Turfwunder und andere Überraschungen
Manchmal denke ich, ich habe den Sport verstanden. Aber manchmal eben auch nicht. Besonders, wenn es Ergebnisse gibt, mit denen nicht zu rechnen war. So distanzierte Ancient Spirit mit einer Leichtigkeit seine Konkurrenten in den Deutschen 2000 Guineas, die niemand erwartet hatte.

„Größter Außenseiter im Feld“ hatte diese Kolumne prophezeit, auch die Wetter sahen es so. Andere Kandidaten hatten deutlich bessere Meriten als das Pferd aus dem Quartier von Jean-Pierre Carvalho. Vier Rennen brauchte der Invincible Spirit-Sohn, um seine Maidenschaft abzulegen. Allerdings war schon zu sehen, dass der Hengst Talent hat: Zweijährig beim Kölner Debüt nur von Lord Leoso geschlagen, beim ersten Jahresstart hauchdünn gegen Alinaro verloren. Nur im Preis des Winterfavoriten blieb das Ullmann-Pferd ohne Chance.
„Bessere Meilenrennen“, hatte Trainer Jean-Pierre Carvalho als Saisonziel in der Sportwelt-Stallparade genannt. Seit Montag darf sich Ancient Spirit klassischer Sieger nennen. Dabei sah es anfangs gar nicht gut aus: Der Hengst pullte ziemlich hart und das ist nie ein gutes Zeichen. Englische Kommentatoren weisen darauf immer hin. Unzählige Rennen wurden verloren, weil ein Pferd sich so seine Kraft nahm. Es ist eine Mischung aus Nervosität, Übereifer und Unerfahrenheit, an der sie scheitern.
Jockey Filip Minarik schickte den Hengst dann mit einem Schub an die Spitze und dort fand er seinen Rhythmus, galoppierte allen davon. Ancient Spirit marschierte ohne Pause: Am Ende hatte er viereinhalb Längen Vorsprung, der größte Außenseiter hatte sich gewaltig gesteigert und deklassierte ein auf dem Papier ausgeglichenes Feld. Dinge gibt es, die gibt es eigentlich nicht.

Große Minarik-Show
Es war ein schöner Tag für Jockey Filip Minarik, vielleicht der Beste in seiner Karriere. Schon mit dem beständigen Devastar hatte Minarik im Röttgen-Cup ein famoses taktisches Rennen geritten und von der Spitze aus gewonnen. In den deutschen 2000 Guineas folgte der nächste Streich.
Haben die anderen Jockeys geschlafen? Hätten sie das Tempo des Siegers mitgehen sollen? Warum sollten sie, in acht von zehn Rennen wird der Führende noch überlaufen. Es schien so, dass Minarik das Tempo zu sehr forciert hatte. Doch Ancient Spirit wurde nie müde, sein Jockey hatte die richtige Strategie gewählt.
Für meinen Geheimtipp Fajjaj bleib Platz 2, Fighting Irish wurde Dritter. Zaman, der Favorit aus dem Godolphin-Quartier, aber enttäuschte sehr, war schon vor der Zielgeraden in Nöten.
Von den deutschen Pferden machte Weltstar noch Boden gut und wurde knapp Vierter vor Außenseiter Ninario, der sich wacker schlug. Der hochgehandelte Kronprinz blieb blass, auch Julio, Wild Max und All for Arthur enttäuschten.
Für das Derby lieferte die 1600 Meter-Prüfung erwartungsgemäß wenige Erkenntnisse. Ancient Spirit hat keine Derbynennung, die 2400 Meter in Hamburg sind für den Sohn des Sprinters Invincible Spirit viel zu lang. Fajjaj und Weltstar liefen wie zwei Kandidaten, die über längere Strecken besser sind. Aber 2400 Meter?

Der nächste Hammer
Und damit ab nach Hannover. Dort ging es um Derby-Fahrkarten im Trial und auch dort gab es mit Balmain aus dem Hoppegartener Quartier von Roland Dubasz eine Überraschung. Zwar keine so große wie in Köln, denn Balmain stand deutlich tiefer am Toto .
Jaromir Safar hatte den It’s Gino-Sohn frühzeitig nach vorne geschickt, zum Schluss hatte er eindreiviertel Länge Vorsprung. Es war Balmains zweiter Start, beim Saisondebüt in Dresden landete er hinter dem Wöhler-Schützling Chimney Rock. Auch dort war er früh vorne, doch gegen den Sieger chancenlos. Die Leistung von Hannover war noch mal eine deutliche Verbesserung.
Auf den Plätzen zwei und drei landeten mit Sweet Man und Nandaleo zwei weitere wenig gewettete Pferde. Drei vorher Sieglose vorne in einer wichtigen Derbyprüfung, die immer von guten Pferden gewonnen wurde – keine Wunder, dass die Quote der Dreierwette hoch war. Was die Form wert ist? Schwer zu sagen, aber schon im Vorfeld roch es nach Überraschung. Weil das Leistungsvermögen der wenig geprüften Teilnehmer noch gar nicht eingeschätzt werden kann.
Vielleicht verdient Eclectic Bird einen Hinweis, der als Vierter noch guten Speed zeigte. Aber ansonsten waren alle Favoriten deutlich geschlagen. Zu den Geschlagenen zählte auch Capone, der Mumm dieser Kolumne. Aber er wird ein Geheimtipp blieben, galoppierte schwerfällig und ließ Fortschritte vermissen. Für das Derby reicht das nicht, nur ein Wunder kann noch helfen. Oder er macht den Ancient Spirit.