Ein Held der 2. Liga: Das Leben des Ansgar Brinkmann
Er war technisch herausragend – doch die große Karriere im Profifußball machte Ansgar Brinkmann nicht. „Der letzte Straßenfußballer“ stand sich oftmals selbst im Weg. Gerade deshalb besitzt er in manchen Kreisen Kultstatus. „Der Weiße Brasilianer“ heißt die Biographie, die Brinkmann zusammen mit Bastian Henrichs verfasst hat.
Nur 59 Bundesligaspiele für Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld hat er absolviert: Die Profiwelt des Ansgar Brinkmann war eher die 2. Liga oder die Regional- und Oberliga. Vereine wie Osnabrück, Preußen Münster, Mainz 05 oder FC Gütersloh waren die Stationen des Technikers, der eigentlich in den 90er Jahren gar nicht in diese Ligen passte. Denn die 2. Liga etwa galt als „Klopperliga“, in der mehr gekämpft als gespielt wurde. Ein Akteur wie der unermüdliche Kämpfer Willi Landgraf, der in fast jedem Spiel eine gelbe Karte kassierte, steht als Rekordspieler stellvertretend für diese Epoche.


Und Brinkmann? Der sorgt als junger Wilder für Aufsehen, lässt kein Fettnäpfchen aus, legt sich mit Gott und der Welt an und verpasst so den frühzeitigen Sprung in die erste Liga. Er bekam den Spitznamen „Trinkmann“ , weil er sich von 17 Uhr bis 6 Uhr morgens in seiner Stammkneipe aufhielt.

Ladendieb aus Hunger
Chronologisch blickt der Angreifer auf sein Leben zurück, richtig los geht es mit der A-Jugendzeit bei Bayer O5 Uerdingen. Der Krefelder Verein kickte seinerseits in der Bundesliga und war zudem für seine gute Jugendarbeit bekannt. Bayer holt Brinkmann aus Ostwestfalen ins Rheinland – und der fühlt sich ziemlich alleingelassen, weil sich niemand vom Verein außerhalb des Fußballs um ihn kümmert. Geld gibt es auch keines und so ernährt sich das Talent hauptsächlich von Mutters Konserven. Wenn die alle sind, klaut er Nudeln und Thunfischdosen aus dem Supermarkt. Talentförderung in den achtziger Jahren – so war das damals. Immerhin wird Brinkmann in Jahr 2 mit den Uerdingern Deutscher A-Jugendmeister.
Auch sonst gibt es einige witzige Szenen. Wie beispielsweise beim damaligen Oberligisten BV Cloppenburg, als Kapitän Brinkmann auf der Weihnachtsfeier eine Rede hielt. „Meine Damen und Herren, ich möchte niemanden zu nahe treten. Aber ob bei uns der Trainer auf der Bank oder der Busfahrer sitzt, das ist ungefähr das Gleiche.“ Kein Wunder, dass der mächtige Sponsor des Vereins nicht gerade begeistert reagierte und seinen Spielführer in die Kreisliga-Reserve verbannte.
Brinkmann ist relativ offen, hält sich nicht lange mit Nettigkeiten auf. Besonders manche Trainer bekommen ihr Fett ab. Manchmal gibt es erstaunliche Einblicke in das Innenleben von Profi-Mannschaften – wobei der Leser manche Dinge schon immer so erwartet hat. Ist doch verständlich, wenn sich 18Jährige, die auf einmal richtig viel Geld verdienen, erst einmal ein dickes Auto kaufen – besonders wenn sie auf dem Land geboren sind.

Rebell
Bei Mainz 05 kickte Brinkmann mit dem heutigen BVB-Coach Jürgen Klopp zusammen. „Aaaaaansgaaar komm’ zurück“, schreit der immer, weil der Künstler von Defensiv-Arbeit wenig hielt. „Eine launische Künstlerfigur eben. Mit großem Können. Mit großem Herzen. Was fehlte, war die letzte Konstanz“, schreibt der Mainzer Sportjournalist Reinhard Rehberg in einem Zusatzbeitrag. Die Mainzer haben einige Typen, mit denen man als Jungprofi ziemlich unter die Räder kommen kann. Dagegen war Brinkmann eher der „liebeswürdige Messdiener, der dem Pfarrer ab und zu einen Streich spielt“, so Rossberg. „Hier ist der letzte Rebell“, meldete sich Brinkmann in seiner Mainzer Zeit am Telefon.
Der Spaßfußballer schaffte den großen Sprung nicht, gerade einmal 59 Bundesligaspiele sind eine dürftige Bilanz. „Du müsstest 50 Länderspiele haben“, sagte einst Berti Vogts. Doch Ansgar Brinkmann steht sich oftmals selbst im Weg. An manchen Stellen möchte der Leser einfach nur sagen „Ansgar, Du Idiot!“ Aber wäre der strenge Vogts mit dem „schrecklichen Kind“ fertig geworden?
Besonders die ersten 117 Seiten, wenn Brinkmann auf seine Profistationen zurückblickt, haben ihre Höhepunkte. Manchmal werden nach der Lektüre Vorurteile Realität: Profifußballer sind wirklich so. Hinterher wird es dann etwas öder, wenn Brinkmann ein sehr langes Fazit seiner Karriere zieht. Manchmal klingt das schon zu sehr nach Rechtfertigung. Aber auch dieser Teil hat einige lichte Momente.

Urteil
Lockere Lektüre, die sich wunderbar für Liegestuhl, Strand, See oder meinetwegen Freibad eignet. Natürlich nichts intellektuell Anspruchsvolles, aber über weite Strecken witzig und unterhaltsam. Und manchmal sind Profifußballer wirklich so, wie sich Amateure das so vorstellen…

Einige Anekdoten des Ansgar Brinkmann gibt es hier bei den 11 Freunden.