Freitag, 10. August 2018
Polarisierend, aber gut: Spencer im Klub der besten 20
Herzlichen Glückwunsch Jamie Spencer. Der englische Jockey feierte seinen 2069. Erfolg in Großbritannien und schaffte damit den Sprung in die illustre Liste der 20 erfolgreichsten Jockeys auf der Insel. Doch sein Stil gefällt nicht jedem.

Late Change hieß das Pferd, das Spencer am Mittwoch in Yarmouth zum Erfolg steuerte. Mit diesem Sieg reihte der 38järige sich unter die Turf-Größen ein: Sir Gordon Richards (4870 Siege), Pat Eddery (4633), Lester Piggott (4493) oder Willie Carson (3828). Von den noch aktiven Jockeys sind Frankie Dettori (3131), Joe Fanning (2349) und Ryan Moore (2117) vor ihm platziert.
Doch kaum ein anderer Jockey polarisiert so sehr wie Spencer. Man betrachte nur die Kommentare auf der Facebook-Seite der Racing Post. „Fakt ist: Diese Marke hätte er viel eher erreicht, wenn er seine Ritte danach ausrichten würde, was wirklich in einem Rennen passiert“, schreibt User Gabs Silva. Andere nennen ihn den „schlechtesten Jockey aller Zeiten“.
Letzteres ist natürlich Unfug, denn kein „Unfähiger“ gewinnt so viele Rennen und hält sich so lange in der Spitzengruppe gegen starke Konkurrenz. Ohne die Unterstützung eines absoluten Top-Quartiers – ohne etwas Ballydoyle (für die er eine Saison ritt), Godolphin, Gosden, Stoute oder Mark Johnston. Spencer feiert seine Erfolge für die Trainer, die nicht ganz so im Rampenlicht stehen: David Simcock, Michael Bell, James Fanshawe oder Altmeister Luca Cumani.
Es ist der Stil des Jamie Spencer, der vielen Kritikern nicht gefällt. Spencer kommt gerne spät, am liebsten hält er sein Pferd am Ende des Feldes und gewinnt dann von hinten mit viel Speed. Das sieht immer ungemein stilvoll aus, geht aber manchmal auch daneben, wenn er zu spät kommt. Und dann wirkt das oft arrogant – zumindest auf manche Betrachter.

Der Pferdeversteher
Sein Jubiläumsgewinner Late Change am Mittwoch in Yarmouth war ein typischer Spencer-Ritt. Zuerst hielt er das Pferd von Trainer David Simcock an letzter Stelle und schob sich dann in der Zielgerade an den Gegnern vorbei.
Simcock setzt gerne Spencer ein – ebenso Altmeister Luca Cumani, bei dem Simcock mal Assistent war. Es ist eine lange Zusammenarbeit. „Er ist genauso gut von der Spitze als von hinten“, sagt der Trainer. „In neun von zehn Fällen reitet er meine Pferde wie ich es will.“ Eben, weil er nicht mit Gewalt den Erfolg wolle, wenn ein Pferd mal nicht so gut in Form sei. Und das „ist so wichtig für das Wohlbefinden und die langfristige Karriere des Pferdes.“
„Jamie ist ein Pferdemann und er hat den Überblick. Wetter mögen das nicht immer, aber Trainer“, meint Richard Hughes, heute Trainer, vor gar nicht langer Zeit noch Top-Jockey und in seiner aktiven Zeit auch jemand, der gerne wartete und spät zum Angriff ansetzte. Spencer mache Pferde besser, betont Hughes.
Wie viele Top-Jockeys kommt auch Jamie Spencer aus Irland. Sein Vater George trainierte erfolgreich Rennpferde, sein Schützling Winning Eye triumphierte 1963 in der Champion Hurdle. Sein Sohn wurde Jockey, gewann Ende 1996 sein erstes Rennen und holte sich im zarten Alten von 18 Jahren den ersten Klassiker mit Tarascon in den irischen 1000 Guineas. Schnell galt er als eine Art Wunderkind des Turfs. Doch sein Gastspiel als Ballydoyle-Jockey dauerte nur eine Saison und es war ein relativ schlechtes Jahr für Aidan O' Brien.

Zidane
2004 war Spencer Champion-Jockey in Irland, 2006 und 2007 holte er sich den Meistertitel in England. 2014 kündigte er den Rücktritt aus dem Sattel an, denn er später im Jahr wieder revidierte.
Mir hat Jamie Spencer mal wunderbar die Wette versaut. 2007 war es im Stewards Cup, diesem unglaublich schwerem Sprint-Handicap in Goodwood. In diesen auf dem Papier unmöglich erscheinenden Aufgaben einen Sieger zu treffen, ist das Nonplusultra für den sportiven Zockers. Egal, ob er 100 oder nur 1 Euro eingesetzt hat.
Jedenfalls sah es bis kurz vor Schluss günstig aus, als mein Tipp Borderlescott schon in Sicherheit vor den anderen 25 Mitstreitern schien. Doch dann kam er angeflogen – Zidane mit Jamie Spencer. Zielfoto und am Ende hatte Zidane gewonnen. Ein perfekt abgestimmter Spencer-Ritt, der mir das Herz brach. Aber perfekt gemacht war es schon, auch wenn ich immer noch meine, dass die Stewards in Goodwood falsch entschieden haben. Aber das ist ein anderes Thema.

Jamie Spencer im Detail



Einer der größten Spencer-Erfolge: 2009 der Sieg in den englischen Oaks mit Sariska für Trainer Michael Bell. Auch wenn der Erfolg gegen Midday ein wenig glücklich ausfällt.



Donnerstag, 2. August 2018
Mut oder Größenwahn
Manchmal wundert sich der Fachmann und der Laie staunt: Warum lassen manche Besitzer und Trainer ihre Pferde in Prüfungen starten, in denen sie nach ihren Vorleistungen absolut chancenlos sind?

Jüngstes Beispiel im Großen Dallmayr-Preis am letzten Sonntag in München: Nach Vorleistungen schien die Prüfung der höchsten Kategorie für Clearly, Matchwinner und Rapido viel zu schwer. Auch in der Realität: Diese Pferde belegten dann auch die letzten drei Plätze des Rennens.
Bei Clearly könnte man noch argumentieren, dass sie vielleicht das Tempo für den Stallgefährten Wai Key Star – beide im Besitz des Stalles Salzburg und beide trainiert von Sarah Steinberg – machen sollte. Machte sie aber nicht, die Stute kam nie vom Ende des Feldes weg und wurde mit elf Längen Rückstand Drittletzte. Nach Bestformen – dritter Platz in einem Listen-Stutenrennen, Zweiter in einem Ausgleich 2 – müssen die Verantwortlichen nur auf das Prinzip Hoffnung gesetzt haben. Allerdings: Das hohe GAG von 89.5 (Quelle Formenspiegel Racebets) macht das Management des Pferdes nicht einfach.
Überfordert wirkte auch Rapido, dessen Comeback nach schwerer Verletzung im Herbst für einige Unruhe sorgte und dessen beste Form 2014 ein zweiter Platz in der Union hinter Sea The Moon war. Das war der letzte Auftritt für Trainer Andreas Löwe, das Pferd verletzte sich so schwer, dass es keine Rennen mehr laufen konnte. Jedenfalls gaben seine Besitzer, das Gestüt Winterhauch, Rapido als Reitpferd ab. Doch der Neustart in neuem Besitz und mit neuem Trainer folgte. Es kam zu Turbulenzen und Gerichtsurteilen, kann man beim Kollegen Blücher schön nachlesen. Das Pferd gewann zweimal im belgischen Mons – das war weit von Gruppe 1-Format entfernt. In Hamburg war er im Großen Hansa-Preis (Gruppe 2) chancenlos, davor war er im Ausgleich 2 Letzter. Für ihn gäbe es deutlich lösbarere Aufgaben.
Bei Matchwinner liegen die Dinge vielleicht ein wenig anders: Immerhin siegte er 2017 in zwei Grupperennen und war auch sonst sehr beständig. Aber die alte Form ist nicht mehr da, zuletzt lief er in drei Top-Rennen hinterher. Mit 91 kg GAG kann er aber nicht zurück ins Handicap.
Warum laufen diese Pferde in diesen schweren Prüfungen? Ist es das Preisgeld? Immerhin gab es für den Fünften in München noch 3000 Euro, der Sieger im Ausgleich 2 in München hätte 6000 bekommen, der Fünfte wäre leer ausgegangen.
Ist es das Prestige für den Besitzer, der auf einmal einen Starter bei den Besten hat? Ob das nicht vielleicht zum Bumerang wird, wenn das Pferd immer nur hinter her läuft?

Ako und Clive Brittain
Manchmal gibt es ja auch diese Sensationen, über die die Turf-Welt noch Jahre lang spricht. Gestern triumphierte zum Beispiel im englischen Goodwood Feel Glorious für den Toto 67:1. Aber das war ein Sieglosenrennen für zweijährige Pferde, von denen viele ihr Lebensdebüt gaben und deren Leistungsvermögen noch nicht eingeschätzt werden kann.
In Deutschland verweist die Turf-Gemeinde immer auf das Beispiel Ako aus dem Jahr 1982. Mit diesem Derbysieger hatte niemand gerechnet, das war die Sensation. Im Sattel saß der legendäre Erwin Schindler, in Training war der Hengst bei Besitzertrainer Hans-Günther Heibertshausen.
In England hatte Trainer Clive Brittain, inzwischen längst im Ruhestand, zeitweise eine Art Kultstatus. Denn der Mann aus Newmarket, unter anderem Betreuer von Warrsan, Luso und Crimplene, schickte immer wieder sieglose Pferde in die Klassiker wie Derby, Oaks oder die Guineas. „Keine Angst vor großen Aufgaben“, schrieb dann gerne die Fachpresse. Natürlich scheiterte diese Politik in den allermeisten Fällen, doch manchmal ergatterte sich so ein Außenseiter ein Platzgeld. Und die Szene feierte den Trainer mit dem angeblich so goldenen Händchen.
Dass Clive Brittain jahrelang ein Trainer mit einer sehr schlechten Starts/Sieg-Statistik war – vergessen. Ich halte jedenfalls von dieser Strategie nichts. Pferde verlieren auch die Lust am Laufen, wenn sie immer abgehängt werden. Ein guter und verantwortungsvoller Trainer kann das Leistungsvermögen seiner Starter realistisch einschätzen und verheizt sie nicht in zu schweren Aufgaben. Auch wenn der Besitzer etwas anderes möchte.



Dienstag, 24. Juli 2018
Ganz großer Sport in Ascot und Goodwood
Der Galopprennsport in England kam in dieser Kolumne zuletzt ein wenig kurz. Royal Ascot etwa wurde quasi ignoriert. Das soll sich ändern – denn gerade Ende Juli und Anfang August geht es auf der Insel hoch her: In Ascot steht die King George VI and QE Stakes, ein Gruppe 1-Rennen über 2400 Meter, auf dem Programm. Fast nahtlos darauf folgt Glorious Goodwood mit vielen Gruppe-Prüfungen und oftmals wahnsinnig schwierigen Handicaps. nurpferdeundfussball macht schon mal ein wenig Appetit auf drei Höhepunkte.

King George VI and QE Stakes, Samstag 28.07.2018, Ascot
Der Sommer-Showdown über 2400 Meter: 2012 und 2013 triumphierten hier Danedream und Novellist für deutsche Interessen. Im Vorjahr distanzierte die famose Enable das Feld, die Siegerliste ist gespickt mit großen Namen des Turfs.
In diesem Jahr sorgte ein Pferd aus dem mächtigen Quartier von Aidan O’Brien für die größte Bewegung bei den Buchmachern. Der dreijährige Kew Gardens gewann am vorletzten Samstag den Gruppe 1-Grand Prix de Paris in Longchamp. Es war ein Test, ob er auf 2400 Metern mit den Besten mithalten kann. Test bestanden, denn eigentlich galt der Hengst nach seinem überlegenem Erfolg in den Queens Vase Stakes in Royal Ascot (Gr.2, 2800 Meter) als Kandidat für das englische St. Leger. Das mag sich nicht ausschließen, denn das St. Leger ist ja erst im September.
Im Wettmarkt notiert das O’Brien Pferd hinten den beiden Schützlingen von Sir Michael Stoute, Crystal Ocean und Poet’s Word. Crystal Ocean ist einer dieser Kandidaten von Trainer Stoute, die erst mit vier Jahren oder älter ihren Zenit erreichen. Dreijährig Zweiter im englischen St. Leger, ist er in dieser Saison noch ungeschlagen und gewann zuletzt die Gruppe 2-Hardwicke Stakes. Der Sieg fiel sehr souverän aus, auch wenn der vermeintlich stärkste Gegner Idaho enttäuschte.
Poet’s Word rang zuletzt in den Prince of Wales’s Stakes den hohen Favoriten Cracksman nieder und ist ein sehr konstantes Pferd. Cracksman hat in diesem Jahr noch nicht ganz an seine famose Form aus dem Vorjahr angeknüpft, vielleicht bereitet ihn Trainer John Gosden ja auch auf eine erfolgreiche Herbstkampagne vor. Interessant finde ich noch Waldgeist, der Sohn der Monsun-Tochter Waldlerche. Im Grand Prix de Saint Cloud (Gruppe 1) besiegte er die gute Gosden-Stute Coronet (ebenfalls noch eine Nennung) und untermauerte mit dem dritten Erfolg in Serie seinen Aufwärtstrend. Am liebsten wäre mir in seinem Fall jedoch, dass es vorher noch etwas regnet, damit der Boden wenigstens gut bis weich wäre.
Tipp Waldgeist

Goodwood Cup, Dienstag 31. Juli 2018, Goodwood
Eines dieser in England so beliebten Rennen über ganze lange Distanzen, in diesem Fall sind es über 3200 Meter. Klarer Favorit ist Stradivarius aus dem Stall von John Gosden, zuletzt knapp erfolgreich im Ascot Gold Cup und davor souveräner Sieger im Yorkshire Cup. Das war alles überzeugend, aber der Kurs ist entsprechend tief. Alternativen? Torcedor lief in Ascot das wohl beste Rennen seines Lebens und war als Dritter mit einer Länge Rückstand gar nicht weit geschlagen. Seit 2017 wird der Fastnet Rock-Sohn von Jessica Harrington trainiert, seitdem ist er – bis auf den Flop in Meydan – ein sehr beständiges Pferd.



Das Wetter war schlecht, der Sieg grandios: Big Orange siegt Start-Ziel im Goodwood Cup 2016.

Mir aber gefällt Withhold besser. Der Schützling von Trainer Roger Charlton gewann im letzten Jahr völlig souverän das Cesarewitsch-Handicap in Newmarket über weite 3600 Meter und siegte bei seinem Jahresdebüt in der Northumberland Plate in Newcastle ebenfalls überzeugend. Das sind zwei der schwersten Handicaps des britischen Turfjahres und es bedarf schon eines sehr guten Pferdes, diese so zu dominieren. Der Sprung in die Gruppe 1-Klasse ist groß, aber Withhold ist deutlich besser als ein Handicapper. Sein Trainer hatte immer ein gutes Händchen für diese Art Pferde.
Tipp Withhold

Sussex Stakes, Mittwoch 1.8.2017 Goodwood
1600 Meter, Gruppe 1 – und alles dreht sich um Without Parole. Der Frankel-Sohn ist nach drei Starts noch ungeschlagen und gewann zuletzt die St. James Palace Stakes in Royal Ascot. Gustav Klimt fand da noch gut ins Rennen, erreichte aber den Sieger nicht. Das Rückspiel folgt in Goodwood, doch es wird nicht einfach: Im Feld sind noch mehrere bewährte ältere Pferde wie Beat The Bank, Lightning Spear oder Rhododendron. Letztere hat jedoch noch Nennungen in anderen Prüfungen des Festivals, zum Beispiel in den Nassau Stakes (Gruppe 1, 2000 Meter). Beat The Bank hat in diesem Jahr wieder zu guter Form gefunden und ist unsere Empfehlung.
Nachgenannt wurde Expert Eye, überlegener Sieger in den Jersey Stakes. Im Stall von Sir Michael Stoute hatte man immer eine hohe Meinung, sein Erfolg zweijährig in Goodwood bestätigte diese auch. Doch danach folgten einige Enttäuschungen in Top-Prüfungen, bis der Knoten in Ascot wieder platzte. Ein interessanter Kandidat, der dem Rennen zusätzliche Würze gibt.

Tipp Beat The Bank

26.07. Nachtrag zum King George
Unser Tipp Waldgeist wird nicht im King George laufen. Trainer Andre Fabre nahm ihn aus dem Rennen, weil der Boden zu trocken ist. Nichtstarter wird ebenfalls Kew Gardens sein, dafür soll Cracksman starten, wenn es vorher geregnet hat. Das bestätigte Trainer John Gosden.