Freitag, 26. Juli 2019
Wer stoppt Enable?
Im Jahre 2012 war es Danedream, ein Jahr später Novellist. Doch nicht nur die deutschen Erfolge in den King George Stakes in Ascot, einem der wichtigsten Rennen in der englischen Rennsaison, erinnern an große Stunden. Die Qipco King George VI and Queen Elizabeth Stakes (Gruppe 1, 2400 Meter), so der komplette Titel, gewinnt fast immer ein großer Namen des Turfs. Die Stars der Ausgabe 2019.

Enable
Wir beginnen mit Enable, dem Turf-Superstar der letzten Jahre. John Gosdens grandiose Stute gewann nicht nur zweimal den Arc und möchte den Hattrick in diesem Jahr schaffen. Sie triumphierte auch 2017 im King George und distanzierte dabei Ulysses und Highland Reel. Im letzten Jahr war sie zehn Tage vor dem Arc krank, dennoch siegte sie sowohl im französischen Megarennen als auch im Breeders Cup. Ihr diesjähriges Saisondebut in den Eclipse Stakes in Sandown gegen die alte Rivalin Magical fiel sehr überzeugend aus. Enable kann jeden Boden, kennt fast nur Siege und hat mit Frankie Dettori einen Mann im Sattel, der die Stute blendend unterstützt. Alle Vorzeichen stehen für eine weitere Glanzvorstellung. Aber unschlagbar ist sie nicht.



King George 2017: Die damals dreijährige Enable triumphiert überlegen gegen Ulysses und Highland Reel.

Crystal Ocean
Da wäre etwa Crystal Ocean aus dem Quartier von Sir Michael Stoute. Manche Experten sagen, er wäre Enables bislang stärkster Gegner. Mit fünf Jahren hat sich der Hengst noch mal deutlich verbessert, sein Erfolg in den Prince of Wales Stakes gegen Magical und Waldgeist war sehr beeindruckend. In diesem Jahr ist Crystal Ocean noch ungeschlagen, im letzten Jahr unterlag er im King George nur hauchdünn nach großem Kampf gegen den Stallgefährten Poet's Word. Er könnte der Gosden-Stute das Leben schwer machen.

Anthony Van Dyck
Es ist schön, wenn gute Dreijährige den Kampf gegen die älteren Superstars aufnehmen. Anthony van Dyck ist immerhin der aktuelle englische Derbysieger. Ein Kandidat aus der Armada von Aidan O'Brien, im irischen Derby war er jedoch chancenlos gegen einen vorher wenig beachteten Stallgefährten. Diese Leistung war sehr ernüchternd. AVD ist ein großer Steher, der noch Reserven haben könnte. Doch auch wenn Aidan O’Brien ein Meister darein ist, seine Pferde topfit auf den Punkt zu bekommen: Der Hengst müsste sich deutlich verbessert haben, um hier bestehen zu können.

Waldgeist
Ganz ohne deutsche Beteiligung kommt jedoch auch dieser King George nicht aus: Waldgeist ist im Besitz des Gestütes Ammerland, stammt aus einer bekannten deutschen Linie und wird in Frankreich von Andre Fabre trainiert. In Ascot blieb er hinter Crystal Ocean, seine beste Arbeit machte er dort zum Schluss. Es war kein guter Ritt von Pierre-Charles Baudot, weil er das Pferd erst nach vorne schickte, als das Rennen schon entschieden war. In Ascot wird er ihn aggressiver steuern, die 2400 Meter des King George sollten ihm zugutekommen. Die vorherigen Leistungen waren gut, im Arc 2018 kam er nach schlechtem Rennverlauf noch gut ins Rennen. Dennoch steht er unter Enable und Crystal Ocean.

Defoe
Erwähnung verdient ebenfalls noch Defoe, ein in diesem Jahr weiter verbesserter Dalakhani-Sohn. Der Schützling von Roger Varian siegte in dieser Saison in Ascot (Hardwicke Stakes, Gruppe 2) und Epsom (Coronation Cup, Gruppe 1), die King George-Gegner in diesem Jahr sind aber noch höher einzuschätzen.

Fazit
Ein Rennen zum Genießen. Enable ist der Superstar, aber Crystal Ocean kann die Serie der famosen Stute stoppen. Waldgeist würde ich nicht abschreiben.



Samstag, 6. Juli 2019
Dschingis First gegen die Großen Drei im Derby
Auf dem Papier sieht das Deutsche Derby 2019 in Hamburg nach einem Drei-Pferde-Rennen aus: Laccario, Django Freeman und Quest For Fame sind die gemeinten Pferde. Aber grau ist alle Theorie: Vielleicht verdirbt ja Dschingis First die Party.

Früher, da war dieser erste Sonntag im Juli immer etwas ganz Besonderes. Es war der Tag des Deutschen Galoppderbys, schon in der Woche vorher fieberte der Kolumnist diesem Ereignis entgegen. Und einmal im Jahr stand der Galopprennsport im medialen Interesse: Das Fernsehen übertrug live und Zeitungen, die sonst den Sport hartnäckig ignorierten, schrieben über das Derby.
Heute ist vieles anders: Der Kolumnist wurde älter und zynischer, das Fernsehen überträgt nicht mehr live, Print-Tageszeitungen haben viele Leser verloren. Das Rennen läuft natürlich bei den Online-Wettportalen und bei den Buchmachern, aber neue Interessenten lockt nur das Free-TV. Und da sieht es mit einer Übertragung ziemlich schlecht aus. Wie schon in den Jahren zuvor.
Wer gewinnt denn nun 2019? Der letzte Derbysieger, den der Kolumnist richtig angesagt hatte, hieß Lucky Speed und das war 2013. Die Strategie, gegen den Top-Favoriten zu spielen, zahlte sich in den letzten Jahren leider nicht aus – übrigens sowohl im Deutschen als auch Englischem Derby.



Der letzte Treffer: Lucky Speed triumphiert im Derby 2013

Aber auch in diesem Jahr wette ich gegen die Favoriten. So ruhen die Hoffnungen diesmal auf Dschingis First. Er kommt aus einer berühmten Familie: Von der Mutter Divya stammen die Derbyplatzierten Destino (Zweiter 2018) und Dschingis Secret (Dritter 2016, vorläufig), die alle zudem den gleichen Vater – Soldier Hollow – haben. Die Mutter weiß, was sie ihren Söhnen mitgeben muss, damit sie auf dem Hamburger Kurs erfolgreich sind.

Spätreif
Vieles an Dschingis First erinnert an Dschingis Secret: Auch letzterer war ein Spätentwickler, der von Start zu Start besser wurde. Auch er war Dritter in der Union, es folgte der gleiche Rang im Derby 2016. Mit vier wurde das „Geheimnis“ dann richtig gut.
Dschingis First galt bei Trainer Markus Klug immer als sehr veranlagt, aber auch als spätreif. Gegen die Jahrgangsspitze zog sich der Klug-Schützling zweimal ordentlich aus der Affäre. In der Bavarian Classic im Mai lief er – ohne dass ihn Jockey Adrie de Vries groß forderte – auf Platz 3, Django Freeman und Quest The Moon gingen aber deutlich besser. Auch in der Union (Platz 4 )hatte er einen starken Moment, aber gegen Laccario und Django Freeman blieb er letzlich ohne Möglichkeiten. Kann ein Siegloser das Derby gewinnen? Schwer, aber möglich. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Für Dschingis First spricht zum einen die Distanz von 2400 Metern, die ihm entgegenkommt, zum anderen weiß sein Trainer Markus Klug, wie das Derby gewonnen wird. Wenn sich der Hengst t weiter steigert, dann ist vielleicht die Überraschung drin. Sonst wird Dschingis First erst mit vier richtig Spitze.

Die klaren Favoriten
Drei Pferde sind die Hauptgegner: Zum einen Laccario, der überlegene Sieger in der Union. Ein von Start zu Start verbesserter Scalo-Sohn und nach den bisherigen Eindrücken nur schwer zu schlagen. Die letzten Erfolge fielen sehr souverän aus, nie hatte der Beobachter den Eindruck, dass sein Jockey das Letzte von ihm fordern musste. Das Pferd von Trainer Andreas Wöhler siegte mit dem berühmten „Finger in der Nase“. Sein Jockey Eddie Pedroza vergleicht ihn mit dem berühmten Novellist, der später die King George gewann, aber im Derby mit Pedroza von Pastorius auf den letzten Meter „geschluckt wurde“.
Der nächste große Kontrahent heißt Django Freeman. Henk Grewe, sein Betreuer, ist einer der Aufsteiger bei den deutschen Trainern. Sein Schützling war einer der besten Zweijährigen des Jahrgangs und diese Leistungen bestätigte er dreijährig. Er siegte im Bavarian Classic und war Zweiter in der Union. Dort war der Rennverlauf nicht optimal, doch ob er an diesem Tag eine Chance gegen Laccario gehabt hätte, erscheint fraglich.
Quest The Moon hat jetzt Andrasch Starke im Sattel, der auf dem Derbykurs eine so gute Bilanz wie kein anderer hat. Der Sea The Moon-Sohn, der in München von Sarah Steinberg betreut wird, ist der Dritte Große im Starterfeld. Auch er zeigte zweijährig schon starke Leistungen, war dann zum Saisonauftakt guter Zweiter im Bavarian Classic. Das sah schon sehr vielversprechend aus und diese Vorschusslorbeeren bestätigte er mit einem Sieg im Prix du Lys in Longchamp über 2400 Meter. Die Pferde hinter ihm bestätigten die Form durchaus.
Wer hat noch eine Chance? An den englischen Gast Surrey Thunder glaube ich auch bei weichem Boden nicht so recht, eher ist Beam Me Up das Pferd für die Überraschung. Nach Formen muss er sich gewaltig steigern, aber er ist ein Pferd mit viel Luft nach oben.



Freitag, 28. Juni 2019
Im Geiste von Dick Francis
Mord, Wettbetrug, Doping, Erpressung auf der Rennbahn – nicht nur Jockey Rory Gillespie lebt gefährlich. Autor John Francome, ehemaliger Topjockey, liefert in Midnight Express spannende Unterhaltung ab. Kann man gut lesen, gerade im Sommer. Auch wenn die Geschichte im Winter spielt.

Es gibt (nicht nur) in Dortmund diese wunderbare Einrichtung der öffentlichen Bücherschränke. Und in einem solchem fand ich per Zufall das Buch Midnight Express von John Francome. Bei dem Namen dämmerte mir doch etwas. Francome war eim ehemaliger englischer Hindernisjockey, immerhin siebenfacher Championjockey und damit nach Tony Mc Coy (20 Championate) und Peter Scudamore (8) auf Rang 3 in der ewigen Bestenliste. Allerdings war das vor meiner Zeit, später war Francome dann Experte beim TV-Sender Channel 4.
Zudem hat der Mann Bücher geschrieben – und gar nicht so wenige Was mir neu war, denn eigentlich fällt mir in Sachen Literatur und Galopprennen nur der gute Dick Francis ein. Wie viele der Bücher von John Francome in deutscher Sprache erhältlich sind, weiß ich nicht. Auf der Seite eines bekannten Gemischtwarenhändlers findet der Interessent immerhin einige Bücher, jedoch in Englisch.
Midnight Express (Originaltitel Break Neck) liegt aber in deutscher Übersetzung vor und eines dieser seltenen Exemplare ergatterte ich in obigem Bücherschrank. Midnight Express ist der Name eines Hindernispferdes, das zu den Besten des Landes zählt und als Mitfavorit für die Champion Chase in Cheltenham gehandelt wird. Doch dazu kommt es nicht: Denn das Pferd verunglückt tödlich in einem unwichtigen Amateurrennen. Dort läuft es nur, weil es sein Besitzer, der Immobilienmogul Luke Mundy, so will und er es in dieser Amateurprüfung selber reiten kann. Doch der finanziell bankrotte Mundy (der eine hohe Siegwette auf sein Pferd platziert hat) stürzt selber tödlich. Fremde Kräfte halfen dabei: Denn Midnight Express war gedopt.

Gut und Böse
Wettbetrug, Erpressung und Doping – die Welt des englischen Hindernissports ist bei Francome nicht gerade edel. Aber es ist ja ein Krimi und langweilig ist die Geschichte eigentlich nie. Und wie bei vielen Dick Francis-Werken ist auch bei John Francome das detailliert beschriebene Turf-Milieu die große Stärke. Und wenn der Autor kenntnisreich ein Rennen schildert, dann merkt auch der Galopp-Laie, dass der Mann jahrelang sein Geld als Jockey verdient hat.
Im Mittelpunkt stehen der Profi-Jockey Rory Gillespie und die Trainerin Laura Mundy, die Midnight Express trainiert. Beide waren vorher mal ein Paar, doch dann heiratete Rory die scharfe Trainer-Tochter und die aus gutem Haus stammende Laura ehelichte den reichen Aufsteiger Luke. Beide sind jedoch unglücklich in ihrer Ehe, die alte Liebesgeschichte wird wieder aufgewärmt. Laura wird zudem von Scotland Yard verdächtigt, am Doping ihres Pferdes beteiligt zu sein. Jedenfalls ermittelt Rory auf eigene Faust, weil er an die Unschuld von Laura glaubt.
Die Charaktere sind alle ein wenig grob gestrickt, man erkennt schnell, wer Gut und wer Böse ist. Ein krimigeprüfte Leser (oder regelmäßiger Tatort-Gucker) weiß zudem bald, wer der Oberschurke ist. Es sei Francome verziehen – dafür legt er ein schönes Tempo vor, es gibt kaum Längen.
Ärgerlich ist die manchmal etwas ahnungslose Übersetzung. So wird etwa der Rennstall von Laura Mundy durchgehend als Reitstall bezeichnet.