Am zweiten Weihnachtstag um 16:10 deutscher Zeit schon was vor? Eine Alternative zu Printen und Plätzchen ist wie immer die King George VI Chase (natürlich Grade 1, Distanz 4.828 m) auf der Rennbahn in Kempton. 2015 ist die Prestigeprüfung so offen wie schon lange nicht mehr. Starter und Chancen.
Al Ferof (Trainer Dan Skelton): Der markante Schimmel war in den letzten Jahren zweimal Dritter im King George, jedes Mal deutlich hinter dem damaligen Stallgefährten Silviniaco Conti. Damals trainiert von Paul Nicholls, seit dieser Saison aber heißt der Betreuer Dan Skelton. Überzeugende Generalprobe in der Peterborough Chase, profitierte aber auch vom Sturz seines stärksten Gegners. Ein Top-Pferd, das aber noch nie über drei Meilen gewonnen hat.
Ballynagour (Trainer David Pipe): Immer hoch geschätzt im Pipe-Stall, aber auch in Bestform immer ein Stück hinter den Besten. Stärkste Form war ein zweiter Platz in der Aintree Bowl hinter Silviniaco Conti. Zuletzt jedoch wieder deutlich geschlagen in Haydock in der Lancashire Chase (Gr.1).
Cue Card (Trainer Colin Tizzard): Ob es am neuen Stallgebäude liegt? Oder beflügelt der neue Steuermann Paddy Brennan? Cue Card präsentiert sich in dieser Saison so gut wie noch nie. Man muss nur das Strahlen in den Augen von Trainer Colin Tizzard sehen, wenn er über den Wallach spricht. Zwei Erfolge zuletzt und besonders der Treffer in den Lancashire Oaks gegen Silviniaco Conti war eine grandiose Vorstellung. Es ist der vierte Versuch in der King George Chase, das beste war bislang ein zweiter Platz. Das soll besser werden, der Tizzard-Stall ist zudem gut in Form.
Ein Blick zurück ins Jahr 1999: Es siegte der hochklassige See More Business mit Jockey Mick Fitzgerald. Es war sowohl der zweite Erfolg für See More Business als auch Trainer Paul Nicholls nach 1997. Nicholls blieb bekanntlich nicht bei zwei King George-Triumphen stehen
Don Cossack (Trainer Gordon Elliott): In acht seiner letzten neun Starts blieb Don Cossack teilweise sehr überlegen vorne, nur in der Ryanair Chase in Cheltenham langte es nach einem Fehler und einem schlechten Rennverlauf „nur“ zu Platz 3. 200 Meter weiter und er hätte gewonnen, so beschleunigte er noch. Danach aber machte der im Gestüt Etzean aufgewachsene Sholokhov-Sohn keine „Gefangenen“ mehr, siegte unter anderem gegen Cue Card und Al Ferof. Zwei leichte Erfolge in dieser Saison, die Distanz sollte passen.
Irish Cavalier (Trainer Rebecca Curtis): Talentiertes Pferd, kommt aus dem Nachwuchs-Bereich und zeigte dort einige gute Formen. Mit seinen sechs Jahren steht er zudem am Anfang seiner Karriere. Die King George Chase ist die bislang schwerste Aufgabe, der Wallach müsste sich schon deutlich steigern. Zudem scheiterten die zwei Versuche über drei Meilen. Immerhin läuft es am Stall wieder besser.
Silviniaco Conti (Trainer Paul Nicholls): Spezialist, der den dritten Sieg in Folge im King George anstrebt. Trainer Paul Nicholls ist zudem der Experte für diese Prüfung, denn davor war das Prestige-Rennen fest in Händen des mächtigen Kauto Star. Aber ist Silvianico noch so gut wie in den Jahren zuvor? Die diesjährigen Vorstellungen waren in Ordnung, allerdings war er beispielsweise in Haydock deutlich hinter Cue Card. Auch die Trainerform war schon mal besser.
Smad Place (Trainer Alan King): Das Pferd mit dem besten Stehvermögen im Feld, immer hoch eingeschätzt im Stall. Der Schimmel lieferte seine bislang beste Vorstellung mit einem Start-Ziel-Erfolg im Hennessy in Newbury ab. Das Rennen mag zwar nur ein Handicap sein, aber wird in der Regel von sehr guten Pferden gewonnen. Davor war der King-Schützling mehrmals in Grade 1-Aufgaben deutlich geschlagen. Zudem könnte Smad Place auf dem flachen Kurs in Kempton gegen Pferde mit mehr Speed den Kürzeren ziehen.
Valseur Lido (Trainer Willie Mullins): Ein Sohn des einst in Frankfurt von Dave Richardson trainierten Anzillero. Auch schon Grade 1-Gewinner in der Novice-Klasse, kommt mit soliden Formen, war aber mehrfach hinter dem Stallgefährten Vautour.
Vautour (Trainer Willie Mullins): Letzte Saison ein überragender Newcomer, gewann die J L T Novices Chase in Cheltenham wie ein Pferd anderer Klasse. Kennt nur die Plätze 1 und 2, der Saisonauftakt war eher ein Arbeitssieg. Jetzt geht es gegen die großen Jungs. Die Klasse sollte Vautour haben, die Distanz ist aber so weit wie noch nie.
Urteil Silviniaco Conti wäre natürlich ein Champion der Herzen, wenn er den Hattrick in diesem Rennen schaffen würde. Sein Trainer ist ein Meister, wenn es darum geht, Pferde punktgenau zu trainieren. Doch im Vergleich zu den Vorjahren sind die Rivalen besser in Form: Cue Card und Smad Place kommen mit großartigen Formen, Vautour sollte noch längst nicht alles gezeigt haben. Aber mein Tipp heißt Don Cossack, ebenfalls gut in Schuss und ein Kandidat mit weiteren Reserven.
Kein Renntag, kein Match-Race und bald kein Bremer Turf?
Das Wort kein – es prägte den deutschen Rennsport zuletzt. Die schlechteste Meldung kam aus Bremen, wo es nach dem Willen des Senats ab Ende 2017 keine Rennbahn mehr geben soll.
Wo ist der deutsche Rennsport, wenn man ihn mal haben möchte? Zum Beispiel an diesem Sonntag auf der Dortmunder Galopprennbahn. Gefühlte Frühlingstemperaturen, keine Konkurrenz durch den Bundesligisten Borussia Dortmund, der letzte Sonntag vor Weihnachten – traditionell ein Tag, an dem sich der Kolumnist auf die Rennbahn wagt. Trotz des meist eintönigen Sandbahn- Allerleis: Guter Besuch wäre bei diesen Temperaturen und der fehlenden Konkurrenz garantiert gewesen.
Nur leider ist der Sonntag in Deutschland diesmal generell ohne Renntag. Dafür öffnet der Dortmunder Rennverein am Mittwoch, den 23. Dezember, seine Pforten. Die PMU macht es möglich und zahlt, aber es wird an einem normalen Alltag kurz vor Weihnachten nur wenige Besucher locken. Und immerhin gab es letzten Sonntag Pferderennen in Dortmund. An einem Sonntag, an dem auch der BVB Eintracht Frankfurt besiegte, was dem Dortmunder Rennverein einige Besucher kostete. Keine Ahnung, warum an diesem Tag nicht Neuss veranstaltete.
Duelle nur noch privat
Es war eine komische Woche für den deutschen Rennsport. Da war der Turf mal in aller Munde, als in einem Zweikampf die Handicapper Gamgoom und Ach was aufeinandertrafen. Eine großartige Idee von Gamgoom-Besitzer Guido Schmitt und eine ebensolche Reaktion von Ach was-Besitzer Christian Sundermann, der die Herausforderung annahm. Die Medien-Resonanz schlug die des Derbys um Längen – einerseits traurig, andererseits funktioniert die moderne Medienlandschaft leider so. BILD wird auch mehr gelesen als die Süddeutsche Zeitung.
Aber so ein Match wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die Spaßbremsen sitzen beim Dachverband DVR: keine Wetten mehr, keine Züchterprämien mehr, die Leistungen zählen nicht. Eben zukünftig ein „Pferdeduell mit Kirmescharakter.“ (Newsletter Aufgalopp). Nun wird an zukünftigen Zweikämpfen nicht der deutsche Turf genesen und wird diese Form nicht permanent einsetzbar sein, aber Charme hatte die Idee schon.
Noch schlimmer waren allerdings die Nachrichten, die aus Bremen kamen. Dort verkündete Wirtschaftssenator Martin Günthner das baldige Ende der dortigen Rennbahn in der Vahr. Ende 2017 soll das Turfgeschehen Wohnungen weichen, die Wohnungsnot im Stadtstaat mache den Zugriff des Senats unabdingbar. Zudem gebe es ein Sonderkündigungsrecht des Senats und davon mache man jetzt eben Gebrauch.
Nur Werder populärer
Nun war das Verhältnis zwischen Bremer Rennverein und Senat schon lange ramponiert, stand der Kurs schon vor zwei Jahren vor dem Ende. Doch immerhin gab es zuletzt zarte Tendenzen der Besserung.
Das sagt auch Fran Lenk, Sprecher des Bremer Rennvereins, in einem Interview mit dem Bremer Weser-Kurier. „….wir haben eine gute Perspektive. Wir waren gerade dabei, den Galopprennsport in Bremen wieder zu beatmen und wären sicherlich über kurz oder lang auch in der Lage gewesen, ein siebtes und gar achtes Rennen (Renntage sind gemeint)zu gestalten.“
Es gebe eine ganze Reihe von Gründen, so Lenk weiter. „Da ist zum einen die Tradition, gerade die Hansestadt steht ja für Tradition – das ist eine tolle Symbiose. Die Rennbahn ist ein Kulturgut, wir haben ein hohes sportliches Niveau, das Areal ist die grüne Lunge in der Vahr. Und die Galopprennbahn ist über das Jahr gesehen nach Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga die zweiterfolgreichste Freiluftsportart.“
„Der Tod eines Standortes ist der rennsportliche Tod der Region, dann fallen Besitzer, Aktive und Besucher weg“, schrieb Turf-Times-Herausgeber Daniel Delius 2013 in seinem Editorial Aufgalopp. Das ist auch heute noch richtig, denn die Liebe zum Rennsport beginnt in der Regel mit dem Besuch einer nahen Rennbahn. Hoffnungsschimmer: Immerhin gibt es auch lokal einige Opposition gegen den Plan des Senators.
Außenstehende schütteln darüber oft den Kopf, aber die These stimmt: Läuft eines oder laufen mehrere Pferde gut und gewinnen sogar, dann zieht das auch ihre Artgenossen mit. Diese siegen dann ebenfalls, auch wenn andere Mitbewerber vielleicht bessere Vorformen haben. Am letzten Wochenende gab es in England ein gutes Beispiel für gute Stallform: Sieben Pferde sattelte Trainer Gary Moore Freitag und Samstag in Sandown. Sechs Mal triumphierte das Quartier aus Lower Beeding, West Sussex.
Manchmal wären Tipps von außen ganz nützlich. Zum Beispiel am Samstag vor einer Woche. „Mein Freund“, hätten ihnen eine Stimme von außen zugeflüstert, als sie gerade das Rennprogramm des Tages begutachteten. „Wette die Pferde von Gary Moore in Sandown. Flute Bowl, Ar Mad und zur Krönung des Ganzen Sire De Grugy in der Tingle Creek Chase. Neben Siegwetten machst du noch eine Siegschiebe auf die drei. Der Trainer hat großartige Form, gestern hat er mit drei Startern drei Rennen gewonnen.“
Hätte man diese Tipps befolgt und eine Siegschiebe für fünf Euro gespielt, hätte man fast 1950 Euro gewonnen. Keine schlechte Rendite, aber natürlich blieb die Stimme von außen ungehört.
Weil es gegen jedes dieser Pferde auch Gegen-Argumente gab: Flute Bowl lief etwa in einem sehr ausgeglichen besetzten Stuten-Handicap, Ar Mad traf in der Henry VII Chase (Gr. 2) auf hoch eingeschätzte Kandidaten prominenter Stelle und Stallcrack Sire De Grugy enttäuschte beim Saisonauftakt wie in der Saison zuvor.
Familiensache
Trainer Gary Moore gilt als harter Arbeiter, zählt aber nicht zu den Großen der Branche. Der Stall ist ein Familienbetrieb – Vater Coach, die Söhne Jamie und Joshua reiten, ein weiterer Sohn ist der Top-Flachjockey Ryan Moore, trainiert werden sowohl Hindernis- als auch Flachpferde. Karinga Bay war zu Beginn der neunziger Jahre ein bekanntes Pferd, das unter anderen den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann. Aber in der Regel betreute Moore schwächere Kandidaten, die Erfolge von Sire De Grugy in den Grade 1-Prüfungen waren die bislang größten seiner Karriere.
Aber am Samstag lief alles optimal: Flute Bowl gewann sicher, Ar Mad sprang und galoppierte die Kontrahenten von der Spitze aus müde und der Sire profitierte auch ein wenig vom Pech seines Rivalen Special Tiara, überstand zudem eine Überprüfung. Der Kolumnist hängte sich zumindest beim Sire mit einer Wette rein, obwohl Special Tiara sein Mumm war. Aber die Frage stellt sich dennoch: Hat der Moore-Schützling, das überragende Pferd der Saison 2013/2014 über die kurze Jagdstrecke, wieder an die Bestform anknüpfen können? Oder haben ihn die guten Leistungen seiner Kollegen beflügelt?
Spezialisten
Für Außenstehende ist das Thema Stallform schon ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen?
Erklärungen sind schwer, doch Beispiele, dass sich Pferde eines Stalles beflügeln können, existieren viele. Die andere Seite: Alle Pferde eines Quartiers laufen schlecht. Dafür gibt es eher Gründe: Etwa ein Virus im Stall, der alle Insassen beeinträchtigt.
Beim Thema Stallform fällt einem der Begriff Meeting-Spezialist ein – etwas, das sich auch in Deutschland beobachten lässt. In Baden-Baden fällt da etwa der Name Hans Jürgen Gröschel, dessen Starter oft durch die Bank gut laufen. Vor ein paar Jahren räumten mal dort die Handicapper von Besitzer-Trainer Christian Peterschmitt, ebenso die Pferde von Nadine Verheyen vom Stall Molenhof. Die leider verstorbenen Dortmunder Trainer Uwe Stoltefuß und Norbert Sauer waren jahrelang ebenfalls Spezialisten, dessen Starter auf den Meetings in Baden-Baden und Hamburg zu beachten waren und oft sehr gut liefen.
Manche Trainer sind erwiesene Frühstarter, bei anderen kommen die Pferde erst im Herbst in Bestform. Und andere haben eben nur an einem Tag ihre Pferde in Top-Form. Jedenfalls hat es sich in den Jahren bewährt, bei Tipps die Stallform einzubeziehen. Manchmal funktioniert es nicht – in den meisten Fällen aber doch.
Alle kamen bei Trainer Moore übrigens auch nicht durch: Leo Lunar endete im letzten Rennen im englischen Sandown im geschlagenen Feld. Obwohl die Wetter das Pferd ziemlich runter im Kurs gewettet hatten, wurde es nicht mit dem vierten Sieg für das Quartier. Aber sonst war es ein Wochenende, dass der englische Hindernis-Trainer und sein Team ihr Leben lang nicht vergessen werden. „Sandown ist die beste Rennbahn der Welt – zumindest für uns“, sagte ein glücklicher Moore.