Sonntag, 11. März 2018
Acht Pferde für den großen Cheltenham-Moment
Spannung, Verzückung, Ekstase oder Ärger – für Freunde des Hindernissports beginnt ab Dienstag der Ausnahmezustand. Das Cheltenham Festival 2018 steht vor der Tür. Die besten Hindernispferde aus England und Irland treffen sich in Cheltenham. Autor Ulrich König hat sich acht Pferde ausgesucht, auf die er mit besonderem Interesse blickt. Und nicht nur, weil er sie wettet.

Black Corton (Trainer Paul Nicholls, RSA Chase): Einer der Aufsteiger der Saison, von seinen 10 Starts über die großen Hindernisse gewann er acht Mal, zwei Mal belegte er den zweiten Platz. Wer Black Corton sagt, der muss spätestens jetzt Bryony Frost nennen. Die Reiterin war bislang eine der Entdeckungen der englischen Hindernissaison und versteht sich mit ihrem vierbeinigen Partnern blendend. Oft wirkt das so, als wenn diese für Frost noch mal einen Gang zulegen würden. Black Corton hat Stamina ohne Ende, mag Cheltenham (schon zweimal dort gewonnen) und kann sowohl weichen als auch guten Boden. Und er hat Bryony im Sattel.

Cue Card (Trainer Colin Tizzard, Ryanair Chase): Cue Card gehört schon fast zum Inventar des englischen Hindernissports, seit er 2010 den Cheltenham Festival Bumper gewann. Trainer Colin Tizzard verdankt dem Wallach einiges, voller Stolz spricht er über seinen Schützling. Über eine Million Pfund Preisgeldern erkämpfte der 12jährige Cue Card bislang in seiner grandiosen Karriere. Und Cheltenham wird beben, wenn der King’s Theatre-Sohn in der Ryanair-Case siegen würde. Gänsehaut-Momente wie zuletzt, als er in der Ascot Chase gegen Waiting Patiently ein großartiges Rennen lief und nach hartem Kampf unterlag. Das war seine beste Form seit langem, in Cheltenham ist die Bilanz aber eher wechselhaft. Zudem wäre für Cue Card weicher Boden von Vorteil.

Lil Rockefeller (Trainer Neil King, Stayers Hurdle): Es gibt offensichtlichere Kandidaten in der Stayers Hurdle als Lil Rockefeller. Aber wer den eisenharten Schützling von Neil King unterschätzt, ist selber schuld. So wie der Kolumnist im letzten Jahr, als Lil Rockefeller zum Kurs von 34:1 lange Zeit wie der Sieger aussah und nur Nichols Canyon unterlag. In der Stayers Hurdle 2018 wird er wahrscheinlich zu einem ebenfalls hohen Kurs starten. Der Wallach ist an guten Tagen ein eisenharter Kämpfer, an dem die Konkurrenten erstmal vorbeikommen müssen. Eines dieser Pferde, die den Puls auf Hochtouren bringen. Und daher die Empfehlung für eine kleine Wette. Sieg und Platz.

Mister Whitaker (Trainer Mike Channon, Brown Advisory Plate oder Close Brothers Novice Handicap Chase): Eigentlich kennt die Turf-Welt Mike Channon eher als Trainer von Flachpferden. Aber nachdem Trainerin Henrietta Knight ihre Lizenz zurückgab, betreut ihr Nachbar Channon auch einige Hindernispferde. Knight jedoch spielt dabei eine große Rolle und so strahlten Channon und die ehemalige Betreuerin von Gold Cup-Sieger Best Mate im Januar in Cheltenham um die Wette: Ihr Schützling Mister Whitaker hatte gerade am sogenannten Trials Day eine bemerkenswerte Vorstellung abgeliefert. Souverän siegte er in der Timeform Novices Chase und empfahl sich für bessere Aufgaben. Wo er in Cheltenham laufen wird, steht noch nicht endgültig fest. Denn Mister Whitaker hat noch Nennungen in der Brown Advisory Plate am Donnerstag als auch in der Close Brothers Novice Handicap Chase am Dienstag. Ein Hinweis ist er aber wert, auch wenn die Handicaps des Cheltenham Festivals hart umkämpft sind und ich in solchen Rennen ungerne frische Sieger spiele. Aber dies ist ein Kandidat mit weiteren Reserven.

My Tent Or Yours (Trainer Nicky Henderson, Champion Hurdle): Nicky Henderson sattelt mit Buveur D’Air den klaren Favoriten in der Champion Hurdle. Das wissen auch die Bookies, entsprechend tief steht der Sieger von 2017 im Kurs. Alternativen? Nicht unbedingt für den Sieg, aber für Ita oder Wetten ohne den Favoriten gibt es einen Kandidaten. My Tent Or Yours kommt ebenfalls aus dem Henderson-Quartier. 11 Jahre alt ist der Desert Prince-Sohn inzwischen: Vier Mal lief er beim Cheltenham-Festival, jedes Mal rannte er auf Platz 2. Dreimal davon in der Champions Hurdle – im letzten Jahr hinter dem Stallgefährten. Das zeigt schon Konstanz und Klasse, nur ein Siegertyp ist er nicht unbedingt. In diesem Jahr kommt das Pferd mit dem komischen Namen aber als frischer Sieger und wenig strapaziert ins Rennen. Im Dezember besiegte er The New One in der International Hurdle in Cheltenham.



Dreimal Zweiter in der Champion Hurdle: My Tent Or Yours, hier 2016 hinter der Siegerin Annie Power

Samcro (Trainer Gordon Elliott, Ballymore Novices Hurdle): Er ist der Newcomer in Irland, der allen imponierte. Samcro ist noch ungeschlagen in Hürden- und Flachrennen, die Erfolge fielen alle ungemein leicht aus. Der Sohn des einstigen deutschen Top-Pferdes Germany wird wahrscheinlich in der Ballymore Novice Hurdle starten. Sein Kurs ist entsprechend niedrig, aber der Schützling von Gordon Elliott ist auch mehr ein Pferd zum Genießen als zum Wetten. Vielleicht werden wir einen künftigen Super-Star der Hindernis-Szene bewundern.

Santini (Trainer Nicky Henderson, Albert Bartlett Novices Hurdle): Einer meiner Favoriten der Saison 2017/2018 – und nicht nur deshalb, weil er mir zweimal schöne Wetttreffer bescherte. Zwei Starts, zwei Erfolge in Newbury und Cheltenham und in beiden Rennen lief der Milan-Sohn wie ein Routinier mit viel Stehvermögen. Das war auf weichem bzw. schwerem Boden, sein Trainer Nicky Henderson sagt allerdings, dass er auf gutem Boden noch besser sei. Der weitere Weg in der Albert Bartlett wird ihm liegen, aller guten Dinge sind also drei.

Scarlet Dragon (Trainer Alan King, Supreme Novices Hurdle): Mein Außenseiter-Mumm für die Supreme Novices Hurdle zum Festival-Auftakt. Scarlet Dragon verfügt über sehr gute Flachklasse, gewann Top-Handicaps und war gruppenplatziert. Jetzt ist Alan King sein Trainer, das Hürden-Debüt in der Grade 2-Dovecote Hurdle in Kempton sah vielversprechend aus. Nach etwas unsicherem Beginn fand der Sir Percy-Sohn gut ins Rennen, nur der überlegenen Sieger Global Citizen war schon in Sicherheit. Die Supreme Novice Hurdle wird immer von sehr guten Pferden gewonnen und ist auch in diesem Jahr gespickt mit hoffnungsvollen Kandidaten. Die Favoriten Getabird und Kalashnikov haben deutlich bessere Vorformen, aber Scarlet Dragon wird sein Debüt noch steigern. Definitiv.

Dieser Text ist bereits am Freitag im Racebets-Blog erschienen.



Dienstag, 27. Februar 2018
Gegen den modernen Profifußball
Es war ein Bild voller Tristesse und erinnerte an längst vergessene Zeiten: Leere Plätze auf der Dortmunder Südtribüne, der berühmten gelben Wand. Und auch mancher Sitzplatz auf den anderen Tribünen blieb unbesetzt. Nur 54 300 Zuschauer wollten zu ungewohnter Zeit am Montagabend das 1:1 zwischen Borussia Dortmund den FC Augsburg sehen, viele Dauerkarten-Inhaber blieben zuhause.

Die meisten – dazu zählte auch der Kolumnist – fehlten aus Protest: Sie drückten auf diese Weise ihr Unbehagen gegen den Spieltermin Montag, gegen immer mehr Spieltermine in der Bundesliga und damit gegen den modernen Profifußball mit seinen Kommerz-Exzessen aus. „Die Einführung von Montagsspielen auch in Liga 1 ist ein weiterer großer Schritt hin zum Ausverkauf des Fußballs und der negative Höhepunkt der sukzessiven Spieltags-Zerstückelung in den vergangenen Jahren“, erklärte das Bündnis Südtribüne und rief zum Boykott des Spieles auf. Über 350 BVB-Fanclubs schlossen sich an.
Allerdings: Es war nicht viel ruhiger als in den letzten Heimspielen. Denn schon gegen Wolfsburg, Freiburg und dem HSV brodelte die Stimmung nicht gerade über, auch die Südtribüne mit den „besten Fans der Welt“ wirkte sehr zurückhaltend.
Ein Grund ist der aktuell grauenhafte Fußball der Borussia. Dabei holen die Dortmunder Punkte, sind unter Peter Stöger in der Bundesliga noch ungeschlagen. Aber es ist „Gruselfußball mit Glücksfaktor“, wie es ein User im Schwatzgelb-Forum nannte.
Das Spiel gegen Augsburg war das beste Beispiel: Der BVB hatte gefühlt 70 Prozent Ballbesitz, spielte Querpass, Rückpass, aber wenn das Anspiel in die Spitze erfolgte, landete der Ball beim Gegner. Zwei gute Spielzüge gab es in Halbzeit 1, einer führte zum Tor durch Marco Reus.
Nach dem 1:0 brachten die Schwarz-Gelben lange Zeit keine gescheite Offensiv-Aktion mehr zustande, das 1:1 verdiente sich der FC Augsburg. Es zeigt das aktuell schlechte Niveau der Bundesliga, dass Dortmund mit diesem Rumpelfußball noch oben mitmischt. So viele Punkte mit so wenig Fußball.

Genug ist genug
Aber es ist nicht nur der aktuelle Dortmunder Folterfußball, der mein Interesse am Profifußball stark reduziert. Eigentlich gehört die Bundesliga seit frühester Kindheit zum Samstagnachmittag, aber inzwischen hat das Interesse deutlich abgenommen. Auch die ARD-Sportschau gucke ich nur noch halbherzig, das ZDF-Sportstudio schalte ich eigentlich nur noch ein, wenn Dortmund um 18:30 gekickt hat. Zudem musste ich mich in letzter Zeit regelrecht zwingen, trotz Dauerkarte überhaupt ins Stadion zu gehen.
Dieser Dauer-Kommerz nervt gewaltig, es geht nur noch um Geld. Auch früher klagten viele Fans darüber, dass Fußball nur noch ein Geschäft sei. Aber inzwischen ist der Profifußball an einem Punkt angelangt, an dem er viele seine Anhänger anekelt. Der Bundesliga-Spieltag mit seinem inzwischen bis zu sechs Terminen, um möglichst viel aus den Fernsehverträgen zu erwirtschaften, ist da nur ein Beispiel.
Jetzt kommt natürlich das Argument, dass ohne lukrative Fernsehverträge Deutschlands Club in Europa chancenlos sind. Das sind sie leider bis auf Bayern München jetzt schon, zumal in Deutschland ja keine russischen Oligarchen oder orientalische Scheichs dank 50+1-Regelung Klubs besitzen. Aber diese Regelung ist ja schon in der Diskussion.
Irgendwann wird die Bundesliga nur noch im Pay-TV laufen (die Champions League findet ab der nächsten Saison bereits dort statt), der Fan muss drei oder vier Abos haben, um alles verfolgen zu können. Dem Rest bleiben Zusammenfassungen am Montagabend auf irgendeinem Spartensender.
Dabei wird die Bundesliga jetzt schon immer schlechter und langweiliger. Bayern München wird auch in den nächsten Jahren Ende März frühzeitig als Meister feststehen, aber vielleicht kommt mal irgendwann eine TV-Anstalt auf die Idee, dass die Liga so viel Geld nicht wert ist. Schwer vorstellbar? In Italien gab es diese Situation jetzt. Und die Klubs der Serie A machten dicke Backen. Mal sehen, wann in Deutschland die Ernüchterung kommt.



You’ll never walk alone im Dortmunder Signal Iduna Park. Auf der Südtribüne stehen die Besucher reichlich luftig, der Augsburger Gästeblock ist fast leer.



Donnerstag, 22. Februar 2018
12 Teams kämpfen um den Turf-Champion
Championship Horse Racing heißt eine neue Serie in England, die ab 2019 neue Zielgruppen für den Turf begeistern soll. Die Resonanz in der Turfwelt ist überwiegend negativ. Auch der Kolumnist hat so seine Zweifel. Aber die Serie soll ja auch neue Freunde unseres Lieblingssports anlocken.

Das Konzept: Zwölf gesponserte Firmenteams laufen in einer Serie an acht Donnerstagen auf verschiedenen Gruppe 1-Rennkursen um die Wette. Termin soll der Frühsommer sein, alle Rennen werden im TV übertragen. Sechs Handicaps mit je 12 Pferden stehen auf dem Programm, jede Prüfung ist dotiert mit mehr als 100.000 Pfund. Ein Team besteht aus 30 Pferden, einem Trainer und vier Jockeys.
Gewertet wird nach einem Punktesystem wie in der Formel 1. 25 Punkte erhält der Sieger eines Rennen bzw. sein Team, selbst ein zehnter Platz wird noch mit einem Punkt belohnt. Eine Tabelle zeigt Erfolg bzw. Misserfolg. Am Ende wird es dann einen Champion geben.
Der Initiator steht natürlich hinter seinem Konzept. „Die Zuschauer werden Fans werden und sich mit den Marken identifizieren wie nie zuvor“, meint Jeremy Wray, verantwortlich bei Championship Horse Racing. „Wir müssen Stars für den Sport und sein Prestige aufbauen", so Wray weiter. Das sei einfacher mit Personen wie Trainern und Jockeys als mit Pferden.
Hintergrund: Auch der englische Rennsport tut sich schwer, Sponsoren zu gewinnen. Die Serie sei da eine neue Chance. Eben wie die Formel 1 biete sie unter anderem, so ihr Chef, Exklusivität und permanente TV-Präsenz.

Kritik und Häme
Wie darf ich mir nun das vorstellen? Team BMW tritt gegen Team Vodafone und weitere zehn Mannschaften an, die alle Firmennamen tragen. (Die Namen der Sponsoren sind natürlich alle fiktiv). Die Zuschauer jubeln dann, wenn ihre Truppe die Nase vorn hat. Wie beim Fußball – nur das die Liebe zwischen den Fans und ihren Klubs eine andere als die zu einem Wirtschaftsunternehmen ist. Obwohl die besten Fußball-Vereine ebenfalls hochkapitalistische Profitunternehmen sind.
Die Turf-Gemeinde reagiert vorwiegend mit Kritik und Häme. „Dumme Idee“, „die Teamsport-Idee auf den Turf zu übertragen ist eine Katastrophe“ undundund – Ausschnitte aus der Diskussion im englischen Theracingforum. Auch in den sozialen Netzwerken wie Facebook stößt das Konzept auf wenig Zustimmung.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass so eine Serie in der Praxis Erfolg hat. Pferderennen haben ihren eigenen Charakter, unter anderem weil sie von Lebewesen bestritten werden. Mich stört zum Beispiel, dass die Pferde als Motoren gesehen werden. Dabei sind sie es, die Erfolg oder Misserfolg ausmachen. Ebenso schwer denkbar: Zuschauer identifizieren sich kurzfristig mit Team und Sponsor und feuern diese an.
Aber wie gesagt: Ich bin nicht die Zielgruppe. Vielleicht gibt es ja wirklich Leute, die das toll finden.



Ganz so neu ist das mit dem Team-Wettbewerb im Turf nicht: Seit 1999 gibt es den Shergar Cup, der seit 2000 in Ascot stattfindet. Sein Vorbild ist der Ryders Cup der Golfer, seit 2012 kämpfen vier verschiedene Jockey-Teams - England/Irland, Europa, Rest der Welt, Frauen – um die Trophäe, die den berühmten Galopper zeigt (Foto Ascot Racecourse).