Freitag, 18. Mai 2018
Zaman setzt den Standard
Es ist das bekannte Spiel im Mehl-Mühlens-Rennen am Pfingstmontag in Köln-Weidenpesch. Starke ausländische Gäste treffen im ersten Klassiker der Saison, den deutschen 2000 Guineas, auf die einheimische Armada. Über die Meile mangelte es nie – im Gegensatz zum Derby – an ausländischen Teilnehmern. Schwere Aufgabe für Kronprinz, Weltstar, Julio und Freunde – Starter und Chancen im Mehl-Mülhens-Rennen 2018.

All for Arthur (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Michael Cadeddu): Dritter im Busch-Memorial, schon deutlich hinter Kronprinz und Weltstar. Nach einem kleinen Schwächemoment fand der Hengst noch gut ins Rennen. Muss sich aber weiter steigern.

Ancient Spirit (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik): Legte beim vierten Start Ende April seine Maidenschaft ab. Es war ein hauchdünner Sieg, aber die Pferde dahinter bestätigten die Form. Das Mehl-Mülhens-Rennen ist noch schwerer, größter Außenseiter im Feld.

Fajjaj (Trainer Hugo Palmer/Jockey Frankie Dettori): Verlor zuletzt überraschend als Favorit über 2000 Meter in Windsor, vielleicht war die Distanz dann doch zu weit. Zweijährig ein gutes Pferd mit Debütsieg in Ascot und Platz 4 in den Sumerville Stakes (Gruppe 3) in Newmarket. Diese Form wurde deutlich aufgewertet: der Sieger Elarqam wurde Dritter in den englischen 2000 Guineas, der Zweite Tip Two Win belegte dort sogar Platz 2. Das verspricht einiges, unterschätzen sollte man den Ritt von Frankie Dettori nicht.

Fighting Irish (Trainer Harry Dunlop/Jockey Ioritz Mendizabal): Zweijährig drei Erfolge bei sechs Starts, darunter ein Gruppe 2-Rennen in Maisons Laffitte gegen zwei Gegner. In diesem Jahr 5. in den Greenham Stakes über 1400 und 4. (aber disqualifiziert wegen zu wenig Gewicht) in Ascot (Gruppe 3) über 1200 Meter. In beiden Rennen wirkte der Camelot-Sohn nicht zwingend. Die 1600 Meter sind Neuland, aber als Nachkomme eines Stehers sollte ihm die Distanz entgegenkommen. Andere Kandidaten überzeugen aber mehr.



So war es vor drei Jahren: Karpino aus dem Quartier von Andreas Wöhler siegte überlegen. Leider hatte dieser so veranlagte Hengst danach wenig Glück.

Julio (Trainer Mario Hofer/Jockey Alexander Pietsch): Einer der besten Zweijährigen in Deutschland, gute dritte Plätze auf Gruppe 3-Ebene in Saint Cloud und Baden-Baden, dazu Siege in den Auktionsrennen in Köln und Baden-Baden. Jahresdebüt, sein Trainer Mario Hofer hält die Meile für die Maximal-Distanz. Aber ein Kandidat mit viel Galoppiervermögen, sehr gute Möglichkeiten, wenn er topfit ist.

Kronprinz (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Sieger im Dr. Busch-Memorial in Krefeld, hatte dabei die besten Reserven gegen Weltstar, All for Arthur, Ninario und Wild Max, die er am Montag alle wiedertrifft. Auch zweijährig mit starken Leistungen in den Auktionsrennen in Düsseldorf (1.) und München (3.). Nachgenannt, chancenreich.

Ninario (Trainerin Yasmin Almenräder/Jockey Mickael Berto): Noch sieglos, aber lief schon gegen gute Gegner sehr passable Rennen. Auch die Vorstellung als Vierte im Busch-Memorial (knapp hinter All for Arthur) war nicht schlecht, ohne eine Siegchance zu haben. Vielleicht ist ja noch Luft nach oben.

Weltstar (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): Konnte als einziger Kronprinz im Dr. Busch-Memorial folgen. Nach seinem guten Debüt enttäuschte er im letztjährigen Krefelder Ratibor-Rennen auf sehr weichem Boden. Formumkehr gegen Kronprinz ist möglich, der Halbbruder des letztjährigen Derbysiegers Windstoß sollte mitmischen.

Wild Max (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Jozef Bojko): Die letzte Form im Busch-Memorial war enttäuschend, aber der Hengst des Stalles Australia ist durch eine in der Startbox zugezogene Verletzung entschuldigt. Vorher gute Leistungen im Winterfavoriten (3.) und beim siegreichen Dortmunder Debüt. Pferd mit Potenzial nach oben, aber die Steigerung wird er in Köln auch brauchen.

Zaman (Trainer Charles Appleby/Jockey William Buick): Zweimal am Start zu Beginn des Jahres in Meydan, davon einmal siegreich und einmal Zweiter. Als Zweijähriger fünfmal gelaufen, unter anderem zweitplatziert in Goodwood (Gr.2) hinter Expert Eye (der die Vorschusslorbeeren bislang nicht einlöste). Auch Platz 4 (hinter Gustav Klimt) in den Superlative Stakes (Gr.2) in Newmarket liest sich gut. Die besten Formen im Feld, der Stall ist zudem in sehr guter Verfassung. Ein harter Brocken für alle, der Favorit.

Urteil
Zaman aus dem Godolphin-Quartier setzt den Standard. Da könnten die deutschen Pferde das Nachsehen haben. Nicht unterschätzten sollte man den englischen Gast Fajjaj, der einiges noch in Petto haben könnte. Von der heimischen Armada gefällt mir Julio am besten, es folgen Kronprinz, Weltstar und Wild Max, der die schwache Krefelder Form revidieren sollte.



Mittwoch, 9. Mai 2018
Oriental Eagle oder der Zauber des Start-Ziel-Sieges
Ihn hatte keiner so richtig auf der Rechnung. Am Ende aber war Oriental Eagle der große Gewinner im Kölner Gerling-Preis. Und verwies die vorher hochgehandelten Rivalen wie Colomano, Derby-Sieger Windstoß, Walsingham, Veneto, Instigator und Favorit Dschingis Secret auf die Plätze. Ein tolles Rennen: Weil der Sieger von der Spitze aus triumphierte. Solche Erfolge mag der Kolumnist.

Leider war ich am Sonntag nicht auf der Rennbahn in Köln und weiß daher nicht, wie die Stimmung nach dem Gerling-Preis war. Doch oft ist es nach Außenseiter-Erfolgen ziemlich still auf der Bahn, eine Mischung aus Ungläubigkeit und Ärger. Viele Wetter sind enttäuscht, weil sie den Sieger nicht auf dem Schein hatten bzw. er ihnen die Kombiwetten kaputt gemacht hat. Aber es war eine grandiose Prüfung mit einem tollen Sieger. Es gab lukrative Quoten: Oriental Eagle zahlte 179:10 auf Sieg, wer ihn über die Franzosen von PMU gespielt hatte, wurde sogar noch höher belohnt und durfte sich über die unglaubliche Platz-Quote von 274: 10 freuen.
So recht hatte es dem Auenqueller niemand zugetraut. Oriental Eagle war zwar im letzten Jahr klassischer Sieger im Dortmunder St. Leger über weite 2800 Meter. Doch die Gegner am Sonntag waren mit das Beste, was es in Deutschland über 2400 Meter gab: Dschingis Secret, Galopper des Jahres und gut genug als chancenreiches Pferd in den Arc zu gehen, der Derbysieger Windstoß oder der Union Triumphator Colomano, das starke Trio aus dem Markus Klug-Quartier. Dazu kamen noch der Aufsteiger Veneto und die talentierten Walsingham und Instigator, die vierjährig erst so richtig aufblühen sollen. Für Oriental Eagle schien im Vorfeld nur die Rolle des Hasen vorgesehen, den die Verfolger dann in der Zielgerade überlaufen werden.
Von wegen: Die „Rennmaschine“ (so nennt ihn sein Trainer Jens Hirschberger) stiefelte wie in Dortmund und Baden-Baden von vorne sein Pensum runter, Jockey Lukas Delozier ließ Oriental Eagle richtig treten. Das Beste aber: Als alle schon dachten, jetzt hat ihn Colomano auf der Zielgerade passiert, zog der nach außen an die Rails gedriftete Campanologist-Sohn noch mal gewaltig an und siegte mit einer dreiviertel Länge. Ganz großes Kino.
Nichts wirkt spektakulärer als ein Sieg von der Spitze. Faszinierend, wenn ein Pferd seine Gegner quasi aus den Hufen galoppiert. Das Publikum liebt Frontrenner. Wenn ich mit Leuten Pferderennen schaue, die nicht so in dem Sport drin sind, sind die immer ganz begeistert, wenn ein Pferd Start-Ziel triumphiert. Am besten noch, wenn der lange Führende schon passiert ist, aber dieser noch mal anzieht und gewinnt.
Es gibt und gab großartige Frontrenner im Rennsport: Etwa der englische Top-Steher Big Orange, der überragende Sprinter Harry Angel, der einstige Cheltenham Gold Cup-Sieger Coneygree. In Deutschland denke ich an den großartigen Power Flame, in England bezauberte die schnelle Stute Lochsong, die ihre Rennen aus der Startbox gewann.

Johnston, Fanning und Oriental Fox
Manche Jockeys sind für diesen Rennstil besonders geeignet: In England war das früher Richard Hills, der es meisterhaft verstand, von vorne das Tempo zu machen. Einer meiner Lieblingsjockeys ist immer noch Joe Fanning, gefühlt seit ewigen Zeiten Mitglied des Mark Johnston-Teams. Die Pferde von Johnston laufen gerne an der Spitze – und Fanning ist der ideale Mann, so eine Prüfung von vorne nach Hause zu reiten. „Es ist schwer, an Pferden von Mark Johnston vorbeizukommen, wenn sie erstmal an der Spitze sind“, lautet eine Weisheit des englischen Rennsports.
Eine indirekte Verbindung zu Mark Johnston besitzt auch Oriental Eagle. Sein Bruder Oriental Fox ist ein großer Steher, den Johnston betreut. Zehn Jahre ist er inzwischen, im letzten Jahr war er noch aktiv.
Auch bei Oriental Eagle dauerte es, bis der Knoten platzte. Erst im neunten Versuch gewann er seine erste Prüfung, immerhin war er mehrfach hinter guten Gegnern platziert. Der Durchbruch kam, als er im Badener Auktionsrennen die Kontrahenten „müde“ galoppierte und dabei sein Stehvermögen ausspielen konnte.
Dann kam das St. Leger und der Kolumnist hätte ihm diesen Sieg nie zugetraut. Aber Oriental Eagle entpuppte sich als zäher Bursche, der seinen Platz gegen Deutschlands Steher-Elite vehement verteidigte. „In England würde man so eine Vorstellung „gutsy“ nennen, die Experten würden diese Leistung in höchsten Tönen preisen“, schrieb diese Kolumne damals.
Über Winter hat sich der Campanologist-Sohn noch mal deutlich verbessert. Der Sieg gegen Deutschlands beste Pferde über 2000 Meter und mehr – von denen eigentlich nur Iquitos fehlte – beweist das. Jetzt geht es weiter auf diese Route, im Großen Preis der Badischen Wirtschaft soll der nächste Streich folgen. Für die Quote von 179:10 wird Oriental Eagle dabei definitiv nicht mehr an den Start gehen. Jede Wette.



Immer prominent platziert: Lochsong distanziert ihre Gegner im Ayr Gold Cup 1992.



Donnerstag, 3. Mai 2018
Die Lehren des Bavarian Classic
Spannendes Rennen, guter Derby-Test: Das Bavarian Classic am 1. Mai in München lieferte interessante Hinweise für das Saison-Highlight am ersten Juli-Sonntag in Hamburg. Royal Youmzain gewann überzeugend und auch die Pferde dahinter versprechen einiges für die Zukunft. Die Analyse und ein erster Ausblick auf das Deutsche Derby 2018 mit einem mutigen Tipp.

Der Sieg des klaren Favoriten Royal Youmzain fiel nicht überlegen aus: Eine halbe Länge war der Wöhler-Schützling vor dem Zweiten Jimmu, Emerald Master und Salve Del Rio als Dritter und Vierter waren keine 1,5 Längen geschlagen. Die Art des Erfolges imponierte jedoch: Es dauerte etwas, bis Eddie Pedroza den Sieger in Schwung brachte, aber dann zog Royal Youmzain noch gut an. Der Sieg war sicherer als es die Abstände aussagten.
Der Münchener Start war das Jahresdebüt, der Lauf wird den Hengst mit der markanten weißen Blesse weiter nach vorne gebracht haben. Die 400 Meter längere Strecke in Hamburg sollte ihm zudem noch besser passen. Nach Abstammung dürften die 2400 Meter kein Problem sein: Vater Youmzain – auch schon im Besitz von Jaber Abdullah – war ein Top-Pferd auf der klassischen 2400 Meter-Distanz, unter anderem drei Mal Zweiter im Arc und dreijährig Sieger im Kölner Preis von Europa. Bruder Saglawy wird trainiert vom irischen Top-Hindernistrainer Willie Mullins und gefiel zuletzt als Dritter in einem Gruppe 1-Hürdenrennen in Punchestown.
Eine starke Leistung als Zweiter bot Jimmu aus dem aktuell sehr erfolgreichen Stall von Henk Grewe. „Wir freuen uns über diesen tollen Erfolg und gehen die klassische Derby-Route weiter“, lautete der Eintrag auf der Stall-Facebook-Seite. Die Prüfung in München war der erste in Deutschland, die zwei Formen vorher aus Frankreich waren sehr ansprechend. Dennoch musste der Schimmel des Stalles Energy noch mal einen Sprung bewältigen, den er beeindruckend schaffte. Es war ein beherzter Ritt von Jockey Clement Lecoeuvre aus dem Vordertreffen, Stehvermögen über 2400 Meter sollte der Dalakhani-Sohn aus einer Samum-Tochter haben.
Emerald Master lief unter Alexander Pietsch von der Spitze ein glänzendes Rennen, zog Mitte der Geraden noch mal gut an. Wie der Sieger war Emerald Master schon ein sehr guter Zweijähriger, der unter anderem auf schweren Boden über 2000 Meter in Saint Cloud gewann. Sein Trainer Mario Hofer war jedenfalls sehr zufrieden. Stehvermögen sollte vorhanden sein.

Empfehlung für einen Außenseiter
Spät noch sehr gut in die Partie fand der Carvalho-Schützling Salve Del Rio. Auch er lief wie ein Pferd, das sich auf längeren Strecken weiter verbessern kann. Dahinter landete Refuseeveryoffer, der ebenfalls Boden zum Schluss gut machte, dennoch deutlich hinter der Spitzengruppe landete. Dies war erst sein zweiter Lebensstart, Steigerung sollte bei ihm wie auch bei Theo drin sein. Beide Pferde haben jedoch keine Derbynennung, müssten also nachgenannt werden.
Zu den Enttäuschungen zählten die beiden Markus Klug-Schützlinge Star Max und Valajani, die wie der Schiergen-Starter Holding Court ohne Chance blieben. Eher ernüchternd war auch die Leistung von Giuri: Der Motivator-Sohn mischte lange mit, zum Schluss aber fehlten die Reserven. Dabei hatten die Wetter den Ritt von Filip Minarik deutlich stärker eingeschätzt als den Stallgefährten Salve Del Rio.
Wenn jemand einen krummen Tipp für das Deutsche Derby haben möchte, dem empfehle ich Capone aus dem Quartier von Sascha Smrczek. Der ist zwar noch sieglos, endete am Maifeiertag in Hannover in einem Sieglosenrennen über 2000 Meter als Dritter hinter Aldenham und Ernesto. Capone wirkte noch reichlich ungeschliffen und kam erst ins Rollen, als das Rennen schon fast zu Ende war.
Natürlich reicht das nicht für das Derby, derzeit wäre der Halbbruder von Colomano noch nicht mal qualifiziert, aber bis Hamburg sind es ja noch zwei Monate. Außerdem mag ich seinen Vater Nathaniel, bei dem es auch etwas dauerte, bis der Groschen gefallen war. Wer jetzt den Kopf schüttelt, sei daran erinnert: Diese Kolumne empfahl im letzten Jahr auch den späteren Derby-Dritten Rosenpurpur, der im Mai 2017 auch noch längst nicht alle Karten aufgedeckt hatte.