Freitag, 1. Dezember 2017
Coneygree auf Denmans Spuren
Es war die älteste Sponsorship im Rennsport: Über 60 Jahre lang lief das Rennen unter dem Namen Hennessy Gold Cup, Namensgeber war der bekannte Spirituosenhersteller. Doch nichts währt ewig: 2017 sprang Wettmulti Ladbrokes in die Bresche, die Prüfung heißt jetzt Ladbrokes Trophy Chase. Das muss der Beobachter erst mal verinnerlichen. Doch das Jagdrennen in Newbury, Samstag, 16:00 Uhr, bleibt einer der Höhepunkte der englischen Hindernissaison. nurpferdeundfussball über wichtige Starter und ihre Chancen 2017.



Das legendäre Rennen aus dem Jahre 2007: Denman triumphiert mit Höchstgewicht, sein Jockey Sam Thomas reitet den Kurs noch einmal nach.

In der Siegerliste tauchen klangvolle Namen auf: Arkle, Denman, Bobs Worth oder Many Clouds zum Beispiel, acht Mal gewann der Newbury-Erste zudem den Cheltenham Gold Cup, immer noch das Prestigerennen im National Hunt-Kalender.
Ein solcher Sieger führt das Feld in der Ladbrokes Trophy Chase 2017 an: Coneygree beeindruckte als Novice im Cheltenham Gold Cup 2015, verblüffte Konkurrenten und Zuschauer von der Spitze aus. Das war eine grandiose Leistung und viele dachten, das überragende Pferd der nächsten Jahre gesehen zu haben.
Doch Coneygree fiel danach verletzt aus, kam nach einem Pflichtsieg im Oktober 2015 nur noch zu drei Starts. Viel von seinem alten Vermögen zeigte der Schützling von Trainer Mark Bradstock im April 2017 im Punchestown Gold Cup, als er Sizing John und Djakadam (Erster und Vierter im Cheltenham Gold Cup 2017) nur knapp unterlag. Zuletzt wurde er in Wetherby angehalten, ein Grund soll die blendende Sonne gewesen sein. Jetzt kann er sich rehabilitieren und dem Halbbruder Carruthers (Sieger 2011) folgen. Beim Thema Frontrunner werden Erinnerungen an Denman wach, der ebenfalls mit Höchstgewicht 2007 und 2009 die Nase vorn hatte.
Das zweithöchste Gewicht im Feld trägt Whisper: Das Pferd aus dem Nicky Henderson-Quartier war schon ein sehr guter Hürdler, in der letzten Saison avancierte er auch zum Top-Neuling über die schweren Sprünge. Zwei zweite Plätze hinter dem Stallgefährten Might Bite in den führenden Grade 1-Prüfungen in Cheltenham und Aintree sind Empfehlungen genug, auch der knappe Erfolg gegen Clan Des Obeaux (der danach in Haydock eine Graduation Chase gewann) zum Saisonauftakt in Kempton sah gut aus. Handicaps mit hohem Gewicht gegen erfahrene Gegner sind aber eine andere Kategorie.
Favorit im Wettmarkt ist jedoch Total Recall, trainiert von Willie Mullins in Irland. Der Wallach präsentierte sich bei seinem ersten Start für Mullins deutlich verbessert und gewann leicht das Munster National in Limerick gegen den guten Alpha Des Obeaux. Die Formen vorher für Sandra Hughes waren weniger aufregend, für den niedrigen Kurs würde ich ihn nicht wetten. Zudem hat Meistertrainer Mullins keine gute Bilanz in dieser Prüfung.
Diese Aussage gilt generell für Teilnehmer aus Irland, der letzte irische Sieg datiert aus dem Jahr 1980. A Genie in Abottle wird das aber wenig stören, mir gefallen die Formen des Sechsjährigen deutlich besser als die von Total Recall. In diesem Jahr ist er nach zwei Erfolgen in Wexford (Listenrennen) und Galway noch ungeschlagen, in der letzten Saison war der Beneficial-Sohn einer der besseren irischen Novices über die Jagdsprünge. Trainer Noel Meade und Jockey Sean Flanagan hoffen auf ein schnell gelaufenes Rennen, das wird ihr Schützling wahrscheinlich bekommen.

Stamina
Hoch gehandelt wird weiterhin American. Der Sohn von Malinas – einst trainiert von Peter Schiergen in Köln und Zweiter im Deutschen Derby 2004 – ist nach drei Starts über die Jagdsprünge noch ungeschlagen und gilt in seinem Quartier als „zerbrechlich“, aber „hochtalentiert“. So richtig erkannt ist er noch nicht, seine Erfolge in Uttoxeter und Warwick fielen sehr überzeugend aus. Es ist der erste Saisonstart, das Rennen war der lang gehegte Plan. Harry Fry, sein smarter Trainer, schickt häufig auf den Punkt vorbereitete Pferde an den Start, sein niedriger Kurs symbolisiert das jedoch auch.
Singlefarmpayment hatte im letzten Jahr eine starke Saison, seine beste Form war ein zweiter Platz in der Ultima Handicap Chase während des Cheltenham-Festivals. Dort unterlag er nur mit einem kurzen Kopf Un Temps Pour Tout; auch der Saisonauftakt als Zweiter in Cheltenham hinter Cogry, den er am Samstag günstiger im Gewicht wiedertrifft, war ordentlich. Auch dieser Teilnehmer würde nach Aussage seines Trainers Tom George von einem schnellen Rennen profitieren.
Eben jener Cogry wurde in dieser Woche durchaus bei den Bookies gehandelt. Der Wallach galt einmal als etwas unsicherer Springer, doch in den letzten Rennen – Sieg in Cheltenham, Ende April Zweiter im Scottish National – war davon wenig zu sehen. Seine Handicapmarke ist entsprechend gestiegen, aber als Außenseiter zu einem guten Kurs ist er eine Empfehlung wert. Zumal er reichlich Stamina hat.
Vyta Du Roc ist nach Whisper der zwei Vertreter aus dem Nicky Henderson-Stall. Der Auftakt in einem Hürden-Handicap in Aintree war in Ordnung, die Bilanz über die schweren Sprünge ist gemischt. Aber die letzte Form in Sandown im April 2017 war stark, auch Vyta Du Roc besitzt offenbar viel, viel Stehvermögen.
Bryony Frost war in den letzten Wochen eine der Entdeckungen der bisherigen Saison. Die Auszubildende und Tochter des einstigen Jockeys Jimmy Frost feierte tolle Erfolge: Wie sie mit Present Men in der Badger Ales Trophy den routinierten (und großartigen) Jockey Leighton Aspell im Endkampf knapp besiegte, war große Jockeyship. Mit Present Men tritt sie wieder an. Ob sie nochmal Samstag gewinnt mit dem Nicholls-Pferd, da habe ich so meine Zweifel. Aber niemanden wird mehr strahlen als Bryony Frost und alle werden sich mit ihr freuen.

Urteil
So ein gutbesetztes Handicap mit Höchstgewicht zu gewinnen, ist eine schwierige Sache. Aber ein Coneygree in Bestform kann das schaffen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Frontrenner diese Prüfung für sich entscheidend. Die Konkurrenz ist gewaltig: Singlefarmpayment und A Genie in Abottle sind die gefährlichsten Gegner.



Freitag, 24. November 2017
Der letzte Flach-Feiertag des Jahres
Wenn in Deutschland die Sandbahn-Tristesse Einzug hält und der Kolumnist schon längst dem geliebten englischen Hindernissport frönt, dann kommt der Japan Cup. Ein später Höhepunkt der Flachsaison, ausgetragen am letzten Sonntag (26.11., 7:40 Uhr unserer Zeit) im November. Noch mal ein Gruppe 1-Rennen über 2400 Meter, dotiert mit satten 575.340.000 japanischen Yen (umgerechnet etwas mehr als 4,36 Mio. Euro) Preisgeld. Mit dabei sind – wie schon 2016 und 2015 – zwei deutsche Pferde: Guignol und Iquitos, dazu als weiterer europäischer Gast Idaho aus Irland. Die Vorschau.

Es ist ein grandioses Spektakel auf der Rennbahn in Tokio. Eine Musikkapelle spielt, der Lärm ist ohrenbetäubend, die Zuschauer rasen regelrecht vor Aufregung. Von wegen asiatische Zurückhaltung, die Rennbahn hat eine Kapazität von über 200 000 Zuschauern und ist die Größte der Welt.

Die Favoriten
Kitasan Black steht am niedrigsten bei den Bookies. Das ist der Vorjahressieger, der zuletzt auch auf dieser Bahn gewann. Danach folgt der dreijährige Rey de Oro, der japanische Derby-Sieger, zuletzt in einem Gruppe 2-Rennen erfolgreich. Das Pferd mit dem meisten Potenzial nach oben, hingegen ist Satono Crown schon bewährte Gruppe 1-Klasse. Der Gewinner der Hong Kong Vase 2016 war zuletzt aber zweimal hinter Kitasan Black. Von den japanischen Außenseiter überzeugt mich niemand so recht, dafür kenne ich die Szenerie dort aber zu wenig.



So war es im letzten Jahr: Kitasan Black hat die Nase vorn in toller Atmosphäre.

Die Europäer
Die Gäste aus Europa sind eher Außenseiter. Iquitos kennt den Kurs schon aus dem Vorjahr, verkaufte sich dort als Siebter nicht schlecht, ohne eine Siegchance zu haben. In diesem Jahr zeigte er viele gute Formen, die Vorstellung im Arc war respektabel, wo er mit viel Speed noch gut ins Rennen fand. Sein Trainer ist durchaus optimistisch.
Zweimal war Iquitos zuletzt in Baden-Baden und München hinter Guignol, den er in Tokio wiedersieht. Der Schützling von Trainer Jean-Pierre Carvalho hat sich in dieser Saison noch mal verbessert, gewann drei seiner fünf Starts. Der Cape Cross-Sohn läuft seine Rennen gerne von vorne, auch wenn er laut Jockey Filip Minarik nicht unbedingt an der Spitze gehen muss. Zwischen beiden deutschen Pferden liegt nicht viel, die Startboxen sind auch ganz günstig. Die japanische Konkurrenz ist aber gewaltig.
Ähnliches gilt für Idaho aus dem mächtigen Aidan O’Brien-Quartier. Im Arc war er knapp hinter Idaho, seine beste Form war der dritte Platz im King George hinter Enable und Ulysses. Zuletzt war er Vierter in den Canadian International Stakes in Woodbine.

Tradition
Seit 1981 gibt es diese Prestige-Prüfung, die Siegerliste zieren Vollblüter aus den USA, England, Frankreich, Neuseeland, Australien, Italien und Deutschland. 1995 triumphierte der Ittlinger Lando, trainiert von der Legende Heinz Jentzsch und geritten vom Südafrikaner Michael Roberts. Le Glorieux, Sieger 1987, stand in deutschem Besitz, wurde aber von Robert Collet in Frankreich vorbereitet. Seit 2006 hatten allerdings nur die einheimischen Pferde die Nase vorn, der japanische Turf hat sich mächtig verbessert.

Das Besondere
Zu jedem Starter gibt es detaillierte Informationen, fast täglich werden Trainer und Jockeys über den Zustand ihrer Pferde befragt. Das nenne ich große Transparenz, den Wetter nimmt man schon ernst in Asien. Allerdings haben Rennen immer noch ihre eigenen Gesetze. Dennoch sehr lobenswert



Mittwoch, 22. November 2017
Eine fette schwarz-gelbe Herbst-Depression
Es ist eine Zeit des Leidens. Wer Anhänger von Borussia Dortmund ist, weiß in diesem Herbst, was Demütigung heißt. Das 1:2 gegen Tottenham bedeutete nicht nur das sang- und klanglose Ausscheiden aus der Champions League, sondern setzte auch die Negativ-Serie der letzten Woche fort. Im Blickpunkt der Kritik steht Trainer Peter Bosz. Ich glaube nicht, dass er noch die Wende schafft.

Eigentlich glich das Spiel gegen Tottenham der Partie gegen Stuttgart – nur, dass die Engländer die deutlich bessere Mannschaft als die Schwaben sind. Wie schon gegen den VfB mit dem Alt-Dortmunder Hannes Wolf spielte der BVB eine ordentliche erste Halbzeit. Zumindest die erste halbe Stunde hatte Schwarz-Gelb alles im Griff.
Doch spätestens nach dem Ausgleich der Londoner durch Harry Kane kurz nach der Pause brach das Dortmunder Gefüge auseinander, zeigte die Borussia nichts mehr, wirkte auch konditionell nicht auf der Höhe – wie schon in Stuttgart. Individuelle Fehler machten es den Spurs leicht. Am Ende triumphierte mal wieder der Kollege Son, der schon zu HSV-Zeiten gegen den BVB manchmal zu großer Form auflief.
Die Dortmunder Mannschaft wirkt inzwischen von Spiel zu Spiel unsicherer, es wird jedes Mal schlimmer. Ein Team, das von den Namen sehr gut besetzt ist. Aber es passt derzeit nicht. Die Mannschaft agiert leblos und verkrampft. Von der Bank kommen keine Impulse.
Und damit sind wir bei Trainer Peter Bosz. Der Niederländer kam mit einigen Vorschusslorbeeren, seine Arbeit in den letzten Jahren bei Ajax Amsterdam sorgte für viel Anerkennung. Zu Beginn lief es ja auch sehr gut, der BVB legte einen großartigen Start in der Bundesliga hin, alle sprachen besonders nach den Siegen gegen Köln und Gladbach vom Dortmunder Spektakel.
Dass der FC in dieser Spielzeit eine Trümmersaison hinlegt und der Lauf der anderen Borussia einem Wellental gleicht – vergessen. Zudem bekam der BVB schon in der Champions League gegen Tottenham und Real Madrid die Grenzen aufgezeigt. Das waren Kontrahenten der Extra-Klasse, sie nutzten die offensive Ausrichtung der Borussia und die Lücken in der Defensive effektiv aus.

RB-Spiel der Knackpunkt
Das Elend begann richtig nach der Oktober-Länderspielpause. Das Spiel Dortmund gegen Leipzig war für objektive Zuschauer ein Wahnsinnsspektakel, aber RB – das in der ersten Halbzeit ganz stark spielte – nutzte die BVB-Schwächen konsequent. Hätte die Borussia aber die Chancen in Durchgang 2 genutzt, hätte sie gewonnen oder zumindest Remis gespielt.
Das Spiel gegen Leipzig war in meinen Augen der Wendepunkt. Von da an ging es abwärts, gegen Bayern war man trotz Chancenplus letztlich chancenlos. Nur ein Punkt in der Liga, dazu zwei enttäuschende Unentschieden in der Champions League gegen Apoel Nikosia sind eine niederschmetternde Bilanz. Der Pokalsieg gegen den Top-Drittligisten Magdeburg sorgt auch nicht für einen Stimmungswandel.
Die beiden Schlappen nach der erneuten Länderspielpause waren die nächsten Tiefpunkte. Peter Bosz und sein Team scheinen dem Team keine Impulse mehr zu geben. Der BVB ist einfach viel zu leicht zu schlagen.
In meinen Augen schafft der Trainer die Wende nicht mehr. Es gab auch zu Zeiten seiner Vorgänger Thomas Tuchel und Jürgen Klopp Krisenzeiten. Bei Klopp war es sogar mal ganz heftig in der Saison 14/15. Aber jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass Trainer und Team die Sache in den Griff bekommen.
Jetzt kommt das Derby gegen den derzeit mal wieder starken Revierrivalen Schalke 04. Selten ging die Borussia in dieses Duell mit so wenig Selbstvertrauen. Eigentlich kann es nur besser werden. Aber das habe ich schon vor dem Stuttgart-Spiel gedacht. Das Ergebnis ist bekannt.



Bei der schwarz-gelben Misere spendet Musik Trost: das gigantische November Rain von Gun's n' Roses