96 mag den Donnerstag
Es gab Tage, da habe ich nach den Gastspielen von Hannover 96 das Dortmunder Westfalenstadion äußerst schlecht gelaunt verlassen. In düsterer Erinnerung ist mir beispielsweise ein DFB-Pokalspiel aus dem Oktober 2006 geblieben. Ich arbeitete damals in Nürnberg und befand mich gerade auf Heimaturlaub in Dortmund. Natürlich wollte ich den BVB sehen – nur war ich das Dortmunder Elend in dieser Saison nicht gewohnt. Borussia haute fast jeden Ball hoch nach vorne, dort stand jedoch nicht mehr der lange Jan Koller, sondern Nelson Valdez mit seinen knapp 1,80 Meter. Der hüpfte zwar wie ein Flummi, aber Hannovers körperlich überlegene Innenverteidigung hatte selten Probleme. 0:1 verlor Dortmund vor sage und schreibe 29 000 Zuschauern und Torwart Roman Weidenfeller flog zu allem Überfluss noch vom Platz.
Das ist aber schon einige Zeit her. In den letzten Jahren siegte der BVB ziemlich eindeutig gegen die Niedersachsen. In Hannover sah die Sache anders aus, das waren immer sehr enge Spiele.
Hannover 96 hat sich schon sehr positiv entwickelt. Inzwischen verkörpert der Klub gehobenes Mittelmaß, schaffte in den letzten drei Jahren zweimal den Sprung in die Europa League. Besonders die 60 Punkte aus der Saison 2010/2011 waren eine hervorragende Bilanz. Das lag auch an den cleveren Einkäufen des Ex-Managers Jörg Schmadtke. Dessen Verhältnis zu Trainer Mirko Slomka war zwar wie das von Hund und Katze, sportlich aber hatten sie Erfolg. Zuletzt verpassten die Niedersachsen aber die Europa League. Da möchte der Klub jetzt wieder hin.

Aktuelle Lage
Zuhause gut, auswärts schwach – so kann man den bisherigen Saisonverlauf von Hannover 96 bezeichnen. Vier Heimsiegen und einem Remis stehen drei Niederlagen in der Fremde gegenüber.
„Gar nicht erst antreten. Mit 3:0 abgeben das Spiel und unsere Spieler/Stürmer für wichtigere Aufgaben schonen“, empfiehlt für das Match in Dortmund folgerichtig User JFK 80 im Forum des 96-Fanmagazins. Der Blick auf die bisherigen Auswärtsgegner relativiert dann aber ein wenig den Begriff Auswärtsschwäche. Denn 96 verlor in München, Leverkusen und Gladbach.
Immerhin hat sich die personelle Lage ein wenig gebessert: Torjäger Mame Diouf könnte in Dortmund wieder zum Einsatz kommmen, auch Ex-Nationalspieler Schlaudraff und Innenverteidiger Salif Sane, Neuzugang vom AS Nancy, könnten wieder auf der Bank rücken.
Drei Spieler verdienen in meine Augen besondere Beachtung: Leonardo Bittencourt wechselte vor zwei Jahren mit großen Hoffnungen von Energie Cotttbus zu Borussia Dortmund, doch beim Meister 2011 und 2012 hatte der hochtalentierte Mittelfeldspieler keine Möglichkeiten. Daher verkaufte der BVB in für 2,8 Millionen Euro nach Hannover. Dort hofft der 19jährige auf mehr Spielpraxis. Bislang zeigte er auch ganz gute Ansätze.
Dann ist da Leon Andreasen, der sich nach mehreren schweren Verletzungen wieder ins Team kämpfte und dessen Kampfeswillen ich bewundere. Verletzungen prägten auch die Laufbahn von Christian Pander. Eigentlich müsste der Außenspieler mehr als nur zwei Länderspiele absolviert haben, doch war er in seiner Karriere mehr mit Klinik und Reha als Fußballspielen beschäftigt. Auch derzeit kämpft er mal wieder um den Anschluss.

Geschichte
Eines hat Hannover 96 Borussia Dortmund voraus: Der Verein war (mit seiner zweiten Mannschaft) dreimal Deutscher Amateurmeister (1960, 1964 und 1965). Immerhin war Hannover 96 auch zweimal „richtiger“ Deutscher Meister (1938 und 1954). Aber das war weit vor meiner Geburt und seitdem ich Fußball geistig verarbeite (immerhin seit Anfang der siebziger Jahre), spielte Hannover 96 nie eine große Rolle. Mal kickte der Klub in der ersten Liga, dann ging es in Liga 2 und dann landete der stolze Klub aus der Landeshauptstadt sogar in den Tiefen der drittklassigen Regionalliga. Sportliche und finanzielle Krisen waren ein ständiger Begleiter.



Der Tod von Torhüter Robert Enke schockte nicht nur Verein
und Fans von Hannover 96.
Bildnachweis: AxelHH via Wikipedia Commons


Für mich war der Klub immer das Beispiel eines Vereins mit großem Namen und erwartungsfrohem Umfeld, aber wenig sportlicher Kompetenz. Parallelen zu Hertha BSC Berlin waren durchaus da – großer Name, Landeshauptstadt bzw. Hauptstadt, aber eine völlig inkompetente Führung, die ihre Hilflosigkeit schon durch ständig wechselnde Übungsleiter bewies.
Auch der Pokalsieg 1992 als Zweitligist bedeutete keine Wende zum Guten. Im Gegenteil – es ging wieder runter in die Regionalliga. Das nächste Mal rückte Hannover 96 in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit, als es in Relegationsspielen zur 2. Liga gegen Energie Cottbus ging. Bescheuerte Zuschauer im Cottbusser Stadion der Freundschaft begleiteten jeden Ballkontakt von Otto Addo (dem späteren Dortmunder) und Gerald Asamoah (dem späteren Anti-Dortmunder) mit rassistischen Affengeräuschen.
2002 schaffte der Klub mit Trainer Ralf Rangnick den Wiederaufstieg in die deutsche Eliteklasse und seitdem hält sich Hannover 96 in dieser Liga. Richtig kritisch wurde es eigentlich in Sachen Klassenerhalt nur in der Saison 2090/2010, als der Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke Mannschaft und Verein völlig verunsicherten.
Mit Trainer Mirko Slomka und dem damaligen Manager Jörg Schmadtke ging es wieder aufwärts bis in die Europa League. Und da möchte 96 auch wieder hin – die Spiele aus 2011/2012 sind unvergessen. Da scheiterten die Niedersachsen erst im Viertelfinale am späteren Sieger Atletico Madrid.

Das Letzte
Das Stadion ist (korrekt ist war) benannt nach einem sehr umstrittenen Strukturvertrieb für Versicherungen und Geldanlagen. Dessen Gründer Carsten Maschmeyer stammt bekanntlich aus Hannover. (auch nicht wahr, Maschmeyer wurde in Bremen geboren).

Die Bilanz der beiden Vereine in der Bundesliga

Ein Interview mit BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel auf der 96-Homepage

In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.




klaas reese am 18.Okt 13  |  Permalink
Kleiner Fehler
Stadion in Hannover wird natürlich immer das Niedersachsenstadion bleiben. Offiziell trägt es nun den Namen HDI-Arena. Und Maschmeyer stammt aus Bremen.

Ansonsten ein lesenswerter Blogbeitrag - auch wenn ich den Vergleich mit Hertha schief finde. schließlich hat man in Hannover lange nicht die finanzstarken Sponsoren wie die Deutsche Bahn in Berlin.

uknig22 am 18.Okt 13  |  Permalink
Danke für die Korrektur
Danke für den Hinweis! Manchmal haben sich Fakten so festgezurrt, da fehlt dann die Kontrolle, siehe Maschmeyer und AWD. HDI ist aber auch etwas seriöser.
Der Vergleich mit Hertha BSC bezieht sich auch eher auf die 80er und frühen neunziger Jahre. Da waren es beides Vereine mit großem Namen, aber ohne Konzept.