützling diesmal den Spieß umdreht? So sehr der Hengst es verdient hätte, so recht glaube ich nicht daran. Die Gefahren kommen aus den USA: Gio Ponti geht auf die Meile zurück, hat auf dieser Distanz eine sehr gute Bilanz. Mein Tipp ist jedoch Proviso, einst trainiert von Andre Fabre in Frankreich. In den USA ist die Stute zum Dauersieger geworden.
Breeders Cup Dirt Mile
Auf dem Papier eine völlig offene Angelegenheit ohne europäische Beteiligung. Bei jedem Kandidaten gibt es etwas, was dagegen spricht. Der wenig geprüfte Tizway ist eine eher hoffnungsfrohe Wahl.
Breeders Cup Turf
Das zweite Highlight aus europäischer Sicht: Noch gibt es einige Fragezeichen, ob der Favorit Workforce überhaupt startet. Trainer Sir Michael Stoute hat nämlich einige Bedenken wegen des festen Bodens, allerdings sagen amerikanische Jockeys, dass der Boden weich sei. Wer ist die Alternative zum englischen Derby- und Arc-Triumphator. Behkabad war Favorit im Arc, hatte dort ein reichlich unglückliches Rennen und wurde dennoch 4. Ansonsten sind die Formen des französischen Gastes tadellos. So recht mag ich nicht an Dangerous Midge (wurde aber stark gewettet in England) und Debussy (obwohl John Gosden eine gute Breeders Cup-Bilanz hat) glauben. Stärkste amerikanischer Vertreter könnte der ehemalige Ire Winchester sein.
Breeders Cup Classic
Noch ein Höhepunkt: Es läuft die großartige Zenyatta, im letzten Jahr eindrucksvolle Siegerin dieser Prüfung und in 19 Starts (hier ihr letzter Erfolg) noch unbesiegt. Das soll auch so bleiben, doch auf die Stute warten sehr starke Gegner. Der dreijährige Lookin at Lucky könnte der gefährlichste sein.
Europäischer Triumph im wichtigsten Rennen des fünften Kontinents: Americain, trainiert in Frankreich von Alain de Royer-Dupre und geritten von Gerald Mosse, hat den Melbourne Cup 2010 auf der Rennbahn in Flemington/Australien gewonnen. Die stolzen Besitzer Gerry Ryan und Kevin Bamford hatten hingegen ein Heimspiel, denn sie leben in Melbourne.
Es ist das Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillsteht. Und die meisten der rund 120 000 Besucher auf der Bahn wurden so richtig laut, als der einheimische Favorit See You Then an der 200 Meter-Marke in Front zog. Doch gegen den Angriff von Americain war der von Melbourne Cup-Legende Burt Cummings trainierte See You Then machtlos, zudem zog auch noch Maluckyday vorbei.
Es war der dritte europäische Sieg in der 150. Ausgabe des Mega-Rennens. Zweimal hatte zuvor Trainer Dermot K. Weld aus Irland triumphiert: 1993 siegte Vintage Crop, 2002 war Media Puzzle erfolgreich.
Früher beim Buchmacher gab es einen Kollegen, der schrie immer „Hossa“, wenn ein von ihm gewettetes Pferd auf der Zielgerade vorne war. Am Samstag hatte ich vor dem PC mein persönliches „Hossa-Erlebnis“ – der Grund hieß Monet’s Garden, der zum dritten Mal in der Old Roan Chase, immerhin ein Gruppe 2-Rennen, in Aintree triumphierte.
Es war ein emotionaler Erfolg und es sind Pferde wie Monet’s Garden, die die Faszination des Hindernissports ausmachen. Denn der Schimmel ist ein fantastischer Springer, der in Bestform quasi über die Hindernisse gleitet. Das war auch am Samstag so: Jockey Dougie Costello ließ den Frontrenner marschieren, der Wallach sprang tadellos und als dann Barry Geraghty mit dem hervorragend gehenden Poquelin zum Angriff schritt, zeigte Monet’s Garden viel Kampfgeist und hatte am Ende die Nase vorn. „The old boy finds a bit more“, analysierte Rennkommentator Stuart Machin treffend.
Und damit sind wir beim nächsten Stichwort: Denn der Schützling von Trainer Nicky Richards ist bereits zwölf Jahre alt und damit quasi im Veteranenstatus. Das ist einer der größten Pluspunkte des Hindernissports: Die Pferde sind länger dabei, sie wachsen selbst hartgesottenen Betrachtern regelrecht ans Herz. Ihre blaublütigen Verwandten von der Flachbahn beenden hingegen – wenn sie erfolgreich sind – spätestens mit fünf Jahren ihre Karriere und gehen in die Zucht, was für die Wallache aus dem Hindernissport bekanntlich keine Alternative ist.
Im April 2005 war ich live auf der Rennbahn in Aintree. Es war der Donnerstag des Grand National-Meetings; Monet’s Garden gewann damals die Liverpool Hurdle, danach triumphierte mit dem grandiosen Grey Abbey ein weiterer Schimmel und ich hatte beide gewettet. Es war ein unvergesslicher Nachmittag.
Seitdem verfolge ich die Laufbahn von Monet’s Garden, der ein gutes und erfolgreiches Pferd über die großen Hindernisse wurde. Besonders Aintree mag der Wallach: Fünf seiner 17 Siege (bei nur 32 Starts) feierte er auf der Bahn nahe Liverpool; 2007 schlug er in besagter Roan Chase immerhin den großen Kauto Star. 2009 triumphierte der Schimmel gegen Tidal Bay, Gewinner der Arkle Chase in Cheltenham.
„Das beste Zweijährigen-Rennen aller Zeiten“ hatte die Racing Post noch am Samstag getitelt und das ganz mit einem Fragezeichen versehen. Dieses Prädikat verdienten sich die Dewhurst Stakes in Newmarket nicht. Denn das Duell zwischen Frankel, Dream Ahead und Saamidd fand nicht statt, zu indisponiert wirkten die beiden Letztgenannten.
Es war die Soloshow (siehe Video) eines Pferdes: Frankel gewann die Dewhurst Stakes, das wohl wichtigste Zweijährigen-Rennen in England, ganz leicht und untermauerte seinen Superstar-Status. „Er ist wie ein Formel 1-Auto. Er gewinnt alles so lange ich ihn nicht fahre", meinte nach dem Rennen Trainer Henry Cecil. Es war schon höchst beeindruckend, wie der Galileo-Sohn beschleunigte und sich ziemlich leicht von seinen Gegnern löste, nachdem er fast die Hälfte der 1400 Meter-Distanz wild gepullt hatte. Jockey Tom Queally hatte alles sicher im Griff. Frankel also ein sicheres Ding für die 2000 Guineas im nächsten Jahr zum Kurs von 5:4 (22)? Selbstverständlich nicht, denn erstmal kann bis Anfang Mai 2011 noch viel passieren. Überragende Zweijährige sind auch nicht immer herausragende Dreijährige. Oft entwickeln sie sich über Winter nicht weiter, andere Pferde – die vielleicht zweijährig noch etwas schwach waren – hingegen schon. Ich erinnere mal an Rainbow View, die Stute aus dem Stall von John Gosden, die 2008 zweijährig alle wichtigen Rennen des Jahrgangs gewann und meilenweit über ihre Jahrgangsgefährtinnen stand. Sie wurde zu einem ähnlichen Kurs für die 1000 Guineas gehandelt. Das Ergebnis: Rainbow View wurde Fünfte, konnte dreijährig nicht an ihre Leistungen anknüpfen. Und beim Thema Frankel und das Derby zeigt sich Cecil noch ziemlich zugeknöpft.
Dream Ahead und Saamidd landeten hingegen am Ende des Feldes und belegten nur die Plätze 5 und 6. Das Pferd aus dem Stall von John Simcock ließ seinen „Dash“ vermissen, die schweren Rennen vorher forderten offensichtlich ihren Tribut. Saamidd wirkte schon beim Aufgalopp nervös, fand nie ins Rennen. Laut Godolphin-Homepage kam er nicht mit dem weichen Boden zurecht.
Die Entdeckung des Rennen war Roderic O’ Connor und darüber wird man im Quartier von Aidan 0’Brien ziemlich zufrieden sein. Johnny Murtagh hatte den Hengst schön an den Rails platziert und ließ ihn galoppieren. Gegen Frankel war er zwar chancenlos, dennoch gefiel, wie Roderic O’Connor zum Schluss noch einmal anzog.
Hellier mal wieder
Der Preis des Winterfavoriten in Köln war hingegen die erwartete enge Angelegenheit (siehe Video). Mit Silvaner, trainiert von Peter Schiergen, gewann ein Pferd, das – im Gegensatz zu den Siegern der letzten Jahre – noch Ambitionen für das deutsche Derby hat.
Denn sein Trainer Peter Schiergen schätzt den Lomitas-Sohn als Steher ein. Es war ein typischer Terry Hellier-Ritt: Erstmal das Pferd in Ruhe auf die Beine kommen lassen, sich im Hintertreffen aus allen Scharmützeln raus halten und dann in der Gerade beschleunigen. Kein Jockey in Deutschland kann das besser als Hellier, international fallen mir Ryan Moore, Kieren Fallon und Olivier Peslier ein, die diese Taktik ebenfalls meisterhaft beherrschen. Silvaner zeigte sich gegenüber dem erfolgreichen Debüt in Dortmund weiter verbessert und setzte damit die gute Bilanz der Youngster aus dem Schiergen-Quartier fort. Mein Eindruck ist zudem, dass der Hengst dreijährig noch mehr im Tank haben könnte.
Die ersten beiden Zweijährigen-Rennen der Karte hatte Trainer Andreas Wöhler gewonnen und mit Nice Danon verpasste er im Winterfavoriten einen dritten Erfolg nur knapp. Kurz war der Schimmel auch diesmal vorne, am Ende unterlag er jedoch, zeigte aber erneut famosen Kampfgeist. Ausgezeichnet lief zudem der Außenseiter Manchester als Dritter.
Viel Pech hatte hingegen mein Tipp Zantano, der als Vierter ins Ziel kam und zweimal von Nice Danon gestört wurde. Besonders nach der zweiten Störung musste Jockey Daniele Porcu sein Pferd quasi neu aufnehmen. Ob er allerdings ohne die Behinderungen gewonnen hätte? Fraglich…
Die beste Rennsport-Nachricht kommt aber aus dem englischen Cheltenham: Dort feierte Hindernisjockey Dominic Elsworth nach einer Verletzungspause von 14 Monaten ein erfolgreiches Comeback und triumphierte mit Edgbriar in einem toll besetzten Handicap über die schweren Sprünge. Nicht nur der Jockey war danach richtig glücklich.