Es war ein episches Duell, dieser Kampf zwischen Enable und Crystal Ocean in den King George Stakes am Samstag in Ascot. Die beiden Pferde schrieben Turfgeschichte. Grundy gegen Bustino war vor meiner Zeit, im letzten Jahr Poet’s Word gegen Crystal Ocean war schon ein Thriller. Aber das Duell am Samstag toppte alles.
Es gibt ja viele Leute, denen es egal ist, ob da jetzt ein Ausgleich 4 oder ein Rennen der Gruppe 1 ansteht. In so einem Ausgleich 4 laufen mehr Pferde, es gibt viel mehr Chancen auf eine dicke Außenseiter-Quote – weil nach Formen oft keiner so recht heraussticht. Mir war und ist das nie egal, so wichtig der Basissport auch ist. Denn die vierbeinigen Stars sind das Salz in der Suppe, die den Sport erst interessant machen. Ausnahmekönner haben eben eine besondere Anziehungskraft
Zum Beispiel Enable und Crystal Ocean am Samstag im King George. Zwei Spitzenkönner duellierten sich, lieferten sich einen grandiosen Kampf. Crystal Ocean war schon mal kurz vorbei, doch dann zog die Stute von Trainer John Gosden noch mal an. Ganz großes Kino – von beiden. Es war ein grandioses Rennen, eines, an das man sich noch in vierzig Jahren erinnern wird.
Der Kolumnist ist ja nicht mehr so versessen, dass er unbedingt eine Rennbahn besuchen muss. Manches sieht man am Bildschirm sogar besser. Zudem litt er zuletzt unter einer gewissen Turf-Müdigkeit – nach dem Hamburger Derbymeeting hatten andere Dinge im Leben Vorrang. Aber in den King George VI And Queen Elizabeth Qipco Stakes lag etwas besonderes in der Luft, diese Erwartung wurde nicht enttäuscht.
Königin und König
Bei diesem Rennen wäre ich gerne live dabei gewesen. Der Lärm, die Atmosphäre, die Spannung, der frenetische Applaus danach – gigantisch. Egal, dass ich Crystal Ocean gewettet habe. Dieses Rennen war einfach purer Genuss. Enable war die amtierende Königin des Turfs und sie ist es geblieben. Frankie Dettori machte wieder mal alles richtig. Auf der anderen Seite hat James Doyle auf dem Zweiten nichts falsch gemacht. Sein Pferd kämpfte großartig, war ein würdiger Herausforderer und unterlag nach 2018 zum zweiten Mal hauchdünn im King George. Mehr als ein „Meister der Herzen“.
Am Samstag schrieben Enable und Crystal Ocean Geschichte. Auch Waldgeist lief als Dritter famos und zeigte die beste Leistung seiner Karriere. Diesmal ritt Pierre-Charles Baudot den Ammerländer viel offensiver, einen kurzen Moment dachte ich sogar, dass sein Pferd die ersten beiden erreicht. Das schaffte er nicht, dennoch verdient auch er viel Applaus.
Ich bin nicht unbedingt ein Freund großer Statistiken, aber diese von Racing TV finde ich ganz interessant. Enable hat in ihrer Laufbahn 43 Gruppe 1-Sieger geschlagen, mehr als Frankel (24) und Sea The Stars (18) zusammen.
Für Historiker: So war das damals 1975, als Grundy sich mit Bustino duellierte. Interessanter Rückblick
Im Jahre 2012 war es Danedream, ein Jahr später Novellist. Doch nicht nur die deutschen Erfolge in den King George Stakes in Ascot, einem der wichtigsten Rennen in der englischen Rennsaison, erinnern an große Stunden. Die Qipco King George VI and Queen Elizabeth Stakes (Gruppe 1, 2400 Meter), so der komplette Titel, gewinnt fast immer ein großer Namen des Turfs. Die Stars der Ausgabe 2019.
Enable
Wir beginnen mit Enable, dem Turf-Superstar der letzten Jahre. John Gosdens grandiose Stute gewann nicht nur zweimal den Arc und möchte den Hattrick in diesem Jahr schaffen. Sie triumphierte auch 2017 im King George und distanzierte dabei Ulysses und Highland Reel. Im letzten Jahr war sie zehn Tage vor dem Arc krank, dennoch siegte sie sowohl im französischen Megarennen als auch im Breeders Cup. Ihr diesjähriges Saisondebut in den Eclipse Stakes in Sandown gegen die alte Rivalin Magical fiel sehr überzeugend aus. Enable kann jeden Boden, kennt fast nur Siege und hat mit Frankie Dettori einen Mann im Sattel, der die Stute blendend unterstützt. Alle Vorzeichen stehen für eine weitere Glanzvorstellung. Aber unschlagbar ist sie nicht.
King George 2017: Die damals dreijährige Enable triumphiert überlegen gegen Ulysses und Highland Reel.
Crystal Ocean
Da wäre etwa Crystal Ocean aus dem Quartier von Sir Michael Stoute. Manche Experten sagen, er wäre Enables bislang stärkster Gegner. Mit fünf Jahren hat sich der Hengst noch mal deutlich verbessert, sein Erfolg in den Prince of Wales Stakes gegen Magical und Waldgeist war sehr beeindruckend. In diesem Jahr ist Crystal Ocean noch ungeschlagen, im letzten Jahr unterlag er im King George nur hauchdünn nach großem Kampf gegen den Stallgefährten Poet's Word. Er könnte der Gosden-Stute das Leben schwer machen.
Anthony Van Dyck
Es ist schön, wenn gute Dreijährige den Kampf gegen die älteren Superstars aufnehmen. Anthony van Dyck ist immerhin der aktuelle englische Derbysieger. Ein Kandidat aus der Armada von Aidan O'Brien, im irischen Derby war er jedoch chancenlos gegen einen vorher wenig beachteten Stallgefährten. Diese Leistung war sehr ernüchternd. AVD ist ein großer Steher, der noch Reserven haben könnte. Doch auch wenn Aidan O’Brien ein Meister darein ist, seine Pferde topfit auf den Punkt zu bekommen: Der Hengst müsste sich deutlich verbessert haben, um hier bestehen zu können.
Waldgeist
Ganz ohne deutsche Beteiligung kommt jedoch auch dieser King George nicht aus: Waldgeist ist im Besitz des Gestütes Ammerland, stammt aus einer bekannten deutschen Linie und wird in Frankreich von Andre Fabre trainiert. In Ascot blieb er hinter Crystal Ocean, seine beste Arbeit machte er dort zum Schluss. Es war kein guter Ritt von Pierre-Charles Baudot, weil er das Pferd erst nach vorne schickte, als das Rennen schon entschieden war. In Ascot wird er ihn aggressiver steuern, die 2400 Meter des King George sollten ihm zugutekommen. Die vorherigen Leistungen waren gut, im Arc 2018 kam er nach schlechtem Rennverlauf noch gut ins Rennen. Dennoch steht er unter Enable und Crystal Ocean.
Defoe
Erwähnung verdient ebenfalls noch Defoe, ein in diesem Jahr weiter verbesserter Dalakhani-Sohn. Der Schützling von Roger Varian siegte in dieser Saison in Ascot (Hardwicke Stakes, Gruppe 2) und Epsom (Coronation Cup, Gruppe 1), die King George-Gegner in diesem Jahr sind aber noch höher einzuschätzen.
Fazit
Ein Rennen zum Genießen. Enable ist der Superstar, aber Crystal Ocean kann die Serie der famosen Stute stoppen. Waldgeist würde ich nicht abschreiben.
Für Nicht-Briten wirkt es immer ein wenig skurril: Da fahren ein paar Kutschen – mit einer gepflegten älteren Dame in der ersten – über das Geläuf und die Masse zückt nicht nur ihre Smartphones, sondern bejubelt auch die alte Dame. Und diese winkt huldvoll zurück. Das königliche Rennfestival Royal Ascot – und natürlich ist die Gastgeberin immer noch live dabei. Nun geht es allerdings nicht nur um die skurrilste Kopfbedeckung und andere Nebensächlichkeiten, sondern auch um Galopprennen der Extraklasse. Die Protagonisten des königlichen Festivals 2019.
Frankie Dettori
1991 schlug im Deutschen Derby der Außenseiter Temporal den Favoriten Lomitas. Vom Sieger war danach wenig zu hören, vom Zweiten umso mehr, am meisten aber vom siegreichen Reiter Frankie Dettori. Denn der damals gerade mal 20jährige Italiener machte als Jockey die große Karriere, schrieb mit den Magnificent Seven in Ascot Geschichte und wirkt wie neugeboren, seitdem die Godolphin-Fesseln weg sind. Am Donnerstag war mal wieder Dettori-Tag in Ascot: Die ersten vier Rennen gewann Dettori, viermal machte er seinen berühmten“flying dismount“. Beinahe hätte es sogar einen fünften fliegenden Abgang gegeben, denn Rennen 5 schien er mit Turgenev fast schon sicher zu haben. Doch dann zog noch Harry Bentley mit Biometric vorbei. Die Buchmacher atmeten auf.
„Wir werden Frankie vermissen, wenn er aufhört“, sagt Ascot-Boss Chris Stickel. „Er ist ein Superstar, reitet diesen Kurs sehr gut und macht die Zuschauer glücklich.“ Doch Schluss ist noch lange nicht. Auch mit fast 50 ist Frankie Dettori Weltklasse. Vielleicht wartet er ja wirklich auf seinen Sohn, bis der so weit ist. Sieben Siege feierte er in der königlichen Woche, natürlich war er der erfolgreichste Jockey.
Stradivarius
Der Schützling von Trainer John Gosden hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem einstigen Top-Hürdler Big Buck’s – nicht nur dass beide Seriensieger und über Steherdistanzen unterwegs sind/waren. Beide gewinnen/gewannen ihre Rennen nie mit großen Abständen, irgendwann muss die Serie doch mal reißen, denkt sich der Kolumnist. Auch weil er ungern Favoriten wettet. Doch beide Pferde haben das gewisse Extra – diesen Willen, ein Rennen nicht zu verlieren. Am Donnerstag gaben Dee Ex Bee, der grandiose Außenseiter Master Of Reality und Cross Counter alles, doch am Ende hieß der Sieger wieder Stradivarius. Es war sein siebter Erfolg in Serie, sein zweiter Ascot Gold Cup. Er ist der König der Steher. Ascot feierte ihn und seinen Jockey Frankie Dettori (siehe oben) frenetisch. Ganz großes Kino.
Japan
Das Pferd, das aus der O’Brien-Armada im Epsom-Derby besonders auffiel, war der Dritte Japan. Zum Schluss machte dieser noch viel Boden gut, ohne den Sieger Anthony Van Dyck letztlich zu gefährden. Aber das sah nach viel Potenzial aus – und das zeigte sich in den King Edward Stakes. Da kam Japan auch spät und gewaltig, doch diesmal gab es keine Opposition. Es war zwar „nur“ ein Gruppe 2-Erfolg, aber ein sehr überlegender. Und er dürfte einige Pferde mit viel Talent geschlagen. Unter anderem meinen Tipp Bangkok, der immerhin seine schwache Derbyvorstellung vergessen ließ.
Als wenn es Training wäre: Japan siegt in den King Edward Stakes
Blue Point
Am Ende kam der anstürmende Dream Of Dreams noch bedrohlich nahe, doch Blue Point mobilisierte noch mal alle Reserven und triumphierte mit einem Kopf Vorsprung. Und damit schaffte der Godolphin-Schützling – trainiert von Charlie Appleby und geritten von James Doyle – das berühmte Gruppe 1-Sprint-Doppel. Er holte sich sowohl die Diamond Jubilee Stakes (1200 Meter) am Samstag als auch die King’s Stand Stakes (1000 Meter) am Dienstag. Zuletzt gelang 2003 dem Australier Choisir das. „Er ist ein echter Champion“, sagte sein stolzer Jockey. Es war Blue Points fünfter Erfolg in Serie, in Ascot gestaltete er fünf seiner sechs Starts erfolgreich.
Hayley Turner
Es war eine Doppelpremiere, dieser Erfolg des 33-1 Schusses Thanks Be in den Sandringham Stakes am Freitag: Der erste Royal Ascot-Sieg sowohl für Trainer Charlie Fellowes als auch Jockey Hayley Turner. Aber Turner gehörte eher die Aufmerksamkeit als dem tüchtigen Trainer Fellowes. Denn sie war die erste Frau nach 32 Jahren und Gay Kelleway, die ein Rennen während des königlichen Festivals gewann. 50,8 kg trug die Siegerin, dafür verzichtete Hayley Turner „auf Frühstück und Mittagessen“. „Es lohnte sich“, sagte sie nach dem Rennen. Und „es war nur eine Frage der Zeit.“ Dabei sind die Top-Erfolge von Frauen im Sattel auch im englischen Rennsport noch eine Ausnahme. Turner aber brach einige Barrieren: die erste Frau mit 100 Siegen in einer Saison (2008), die erste Frau mit einem Gruppe-Sieg. Fast 800 Rennen hat die inzwischen 36jährige in ihrer langen Laufbahn gewonnen. Ende 2015 war aber erstmal Schluss mit Rennreiten, Turner arbeitete unter anderem als TV-Expertin. Doch sie kam aus dem Ruhestand zurück – mit Erfolg.
Daniel Tudhope
Manchmal sieht man schön, was Selbstvertrauen bei einem Jockey ausmacht. Danny Tudhope ist ein solider Jockey, aber die großen Erfolge feiern andere: Ryan Moore, James Doyle oder (siehe oben) Frankie Dettori. Doch Tudhope begann die königliche Woche mit einem Knall, als er mit dem 15:1-Außenseiter und Haudegen Lord Glitters in den Queen Anne Gr.1 Stakes viele höhergehandelte Gegner besiegte. Es war ein kluger Ritt aus der Reserve für seinen alten Boss David O’Meara. Es folgte ein souveräner Erfolg mit Addeybb in der Wolferton Stakes zum Abschluss des ersten Tages.
Und dann kam am zweiten Tag der Triumph mit Move Swiftly wiederum für Trainer William Haggas in den Duke of Cambridge Stakes. Wieder hielt Tudhope sein Pferd anfangs in den hinteren Bereichen, wartete lange auf den richtigen Moment und fand im Gegensatz zu anderen Teilnehmern die Lücken. Es war ein perfekter Ritt. Am Donnerstag war dann wieder Alltag angesagt: Ripon stand auf dem Programm – und nicht Royal Ascot. Am Samstag legte er noch einen drauf und holte sich mit dem 26:1-Schuss Space Traveller die Jersey Stakes.
Nica, Anapurna, Aidan O’Brien, Itobo – viermal ganz großer Sport
Warum wir den Turf lieben? Das lange Wochenende mit spannenden Rennen lieferte für diese Frage genug Antworten. Eine Chronik der tollen Tage in Deutschland und England, eine Tour von Dortmund über Epsom nach Iffezheim bzw. Baden Baden.
Donnerstag: Dortmund
Himmelfahrt-Renntag in Dortmund: 16000 Zuschauer sind laut Dortmunder Rennverein da, es ist so voll, dass es schon keinen Spaß mehr macht. Die Dortmunder Sparkasse verteilt zu diesem Renntag immer massenweise Freikarten, das Ergebnis: Menschentrauben überall. Auf dem Rasen, vor den Wettschaltern, vor den Imbissbuden. Die hohe Besucherzahl ist Fluch und Segen. Die Infrastruktur kommt an ihre Grenzen.
Doch es gab diese magischen Momente. Zum Beispiel im GP der Sparkasse Dortmund: In früheren Jahren war das Listenrennen mal eine schöne Derbyvorprüfung, aber seitdem Baden Baden meint, auch so etwas haben zu müssen, gibt es diese nicht mehr. Seit einiger Zeit treffen sich im Großen Preis ältere Stuten über 1600 Meter. Madita mit Eddie Pedroza schien den Siegespreis schon in der Taschen zu haben, doch dann kämpfte sich die lange führende Nica mit Carlos Henrique noch mal mit viel Kampfgeist vorbei und gewann noch sicher. Herzschlagfinale und nicht nur weil der Kolumnist Nica gewettet hatte, ein großer Moment. Ihr Trainer Dr. Andreas Bolte ist jemand, der schon seit Jahren exzellente Arbeit leistet und der eigentlich mal ein richtig Top-Pferd verdient hätte. Obwohl Nica schon ordentliche Klasse – Listenrennen – hat.
Freitag: Epsom (Oaks)
Vielleicht hat Frankie Dettori ja am Donnerstag deutsche Rennen geguckt, wahrscheinlich aber nicht. Jedenfalls hatte sein Erfolg in den englisches Oaks (Gruppe 1, 2420 Meter) in Epsom schon gewisse Parallelen mit dem Dortmunder Sieg von Nica. Denn auch Anapurna schien schon von der Favoritin Pink Dogwood aus dem mächtigen Aidan O’Brien-Quartier geschlagen, doch dann zog die Frankel-Tochter auf der anstrengenden Epsom-Gerade noch einmal gewaltig an und hatte am Ende die Winzigkeit eines Halses Vorsprung. Siegentscheidend waren Wille, Kampfgeist und die grandiose Assistenz von Dettori, der auch mit 48 Jahren noch immer erste Klasse ist. Trainer John Gosden hat eine weitere großartige Stute im Stall und nicht immer siegt O’Brien, der die Plätze 2 und 3 belegte. Anapurna war mein Sieg-Tipp und das war Balsam auf meine schlechte Epsom-Bilanz. Denn die englische Derby-Bahn war in den letzten Jahren wettmäßig eine meiner schlechtesten. Und der Tag begann auch fast wie gewohnt: Im Coronation Cup (Gruppe 1, 2420 Meter) lief Old Persian (auf den ich richtig Mumm hatte) auf dem hügeligen Kurs ziemlich blass und war früh geschlagen. Nach einem perfekt abgestimmten Ritt von Andrea Atzeni überrannte Defoe noch den Favoriten Kew Gardens (natürlich trainiert von O’Brien). Auch das war großes Kino.
Ein weiterer Meilenstein einer großen Karriere: Frankie Dettori triumphiert mit Anapurna in den englischen Oaks
Samstag: Epsom (Derby)
Der Derby-Tag begann wunderbar: Mein Tipp Le Don De Vie gewann leicht das Investec Private Handicap und ich hatte ihn nicht nur Sieg gespielt, sondern auch in eine Siegschiebe mit Bangkok im Derby platziert. Beide Pferde trainiert Andrew Balding und das ist jemand, dessen Pferde ich immer gerne spiele. Doch im Epsom Derby hatte Bangkok schon früh keine Chance, vorne bestimmte die Aidan O’Brien-Armada wie so oft das Geschehen. Am Ende kamen vier der ersten fünf von Ballydoyle – nur der Zweite Madhmoon des irischen Kollegen Kevin Prendergast durchbrach die Phalanx.
Es siegte Anthony van Dyck, der mit Wahnsinns-Stehvermögen die Zielgerade entlang marschierte und der alle Angriffe abwehrte. Im Sattel saß der famose Seamie Heffernan, der seit gefühlt 100 Jahren für Ballydoyle reitet und endlich seinen ersten englischen Derbyerfolg feiern durfte. Dahinter folgten Madhmoon und dann die O’Brien-Schützlinge Japan, Broone und Sir Dragonet, die ersten fünf Kandidaten trennten keine Länge. Es war der siebte Derbysieg für Aidan O’Brien, der Mann ist schon jetzt eine Legende. Seine Fähigkeit, Pferde in den wichtigsten Rennen in Bestform zu bringen, ist phänomenal.
Aber der beste Trainer ist ohne ein fähiges Team nichts – und das weiß der bescheidene O’Brien sehr genau. Und das betont er immer wieder. Die Freude, die er für seinen siegreichen Jockey empfindet, wirkt aufrichtig.
Sonntag: Baden Baden
Der Sonntag lief dann bei mir eher auf Sparflamme. Obwohl noch ein interessanter dritter Tag in Baden-Baden mit dem Großen Preis der badischen Wirtschaft und dem Derby-Trial auf dem Programm stand. Im Derby-Trial fand ich besonders den hochgehandelten Peppone sowie Moonlight Man interessant. Beide enttäuschten mehr oder weniger, den Sieger Accon habe ich völlig unterschätzt.
Der Große Preis der Badischen Wirtschaft war für mich mehr ein Rennen zum Gucken. Es war ein toller Erfolg von Itobo, einen siebenjährigen Wallach von Trainer Hans Jürgen Gröschel. Das war sein bislang größter Erfolg und auch für Marco Casamento war es nach seinem Hoppegarten-Malheur ein großer Moment. Der Gröschel-Schützling hatte sich durch die Handicaps nach oben gekämpft, sein Trainer hat ihn geschickt aufgebaut. Ist doch schön, dass in der kurzlebigen Flachszene ein Pferd mit sieben so ein Rennen gewinnt. Itobo schlug immerhin den hochgehandelten Royal Youmzain und den einstigen Derbysieger Windstoß, der einen etwas glücklosen Rennverlauf hatte.
Es war vor etwas mehr als zwei Jahren, da gab an Himmelfahrt auf der Dortmunder Rennbahn ein dreijähriger Hengst mit dem Namen King’s Advice sein Debüt. Der Start war erfolgreich, auch wenn das Pferd noch ziemlich unreif wirkte. Trainer war Andreas Wöhler, der Besitzer Jaber Abdullah. Zwei Jahre später avancierte der Frankel-Sohn in England – nun trainiert von Mark Johnston – zum Seriensieger: Am Samstag triumphierte King’s Advice in einem Class 2-Handicap in Goodwood. Es war der sechste Erfolg in Serie.
Beim Dortmunder Auftaktsieg 2017 war der Kolumnist live dabei. Und natürlich war der damalige Wöhler-Schützling die heimliche Attraktion des Renntages. „Der Papa Frankel das wohl beste Pferd der letzten Jahre in England, die Mutter Queen’s Logic eine mehrfache Gruppe 1-Siegerin – blaublütiger als King’s Advice kann kein Rennpferd gezogen sein“, schrieb diese Kolumne. „Optisch allerdings sieht der Hengst eher durchschnittlich aus, sein Trainer Andreas Wöhler stuft ihn zudem als eher spät ein. Es dauerte auch eine Weile, bis beim King der Groschen fiel, aber dann beschleunigte er noch sehr gut. Die Gegner sollten zudem nicht schlecht gewesen sein, auf die Laufbahnen etwa von Marillion, der Stute Near Big sowie Nachito darf man gespannt sein.“
Die platzierten Pferde blieben dann aber doch mehr oder weniger in den unteren Handicaps stecken. Der Zweite Marillion holte sich immerhin das Auktionsrennen in Hannover, die Bilanz von Near Big – die Dritte – fällt mit einem Erfolg bei 19 Starts und einem besten GAG von 62,5 kg doch eher enttäuschend aus.
2017 im Führring in Dortmund-Wambel: King's Advice (Bild uk)
King’s Advice allerdings schlug sich danach in den Handicaps gegen ältere Konkurrenten meist ganz respektabel. Am 1. Oktober siegte er im Ausgleich 2 in Düsseldorf und zeigte, dass seine Qualitäten auf Distanzen über 2000 m liegen. Beim letzten Start 2017 enttäuschte er jedoch im Ausgleich 2 in Baden-Baden, doch am 20. Mai 2018 in Hoppegarten zeigte sich der Frankel-Nachkomme wieder in guter Verfassung und holte sich einen Ausgleich 2. Das waren solide Leistungen, aber ein Pferd für die Top-Prüfungen war er – trotz seiner blaublütigen Abstammung – nicht.
Seriensieger mit 5
2018 wechselte King’s Advice dann erstmals den Trainer. Eoghan O’Neill, ein gebürtiger Ire, der seit 2009 in Frankreich trainiert, sollte den Hengst weiter verbessern. Doch der einzige Start im französischen Pornichet-La Baule ging fürchterlich daneben. Letzter von zehn, 27 Längen geschlagen – „als wenn etwas nicht gestimmt hätte“, so die Racing Post.
2019 folgte ein erneuter Stallwechsel, mit Trainer Mark Johnston kam der Erfolg auf Distanzen von 2400 und 2800 Metern zurück. Sechs Rennen nacheinander holte sich der inzwischen fünfjährige Hengst seit dem England-Debüt im März 2019, jedes Mal saß Joe Fanning im Sattel. Mit Fanning marschierte Kings‘ Advice durch die Handicaps, von Class 5 in die Class 2. Zuletzt siegte er in einem Class 2-Handicap über 2800 Meter, gegen die Angriffe von What A Welcome musste er hart kämpfen, doch wie viele Mark Johnston-Pferde zog der Hengst unter Druck noch einmal gut an. Eine weitere Stärke: Der Hengst zeigt guten Speed – etwas, was ihn schon in Dortmund beim Erststart auszeichnete.
Ebenfalls typisch für Johnston: King’s Advice läuft gerne von vorne. Geht es noch weiter oben? Je besser die Handicaps, desto stärker die Konkurrenz sowohl quantitativ als auch qualitativ. Vielleicht ist er ja etwas für die Steher-Rennen, denn je länger die Distanz, desto besser. Obwohl er nach Abstammung eigentlich wenig Stamina haben müsste. Theoretisch…. Ulrich König
Ein ereignisreicher Maifeiertag gestern. Vielleicht haben wir in München den deutschen Derbysieger 2019 gesehen und dann war das noch Punchestown-Festival in Irland am Abend: Kemboy triumphierte mit Ruby Walsh gegen Al Boum Photo im dortigen Gold Cup. Doch der eigentliche Paukenschlag folgte danach: Jockey Ruby Walsh erklärte seinen Rücktritt. Das Ende einer großen Karriere.
Ich werde ihn vermissen. Weil Ruby Walsh quasi dazugehörte – zu Cheltenham, Aintree und den anderen Hindernisorten auf der Insel, die nicht nur meinen Sportwinter seit einigen Jahren prägen. Es war eine große Jockey-Karriere mit vielen tollen Erfolgen, aber auch immer wieder von Verletzungen unterbrochen. Gerade in letzten Jahren war es zudem eine besondere Qualität von Walsh, nach diesen Pausen wieder im Sattel zu sitzen. Der Abschied mit 39 Jahren nach dem großen Erfolg mit Kemboy im „eigenen Wohnzimmer Punchestown“ – gibt es einen besseren Moment?
Keine Ahnung, wann mir Ruby Walsh das erste Mal richtig auffiel. Natürlich wusste ich, dass da aus Irland ein großes Talent kommt. Der Erfolg mit Papillon für Vater Ted beim Grand National 2000 war das erste Ausrufezeichen. Später kamen dann unter anderem Azertyuiop, Hurricane Fly, Kauto Star oder Big Buck’s – da war er schon einer der Top-Hindernisjockeys. „Ich war glücklich, einige der besten Pferde der letzten Jahre reiten zu dürfen“, sagte Walsh gestern.
Ruby Walsh war ein brillanter Jockey. Einer, der alles konnte. „Er hat keine Schwäche, den Stil und die Stärke, das Temperament, das Tempogefühl – er hatte alles, was ein Top-Sportler braucht“, erklärte sein alter Weggefährte AP Mc Coy ihn und verglich ihn mit Fußball-Weltstar Lionel Messi, der beim FC Barcelona auch den Unterschied ausmacht. Was Jürgen Klopp und der FC Liverpool gestern schmerzlich erfahren mussten.
Ruby Walsh in Top-Form: Big Buck’s wehrt den Angriff von Grands Crus ab und gewinnt die World Hurdle 2011.
Auch diese Kolumne hat sich oft mit Walsh befasst. Nicht nur nach Erfolgen, auch 2016, als er einige Mal mit dem Sieg vor Augen am letzten Hindernis fiel. „Nun wirkt Ruby Walsh immer für den Kolumnisten wie jemand, der Selbstvertrauen ohne Ende besitzt. So viel, dass das für den Beobachter schon fast arrogant wirkt. Jedenfalls gehen viele Pferde für Walsh optisch immer sehr gut, sitzt er lange still und ist oft der Letzte, der sich im Sattel bewegt. Cool bis zum Limit. Das mag natürlich an der Klasse seiner Ritte liegen, aber bei Ruby sieht Rennreiten nie nach Arbeit aus“, schrieb diese Kolumne einst.
Cheltenham-Champion
Walsh war immer auch ein Mann für die großen Momente. Er war der optimale Partner für die Hochkaräter aus den Ställen von Willie Mullins und Paul Nicholls. Und in Cheltenham ritt er, so mein Eindruck, „noch famoser als sonst“. Nicht immer, aber in den allermeisten Fällen.
Dabei haben mir Ruby Walsh und seine Pferde nie große Wetttreffer beschert. Das liegt auch an meine Abneigung gegen Favoriten, die entsprechend tief am Toto stehen. Gegen Ruby, Mullins und Nicholls war das aber oft vergeblich.
Die größten Erinnerungen habe ich an seine Ritte auf Big Buck’s. Dieser Supersteher aus dem Nicholls-Quartier, der die langen Hürdenstrecken jahrelang souverän beherrschte und unschlagbar schien. Doch manchmal gab es Herausforderer, die musste man einfach spielen. 2011 zum Beispiel in der World Hurdle in Cheltenham Grands Crus aus dem Stall von David Pipe. Es sah nach einer Wachablösung aus, als der Pipe-Schützling mit Tom Scudamore attackierte. Doch Big Buck’s und Walsh fanden wie so oft den höheren Gang und stürmten davon. Obwohl sie schon geschlagen schienen. Es war mal wieder ganz großes Kino.
Trainer möchte Ruby Walsh nicht werden. In Deutschland werden wir ihn weiter als Experten bei Racing TV erleben. Und Willie Mullins möchte gerne, dass er weiter sein Quartier als eine Art Berater unterstützt. Die beiden hatten in ihrer Zusammenarbeit übrigens nie richtig Streit – auch eine Qualität.
Es ist schon seit Jahren das gleiche Ritual: Beim Grand National Meeting
protestieren sogenannte Tierschützer vor der Rennbahn. Gegen das so gefährliche Grand National, das die Pferde angeblich direkt in den Tod schickt und überhaupt sind Pferderennen böse Tierquälerei und gehören verboten. Sagen sie, ist natürlich Humbug.
Ob Animal Aid oder die Kollegen von PETA, sie tun sich nichts in ihrer Ablehnung gegen den Sport, den wir doch alle so mögen. Egal ob Flach- oder Hindernissen – da machen sie keine Unterschiede. Für diese Fanatiker ist jede Art von Pferdesport Tierquälerei.
Ich habe mal vor einigen Jahren versucht, mit PETA auf deren Facebook-Seite zu diskutieren. Der Versuch war vergeblich, so schnell wie dort wurden meine Beiträge anderswo noch nie gelöscht. Ist ja auch schön, wenn man sich in diesem Gerüst von Lügen eingerichtet hat. Mit der Realität hat das leider nichts zu tun.
Dem englischen Hindernistrainer Oliver Sherwood platzte jetzt der Kragen. „Eine ehrliche Debatte ist gut, aber man kann nicht mit Fanatikern argumentieren, deren Argumente nicht auf Fakten beruhen“, schreibt er in einem langen Facebook-Beitrag.
Der Rennsport sei sehr offen und ehrlich mit seinen Verletzungen und Todesfällen. Bei den Gegnern sei das hingegen anders: Sie veröffentlichen Fake-Fotos, die oft schon Jahre alt sind. „Social Media ist dabei die perfekte Plattform, um Lügen und Manipulationen dieser skrupellosen Tierrecht-Aktivisten zu verbreiten.“
Fanatiker sind nicht zu bekehren
Auch in Deutschland sind die sogenannten Tierschützer unterwegs. Vor der Dortmunder Rennbahn habe ich sie noch nicht gesehen, aber vor anderen Bahnen wie Hamburg protestierten sie schon. Dass die PETA-Ideologie in der Öffentlichkeit präsent ist, sah man in der unsäglichen NDR-Reportage „Das kurze Leben der Rennpferde“. Dort wurde der Sport mit Unwahrheiten und selektiven Stimmen regelrecht vorgeführt. Sensible Seelen, die den Sport nicht kannten, durften sich empören. Manchmal sind das die Gleichen, die ihr Fleisch beim Discounter kaufen. Hauptsache billig.
Was kann der Sport tun, um gegen diese Lügen zu kämpfen? Die Fanatiker auf der anderen Seite wird man nicht bekehren können, mit PETA etwa ist jede Diskussion sinnlos. Sagt Oliver Sherwood ja auch. Er schlägt vor, sich stattdessen auf die Leute zu konzentrieren, die mehr über den Sport, die Pferde und die Menschen erfahren wollen. „Das Internet sollte mit Fotos überschüttet werden, die die Liebe und Fürsorge, die wir unseren Pferden geben, zeigen“, schreibt er.
Ich finde zudem, dass der Rennsport sich mehr gegen die Anschuldigungen von PETA und Co. wehren sollte. Offensiver kommunizieren und zeigen, dass die Rennpferde wie erfolgreiche Sportler behandelt werden. Wie German Racing 2017 nach dem NDR-Beitrag reagierte, das war schon gut. Nur sollte man selber das Geschehen mehr in die Hand nehmen. Tage der offenen Türen von Trainern und Gestüten wie vor kurzem sind da eine Chance. Und vielleicht mal wirklich über das Thema Peitsche nachdenken.
Grand National 2019: Am Samstag um 18:15 ist es wieder so weit. 40 Pferde messen sich über die berühmten Hindernisse in Aintree bei Liverpool. Der klare Favorit heißt Tiger Roll, aber es wird alles andere als ein Spaziergang für den Elliott-Schützling. Dafür entwickelt das National immer wieder eigene Geschichten. Unsere Favoriten.
Eigentlich kann man jedes Jahr das Gleiche zum Grand National schreiben: Trotz aller Entschärfungen sind die Rennen über die National Fences (eines an jedem Renntag) immer noch eine besondere Herausforderung an Ross und Reiter. Die Strecke ein Marathon über fast 7 km, die Hindernisse immer noch ganz was Besonderes, 40 Pferde sorgen zudem für Turbulenzen. Seit 2012 ist immerhin nichts mehr passiert und ich bin immer noch erstaunt, wenn sich manche Traditionalisten die alten Sprünge herbeisehnen. Muss nicht sein – und damit sind wir beim Grand National 2019 und seinen chancenreichsten Kandidaten.
Tiger Roll (Trainer Gordon Elliott)
Ein phänomenales Pferd und der Vorjahressieger. Schafft er es als erster Kandidat seit des großen Red Rum, das National zweimal nacheinander zu gewinnen? In dieser Saison offenbar noch besser: Überlegener Triumph in der Cross Country Chase, die gleiche Route absolvierte der Elliott-Schützling auch 2018. Klarer Favorit, der Kurs ist aber viel zu tief. Und viel Gewicht für ein relativ kleines Pferd.
Anibale Fly (Trainer Tony Martin)
Höchstgewicht, seine Plätze 2 und 3 im Cheltenham Gold Cup sind die besten Formen im Feld. Im letzten Jahr Vierter im National. Chancenreich, aber dennoch nicht leicht mit Höchstgewicht.
Rathvinden (Trainer Willie Mullins)
Die Wahl von Ruby Walsh unter den Mullins-Startern. In dieser Saison erst ein Start, die Grade 3 Bobbyjo Chase gewann er gegen Alpha Des Obeaux. Im letzten Jahr in Cheltenham über weite 6400 Meter erfolgreich. Früher ein etwas unsicherer Springer, das scheint behoben. Günstig im Handicap.
Vintage Clouds (Trainerin Sue Smith)
Großer Steher einer Trainerin, die für solche Pferde eine gute Hand hat. Im letzten Jahr Dritter im Scottish National, zuletzt guter Zweiter in der Ultima Handicap Chase in Cheltenham. Beständiger Debütant über die National-Hindernisse, aber nicht gerade ein Siegertyp.
Lake View Lad (Trainer Nick Alexander)
Kandidat, der sich von Rennen zu Rennen verbessert hat und dessen Grenzen noch nicht erkannt sind. Zuletzt guter Dritter in der Ultima Handicap Chase in Cheltenham. Guter Springer, die Distanz ist zwar Neuland, aber Lake View Lad lief immer wie ein Steher. Sehr interessant.
Joe Farell (Trainerin Rebecca Curtis)
Überraschte im letzten Jahr mit seinem Erfolg im Scottish National als 34:1-Chance. Zuletzt wieder gut in Form, bei weitem noch nicht erfasster Steher, der gerade noch ins Rennen rutschte. Interessanter Starter mit Fliegengewicht.
Rock The Kasbah (Trainer Philipp Hobbs)
Shirocco-Sohn, dessen größte Stärke Stamina heißt. Die Formkurve wirkt etwas inkonsistent, lief aber immer in guter Gesellschaft.
Pleasant Company (Trainer Willie Mullins)
Dritter Versuch im National, 2018 guter Zweiter hinter Tiger Roll, großer Steher, der auch schweren Boden kann. Die beiden diesjährigen Formen sind eher schwach, aber das war 2018 auch nicht anders. Zu beachten, auch wenn er höher im Handicap als 2018 steht.
One For Arthur (Trainerin Lucinda Russell)
Der Sieger von 2017, pausierte danach aber über 18 Monate. Die Comeback-Versuche in guter Gesellschaft waren schwach, sprang schlecht und warf seine Reiter ab. Davor aber ein sicherer Springer und großer Steher. Wäre ein kleines Wunder, wenn seine Trainerin ihn wieder zum Sieg bringen würde.
Ramses De Teillee (Trainer David Pipe)
Überzeugte jeweils als Zweiter im Welsh National als auch Grand National Trial in Haydock. Lief dort immer wie ein Pferd, das noch einiges im Tank hat. Guter Springer. Wenn er mit der Bahn zurechtkommt, wird er mitmischen. Je weicher der Boden, desto besser.
Ultragold (Trainer Colin Tizzard)
Großartige Bilanz über die National-Sprünge, zweifacher Sieger im Topham und zweimal auch platziert im Grand Sefton. Aber die National-Distanz ist zu weit.
Walk in The Mill (Trainer Robert Walford)
Erster im Dezember im Becher Handicap über diese Sprünge, hat also Form über den Kurs. Danach zwei ordentliche Auftritte über Hürden, der Wallach wäre nicht der Erste, der danach im National triumphiert. Die Distanz ist neu, aber dennoch eine Empfehlung.
Tipp
Die Drei gegen das Feld sind Lake View Lad, Ramses De Teillee und Pleasant Company. Erstere sind Pferde, die noch einiges im Tank haben sollten, sicher springen und auch weichen Boden können. Pleasant Companys Form aus dem Vorjahr war einfach zu gut. Sie alle müssen Tiger Roll besiegen, der ein würdiger Favorit ist. Nur leider ist das National kein Eldorado für Favoritenwetter.
Der letzte Doppelsieger des Nationals: Red Rum. Tiger Roll kann ihm folgen und bekommt dann vielleicht auch so nette Worte.
War das Cheltenham Festival 2019 der Durchbruch für weibliche Jockeys im englischen Hindernissport? Bryony Frost, Rachael Blackmore, Lizzie Kelly – sie alle gewannen Top-Rennen beim Festival. Aber vielleicht ist die Frage auch falsch gestellt. Vielleicht sollte man einfach nur sagen, dass die drei Top-Jockeys sind. Deren Weg an die Spitze nur etwas schwerer war.
Am Wochenende war wieder Alltag angesagt: Bryony Frost pausierte verletzt, Lizzie Kelly war auch nicht im Einsatz. Nur Bridget Andrews ritt zwei eher chancenlose Kandidaten in Newbury. Und in Kelso saß zweimal Rachael Mcdonald für Trainer Sandy Thomson im Sattel. Am Sonntag siegten immerhin Mcdonald und Lucy Gardner, Kelly hatte zwei chancenreiche Ritte in Exeter und belegte einmal Platz 2. Rachael Blackmore ritt viermal in Naas und Downpatrick – ohne Erfolg. Die Konkurrenz unter den Hindernisjockeys ist eben gewaltig.
Beim großen Festival in Cheltenham sah die Welt für die Frauen im Sattel deutlich besser aus: Selten habe ich so einen Gänsehaut-Moment in Cheltenham erlebt wie den nach dem Erfolg von Bryony Frost mit Frodon in der Ryanair Chase. Sieger werden dort immer groß zelebriert, aber an diesen Donnerstag bebte die Bahn. Es waren magische Bilder: Frodon, im Sattel steht seine famose Reiterin, um sie herum nur glückliche Menschen. Aber haben die Leute Frost gefeiert, weil sie eine Frau ist? Ich denke nein. Eher, weil sie ein fantastischer Jockey ist und ihre offene Art zudem die Öffentlichkeit verzaubert. Zumindest ersteres Argument trifft auch auf Blackmore und Kelly zu, die beim Festival glänzten.
„Rhythmus gewinnt Rennen“
Das meint auch Pat Smullen, der irische Top-Jockey. „Ich denke, die Zeit ist gekommen, in der Frauen nicht mehr als weibliche Jockeys bezeichnet werden sollten“, schreibt er in diesem Beitrag für TDN. Denn „Rachael Blackmore, Bryony Frost und Lizzie Kelly reiten auf höchstem Level so gut wie jeder andere Jockey.“ Sie verdienen es, einfach Jockeys genannt zu werden.
Und Smullen räumt mit einem anderen Urteil auf. „Körperliche Stärke ist ein wichtiger Faktor beim Rennreiten, aber er ist nicht der, der über Sieg oder Niederlage entscheidet.“ Sehr wichtig sei etwa, Pferde auf die Hindernisse einzustellen. Oder ein „Renn-Gehirn“ . „Rhythmus gewinnt Rennen“, nennt es Frost. Allerdings sagt Smullen auch, dass Frost, Blackmore und Kelly im Endkampf mit ihren männlichen Kollegen mithalten können.
Dennoch haben es Frauen immer noch schwer im Hindernissport – trotz der guten Vorarbeit etwa von Nina Carberry oder Katie Walsh. Die aber beide Amateurinnen blieben. In der englischen Rangliste taucht irgendwann auf Platz 30 oder höher Bryony Frost auf, es folgen in Abständen Lizzie Kelly, die (in meinen Augen völlig unterbewertete) Bridget Andrews oder Lucy Alexander. Die Ranglisten werden zu 99 Prozent von Männern geprägt. Und auch im Nachwuchsbereich dominieren die männlichen Kollegen. Auffällig: Kelly, Andrews und Alexander reiten fast nur für ein Quartier, Frost ist da vielseitiger aufgestellt, unter anderem mit Ritten für Paul Nicholls und Neil King.
Immerhin liegt Rachael Blackmore derzeit auf Platz 2 in der irischen Jockey-Statistik in Irland. Hinter Paul Townend, aber vor Davy Russell oder Ruby Walsh. Eine famose Entwicklung, die auch Top-Trainern wie Henry de Bromhead oder Willie Mullins nicht verborgen blieb. Aber auch sie ist die Ausnahme – in den Top 20 gibt es keine anderen weiblichen Jockeys.
Magische Momente: nicht nur Vater Jimmy Frost ist stolz auf Tochter Bryony
Nette Anfrage eines neueren Galopp-Enthusiasten vor kurzem: Er habe im Winter die Pferderennen in England und Irland entdeckt. Formen seien ja bei den Wettportalen wie Racebets und Pferdewetten.de vorhanden, er suche aber nach Beschreibungen der einzelnen Starter. So wie sie die deutsche Sport-Welt habe. Dem Mann kann geholfen werden.
Der Kolumnist nutzt in der Regel drei Quellen. Da wären zuerst einmal die Spotlights der Racing Post. Die sind in verkürzter Form gratis, in der längeren Form aber kostenpflichtig, wenn man sie direkt auf der Homepage der RP nutzen möchte. Jedoch findet man die Spotlight-Einschätzungen der Racing Post auch bei Racebets: Einfach nur den Pferdenamen anklicken und schon hat man die längere Version. Zudem gibt es unter jedem Rennen den Tipp des jeweiligen Schreibers. Um diesen Service nutzen können, brauche ich übrigens kein Konto bei Racebets.
Bekannte Kolumnen der Post wie Pricewise sind leider hinter der Bezahlschranke. Wer jedoch den Samstags „The Punt“ per E-Mail abonniert, bekommt die Einschätzungen unter anderem von Tom Segal (Pricewise) oder Paul Kealy zumindest an diesem Tag gratis.
Sporting Life
Ich habe noch nie ein Racing Post-Abo gehabt. Wozu auch, es gibt genügend kostenlose Alternativen. Da wäre zu einen das Angebot der Sporting Life. Ganz alte Hasen werden sich erinnern: Das war auch mal eine Print-Zeitschrift, mit deutlich längerer Tradition als die Racing Post. Doch gedruckt gibt es die Sporting Life seit 1998 nicht mehr, nachdem Pläne scheiterten, sie als allgemeine Sportzeitung auf den Markt zu bringen. Im Netz ist sie aber schon sehr lange mit einem großen Angebot präsent. Nicht nur in Sachen Pferderennen, auch in anderen Sportarten wie etwa Fußball.
Kernkompetenz der Life ist immer noch der Turf. Zu jedem Rennen gibt es Formen, detaillierte Bewertungen der Starter und am Ende die Vorhersage. Dazu präsentiert die Sporting Life eine beste Wette des Tages (Nap of the Day), sehr empfehlenswert ist zudem am Samstag (und bei den großen Festivals) die Kolumne Value Bets, bei denen chancenreiche Außenseiter genannt werden. Manchmal empfiehlt Ben Linfoot richtig interessante Pferde, seine Bilanz kann man hier verfolgen.
Nicht ganz so gut gefallen mir an Samstagen die Kolumnen von Simon Holt und die Yankee-Tipps von TV-Moderator Oli Bell. Die beiden nennen zu oft die Favoriten und ich bin nicht unbedingt ein Favoritenwetter. Zumal die ja nicht immer ankommen.
Attheraces
Dritte Anlaufstelle ist attheraces oder kurz ATR. Stimmt eigentlich nicht mehr, denn seit 1. Januar heißt ATR Sky Sports Racing. Verändert hat sich vorerst nichts: In Sachen Rennsport bleiben die Seiten eine gute Adresse. Am liebsten schaue ich aber auf die Seite Racecards. Das Besondere: Hier liefert Timeform die Einschätzungen der Pferde und bewertet ihre Chancen mit Sternen. Fünf Sterne bedeuten beste Möglichkeiten, ein Stern ist chancenlos. Bei den Urteilen gibt es nicht nur den Tipp von Timeform, sondern auch den der ATR-Redaktion.
Nicht nur von der Optik gefällt mir dieses Angebot sehr gut. Zudem erfahre ich etwa mit einem Mausklick, ob das Pferd Form auf diesen Boden hat und wie der Trainer in den letzten Tagen agiert hat. Das sind zwei Informationen, die ich beim Wetten immer berücksichtige. Timeform hat übrigens eine sehr empfehlenswerte App. Die anderen Seiten nutze ich eher sparsam – ob Tipster oder Kolumnen. Die Course Guides finde ich noch ganz interessant.
Die besten Seiten?
Welches Angebot ist nun aber wetttechnisch das Beste, wer liefert die meisten Sieger? Schwer zu sagen. Vor einiger Zeit hätte ich die Spotlights der Racing Post empfohlen, aber das sehe ich nicht mehr so. Bei den Einschätzungen nehmen sich alle drei nicht viel.
Vor einigen Jahren habe ich mal ein Spiel gemacht: Der Kolumnist gegen die englische Fachpresse. Die Sporting Life war nicht dabei, aber an jedem Renntag, an dem ich Pferderennen verfolgt habe (in der Regel Samstags und die großen Meetings), habe ich meine Siegtipps mit denen der Racing Post, Timeform und attheraces verglichen. In der Regel ein Ort, Sieg zehn Punkte, Platz 2 fünf Punkte, Platz 3 drei Punkte. Sieger über Toto 100 gaben Extrapunkte (110 11, 120 12, 130 13…). Der Sieger: Ganz klar Timeform (die oft den Favoriten nannten), Zweiter der Kolumnist mit Kopf vor der Racing Post, Letzter und schon deutlicher geschlagen attheraces (die manchmal sehr unkonventionell tippten).