Donnerstag, 3. Mai 2018
Die Lehren des Bavarian Classic
Spannendes Rennen, guter Derby-Test: Das Bavarian Classic am 1. Mai in München lieferte interessante Hinweise für das Saison-Highlight am ersten Juli-Sonntag in Hamburg. Royal Youmzain gewann überzeugend und auch die Pferde dahinter versprechen einiges für die Zukunft. Die Analyse und ein erster Ausblick auf das Deutsche Derby 2018 mit einem mutigen Tipp.

Der Sieg des klaren Favoriten Royal Youmzain fiel nicht überlegen aus: Eine halbe Länge war der Wöhler-Schützling vor dem Zweiten Jimmu, Emerald Master und Salve Del Rio als Dritter und Vierter waren keine 1,5 Längen geschlagen. Die Art des Erfolges imponierte jedoch: Es dauerte etwas, bis Eddie Pedroza den Sieger in Schwung brachte, aber dann zog Royal Youmzain noch gut an. Der Sieg war sicherer als es die Abstände aussagten.
Der Münchener Start war das Jahresdebüt, der Lauf wird den Hengst mit der markanten weißen Blesse weiter nach vorne gebracht haben. Die 400 Meter längere Strecke in Hamburg sollte ihm zudem noch besser passen. Nach Abstammung dürften die 2400 Meter kein Problem sein: Vater Youmzain – auch schon im Besitz von Jaber Abdullah – war ein Top-Pferd auf der klassischen 2400 Meter-Distanz, unter anderem drei Mal Zweiter im Arc und dreijährig Sieger im Kölner Preis von Europa. Bruder Saglawy wird trainiert vom irischen Top-Hindernistrainer Willie Mullins und gefiel zuletzt als Dritter in einem Gruppe 1-Hürdenrennen in Punchestown.
Eine starke Leistung als Zweiter bot Jimmu aus dem aktuell sehr erfolgreichen Stall von Henk Grewe. „Wir freuen uns über diesen tollen Erfolg und gehen die klassische Derby-Route weiter“, lautete der Eintrag auf der Stall-Facebook-Seite. Die Prüfung in München war der erste in Deutschland, die zwei Formen vorher aus Frankreich waren sehr ansprechend. Dennoch musste der Schimmel des Stalles Energy noch mal einen Sprung bewältigen, den er beeindruckend schaffte. Es war ein beherzter Ritt von Jockey Clement Lecoeuvre aus dem Vordertreffen, Stehvermögen über 2400 Meter sollte der Dalakhani-Sohn aus einer Samum-Tochter haben.
Emerald Master lief unter Alexander Pietsch von der Spitze ein glänzendes Rennen, zog Mitte der Geraden noch mal gut an. Wie der Sieger war Emerald Master schon ein sehr guter Zweijähriger, der unter anderem auf schweren Boden über 2000 Meter in Saint Cloud gewann. Sein Trainer Mario Hofer war jedenfalls sehr zufrieden. Stehvermögen sollte vorhanden sein.

Empfehlung für einen Außenseiter
Spät noch sehr gut in die Partie fand der Carvalho-Schützling Salve Del Rio. Auch er lief wie ein Pferd, das sich auf längeren Strecken weiter verbessern kann. Dahinter landete Refuseeveryoffer, der ebenfalls Boden zum Schluss gut machte, dennoch deutlich hinter der Spitzengruppe landete. Dies war erst sein zweiter Lebensstart, Steigerung sollte bei ihm wie auch bei Theo drin sein. Beide Pferde haben jedoch keine Derbynennung, müssten also nachgenannt werden.
Zu den Enttäuschungen zählten die beiden Markus Klug-Schützlinge Star Max und Valajani, die wie der Schiergen-Starter Holding Court ohne Chance blieben. Eher ernüchternd war auch die Leistung von Giuri: Der Motivator-Sohn mischte lange mit, zum Schluss aber fehlten die Reserven. Dabei hatten die Wetter den Ritt von Filip Minarik deutlich stärker eingeschätzt als den Stallgefährten Salve Del Rio.
Wenn jemand einen krummen Tipp für das Deutsche Derby haben möchte, dem empfehle ich Capone aus dem Quartier von Sascha Smrczek. Der ist zwar noch sieglos, endete am Maifeiertag in Hannover in einem Sieglosenrennen über 2000 Meter als Dritter hinter Aldenham und Ernesto. Capone wirkte noch reichlich ungeschliffen und kam erst ins Rollen, als das Rennen schon fast zu Ende war.
Natürlich reicht das nicht für das Derby, derzeit wäre der Halbbruder von Colomano noch nicht mal qualifiziert, aber bis Hamburg sind es ja noch zwei Monate. Außerdem mag ich seinen Vater Nathaniel, bei dem es auch etwas dauerte, bis der Groschen gefallen war. Wer jetzt den Kopf schüttelt, sei daran erinnert: Diese Kolumne empfahl im letzten Jahr auch den späteren Derby-Dritten Rosenpurpur, der im Mai 2017 auch noch längst nicht alle Karten aufgedeckt hatte.



Donnerstag, 26. April 2018
Stallparade kompakt: Im Prinzip empfehlenswert
Von A wie Almenräder bis Z wie Zschache: Die Stallparade kompakt der Sport-Welt ist seit einigen Wochen da. Die wichtigsten Turf-Trainer stellen ihre Pferde der Saison 2018 vor. Da werden Erinnerungen wach, aber lohnt sich der Kauf der CD?

Die Stallparaden der Sport-Welt: Früher war mal das etwas, das einen durch den trüben Sandbahn-Winter half. Manchmal habe ich das Fachblatt nur wegen der Stallparade gekauft, wenn etwa die Pferde eines Top-Trainers wie des unvergessenen Heinz Jentzsch vorgestellt wurden.
Das war in den 90er Jahren, diese Zeiten sind lange vorbei. Zum einen, weil beim Kolumnisten im Winter der Hindernissport im Vordergrund steht und der deutsche Sandbahnsport weniger interessiert, zum anderen brauche ich nicht mehr unbedingt die Sport-Welt, um mich über den Rennsport zu informieren. Internet und Smartphone mit ihren Gratis-Infos haben auch der Traditionszeitung ordentlich zugesetzt.
Die Stallparaden interessieren aber immer noch. Zu diesem Zweck möchte ich aber nicht jedes Mal eine Mal eine Sport-Welt erwerben. Zumal selbst in der Großstadt Dortmund mit einer Rennbahn und einer durchaus treuen Fangemeinde das Blatt in immer weniger Läden erhältlich ist. Deshalb kann der Interessent seit einigen Jahren zum durchaus zivilen Preis von 14,90 Euro eine CD erwerben. Stallparade kompakt heißt das Ding, Untertitel „die wichtigsten Trainer und ihre Pferde der Saison 2018.“
So eine Stallparade ist immer ein Zeitdokument. Und die Ausgabe 2018 zeigt den Abwärtstrend im deutschen Turf deutlich. Alles wurde weniger: Rennen, Rennbahnen, Pferde und eben auch Trainer. Musste ein Trainer früher 15 Rennen gewinnen, reichen heute fünf Siege, damit ihn ein Sport-Welt-Mitarbeiter besucht.



Mehr Nutzwert
Weitere Änderung: Seit einigen Jahren stufen die Trainer ihre Pferde nach gewissen Kriterien ein. Diese sind Bodenvorlieben, Distanz, Perspektiven und Besonderheiten. Beim großartigen Wonnemond aus dem Quartier des Düsseldorfer Trainers Sascha Smrczek steht da etwa: Bodenvorlieben: gut bis weich, Distanz: 1600 Meter, Perspektiven: Grupperennen, gleiche Route wie 2017, debütiert am 8. April in Düsseldorf in der Kalkmann Frühjahrs-Meile (bekanntlich erfolgreich), Besonderheiten: Unglaublich speedstark, unkompliziert.
Dieses Schema erhöht den Nutzwert für den Leser deutlich, wenn er denn etwa für seine Wettdispositionen auf die Daten der Stallparade zurückgreifen möchte. Nachteil: Es wirkt monotoner, das Lesen wird dauerhaft eintöniger.
Ein wenig vermisse ich die alte Form, in denen ohne Vorgaben die Pferde kommentiert wurden. Das führte dann manchmal zu reichlich wilder Prosa, sehr euphemistisch, bei manchem Trainer war jeder gutgezogener Dreijähriger ein potenzieller klassischer Sieger. Früher war es Ende November immer ein großer Spaß, die aufbewahrten und angegilbten Stallparaden aus dem Frühjahr noch mal heraus zu kramen und zu schauen, welche große Hoffnung dann doch nur im Ausgleich 4 landete.
Heute ist alles reglementierter, auch die Einleitungstexte sind weit weniger anbiedernd als früher. Viele Texte sind sehr informativ, wenn auch nicht floskelfrei. Kritik gegenüber Trainern (oder generell Aktiven) vermeidet die Sport-Welt weitgehend, aber da ist sie im Turf nicht alleine: Auch Racing Post oder Sporting Life agieren da nicht anders.

Lohnt sich also der Erwerb der Stallparade 2018?
Im Prinzip ja. Man könnte jetzt schön über die Wertigkeit der Trainer-Kommentare streiten. Denn brutal ehrlich ist da niemand in seiner Leistungseinschätzung. Verständlich: Denn kein Trainer möchte seinen Besitzer vergraulen, wenn dessen teuer erworbener Vollblüter sich als eher langsam entpuppt. Manche Aussagen sind dann auch reichlich flüchtig. Aber generell verschafft die Stallparade kompakt einen guten Überblick über die Mehrzahl der in Deutschland trainierten Pferde.



Freitag, 20. April 2018
Cue Card: Ein Held der Rennbahn geht
Das Ende einer toller Karriere: Hindernispferd Cue Card geht in den Ruhestand. Das Pferd von Trainer Colin Tizzard und Besitzerin Jean Bishop war der Publikumsliebling der letzten Jahre im englischen Hindernissport. Oder wie man dort sagt: a people’s horse.

März 2018 Cheltenham: „Hoffentlich war es das jetzt“, dachte ich nach dem Lauf von Cue Card. In der Ryanair Chase hatte Jockey Paddy Brennan den Wallach angehalten, schon früh war klar, dass er diese Grade 1-Prüfung nicht zum zweiten Mal in seiner Karriere gewinnen würde. Trainer Colin Tizzard wirkte geschockt, doch eine Entscheidung wollte er noch nicht treffen. In dieser Woche kam diese dann: Cue Card beendet mit 12 Jahren seine großartige Laufbahn. Damit geht eines der profiliertesten Pferde der letzten Jahre im englischen Hindernissport in den Ruhestand. Ein Pferd, das seit 2010 immer irgendwie dazugehörte.
Einen Monat zuvor – im Februar 2018 in der Betfair Ascot Chase – blitzte noch mal die alte Klasse auf. Cue Card lief ein famoses Rennen und lieferte dem halb so alten Waiting Patiently einen hartnäckigen Kampf. Am Ende setzte sich der junge Herausforderer durch, aber die Öffentlichkeit feierte den Zweiten gleichfalls frenetisch. „Nicht siegreich, nicht sein zehnter Grade 1-Erfolg, aber vielleicht seine größte Stunde“, jubelte Racing UK-Moderator Nick Luck.
Komischerweise habe ich nie eine Wette mit Cue Card getroffen. Das mag daran liegen, dass ich nicht gerne Favoriten wette, weil die Quote mir zu mickrig erscheint. Der Sohn von King’s Theatre ging häufig als Favorit an den Start. Wenn ich ihn dann doch mal getippt habe, dann hatte er einen schlechten Tag. Wie im Cheltenham Gold Cup 2016, als er fiel, bevor das Rennen entschieden wurde. Es ist ihm schon lange verziehen.


Trainer Colin Tizzard und seine besten Erinnerungen an Cue Card.

Stehaufmännchen
„Er war so gut zu uns“, sagte Colin Tizzard nicht nur einmal über seinen Stallcrack. „Er war das Pferd, das die Tizzards richtig auf die Landkarte brachte“,
meint Jockey Richard Johnson.
Richtig erkannt vom Championjockey, der Cue Card nie ritt: Dass Colin Tizzard später erfolgreich Cracks wie Thistlecrack oder Native River trainierte und sein Stall immer größer wurde, verdankte er auch den Erfolgen von Cue Card.
Neun Grade 1-Siege feierte der Wallach – vom Erfolg im Cheltenham Bumper 2010 als 40:1-Außenseiter bis zum Erfolg in der Ascot Betfair Chase im Februar 2017. Über 1,4 Millionen Pfund Preisgeld erkämpfte er. Mich beeindruckte besonders sein Triumph in der King George Chase 2015, als er auf den letzten Metern noch Vautour abfing. Die Bahn bebte vor Begeisterung, es war ein gigantisches Duell zweier Top-Pferde. Ein paar Tage später verstarb Bob, Ehemann von Besitzerin Jean Bishop.
„Für den Hindernissport war Cue Card eine Rarität“, erklärt Cornelius Lysaght, Renn-Korrespondent der BBC. „Ein Pferd der Leute, hochtalentiert und einfach nur bewundert von der Öffentlichkeit.“ Aber es waren nicht nur die Erfolge und sein spektakulärer Laufstil von der Spitze, die das Publikum begeisterten. Cue Card kämpfte sich auch nach Verletzungen und Stürzen wieder zurück.
„Etwas, das ihn von anderen Pferden unterschied, war seine Fähigkeit zurückzukommen“, sagt sein langjähriger Erfolgsjockey Paddy Brennan. Und das innerhalb kürzester Zeit: Keine drei Wochen nach seinem Sturz im Cheltenham Gold Cup 2016 – der schlimmste Tag in seiner Karriere, so Brennan – deklassierte er Don Poli in der Aintree Bowl Chase. „Das war ein weiteres Markenzeichen dieses Pferdes: Die Zweifler verstummen zu lassen.“
Seinen Abschied von der Rennbahn wird Cue Card am letzten April-Samstag auf der Rennbahn in Sandown Park feiern. Noch einmal werden die Emotionen groß sein, doch danach sind ruhigere Zeiten angesagt. Bei den Tizzards, die ihm so viel verdanken.