Von A wie Almenräder bis Z wie Zschache: Die Stallparade kompakt der Sport-Welt ist seit einigen Wochen da. Die wichtigsten Turf-Trainer stellen ihre Pferde der Saison 2018 vor. Da werden Erinnerungen wach, aber lohnt sich der Kauf der CD?
Die Stallparaden der Sport-Welt: Früher war mal das etwas, das einen durch den trüben Sandbahn-Winter half. Manchmal habe ich das Fachblatt nur wegen der Stallparade gekauft, wenn etwa die Pferde eines Top-Trainers wie des unvergessenen Heinz Jentzsch vorgestellt wurden.
Das war in den 90er Jahren, diese Zeiten sind lange vorbei. Zum einen, weil beim Kolumnisten im Winter der Hindernissport im Vordergrund steht und der deutsche Sandbahnsport weniger interessiert, zum anderen brauche ich nicht mehr unbedingt die Sport-Welt, um mich über den Rennsport zu informieren. Internet und Smartphone mit ihren Gratis-Infos haben auch der Traditionszeitung ordentlich zugesetzt.
Die Stallparaden interessieren aber immer noch. Zu diesem Zweck möchte ich aber nicht jedes Mal eine Mal eine Sport-Welt erwerben. Zumal selbst in der Großstadt Dortmund mit einer Rennbahn und einer durchaus treuen Fangemeinde das Blatt in immer weniger Läden erhältlich ist. Deshalb kann der Interessent seit einigen Jahren zum durchaus zivilen Preis von 14,90 Euro eine CD erwerben. Stallparade kompakt heißt das Ding, Untertitel „die wichtigsten Trainer und ihre Pferde der Saison 2018.“
So eine Stallparade ist immer ein Zeitdokument. Und die Ausgabe 2018 zeigt den Abwärtstrend im deutschen Turf deutlich. Alles wurde weniger: Rennen, Rennbahnen, Pferde und eben auch Trainer. Musste ein Trainer früher 15 Rennen gewinnen, reichen heute fünf Siege, damit ihn ein Sport-Welt-Mitarbeiter besucht.
Mehr Nutzwert
Weitere Änderung: Seit einigen Jahren stufen die Trainer ihre Pferde nach gewissen Kriterien ein. Diese sind Bodenvorlieben, Distanz, Perspektiven und Besonderheiten. Beim großartigen Wonnemond aus dem Quartier des Düsseldorfer Trainers Sascha Smrczek steht da etwa: Bodenvorlieben: gut bis weich, Distanz: 1600 Meter, Perspektiven: Grupperennen, gleiche Route wie 2017, debütiert am 8. April in Düsseldorf in der Kalkmann Frühjahrs-Meile (bekanntlich erfolgreich), Besonderheiten: Unglaublich speedstark, unkompliziert.
Dieses Schema erhöht den Nutzwert für den Leser deutlich, wenn er denn etwa für seine Wettdispositionen auf die Daten der Stallparade zurückgreifen möchte. Nachteil: Es wirkt monotoner, das Lesen wird dauerhaft eintöniger.
Ein wenig vermisse ich die alte Form, in denen ohne Vorgaben die Pferde kommentiert wurden. Das führte dann manchmal zu reichlich wilder Prosa, sehr euphemistisch, bei manchem Trainer war jeder gutgezogener Dreijähriger ein potenzieller klassischer Sieger. Früher war es Ende November immer ein großer Spaß, die aufbewahrten und angegilbten Stallparaden aus dem Frühjahr noch mal heraus zu kramen und zu schauen, welche große Hoffnung dann doch nur im Ausgleich 4 landete.
Heute ist alles reglementierter, auch die Einleitungstexte sind weit weniger anbiedernd als früher. Viele Texte sind sehr informativ, wenn auch nicht floskelfrei. Kritik gegenüber Trainern (oder generell Aktiven) vermeidet die Sport-Welt weitgehend, aber da ist sie im Turf nicht alleine: Auch Racing Post oder Sporting Life agieren da nicht anders.
Lohnt sich also der Erwerb der Stallparade 2018?
Im Prinzip ja. Man könnte jetzt schön über die Wertigkeit der Trainer-Kommentare streiten. Denn brutal ehrlich ist da niemand in seiner Leistungseinschätzung. Verständlich: Denn kein Trainer möchte seinen Besitzer vergraulen, wenn dessen teuer erworbener Vollblüter sich als eher langsam entpuppt. Manche Aussagen sind dann auch reichlich flüchtig. Aber generell verschafft die Stallparade kompakt einen guten Überblick über die Mehrzahl der in Deutschland trainierten Pferde.
Das Ende einer toller Karriere: Hindernispferd Cue Card geht in den Ruhestand. Das Pferd von Trainer Colin Tizzard und Besitzerin Jean Bishop war der Publikumsliebling der letzten Jahre im englischen Hindernissport. Oder wie man dort sagt: a people’s horse.
März 2018 Cheltenham: „Hoffentlich war es das jetzt“, dachte ich nach dem Lauf von Cue Card. In der Ryanair Chase hatte Jockey Paddy Brennan den Wallach angehalten, schon früh war klar, dass er diese Grade 1-Prüfung nicht zum zweiten Mal in seiner Karriere gewinnen würde. Trainer Colin Tizzard wirkte geschockt, doch eine Entscheidung wollte er noch nicht treffen. In dieser Woche kam diese dann: Cue Card beendet mit 12 Jahren seine großartige Laufbahn. Damit geht eines der profiliertesten Pferde der letzten Jahre im englischen Hindernissport in den Ruhestand. Ein Pferd, das seit 2010 immer irgendwie dazugehörte.
Einen Monat zuvor – im Februar 2018 in der Betfair Ascot Chase – blitzte noch mal die alte Klasse auf. Cue Card lief ein famoses Rennen und lieferte dem halb so alten Waiting Patiently einen hartnäckigen Kampf. Am Ende setzte sich der junge Herausforderer durch, aber die Öffentlichkeit feierte den Zweiten gleichfalls frenetisch. „Nicht siegreich, nicht sein zehnter Grade 1-Erfolg, aber vielleicht seine größte Stunde“, jubelte Racing UK-Moderator Nick Luck.
Komischerweise habe ich nie eine Wette mit Cue Card getroffen. Das mag daran liegen, dass ich nicht gerne Favoriten wette, weil die Quote mir zu mickrig erscheint. Der Sohn von King’s Theatre ging häufig als Favorit an den Start. Wenn ich ihn dann doch mal getippt habe, dann hatte er einen schlechten Tag. Wie im Cheltenham Gold Cup 2016, als er fiel, bevor das Rennen entschieden wurde. Es ist ihm schon lange verziehen.
Trainer Colin Tizzard und seine besten Erinnerungen an Cue Card.
Stehaufmännchen
„Er war so gut zu uns“, sagte Colin Tizzard nicht nur einmal über seinen Stallcrack. „Er war das Pferd, das die Tizzards richtig auf die Landkarte brachte“, meint Jockey Richard Johnson.
Richtig erkannt vom Championjockey, der Cue Card nie ritt: Dass Colin Tizzard später erfolgreich Cracks wie Thistlecrack oder Native River trainierte und sein Stall immer größer wurde, verdankte er auch den Erfolgen von Cue Card.
Neun Grade 1-Siege feierte der Wallach – vom Erfolg im Cheltenham Bumper 2010 als 40:1-Außenseiter bis zum Erfolg in der Ascot Betfair Chase im Februar 2017. Über 1,4 Millionen Pfund Preisgeld erkämpfte er. Mich beeindruckte besonders sein Triumph in der King George Chase 2015, als er auf den letzten Metern noch Vautour abfing. Die Bahn bebte vor Begeisterung, es war ein gigantisches Duell zweier Top-Pferde. Ein paar Tage später verstarb Bob, Ehemann von Besitzerin Jean Bishop.
„Für den Hindernissport war Cue Card eine Rarität“, erklärt Cornelius Lysaght, Renn-Korrespondent der BBC. „Ein Pferd der Leute, hochtalentiert und einfach nur bewundert von der Öffentlichkeit.“ Aber es waren nicht nur die Erfolge und sein spektakulärer Laufstil von der Spitze, die das Publikum begeisterten. Cue Card kämpfte sich auch nach Verletzungen und Stürzen wieder zurück.
„Etwas, das ihn von anderen Pferden unterschied, war seine Fähigkeit zurückzukommen“, sagt sein langjähriger Erfolgsjockey Paddy Brennan. Und das innerhalb kürzester Zeit: Keine drei Wochen nach seinem Sturz im Cheltenham Gold Cup 2016 – der schlimmste Tag in seiner Karriere, so Brennan – deklassierte er Don Poli in der Aintree Bowl Chase. „Das war ein weiteres Markenzeichen dieses Pferdes: Die Zweifler verstummen zu lassen.“
Seinen Abschied von der Rennbahn wird Cue Card am letzten April-Samstag auf der Rennbahn in Sandown Park feiern. Noch einmal werden die Emotionen groß sein, doch danach sind ruhigere Zeiten angesagt. Bei den Tizzards, die ihm so viel verdanken.
Fünf Empfehlungen für das Grand National Meeting 2018
Das Grand National 2018 steht bevor, das zweite große Hindernismeeting in England. Im Mittelpunkt natürlich: das berühmte Grand National am Samstag, das größte Wettspektakel auf der Insel. Fünf Tipps für die drei Tage.
Es gab mal eine Zeit, da habe ich das National durchaus kritisch gesehen. Die Distanz zu lang, die Hindernisse zu schwer, die Zahl der Teilnehmer zu groß – Aspekte, die gegen das Rennen sprachen. Seit den Entschärfungen aus dem Jahr 2012 habe ich allerdings meinen Frieden gemacht. In den letzten Jahren haben meist sehr gute Pferde gewonnen, dazu gab es keine tödlichen Unfälle. Nichtsdestotrotz sind die Rennen über die National Fences (eines an jedem Renntag) immer noch eine besondere Herausforderung an Ross und Reiter.
Der letzte National-Erfolg für Trainer Nigel Twiston-Davies: Bindaree schlägt den tapferen What's Up Boys. Das war 2002
Die Tipps Blaklion (Trainer Nigel Twiston-Davies/Grand National): Nigel Twiston-Davies weiß, wie man das National gewinnt. Und mit Blaklion sattelt er auch in diesem Jahr einen veritablen Kandidaten. Sein Starter galt schon im letzten Jahr als chancenreich, lief lange sehr gut, wurde am Ende Vierter. Im November imponierte der eher schmächtige Wallach bei seinem Erfolg in der Becher Handicap Chase über den National-Kurs. Er lasse die National-Hindernisse „erscheinen wie Hürden“, sagt der ehemalige Top-Jockey und heutige Experte Mick Fitzgerald. Die schwache Form auf schwerem Boden in Haydock sei ihm verziehen. Trotz hohem Gewicht ein sehr chancenreicher Starter – trotz aller Unwägbarkeiten.
Dazu empfehle ich als chancenreiche Außenseiter Gas Line Boy (hat ebenfalls Form über den Kurs) und Seeyouatmidnight (im letzten Jahr wenig gelaufener Steher, der noch Reserven haben sollte). Das Grand National 2018
Mia’s Storm (Trainer Alan King, Mildway Novices‘ Chase): Toll gesteigerte Stute mit deutschem Vater, denn September Storm lief einst in den Ullmann-Farben. Ich mag es, wenn Pferde geschont nach Aintree kommen. So eine Kandidatin ist Mia’s Storm: Nach ihrem Sturz in Kempton in der Kauto Star Novices‘ Chase im Dezember, als sie als Mitfavoritin fiel, gab ihr Trainer King eine Pause. Davor aber imponierte die Stute mit Sprungtalent und Stehvermögen. In Bestform sollte sie Black Corton, Elegant Escape und Ballyoptic, die sie alle in Kempton traf, schlagen. Mildway Novices‘Chase
Scarlet Dragon (Trainer Alan King, Top Novices‘ Hurdle): Er war ein etwas verwegener Tipp für die Supreme Novices‘ Hurdle in Cheltenham, doch leider kam Scarlet Dragon nicht an den Start. Jetzt also Aintree – und vielleicht hat ihm die längere Pause gut getan. Der „Drache“ verfügt über sehr gute Flachklasse, gewann Top-Handicaps und war gruppenplatziert. Bei seinem Debüt in Kempton fand der Sir Percy-Sohn noch gut ins Rennen, nur der überlegenen Sieger Global Citizen war schon in Sicherheit. Den trifft er wieder und vielleicht kann der King-Schützling seinem damaligen Bezwinger diesmal schlagen. Natürlich gibt es auch andere gefährliche Gegner, aber das Rennen in Cheltenham war deutlich besser besetzt. Top Novices‘ Hurdle
Santini (Trainer Nicky Henderson, Sefton Novices‘ Hurdle): Wie Scarlet Dragon war Santini schon einer meiner Tipps für Cheltenham, doch er startete in der Albert Bartlett Novices‘ Hurdle. Dort lief der Milan-Sohn ein gutes Rennen, zum Sieg reichte es jedoch nicht. Vielleicht scheiterte er an fehlender Erfahrung, denn es war erst sein dritter Start. Dieser Start wird das Henderson-Pferd nach vorne gebracht haben, an seinem Stehvermögen gibt es keine Zweifel. Vielleicht dreht er ja den Spieß gegen den Stallgefährten OK Corral um. Sefton Novices‘ Hurdle
Ultragold (Trainer Colin Tizzard, Topham Chase): Im letzten Jahr war die Stallform von Trainer Colin Tizzard in Aintree überragend. Eine der größten Überraschungen war der Erfolg von 50:1-Chance Ultragold in der Topham Chase über die National Fences. Auch sein nächster Versuch im November 2017 über diesen einzigartigen Kurs endete erfolgreich: Platz 2 hinter Gas Line Boy. Über die schweren National-Hindernisse scheint der erfahrene Kapgarde-Sohn ein anderes Pferd zu sein. Die Formen danach waren nicht so gut und natürlich stellt die Topham Chase große Anforderungen, aber bei Kursen um 25:1 verdient der Tizzard-Schützling einen dicken Hinweis. Topham Chase