Emden statt Barcelona
Es ist eine der stärksten Szenen des ganzen Films: Francis Bugri zeigt stolz seine Trikots der Jugendnationalmannschaft. Das waren noch Zeiten: Bei der U 19-Weltmeisterschaft 1997 in Ägypten wählten ihn die Journalisten in das All-Star-Team der WM, die große Profikarriere schien greifbar nahe.
Zehn Jahre später ist die große Karriere als Profifußballer nur noch eine sehnsüchtige Erinnerung: Bugri ist wieder zuhause in seinem Elternhaus, gerade endete ein Engagement in der ersten dänischen Liga erfolglos. Seine Augen leuchten, wenn er von den Leuten erzählt, die später zu Weltstars wurden: Ronaldinho, Casillas. Oder von seinen Mitspielern aus dem deutschen Team, die Karriere machten: Sebastian Kehl, Roman Weidenfeller oder Sebastian Deisler. Heute spielt Bugri beim TuS Eving-Lindenhorst in der Westfalenliga 2, der sechsten Liga.
Francis Bugri ist einer der Hauptfiguren der Dokumentation HalbZeit von Christoph Voss und Gabriele Hübner, die jetzt bei 3SAT im TV lief. Es ist die Fortsetzung von Die Champions, der 1998 entstand. Die Filme zeigen die Entwicklung einiger junger Spieler aus dem Nachwuchs von Borussia Dortmund, die 1998 Deutscher Fußballmeister der A-Junioren wurden. Francis Bugri, Mohammed Abdulai, Heiko Hesse, Claudio Chavarria und Florian Kringe waren Spitze im Nachwuchsbereich. Doch für die meisten war der Juniorentitel der Höhepunkt ihrer Karriere.
Es ist ein eindrucksvoller Film – fernab von jeglichem Glamour des Profifussballs, fernab von Superstar-Geschichten in kicker oder Sportbild. Ein ehrlicher Film, denn den Weg nach ganz oben schaffen nur die wenigsten. Zudem zeigt er eindrücklich, dass Talent allein nicht ausreicht. Andere Faktoren wie Fleiß, aber auch das Glück, zur rechten Zeit die richtigen Leute zu treffen, spielen eine ebenso große Rolle. Nur Florian Kringe wurde zum etablierten Bundesligaspieler, für die anderen reichte es nur zu Einsätzen in unterklassigen Profiligen. Oder sie beendeten wie Heiko Hesse früh ihre Karriere.


Stolz: Francis Bugri und sein DFB-Dress (Foto: realfictionfilme)

Endstation 3. Liga
Hübner lässt seine Darsteller erzählen; er begleitet sie beim Training, im Kraftraum, zuhause oder bei Feiern. „Ich wollte immer der Beste sein“, sagt Francis Bugri – ein technisch großartiger Fußballer, aber offensichtlich für die kampfbetonte Spielweise in der deutschen Regionalliga wenig geeignet. „Ihm fehlt der Biss, er kann nicht kämpfen“, stellt sein damaliger Trainer Mark Fascher beim damaligen Regionalligisten Kickers Emden fest. Nur ein Spiel machte er in Emden und auch bei anderen anderen Vereinen schafft er nicht den Durchbruch. Ein lieber Mensch, aber vielleicht habe er „sich zu sehr auf seinem Talent ausgeruht“, so Fascher.
Auch Mohammed Abdulai gelingt nicht den Sprung nach ganz oben. Seine Vereine nach Borussia hießen Uerdingen 05, Yurdumspor Köln oder Wattenscheid 09. Angeblich kickt der schlacksige Offensivspieler, der einst aus Ghana ins Jugendhaus von Borussia Dortmund kam, heute in Bangladesh. 2006 erzählt er von einem belgischen Zweitligisten, zu dem er wechseln kann. Abdulai fürchtet um seine Karriere, er hat Schmerzen. Die Zuschauer begleiten ihn zum Arzt und nicht nur der Spieler ist erleichtert, dass die Verletzung nicht so ernst ist. Das Gastspiel in Belgien wird zum Flop: Nach einem halben Jahr ist er wieder im Ruhrgebiet – und selbst der sonst so optimistische Ghanaer wirkt regelrecht desillusioniert.
Den glücklichsten Eindruck von allen macht Heiko Hesse. Der beendete frühzeitig seine Profiambitionen, studierte unter anderen an der englischen Nobeluniversität Oxford und arbeitete im Film für die Weltbank. Fußball spielt er nur noch am Sonntag Morgen in Washington – zum Spaß, ohne großen Leistungsdruck und ohne Training.
Fazit: Starker Film über die anderen Seiten des Profifußballs. Sehr empfehlenswert.

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