Montag, 16. Juli 2018
WM 2018: Der Star waren die Standards
Die Fußball-WM 2018 in Russland ist Geschichte und natürlich war sie laut Fifa-Boss Infantino die „beste aller Zeiten.“ Für den deutschen Fußball war sie eine Katastrophe, andere Länder aber feierten. Allen voran der neue Weltmeister Frankreich.

Es regnete in Strömen, als die Offiziellen den Sieger Frankreich ehrten. Der Himmel weinte, nur für Wladimir Putin fand sich schnell ein Schirmhalter. FIFA-Chef Gianni Infantino und die anderen Wichtigen aber wurden erst einmal nass. Die FIFA im Regen, was ein schönes Bild. In Russland hat eben nur einer das Sagen – der ehemalige KGB-Agent Putin.
Es waren aufregende vier Wochen in Russland. Natürlich ist alles Gigantismus und Kommerz pur, aber dennoch kann der größte Kritiker sich nicht der Faszination der WM entziehen, wenn die Spiele laufen. Autokrat Putin, korrupte Fifa, Geldverschwendung sind dann alles vergessen. Russland ist ein gastfreundliches Land mit vielen netten Leuten – Fazit eines Daheimgebliebenen. Aber eine Demokratie ist Russland eben nicht.

Woran wird man sich später erinnern?
An eine sehr ausgeglichene WM. Viele Toren fielen nach Standards: Ecken, Freistößen und Elfmetern. Die Mannschaften, die das offenbar trainiert hatten wie die Engländer, profitierten. Der Star war eindeutig die Mannschaft, die guten Individualisten hatten sich in ihren Dienst zu stellen. Das beste Beispiel war Weltmeister Frankreich, der desolate Ex-Weltmeister Deutschland präsentierte sich über weite Strecken als schlecht organsierte Ansammlung von Individualisten.

Der Weltmeister
Sexy war das nicht unbedingt, was das Team von Didier Deschamps auf den Rasen brachte. Aber mit Zauberfußball wurde Brasilien zuletzt 1970 Weltmeister – und selbst der Kolumnist war dafür zu jung. Frankreich setzte auf die einst von Otto Rehhagel erfundene „kontrollierte Offensive“, prasentierte sich defensiv gut organisiert und hatte fleißig Standards trainiert. Für Frankreich 2018 stand Angreifer Olivier Giroud, der gefühlt mehr am eigenen als im gegnerischen Strafraum auftauchte. Ihr Taktgeber war der famose N’golo Kante im defensiven Mittelfeld. Aber die Equipe Tricolore verfügte auch über großartige Individualisten wie Paul Pogba, Antoine Griezmann und Kylian Mbappé. Es war die perfekte Mischung.

Der Finalist
Vorweg: Ich mag diese häufig aggressive Art der kroatischen Mannschaft und ihrer Hardcore-Fans nicht. Der Fußball wird von der Politik instrumentalisiert – das war immer so in der noch jungen Geschichte des Landes. Das ist aber nicht nur dort so.
Aber Kroatien mit seinem Ausnahmespieler Luka Modric spielte eine großartige WM, überstand drei Verlängerungen und zwei Elfmeterschießen und brachte ein ganzes Land zum Rasen. Auch wenn die kleine Nation genug Probleme hat. Mein Glückwunsch.

Die Überraschungen
Da hatte mal ein Trainer-Team seine Hausaufgaben gemacht: Gareth Southgate hatte die Engländer großartig in Schwung gebracht, das Mutterland des Fußballs verlor erst im Halbfinale. Und was die angeblich so goldene Generation um Beckham, Scholes, Ferdinand und Owen nicht schaffte, gelang Kane, Maguire und Freunden. Aber vielleicht lag es auch daran, dass sie mit Pickford endlich wieder einen guten Torhüter hatten.
Belgiens Lauf war hingegen keine Überraschung, die Jahrhundertelf des kleinen Landes verlor erst im Halbfinale. Und noch ein Wort zu einem Team, dass in der Vorrunde ausschied: Der Iran gewann erst sehr glücklich gegen die ebenfalls unter Wert geschlagenen Marokkaner und hatte dann viel Pech gegen die europäischen Giganten Portugal und Spanien. Obwohl sich der amtierende Europameister und der Weltmeister 2010 im Verlauf des Turnieres eher als Zwerge entpuppten.

Die Enttäuschung
Der größte Flop war leider der amtierende Weltmeister Deutschland. Die „Mannschaft“ (Slogan Best never rest) konnte nur in der zweiten Halbzeit gegen Schweden überzeugen, ansonsten aber wirkte das Team von Joachim Löw als Ansammlung von Individualisten ohne System und schied schon nach der Vorrunde gegen Mexiko, Schweden und Südkorea aus. Und sorgte damit für Schockzustände, denn der gemeine deutsche Fußball-Fan kennt das gar nicht: Scheitern in der Vorrunde, eine WM ohne Deutschland, wenn es spannend wird. Trainer Löw hatte versagt, die meisten Spieler ebenfalls. Löw macht aber weiter, Mesut Özil vielleicht nicht. Peinlich war das Nachtreten von Nationalmannschaft-Manager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Reinhard Grindel gegen den Arsenal-Akteur allemal. Auch wenn dieser nicht gut spielte und sein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan eine Peinlichkeit hohen Grades war. Das gilt selbstverständlich ebenfalls für den Kollegen Ilkay Gündogan.

Und die Brasilianer?
Nach dem Viertelfinale raus – für das Land, für das nur der Weltmeister-Titel zählt, enttäuschend. Aber die Selecao verabschiedete sich mit Applaus, es war die beste brasilianische Mannschaft seit langem. Das 1:2 gegen Belgien war eine tolle Partie, eine Art vorgezogenes Finale. Belgien spielte stark, aber Brasilien scheiterte mit viel Pech. Sie vergaben beste Chancen, der belgische Keeper war sensationell und dann wurde ihnen auch noch ein Elfmeter verweigert. Da sind sie aber auch selbst ein wenig Schuld, denn die Schauspieleinlagen von Neymar waren nicht nur schlecht, sondern unerträglich.



Halbfinale Kroatien gegen England – so war das beim Rudelgucken. Zum Schluss zündeten die Kroaten die Pyros.



Donnerstag, 12. Juli 2018
Derby 2018: Ein glücklicher Sieger
Glückwunsch an das Gestüt Röttgen, Trainer Markus Klug, Jockey Adrie de Vries und alle anderen Beteiligten des siegreichen Teams. Derbysieger Weltstar bestätigte damit seine Sieg-Form aus der Union und folgte seinem Halbbruder Windstoß, der im letzten Jahr triumphiert hatte. Es war aber ein glücklicher Erfolg: Nicht nur Destino als Zweiter war minimal geschlagen, leider behinderte der Sieger auch den späteren Dritten Royal Youmzain.

Manchmal spielt das Leben schon ein komisches Spiel. Da wartete das Gestüt Röttgen, eine der renommiertesten Zuchtstätten für Rennpferde in Deutschland, unzählige Jahre auf einen Erfolg im wichtigsten Rennen der Saison und dann beendete Windstoß im Vorjahr diese langen Serie des Misserfolgs. Und schon ein Jahr später folgt jetzt Weltstar.
Für Trainer Markus Klug war es einmal mehr ein großer Tag. Sein frenetischer Jubellauf nach dem Rennen zeigt, welchen immensen Stellenwert das Derby immer noch im Lager der Aktiven hat. Es ist immer noch so mit das Größte, was ein Aktiver im Turf gewinnen kann. Zumal Klug auch noch den Zweiten Destino stellte, der nur hauchdünn unterlag. Es war sein dritter Derby-Erfolg, weitere werden folgen.
Der Röttgener Trainer hat zukünftig eine Art Luxusproblem: Er betreut mit dem Derbysieger Weltstar und dem Zweiten Destino zwei starke Dreijährige und mit Dschingis Secret, Windstoß und Colomano drei ältere Top-Kandidaten für Strecken bis 2400 Meter. Da wird das Management ziemlich schwierig – wenn die Pferde denn alle in Deutschland bleiben.
Die Stallform von Markus Klug in den letzten Wochen ist famos. Seit dem Erfolg von Weltstar im Kölner Union-Rennen reiht das Quartier einen Gruppeerfolg nach dem anderen: Degas im Dortmunder Preis der Wirtschaft, Dschingis Secret im Hamburger Großen Hansa-Preis und jetzt wiederum Weltstar im Derby.
Eine Premiere war es hingegen für Klug-Stalljockey Adrie de Vries. Der 48jährige Niederländer zählt seit langem zur deutschen Jockey-Elite, doch das Derby gewann er noch nie. „Ich war schon geschlagen und das von einem aus meinem Stall, da dachte ich: ‚schon wieder den Falschen gewählt‘, aber dann zog er wieder an“, sagte der Siegreiter nach dem Derby. In der Tat – Kollege Martin Seidl war mit Destino schon vorbei, doch Weltstar mobilisierte noch einmal alle Kräfte.

Behinderung
Allerdings hatte de Vries Glück, dass er das Rennen behalten durfte. Denn in der Geraden behinderten Weltstar und Jimmu den Favoriten Royal Youmzain eindeutig. Auf dem Renn-Video ist deutlich zu erkennen, dass de Vries kurz nach hinten schaut und dann sein Pferd Richtung Rails schiebt. Damit ist die Lücke für den Wöhler-Schützling dicht, der viel Schwung verliert und dessen Jockey Eddie Pedroza neu ansetzen muss. Die Kritik von Trainer Andreas Wöhler ist nachvollziehbar, zumal Royal Youmzain noch mal gut ins Rennen fand. Die Stewards ließen das Ergebnis unverändert, bestraften de Vries jedoch mit fünf Renntagen Reitverbot wegen Behinderung.
Unser Tipp Salve Del Rio lief ein gutes Rennen und wurde Vierter. Aber die erwartete Steigerung blieb dann doch aus, am Ende waren die ersten Zwei aus der Union wieder vor ihm. Eigentlich waren die gemeinten Pferde alle vorne, im Gegensatz zu vielen anderen Derbys lief diesmal kein großer Außenseiter in die Wette. Auch Capone nicht.
Gut, dass zumindest in ARD und ZDF wieder etwas über das wichtigste Pferderennen lief. Aber trotzdem wird einem an einem solchen Tag immer wieder bewusst, welcher Randsportart wir anhängen. Das Derby bleibt etwas für Insider – leider.



Donnerstag, 5. Juli 2018
Salve Del Rio ist der Derby-Tipp 2018
Nur 14 Pferde im wichtigsten Rennen des deutschen Rennjahres – es gab schon aufregendere Versionen des Deutschen Derbys in Hamburg-Horn. Zumindest auf dem Papier, aber entscheidend ist ja auf dem Platz. Vielleicht erleben wir ja einen Krimi oder wir sehen einen kommenden vierbeinigen Superstar. Zumindest droht bei der derzeitigen Wetterlage keine Schlammschlacht wie so oft auf dem Horner Moor. Starter und Chancen im Deutschen Derby 2018.

1. Royal Youmzain (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eduardo Pedroza)
Bislang das Top-Pferd im Jahrgang und der klare Favorit nach seinem Badener Spaziergang im Derby Trial und dem Münchner Erfolg im Bavarian Classic zum Saisonauftakt. Vielleicht beschert er Eddie Pedroza endlich den ersten Derbysieg.

2. Weltstar (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries)
Der Sieger in der Union gegen Destino und Salve Del Rio und schon aus diesem Grund einer der Derby-Favoriten. Eine überzeugende Vorstellung nach bestens eingeteilter Ritt von Jockey Adrie de Vries. Auch vorher gute Leistungen über kurze Strecken in den Top-Rennen des Jahrgangs. Vielleicht kann er ja seinem Halbbruder Windstoß nacheifern.

3. Destino (Trainer Markus Klug/Jockey Martin Seidl)
Der Bruder von Dschingis Secret hätte beinahe in der Union für eine Überraschung gesorgt, als er sich nur dem Stallgefährten Weltstar beugen müsste. Nach dieser Form ein Siegkandidat, davor aber schwach. Man beachte zudem die gute Stallform, gilt natürlich für alle Klug-Pferde.

4. Salve Del Rio (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Michael Cadeddu)
Unser Mumm aus dem Union-Rennen, dort lief er als Dritter ein gutes Rennen. Und machte auf den letzten Metern noch mal etwas Boden. Das gibt Hoffnung für die 200 Meter längere Strecke in Hamburg, die 2400 Meter sollten dem Rio De La Plata-Sohn noch mehr liegen. Vielleicht kann er ja die Form umdrehen.

5. Jimmu (Trainer Henk Grewe/Jockey Andrea Atzeni)
In der Union als Vierter noch halbwegs dabei, davor eine ganz starke Leistung als Zweiter im Bavarian Classic. Interessanter Teilnehmer aus einem Stall mit einer bislang starken Saison. Wenn er sich weiter steigert, mischt er mit.

6. Emerald Master (Trainer Mario Hofer/Jockey Alexis Badel)
Blieb in der Union quasi in der inneren Spur stecken und landete im geschlagenen Feld, weil die siegreichen Pferde außen endeten. In den Bavarian Classic mit einer mutigen Vorstellung von der Spitze, vom Gefühl sind andere Pferde gefährlicher.

7. Giuri (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik)
Immer hocheingeschätzt im Quartier, der dritte Platz in Baden Baden sah schon besser aus als der schwächere Lauf in München. Gegen Royal Youmzain jedoch ohne Chance, der Zweite Theo hat die Form in Dortmund nicht bestätigt. Steigerung notwendig, aber das Duo Carvalho/Minarik hat nicht nur mit Ancient Spirit in den Deutschen 2000 Guineas bewiesen, dass es sowas kann.

8. Ecco (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke)
In der Union chancenlos, spätreifer Hengst aus einer guten Familie, der aber bislang nur in überschaubarer Konkurrenz gewann. Im Sattel sitzt jedoch Andrasch Starke, der in Hamburg immer eine Empfehlung wert ist.



Rückblick auf 2013: Lucky Speed, damals Derby-Tipp dieser Kolumne, triumphierte. Jockey Andrasch Starke, Trainer war Peter Schiergen

9. Aldenham (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Jozef Bojko)
Noch wenig geprüft, in der Union deutlich geschlagen. In Hannovers Derby Trial besser dabei, aber dennoch Außenseiter.

10. Sweet Man (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Robert Havlin)
Noch sieglos und längst nicht ausgereift. Seine beste Vorstellung war der zweite Platz in Hannovers Derby-Trial, in der Union ohne jede Möglichkeit. Müsste sich schon gewaltig verbessern.

11. Star Max (Trainer Markus Klug/Jockey Robert Havlin)
Im Mittelfeld in Union und Hannover. Zuletzt auch nicht überzeugend in Köln. Klarer Außenseiter.

12. Capone (Trainer Sascha Smrczek/Jockey Bayarsaikhan Ganbat)
Im Frühjahr einer der Geheimtipps dieser Kolumne für das Derby, aber das Laufen in Hannovers Derby Trial war sehr ernüchternd. Noch sieglos, zumindest an mangelndem Stehvermögen wird er nicht scheitern.

13. Zargun (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Clément Lecoeuvre)
2400 Meter sind Neuland, beim Derby-Trial über 2000 Meter war er deutlich geschlagen, siegreich war er über 1850 Meter. Großer Außenseiter.

14. Chimney Rock (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Bauyrzhan Murzabayev)
Rock of Gibraltar-Sohn, drei Starts, zwei Siege. In Dresden besiegte er immerhin souverän den späteren Hannover-Derby-Trial-Gewinner Balmain, in Baden-Baden lief er hinter dem Stallgefährten Royal Youmzain aber sehr schwach. Dort wirkte er aber im Vorfeld ziemlich aufgeregt, so sein Trainer. Nicht zu unterschätzen.

Urteil
Zwei überzeugende Siege in diesem Jahr machen den Wöhler-Schützling Royal Youmzain zum klaren Favoriten für das Deutsche Derby 2018. An den Formen gibt es wenig zu mäkeln, jedes Mal schien es so, dass der Hengst noch weitere Reserven haben sollte. Sein Kurs ist mir aber zu tief und Eddie Pedrozas Bilanz im Derby ist auch nicht überwältigend. Alternativen gibt es einige: Weltstar und Destino, die ersten Beiden aus der Union, zum Beispiel. Und natürlich Salve Del Rio, der in der Union gut lief, vielleicht von der längeren Strecke profitieren könnte und unser Tipp ist. Wer Außenseiter möchte: Chimney Rock und Ecco.