Freitag, 20. April 2018
Cue Card: Ein Held der Rennbahn geht
Das Ende einer toller Karriere: Hindernispferd Cue Card geht in den Ruhestand. Das Pferd von Trainer Colin Tizzard und Besitzerin Jean Bishop war der Publikumsliebling der letzten Jahre im englischen Hindernissport. Oder wie man dort sagt: a people’s horse.

März 2018 Cheltenham: „Hoffentlich war es das jetzt“, dachte ich nach dem Lauf von Cue Card. In der Ryanair Chase hatte Jockey Paddy Brennan den Wallach angehalten, schon früh war klar, dass er diese Grade 1-Prüfung nicht zum zweiten Mal in seiner Karriere gewinnen würde. Trainer Colin Tizzard wirkte geschockt, doch eine Entscheidung wollte er noch nicht treffen. In dieser Woche kam diese dann: Cue Card beendet mit 12 Jahren seine großartige Laufbahn. Damit geht eines der profiliertesten Pferde der letzten Jahre im englischen Hindernissport in den Ruhestand. Ein Pferd, das seit 2010 immer irgendwie dazugehörte.
Einen Monat zuvor – im Februar 2018 in der Betfair Ascot Chase – blitzte noch mal die alte Klasse auf. Cue Card lief ein famoses Rennen und lieferte dem halb so alten Waiting Patiently einen hartnäckigen Kampf. Am Ende setzte sich der junge Herausforderer durch, aber die Öffentlichkeit feierte den Zweiten gleichfalls frenetisch. „Nicht siegreich, nicht sein zehnter Grade 1-Erfolg, aber vielleicht seine größte Stunde“, jubelte Racing UK-Moderator Nick Luck.
Komischerweise habe ich nie eine Wette mit Cue Card getroffen. Das mag daran liegen, dass ich nicht gerne Favoriten wette, weil die Quote mir zu mickrig erscheint. Der Sohn von King’s Theatre ging häufig als Favorit an den Start. Wenn ich ihn dann doch mal getippt habe, dann hatte er einen schlechten Tag. Wie im Cheltenham Gold Cup 2016, als er fiel, bevor das Rennen entschieden wurde. Es ist ihm schon lange verziehen.


Trainer Colin Tizzard und seine besten Erinnerungen an Cue Card.

Stehaufmännchen
„Er war so gut zu uns“, sagte Colin Tizzard nicht nur einmal über seinen Stallcrack. „Er war das Pferd, das die Tizzards richtig auf die Landkarte brachte“,
meint Jockey Richard Johnson.
Richtig erkannt vom Championjockey, der Cue Card nie ritt: Dass Colin Tizzard später erfolgreich Cracks wie Thistlecrack oder Native River trainierte und sein Stall immer größer wurde, verdankte er auch den Erfolgen von Cue Card.
Neun Grade 1-Siege feierte der Wallach – vom Erfolg im Cheltenham Bumper 2010 als 40:1-Außenseiter bis zum Erfolg in der Ascot Betfair Chase im Februar 2017. Über 1,4 Millionen Pfund Preisgeld erkämpfte er. Mich beeindruckte besonders sein Triumph in der King George Chase 2015, als er auf den letzten Metern noch Vautour abfing. Die Bahn bebte vor Begeisterung, es war ein gigantisches Duell zweier Top-Pferde. Ein paar Tage später verstarb Bob, Ehemann von Besitzerin Jean Bishop.
„Für den Hindernissport war Cue Card eine Rarität“, erklärt Cornelius Lysaght, Renn-Korrespondent der BBC. „Ein Pferd der Leute, hochtalentiert und einfach nur bewundert von der Öffentlichkeit.“ Aber es waren nicht nur die Erfolge und sein spektakulärer Laufstil von der Spitze, die das Publikum begeisterten. Cue Card kämpfte sich auch nach Verletzungen und Stürzen wieder zurück.
„Etwas, das ihn von anderen Pferden unterschied, war seine Fähigkeit zurückzukommen“, sagt sein langjähriger Erfolgsjockey Paddy Brennan. Und das innerhalb kürzester Zeit: Keine drei Wochen nach seinem Sturz im Cheltenham Gold Cup 2016 – der schlimmste Tag in seiner Karriere, so Brennan – deklassierte er Don Poli in der Aintree Bowl Chase. „Das war ein weiteres Markenzeichen dieses Pferdes: Die Zweifler verstummen zu lassen.“
Seinen Abschied von der Rennbahn wird Cue Card am letzten April-Samstag auf der Rennbahn in Sandown Park feiern. Noch einmal werden die Emotionen groß sein, doch danach sind ruhigere Zeiten angesagt. Bei den Tizzards, die ihm so viel verdanken.



Donnerstag, 12. April 2018
Fünf Empfehlungen für das Grand National Meeting 2018
Das Grand National 2018 steht bevor, das zweite große Hindernismeeting in England. Im Mittelpunkt natürlich: das berühmte Grand National am Samstag, das größte Wettspektakel auf der Insel. Fünf Tipps für die drei Tage.

Es gab mal eine Zeit, da habe ich das National durchaus kritisch gesehen. Die Distanz zu lang, die Hindernisse zu schwer, die Zahl der Teilnehmer zu groß – Aspekte, die gegen das Rennen sprachen. Seit den Entschärfungen aus dem Jahr 2012 habe ich allerdings meinen Frieden gemacht. In den letzten Jahren haben meist sehr gute Pferde gewonnen, dazu gab es keine tödlichen Unfälle. Nichtsdestotrotz sind die Rennen über die National Fences (eines an jedem Renntag) immer noch eine besondere Herausforderung an Ross und Reiter.



Der letzte National-Erfolg für Trainer Nigel Twiston-Davies: Bindaree schlägt den tapferen What's Up Boys. Das war 2002

Die Tipps
Blaklion (Trainer Nigel Twiston-Davies/Grand National): Nigel Twiston-Davies weiß, wie man das National gewinnt. Und mit Blaklion sattelt er auch in diesem Jahr einen veritablen Kandidaten. Sein Starter galt schon im letzten Jahr als chancenreich, lief lange sehr gut, wurde am Ende Vierter. Im November imponierte der eher schmächtige Wallach bei seinem Erfolg in der Becher Handicap Chase über den National-Kurs. Er lasse die National-Hindernisse „erscheinen wie Hürden“, sagt der ehemalige Top-Jockey und heutige Experte Mick Fitzgerald. Die schwache Form auf schwerem Boden in Haydock sei ihm verziehen. Trotz hohem Gewicht ein sehr chancenreicher Starter – trotz aller Unwägbarkeiten.
Dazu empfehle ich als chancenreiche Außenseiter Gas Line Boy (hat ebenfalls Form über den Kurs) und Seeyouatmidnight (im letzten Jahr wenig gelaufener Steher, der noch Reserven haben sollte).
Das Grand National 2018

Mia’s Storm (Trainer Alan King, Mildway Novices‘ Chase): Toll gesteigerte Stute mit deutschem Vater, denn September Storm lief einst in den Ullmann-Farben. Ich mag es, wenn Pferde geschont nach Aintree kommen. So eine Kandidatin ist Mia’s Storm: Nach ihrem Sturz in Kempton in der Kauto Star Novices‘ Chase im Dezember, als sie als Mitfavoritin fiel, gab ihr Trainer King eine Pause. Davor aber imponierte die Stute mit Sprungtalent und Stehvermögen. In Bestform sollte sie Black Corton, Elegant Escape und Ballyoptic, die sie alle in Kempton traf, schlagen.
Mildway Novices‘Chase

Scarlet Dragon (Trainer Alan King, Top Novices‘ Hurdle): Er war ein etwas verwegener Tipp für die Supreme Novices‘ Hurdle in Cheltenham, doch leider kam Scarlet Dragon nicht an den Start. Jetzt also Aintree – und vielleicht hat ihm die längere Pause gut getan. Der „Drache“ verfügt über sehr gute Flachklasse, gewann Top-Handicaps und war gruppenplatziert. Bei seinem Debüt in Kempton fand der Sir Percy-Sohn noch gut ins Rennen, nur der überlegenen Sieger Global Citizen war schon in Sicherheit. Den trifft er wieder und vielleicht kann der King-Schützling seinem damaligen Bezwinger diesmal schlagen. Natürlich gibt es auch andere gefährliche Gegner, aber das Rennen in Cheltenham war deutlich besser besetzt.
Top Novices‘ Hurdle

Santini (Trainer Nicky Henderson, Sefton Novices‘ Hurdle): Wie Scarlet Dragon war Santini schon einer meiner Tipps für Cheltenham, doch er startete in der Albert Bartlett Novices‘ Hurdle. Dort lief der Milan-Sohn ein gutes Rennen, zum Sieg reichte es jedoch nicht. Vielleicht scheiterte er an fehlender Erfahrung, denn es war erst sein dritter Start. Dieser Start wird das Henderson-Pferd nach vorne gebracht haben, an seinem Stehvermögen gibt es keine Zweifel. Vielleicht dreht er ja den Spieß gegen den Stallgefährten OK Corral um.
Sefton Novices‘ Hurdle

Ultragold (Trainer Colin Tizzard, Topham Chase): Im letzten Jahr war die Stallform von Trainer Colin Tizzard in Aintree überragend. Eine der größten Überraschungen war der Erfolg von 50:1-Chance Ultragold in der Topham Chase über die National Fences. Auch sein nächster Versuch im November 2017 über diesen einzigartigen Kurs endete erfolgreich: Platz 2 hinter Gas Line Boy. Über die schweren National-Hindernisse scheint der erfahrene Kapgarde-Sohn ein anderes Pferd zu sein. Die Formen danach waren nicht so gut und natürlich stellt die Topham Chase große Anforderungen, aber bei Kursen um 25:1 verdient der Tizzard-Schützling einen dicken Hinweis.
Topham Chase



Dienstag, 10. April 2018
Warum auch in Liverpool alle Klopp mögen
Natürlich drückt diese Kolumne dem ehemaligen BVB-Trainer Klopp Jürgen Klopp heute Abend die Daumen: Das Rückspiel im Champions League-Viertelfinale gegen Pep Guardiolas Manchester City steht an. Auch in Liverpool herrscht große Euphorie – zumindest bei allen, die ein rotes Herz haben.

Das 3:0 des FC Liverpool im Hinspiel hatte die Fußballwelt verzückt. Auch wenn das Spiel noch nicht entschieden ist, stehen die Chancen sehr gut, dass die Reds das Halbfinale erreichen. Jürgen Klopp hat es auch in Liverpool geschafft, einen alten Traditionsklub wiederzubeleben. Ähnlich wie in Dortmund hat er einen ganzen Klub – Spieler, Verantwortliche, Fans – euphorisiert.
Seine Mannschaft präsentiert den vielleicht mitreißendsten Fußball derzeit. Wie in Dortmund hat er viele Spieler besser gemacht, auch beim FC Liverpool spielen viele Akteure den besten Fußball ihres Lebens.
Dazu kommt die persönliche Art des Trainers. Klopp geht auf die Menschen zu, schätzt die Tradition des Vereins und ist einfach ein netter und witziger Typ. „Jürgen Klopp, der Menschenfänger“, titelte der Berliner Tagesspiegel. Eigentlich wollte ich einen längeren Text über den Trainer schreiben, aber dieser Artikel aus dem Jahr 2015 ist immer noch sehr aussagekräftig.
Und dann habe ich dieses Video auf youtube entdeckt: Jürgen Klopp bowlt mit den älteren Damen und Herren des Holy Trinity Bowling Clubs. Er hat diesen Sport mal als Austauschschüler in England gespielt und jetzt hat ihn die Neugier wieder gepackt. Auch bei den Bowling-Aktiven begeistert er mit seiner unkomplizierten Art, macht ein paar Witze und beantwortet die Fragen zum FC Liverpool ausführlich.
Wie er Mitspielerin Lesley herzt, als wenn er sie schon ewig kennen würde. Ganz großes Kino, die Dame geht immerhin seit 56 Jahren zum FC Liverpool und hat seit 40 Jahren eine Dauerkarte.
Ein ganz normaler Typ, die Damen und Herren des Clubs sind beeindruckt. Und deshalb mögen sie ihn auch in England: Weil er mit dem Herzen dabei ist. Überall.