Ein Lob dem Alter
Eine Lehre des Turf-Wochenendes: Es lohnt sich auch auf der Flachen „ältere“ – in diesem Fall älter als drei Jahre – Top-Pferde im Training zu behalten. Zwei Beispiele: Decorated Knight (fünf Jahre) gewann die Irish Champion Stakes (Gruppe 1) in Leopardstown, Dschingis Secret (vier) triumphiert im französischen Prix Foy (Gruppe 2), einem Test vor dem großen Arc. Auch Guignol, der Erste im Großen Preis von Baden am ersten September-Wochenende, passt mit seinen fünf Jahren in diese Kategorie.

Nun sind vier bzw. fünf Jahre nicht unbedingt alt in einem Pferdeleben, aber Galopper, die auf der Flachbahn ihr Geld verdienen, zählen (leider) in diesen Jahren schon zu den Routiniers. Das klingt ein wenig abstrus, aber ist irgendwie verständlich, weil diese Pferde ihr wichtigstes Karriere-Rennen bereits im zarten Alter von drei Jahren hatten. Und wenn man sieht, wie viele Zweijährigen-Prüfungen – also quasi Rennen für die Babies – es in England und Irland (in Deutschland nicht so) gibt, ist es nicht verwunderlich, dass viele Pferde ihre Renn-Karriere bereits früh beenden. Wenn in anderen Disziplinen erst die Ausbildung startet.
Bei den Top-Pferden kommt hinzu, dass nach der aktiven Zeit die Karriere als Deckhengst folgt. Folge: Eine Verletzung bedeutet bei klassischen Siegern häufig das Ende auf der Rennbahn. Selbst in Deutschland, wo die Pferde traditionell viel Steherblut haben und damit nicht unbedingt frühreif sind, war das in den letzten Jahren oft so – die Derbysieger Isfahan, Nutan und Sea The Moon liefen nach ihrem klassischen Erfolg nicht mehr bzw. nur noch einmal (Sea The Moon).
Eine ähnliche Entwicklung gab es in England und Irland: Harzand (2016), Australia (2014) oder Ruler Of The World (2013) etwa hörten im Jahr ihres Derby-Erfolges auf. Auch Wings of Eagles, der diesjährige Epsom-Triumphator, wechselte nach seiner Verletzung im irischen Derby ins Gestüt.
Nachvollziehbar ist diese Politik durchaus. Denn obengenannte Pferde haben ihre größten Erfolge bereits erreicht; ihr Markwert in der Zucht steigert sich, wenn sie als Sieger abgetreten sind. Da muss man bei Verletzungen nicht lange Rekonvaleszenz-Zeiten abwarten, zumal nicht sicher ist, ob diese Pferde die alte Leistungsstärke wieder erreichen. Einen Derbysieger, der später nur noch hinter her läuft, will keiner haben.

Immer neue Namen
Für das Turf-Publikum ist diese Situation allerdings schade. Denn dem Sport fehlen die Stars, weil die jeweiligen Helden nur eine kurze Karriere haben und in jeder Saison neue auftauchen. Die Fluktuation ist einfach zu groß.
Die Faszination des englischen Hindernissports zeigt sich auch dadurch, dass die Pferde dort länger aktiv sind: Kauto Star, Denman, Big Bucks oder Sprinter Sacre – um nur einige Top-Kandidaten der letzten Jahre zu nennen – waren lange Jahre aktiv. Nun haben die Wallache bekanntlich keinen Zuchtwert, aber das Publikum konnte seine Helden über längere Zeiten bewundern.
Es ist ja auch nicht so, dass sich blaublütige Flachpferde nicht mit dem Alter verbessern können. In Deutschland sowieso: Dschingis Secret, derzeit eines der besten deutschen Pferde über längere Strecken, ist so ein Fall. Zweijährig hat er zweimal die Bahn gesehen, dreijährig platzierte er sich unter anderem als Dritter im Derby, aber vierjährig machte der Soldier Hollow noch mal einen gewaltigen Satz nach vorne. Fünf Starts, vier Siege (alle in Gruppe 1 und 2-Prüfungen) sind eine beeindruckende Bilanz 2017, die letzte Form in Chantilly (Video), als er mehrere Gruppe 1-Sieger (darunter die japanische Arc-Hoffnung Satono Diamond) sicher beherrschte, war wohl seine bislang beste Form. Dschingis Secret mag weichen Boden. Wenn er diesen im Arc hat, könnte der Schützling von Markus Klug eine gute Rolle spielen. Ob das jedoch gegen die Favoritin Enable reicht, ist eine andere Frage.

Älter und reifer
Die Laufbahn von Decorated Knight verfolgt der Kolumnist schon seit Jahren mit großem Interesse. Am Samstag hatte der Galileo-Sohn mal wieder eine Sternstunde, als er als 260:10-Chance mit viel Speed die Irish Champion Stakes (Video) in Leopardstown entschied. Zu meinem Bedauern hatte ich ihn diesmal nicht auf der Rechnung, die letzten zwei Formen waren ja auch enttäuschend. Für andere Kandidaten sprachen an diesem Tag mehr Argumente.
Allerdings hatte das Pferd aus dem Stall von Roger Charlton schon in diesem Jahr bewiesen, dass er solche Rennen gewinnen kam. Mit fünf Jahren hat Decorated Knight erst seine Bestform erreicht, zwei weitere Gruppe 1-Triumphe beweisen das. Der Hengst ist ein Aufsteiger-Typ: Er war nie reif für klassische Ehren, wechselte vierjährig von Trainer Roger Varian zu Roger Charlton und arbeitete sich über Handicaps und Listenrennen nach vorne. Varian ist ein hervorragender Trainer, aber Roger Charlton hat eine besondere Gabe, Pferde langfristig zu verbessern. Die Geduld hat sich – nicht nur in diesem Falle – gelohnt.
Denn eine der besten Entscheidungen in den letzten Jahren war es, den großen Frankel auch vierjährig im Rennstall zu belassen. Denn der wurde vierjährig noch besser, obwohl das bei einem Pferd, das schon herausragend ist, ein wenig komisch klingt. Aber das letzte große Pferd des verstorbenen Trainers Henry Cecils zeigte sich gereift, seine Vorstellungen waren noch gigantischer. Er war die beste Werbung für den Galopprennsport.



Frankels letzter Triumph in den Champion Stakes in Ascot: Ganz leicht besiegt er Cirrus Des Aigles, Nathaniel und Pastorius