Mittwoch, 11. Oktober 2017
Ein Brief aus dem Jahr 1999
Was man nicht alles so auf seinem Computer findet: Dies ist ein Leserbrief aus dem Januar 1999, den ich per Fax an die Sport-Welt geschickt habe. Ob das Fachblatt den abgedruckt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ging es damals um die Präsentation der Telewette auf dem Fernsehsender n-tv, die manchmal ziemlich dilettantisch daherkam. Aufmerksame Leser werden schnell erkennen, dass manche Kritikpunkte heute immer noch akut sind. Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Allerdings muss man sagen, dass viele Sendungen der Telewette auch völlig problemlos liefen. Und es war ein großen Fehler, das Format 2003 nicht mehr fortzuführen. Der Niedergang beschleunigte sich. Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Sport-Welt-Redaktion,
natürlich sind alle dankbar, dass der Galopprennsport am Samstag regelmäßig in der n-tv-Telewette im Fernsehen zu sehen ist. Doch so langsam bin ich über die Art, wie der Turf dort präsentiert wird, mehr als verärgert. Was nicht an den Moderatoren liegt, die angesichts der zahllosen Pannen ihren Job noch erstaunlich gut verrichten und deren Gelassenheit ich nur bewundern kann.
Klassisches Beispiel war die Sendung am 9.1. aus Neuss: Nicht nur, dass es kurz nach Start des vierten Rennens wieder einmal den inzwischen fast schon obligatorischen Bildausfall gab.
Die Krönung geschah jedoch nach Start des 6. Rennens: Kurz nachdem die Pferde die Boxen verlassen hatten, verabschiedete sich n-tv. Und auf dem Bildschirm erschien nicht etwa ein Sprecher mit einer Nachricht, die die Welt in Atem hält - es kam Werbung!
Natürlich startete das Rennen durch diverse Verzögerungen an der Startstelle etwas später. Doch die n-tv-Verantwortlichen hätten sich wahrlich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie die rund drei Minuten noch auf Sendung geblieben werden. Zumal die Nachrichtenlage an diesem Samstag eher flau war.
Zum schlechten Gesamteindruck passen auch zahlreiche kleine Pannen, die sich wie ein roter Faden durch die Sendung ziehen. Darunter fallen zum Beispiel die häufig falsch geschriebenen Pferdenamen auf der Quotentafel. Von den nervigen, aber offensichtlich unvermeidlichen Spots der Buchmacher (einmal pro Sendung würde vollkommen reichen) und der Telewette, die auf Kosten der Information in der so und so viel zu knappen Sendezeit gehen, ganz zu schweigen.

Laien-TV
Natürlich sind das nur Banalitäten, die aber zum teilweise dilettantischen Gesamteindruck passen. In dieser Form ist die Sendung kein Aushängeschild für den Galopprennsport. Im Gegenteil - es entsteht sogar ein Imageschaden. Und ob durch die Sendung in dieser Form neue Zielgruppen gewonnen werden, bezweifle ich sehr.
Denn woher sollen Außenstehende die für den Turf notwendigen Informationen erhalten? So ist die Sendung nur etwas für Insider, die an diesem Tag nicht auf der Rennbahn oder beim Buchmacher sein können und durch die Unzulänglichkeiten dann noch verärgert werden.
Leider wird das Niveau, das zum Beispiel Channel 4 in England in seinen Sendungen bietet, in Deutschland nur Utopie bleiben. Bedingt auch durch die unterschiedliche Bedeutung des Turfs in den beiden Ländern.
Dass es aber anders geht, zeigen diverse (aber leider viel zu seltene) Übertragungen des WDR. Und gab auch einmal ein „Rennen der Woche“ in SAT 1 und später DSF (heute Sport1). Warum versuchen die Verantwortlichen diese Sendung nicht wiederzubeleben?
Inzwischen laufen auch Sportfischen und Sumo-Ringen auf diversen Sportkanälen. Da sollte es doch möglich sein, den Galopprennsport, dessen Fangemeinde doch weitaus höher ist, in einem adäquaten Umfeld zu zeigen.
Aber ab April soll ja offensichtlich in der Telewette alles besser werden. Ich lasse mich gerne positiv überraschen - allein mir fehlt der Glauben.


Mit freundlichen Grüßen




Dienstag, 3. Oktober 2017
Rennsymphonie 1928


Tag der Deutschen Einheit - und zum 27. Mal gab es den Preis der Deutschen Einheit auf der Hauptstadtbahn in Berlin-Hoppegarten. Der Sieger hieß Matchwinner und wenn ich die Bilder so sehe, war die Rennbahn gut besucht. Wie es früher einmal war in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, vor DDR und BRD, zeigt dieses wunderbare Dokument aus dem Jahr 1928. Rennsymphonie 1928 nannte Filmer Hans Richter sein Werk, es ist ein schöner Ausflug in eine andere Epoche. Magie in schwarz-weißen Bildern, einfach nur genießen. Da verzeiht man die schlechte Tonqualität doch gerne.



Freitag, 29. September 2017
Alles angerichtet für Dschingis Secret
Es ist das Rennen, dem die deutsche Turf-Gemeinde entgegenfiebert. Denn mit Iquitos und Dschingis Secret starten zwei heimische Pferde im Prix de l’Arc de Triomphe am Sonntag im französischen Chantilly. Für den Tag ist Regen angesagt und damit steigen die Chancen des so stark verbesserten Dschingis Secret. Die Konkurrenz ist allerdings Extraklasse – an der Spitze die dreijährige Stute Enable. Starter und Chancen im Arc 2017.

1. Zarak (Trainer Alain De Royer-Dupre/Jockey Christophe Soumillon): Gewann den Grand Prix de Saint Cloud im Stile eines guten Stehers, kam vom letzten Platz. Das war der erste Versuch über 2400 Meter. Dreijährig Zweiter im französischen Prix de Jockey Club. Je länger die Strecke, desto besser. Hat sowohl Formen auf weichem als auch schwerem Boden. Der letzte Start war im Juli, kommt als ausgeruhtes Pferd an den Start. Seine Mutter Zarkava triumphierte im Arc 2008.

2. Doha Dream (Trainer Andre Fabre/Jockey Gregory Benoist): Durchaus beständiger Shamardal-Sohn von einem Top-Trainer. Zuletzt zweimal in Deauville hinter Tiberian, war dabei immer vor dem Deutschen Savoir Vivre. Das war aber eine Kategorie tiefer und reicht hier nicht. Starker Steher, der schweren Boden kann.

3. One Foot in Heaven (Trainer Alain De Royer-Dupre/Jockey James Doyle): Spätreifer Fastnet Rock-Sohn, 2016 Sechster im Arc, erst drei Starts in diesem Jahr, die Formen reichen nicht. Außenseiter.

4. Ulysses (Trainer Sir Michael Stoute/Jockey Jim Crowley): Der Galileo-Sohn aus einer Oaks-Siegerin machte vierjährig noch mal einen gewaltigen Sprung, siegte in den Juddmonte und den Eclipse Stakes, zwei der Top-Rennen über Mittelstrecken in England. Nach Vorleistungen ein Kandidat für den Sieg, über 2400 Meter auf weichem Boden aber chancenlos gegen Enable. In meinen Augen aber besser auf Distanzen bis 2200 Meter.

5. Cloth of Stars (Trainer Andre Fabre/Jockey Mickael Barzalona): Zuletzt im Prix Foy ohne Möglichkeiten gegen Dschingis Secret. Das war der erste Start nach einer längeren Pause, der Rennverlauf war zudem ein wenig unglücklich. Immerhin Gruppe 1-Sieger im Frühjahr gegen Zarak, aber andere Kandidaten versprechen mehr als der Godolphin-Hengst. Hat zudem noch nie über 2400 Meter triumphiert. Wenn da nicht Trainer Andre Fabre wäre.

6. Silverwave (Trainer Pascal Bary/Jockey Pierre-Charles Boudot): Der dritte Start im Arc, zweimal endete er im hinteren Bereich. Im Prix Foy weit geschlagen, so recht sieht es auch in diesem Jahr nicht nach einer Top-Platzierung aus.

7. Idaho (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Seamie Heffernan): Zuletzt enttäuschend in Saratoga, aber davor mit einigen sehr guten Leistungen. Viel Stehvermögen, aber im King George ohne Chance gegen Enable. Wäre eine Überraschung.



Arc 1995: Lammtarra siegt vor Freedom Cry und Swain. Eine starke Partie bot zudem der unvergessene Lando aus dem Gestüt Ittlingen, der auf Platz 4 lief.

8. Dschingis Secret (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): Die große deutsche Hoffnung, in diesem Jahr noch einmal deutlich gesteigert. In dieser Saison mehrmals sehr beeindruckend, der letzte Erfolg im Prix Foy war seine bislang beste Leistung. Der Soldier Hollow-Sohn benötigt weichen Boden, den könnte er am Sonntag haben. Mehr als nur ein Geheimtipp.

9. Satono Diamond (Trainer Yasutoshi Ikee/Jockey Christophe Patrice Lemaire): Top-Performer aus Japan über 2400 Meter und länger, allerdings dort nur auf festem Boden gelaufen. Den wird er in Chantilly nicht antreffen, auf weichem Grund im Prix Foy entzaubert.

10. Satono Noblesse (Trainer Yasutoshi Ikee/Jockey Yuga Kawada): Tempomacher für den Stallgefährten Satono Diamond.

11. Iquitos (Trainer Hans-Jürgen Gröschel/Jockey Andrasch Starke): Deutschlands Galopper des Jahres 2016, auch in diesem Jahr mit guten Leistungen, unter anderem Gruppe 1-Sieger in München. Das war natürlich kein Arc-Standard, beste Formen zudem auf gutem Untergrund. Den wird Iquitos in Chantilly nicht antreffen.

12. Order Of St. George (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Donnacha O’Brien): Extraklasse über Marathon-Distanzen, sein letzter Erfolg im Irish St. Leger war atemberaubend. Überraschte im letzten Jahr als Dritter im Arc, unterschätzen sollte man ihn auch diesmal über (für ihn) kurze 2400 Meter nicht, auch wenn sich Ryan Moore für Winter entschieden hat. Mag zudem weichen Boden.

13. Seventh Heaven (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Pat Smullen): Weiterer Starter aus dem mächtigen O’Brien-Quartier, klassische Siegerin in den irischen Oaks im Vorjahr. Die Stute schlug einst in York die 2016-Arc-Siegerin und Stallgefährtin Found, enttäuschte zuletzt aber als Letzte in The Curragh. Das ist kein Maßstab, ehe der weiche Boden, den sie nicht mag.

14. Brametot (Trainer Jean-Claude Rouget/Jockey Cristian Demuro): Doppelter klassischer französischer Triumphator in den französischen Guineas und Derby, ein Pferd mit großem Speed. Dann kam der Rückschlag in Deauville, aber es war die erste schlechte Vorstellung in der Laufbahn des Sohnes der deutschen Stute Morning Light. Die Distanz ist neues Terrain, auf weichem Geläuf hat der Rouget-Schützling schon gewonnen. Das Überraschungspaket.

15. Capri (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Wayne Lordan): Famose Leistung, als er das gutbesetzte St. Leger in Doncaster entschied. Davor der Triumph im Irischen Derby gegen den starken Cracksman – Capri ist in der O’Brien-Dreijährigen-Hierarchie weit aufgerückt. Das macht ihn zu einem interessanten Kandidaten, allerdings könnte die Pause nach dem harterkämpften Erfolg in Doncaster ein wenig kurz sein.

16. Plumatic (Trainer Andre Fabre/Jockey Maxime Guyon): Erst vier Starts im Leben, definitiv hat der Fabre-Schützling noch Potenzial nach oben. Nach Vorformen aber wäre ein Sieg eine Sensation.

17. Enable (Trainer John Gosden/Jockey Frankie Dettori): Zweifache klassische Siegerin und bestes englisches dreijähriges Pferd. Zuletzt vier brillante Gruppe 1-Siege in Folge, unter anderem im King George gegen Ulysses und Idaho auf weichem Boden. Ganz klar das Pferd, das den Standard setzt. Der Kurs ist entsprechend tief.

18. Winter (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Ryan Moore): Hochklassige irische Stute aus dem mächtigen O’Brien-Quartier. Die zweifache Guineas-Siegerin ist die Wahl von Ryan Moore. Das ist ein Hinweis, jedoch ist die Distanz Neuland. Vater Galileo hatte das Stamina, die Mutter war allerdings eine gute Sprinterin, die unter anderem die Wokingham Stakes gewann. Wenn Winter stehen kann, dann ist sie sehr gefährlich.

Urteil
Vieles spricht für Enable aus dem John Gosden-Stall. Zu imponierend gewann die dreijährige Stute ihre Gruppe 1-Rennen. Der Wettmarkt signalisiert das alles, die Quote ist nicht verlockend. Es gibt genügend Beispiele im Arc, dass der hohe Favorit nicht gewinnt. Alternativen sind also gesucht. Warum also nicht Dschingis Secret auf seinem weichen Boden? Von den Außenseiten empfehle ich Zarak, der seiner Mutter folgen kann. Die „Wundertüten“ im Feld sind Brametot und Winter. Wenn sie die 2400 Meter-Distanz können, sind beide sehr gefährlich.