Mittwoch, 16. September 2015
„Eine Ehre, Brown Panther zu besitzen“
Ein Rennpferd stirbt bei der Ausübung seines Berufes. Das ist traurig, passiert aber leider jeden Tag. Pferde verletzen sich beim Rennen, beim Training, auf der Koppel etc. Immerhin haben diese Tiere ein viel glücklicheres Leben gehabt als viele andere Tiere, die später in Topf, Pfanne oder auf Brot enden. Nichtdestotrotz hat der Tod von Brown Panther den Kolumnisten sehr traurig gemacht. Und nicht nur ihn.

Eigentlich hätte nach diesem turbulenten Turf-Wochenende andere Themen im Vordergrund stehen sollen. Fragwürdige Entscheidungen der englischen und irischen Stewards zum Beispiel – die Disqualifikation von Simple Verse im englischen St. Leger oder die Nicht-Zurücksetzung von Golden Horn in den Irish Champion Stakes. Dann war da noch die grandiose Vorstellung der Arc-Favoritin Treve in Longchamp. Oder der brillante Sprinter Limato, der die Konkurrenz im Gruppe 2-Rennen in Doncaster scheinbar mühelos distanzierte.
Der Tod von Brown Panther im irischen St. Leger stellte diese Leistungen in den Schatten. Leider, aber schlechte Nachrichten bleiben eher im Gedächtnis als gute. Diese Kolumne hatte zudem immer ein besonderes Faible für den Shirocco-Sohn – seit seinem überragenden Sieg in einem gutbesetzten Handicap in Royal Ascot und dem Lauf im Deutschen Derby 2011. Da war er ein talentierter Dreijähriger.

Trauer
Nun ist er im Alter von sieben Jahren im Pferdehimmel: Brown Panther verunglückte vor dem Schlussbogen, brach sich zwei Knochen im rechten Hinterbein und war nicht mehr zu retten. Es war ein Unglück, niemanden traf eine Schuld. Ausgerechnet in dem Rennen, das er 2014 noch gewann. Ein Schock für Besitzer Michael Owen, Trainer Tom Dascombe und sein Team, aber auch für viele Turf-Fans.
„Es ist gut zu wissen, dass völlig Fremde und viele Menschen innerhalb der Industrie unsere Trauer teilen“, erklärte Dascombe. Offensichtlich sahen viele Menschen Brown Panther als ihr Pferd. Allerdings: „Er starb bei dem, was er am liebsten mochte – Rennen laufen“, betonte der Trainer.
Vom „traurigsten Tag in seinem Leben“ sprach Besitzer und Züchter Michael Owen. Der ehemalige englische Fußball-Internationale fand beeindruckende Worte: Brown Panther sei das härteste, ehrlichste und brillanteste Pferd, das er je gesehen habe, meinte Owen. „Was für eine Ehre, ihn zu besitzen und zu züchten.“
„Brown Panther wie ein guter Wein“ titelte diese Kolumne im März 2015. Da hatte der Scirocco-Sohn die Steher-Prüfung beim Dubai World Cup gewonnen und nurpferdeundfussball würdigte den Schützling von Trainer Dascombe in einer längeren Geschichte. Dieser Text ist immer noch passend. RIP Brown Panther!
Ach ja, im irischen St. Leger siegte Order of St. George aus dem Stall von Aidan O’Brien. Der einzige Dreijährige triumphierte im Stile eines hochtalentierten Pferdes. Freud und Leid – sie liegen nicht nur im Turf eng zusammen.



Vielleicht sein größter Sieg: Brown Panther siegt beim Dubai World Cup.



Freitag, 11. September 2015
Pleascach ist ein mutiger Tipp
Trotz englischem St. Leger in Doncaster und einem interessanten Renntag am Sonntag in Longchamp kommt unser Rennen des Tages aus Irland: Die Qipco Irish Champion Stakes über 2000 m in Leopardstown sind das beste Rennen des Jahres auf der Grünen Insel. Auf das Papier sieht es nach einer Top-Besetzung aus, allerdings könnte der prognostizierte Regen für prominente Nichtstarter sorgen.

Gruppe 1 ist iim europäischen Turf nicht unbedingt Gruppe 1. Man vergleiche nur mal die Besetzung des Grossen Preises von Baden mit dem Feld der Qipco Irish Champion Stakes in Leopardstown am Samstag. Das mag ein wenig unfair sein, zumal die Dotierung in Deutschland deutlich schlechter ist. Aber das in Irland ein Pferd wie Prince Gibraltar gewinnt, dass höchstens Gruppe 2-Format hat, wird nicht passieren.
Also Vorhang auf für die Irish Champion Stakes am Samstag um 17:45 deutscher Zeit, zweifellos das Rennen des Wochenendes. Erster Leckerbissen: Es könnte das bereits für York anvisierte Duell zwischen Golden Horn, dem englischen Derbysieger, und dem Doppel-Guineas-Triumphator Gleneagles geben. Die Betonung liegt auf könnte, denn wenn der Boden zu weich ist, soll Gleneagles nicht starten. Ähnlich wie in York in den Juddmonte Stakes - die Prüfung, die auch diese Kolumne als „Duell der Giganten“ betitelt hatte.
Golden Horns Teilnahme entscheidet sich ebenfalls spät. Bei weichem Boden soll er nicht laufen. Der Gosden-Schützling geht zudem ein wenig ramponiert in die Partie. Da war die überraschende Niederlage gegen Arabian Queen in den Juddmonte Stakes. Trainer John Gosden sagte nach dem Rennen, dass Golden Horn am Anfang zu sehr gepullt habe und dadurch das Rennen verloren habe, weil die Reserven zum Schluss fehlten. Allerdings war der Hengst deutlich mit mehr als drei Längen vor The Grey Gatsby, gegen den er sich schon in Sandown behauptet hatte.



Jockeylegende Mick Kinane blick zurück auf drei seiner sieben Siege in den Irish Champion Stakes: High Chapparal, Azamour und Sea The Stars. Letzteren schätzt Kinane am höchsten ein.

Vorjahressieger The Grey Gatsby ist die nächste Attraktion in dieser Prüfung. Der famose Schimmel besiegte im Vorjahr den Favoriten Australia aus dem mächtigen O’Brien-Quartier und nicht nur der Kolumnist war begeistert über den Kampfgeist des Grauen. In dieser Saison ist der Wallach noch sieglos, zeigte jedoch zwei starke Vorstellungen als Zweiter. Regen würde aber seine Chancen beeinträchtigen.
In den Prince of Wales Stakes landete The Grey Gatsby knapp hinter Free Eagle. Es war ein atemberaubendes Finish und einem Meter weiter hätte der Schimmel gewonnen. Aber Free Eagle gefiel durch seinen Kampfgeist. Der Hengst ist mit fünf Starts erst wenig geprüft und könnte noch weitere Reserven haben. Zudem sitzt Pat Smullen im Sattel, ein immer noch etwas unterschätzter Jockey, aber ein Meister in strategischen Fragen.
Nächster Leckerbissen: der unverwüstliche Cirrus Des Aigles, neun Jahre alt und nicht nur der Stolz seiner Trainerin. Der Wallach kommt aus einer kleinen Pause, lief zuletzt ein wenig enttäuschend Ende Mai in Longchamp, als er Vierter von Vieren hinter Solow wurde. Im Mai hat er in diesem Jahr aber schon auf schwerem Boden gesiegt und war unter anderem vor einem gewissen Prince Gibraltar. Cirrus Des Aigles kann weichen Untergrund.
Wie gut die Prüfung besetzt ist, zeigt sich an den hinteren Pferden im Wettmarkt. Da wäre etwa die dreijährige Stute Pleascach, eine zweifache Gruppe 1-Siegerin, erfolgreich in den Yorkshire Oaks und den irischen 1000 Guineas. Die Stute trifft zum ersten Mal auf die Hengste, steht tief im Gewicht und kann definitiv weichen Boden.
Die nächste Attraktion ist Found aus dem großen und mächtigen Aidan O’Brien-Quartier. Auch sie trifft zum ersten Mal auf die Hengste und kennt eigentlich nur gute Formen.
Selbst Highland Reel, ebenfalls aus dem O’Brien-Stall, kommt mit guten Referenzen an den Start: Zuletzt erfolgreich in einer Grade 1-Prüfung in Arlington, davor Sieger eines gutbesetzten Rennens in Goodwood und im Frühjahr immerhin Zweiter im französischen Prix De Jockey Club.

Urteil
Auf dem Papier ein Rennen zum Genießen. Golden Horn, Gleneagles, The Grey Gatsby, Cirrus Des Aigles und Free Eagle haben alle ihre Qualitäten. Was aber, wenn der angesagte Regen kommt? Gleneagles und Golden Horn sollen dann nicht laufen, mein alter Freund The Grey Gatsby mag keinen weichen Boden. Ich setze allerdings auf Stuten-Power und tippe Pleascach zu einem lukrativen Kurs. Distanz, Gewicht und Boden passen und warum soll sie nicht auf den Spuren von Arabian Queen wandeln?



Donnerstag, 10. September 2015
Erinnerungen an die Zeit mit Evanilson
Dede feierte seinen glanzvollen Abschied und natürlich durfte sein alter Kollege Evanilson nicht fehlen. Doch während Dede nicht nur dank seiner konstanten Leistungen geliebt wurde, blieb sein brasilianischer Kollege doch ein wenig unter den Erwartungen. Denn „Eva“ war offensiv ganz ordentlich, doch in der Defensive wirkte er eher wie ein unbedarfter Kreisliga-Kicker. Erinnerungen an einen Brasilianer, der von 1999 bis 2005 bei Borussia Dortmund kickte.

Rund 81 000 Zuschauer bereuten ihr Kommen zum Abschied des großartigen Dede nicht. Dortmunds Vorzeige-Brasilianer bekam seine verdienten Ovationen, die Tränen flossen nicht nur bei der Hauptfigur. Das Schöne an solchen Abschieden zudem: Es gibt ein Wiedersehen mit anderen Dortmunder Größen der Vergangenheit. Jan Koller etwa oder andere Brasilianer wie Ewerthon oder die einstige Sturmdiva Marcio Amoroso. Noch einer lief am Samstag im Westfalenstadion auf: Evanilson Aparecido Ferreira, besser bekannt unter dem ersten Namen und vom 1999 bis 2005 im schwarz-gelben Dress unterwegs.
Erinnerungen werden wach: An einen offensivstarken Verteidiger, der allerdings im Defensivverhalten viele Schwächen offenbarte. „Der schwächste Rechtsverteidiger der Liga“, meinte ein Nachbar auf der Südtribüne, wenn Evanilson mal wieder ein Klops unterlief. Ich fand das Urteil ein wenig zu hart, doch etwas Wahres hatte dieses Statement schon.
Die Trainer des BVB hatten indes eine andere Meinung. Evanilson spielte fast immer, hatte auf der rechten Seite hinten seinen Stammplatz.

Klassischer Fehlstart
Rückblick in das Jahr 1999. Borussia Dortmund erlebte mal wieder eine Phase des Übergangs, die großen Erfolge der neunziger Jahre wie Meisterschaften und Champions League waren Vergangenheit. Es waren die Zeiten von Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier. Der finanzielle Kollaps war noch weit entfernt. Dortmunds Führungsduo galt als eines der besten der Liga.
Niebaum hatte ein Jahr zuvor Mut bewiesen und die Position des Trainers nicht mit einem großen Namen besetzt, sondern den erfolgreichen Jugendtrainer Michael Skibbe zum Cheftrainer befördert.
Im ersten Skibbe-Jahr landete der BVB auf Platz 4, 20 Punkte hinter dem überlegenen Meister FC Bayern München. Prickelnd war der Dortmunder Fußball nicht, das Pfeifkonzert zur Pause wurde zum ständigen Ritual. Bekannte Neuzugänge wie Sergej Barbarez, Christian Nerlinger oder Bachirou Salou enttäuschten bzw. waren häufig verletzt. Überhaupt keine Chance bei Skibbe hatte der ehemalige Weltmeister Thomas Häßler, der sich zwar auf den Zielgeraden seiner Karriere befand, dessen spielerisches Vermögen der Mannschaft aber gut getan hätte. Aber Skibbe sah das anders und ließ Häßler meistens draußen. Nur ein kleiner Brasilianer namens Dede eroberte sich die Sympathien mit seiner forschen Spielweise.
1999/2000 sollte alles besser werden. Neu waren unter anderem Fredi Bobic, Otto Addo, Viktor Ikpeba, Giuseppe Reina und Christian Wörns. Außerdem kam ein weiterer Brasilianer vom Klub Cruzeiro EC aus Belo Horizonte: Evanilson. 13 Millionen DM zahlte der BVB für den Rechtsverteidiger.
Die Vorschußlorbeeren waren hoch. „Er hat alles, ist wahnsinnig schnell, dribbelstark“, meinte Landsmann Robson Ponto, damals in Diensten von Bayer Leverkusen. Dazu überzeugte Evanilson beim Confederations-Cup in der brasilianischen Nationalelf.
Borussia Dortmund startete gut in die Saison 1999/2000, doch spätestens ab November schwächelte die Mannschaft. Nach einer Heim-Niederlage zum Rückrunden-Auftakt gegen Kaiserslautern musste Trainer Skibbe gehen, sein Nachfolger hieß Bernd Krauss. Der war gebürtiger Dortmunder, lernte das Kicken beim damaligen SV (heute BSV) Schüren und feierte bei Borussia Mönchengladbach als Spieler und Trainer schöne Erfolge.
Doch sein Gastspiel in Dortmund entwickelte sich zum Desaster: Der BVB verlor Spiel um Spiel, die Heimspiele waren eine einzige Qual. Die Mannschaft taumelte dem Abstieg entgegen und mittendrin im Chaos stand Evanilson, der einstige Hoffnungsträger. Der Neue aus Brasilien zeigte große Schwächen in der Defensive und wirkte wie ein Fremdkörper.

Brasilianer oder nicht
Es gab Spiele, da konnte man nicht mehr hinschauen, weil der BVB so schlecht war. Etwa die zwei Partien gegen Galatasaray Istanbul im UEFA-Cup. Dortmund hatte gegen den türkischen Traditionsverein (der 2000 allerdings eine sehr starke Mannschaft hatte) nicht den Hauch einer Chance und irgendein Galatasaray-Verantwortlicher meinte nach den Spielen, dass er „noch nie einen so schlechten Brasilianer wie Evanilson“ gesehen habe.
„Kauft Dortmund seine Brasilianer etwa in einem anderen Brasilien als Leverkusen“, fragten sich manche BVB-Fans. Besonders Evanilson stand in der Kritik. „Seine Schwächen wurden ganz offensichtlich, während die Stärken so sehr im Verborgenen blieben, dass eben manch Einer seine (wahre) Nationalität in Frage stellte“, erklärte das Fanzine schwatzgelb.de.
Natürlich ist der Sprung aus dem sonnigen Brasilien ins kalte Deutschland gewaltig: eine fremde Sprache, eine andere Kultur, das kalte Wetter. Wenn es dann in der Mannschaft nicht läuft, dann wird es doppelt schwer.
Mit diesen Widrigkeiten musste Evanilson kämpfen – und er schien diesen Kampf zu verlieren. In seiner ersten Spielzeit kam er im Fachmagazin kicker auf den katastrophalen Notenschnitt von 4,13. Immerhin hielten die Dortmunder die Klasse.
In den nächsten Jahren wurde es etwas besser. Die Notenschnitte im kicker stiegen und manchmal zeigte Evanilson, warum Borussia Dortmund viel Geld für ihn bezahlt hatte. Da wirbelte der flinke Spieler offensiv auf der rechte Seite und belebte das BVB-Spiel. Doch die defensiven Schwächen blieben, manchmal konnte der Zuschauer nur den Kopf schütteln über unglaubliche Fehler.
Evanilson blieb höchstens Durchschnitt, die richtig guten Spiele waren an einer Hand abzuzählen. Bei der Meisterschaft 2002 war er eher Mitläufer. Schlagzeilen machte höchstens noch sein angeblicher Transfer nach Parma, aber das entpuppte sich als finanzielle Luftbuchung beim Amoroso-Transfer.
2005 endete Evanilsons Zeit in Dortmund – auch weil er schwer verletzt war. Später wechselte er noch mal zum 1.FC Köln, doch dieses Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Zum Einsatz kam er nur drei Mal, der FC stieg am Ende der Saison ab.