Erinnerungen an die Zeit mit Evanilson
Dede feierte seinen glanzvollen Abschied und natürlich durfte sein alter Kollege Evanilson nicht fehlen. Doch während Dede nicht nur dank seiner konstanten Leistungen geliebt wurde, blieb sein brasilianischer Kollege doch ein wenig unter den Erwartungen. Denn „Eva“ war offensiv ganz ordentlich, doch in der Defensive wirkte er eher wie ein unbedarfter Kreisliga-Kicker. Erinnerungen an einen Brasilianer, der von 1999 bis 2005 bei Borussia Dortmund kickte.

Rund 81 000 Zuschauer bereuten ihr Kommen zum Abschied des großartigen Dede nicht. Dortmunds Vorzeige-Brasilianer bekam seine verdienten Ovationen, die Tränen flossen nicht nur bei der Hauptfigur. Das Schöne an solchen Abschieden zudem: Es gibt ein Wiedersehen mit anderen Dortmunder Größen der Vergangenheit. Jan Koller etwa oder andere Brasilianer wie Ewerthon oder die einstige Sturmdiva Marcio Amoroso. Noch einer lief am Samstag im Westfalenstadion auf: Evanilson Aparecido Ferreira, besser bekannt unter dem ersten Namen und vom 1999 bis 2005 im schwarz-gelben Dress unterwegs.
Erinnerungen werden wach: An einen offensivstarken Verteidiger, der allerdings im Defensivverhalten viele Schwächen offenbarte. „Der schwächste Rechtsverteidiger der Liga“, meinte ein Nachbar auf der Südtribüne, wenn Evanilson mal wieder ein Klops unterlief. Ich fand das Urteil ein wenig zu hart, doch etwas Wahres hatte dieses Statement schon.
Die Trainer des BVB hatten indes eine andere Meinung. Evanilson spielte fast immer, hatte auf der rechten Seite hinten seinen Stammplatz.

Klassischer Fehlstart
Rückblick in das Jahr 1999. Borussia Dortmund erlebte mal wieder eine Phase des Übergangs, die großen Erfolge der neunziger Jahre wie Meisterschaften und Champions League waren Vergangenheit. Es waren die Zeiten von Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier. Der finanzielle Kollaps war noch weit entfernt. Dortmunds Führungsduo galt als eines der besten der Liga.
Niebaum hatte ein Jahr zuvor Mut bewiesen und die Position des Trainers nicht mit einem großen Namen besetzt, sondern den erfolgreichen Jugendtrainer Michael Skibbe zum Cheftrainer befördert.
Im ersten Skibbe-Jahr landete der BVB auf Platz 4, 20 Punkte hinter dem überlegenen Meister FC Bayern München. Prickelnd war der Dortmunder Fußball nicht, das Pfeifkonzert zur Pause wurde zum ständigen Ritual. Bekannte Neuzugänge wie Sergej Barbarez, Christian Nerlinger oder Bachirou Salou enttäuschten bzw. waren häufig verletzt. Überhaupt keine Chance bei Skibbe hatte der ehemalige Weltmeister Thomas Häßler, der sich zwar auf den Zielgeraden seiner Karriere befand, dessen spielerisches Vermögen der Mannschaft aber gut getan hätte. Aber Skibbe sah das anders und ließ Häßler meistens draußen. Nur ein kleiner Brasilianer namens Dede eroberte sich die Sympathien mit seiner forschen Spielweise.
1999/2000 sollte alles besser werden. Neu waren unter anderem Fredi Bobic, Otto Addo, Viktor Ikpeba, Giuseppe Reina und Christian Wörns. Außerdem kam ein weiterer Brasilianer vom Klub Cruzeiro EC aus Belo Horizonte: Evanilson. 13 Millionen DM zahlte der BVB für den Rechtsverteidiger.
Die Vorschußlorbeeren waren hoch. „Er hat alles, ist wahnsinnig schnell, dribbelstark“, meinte Landsmann Robson Ponto, damals in Diensten von Bayer Leverkusen. Dazu überzeugte Evanilson beim Confederations-Cup in der brasilianischen Nationalelf.
Borussia Dortmund startete gut in die Saison 1999/2000, doch spätestens ab November schwächelte die Mannschaft. Nach einer Heim-Niederlage zum Rückrunden-Auftakt gegen Kaiserslautern musste Trainer Skibbe gehen, sein Nachfolger hieß Bernd Krauss. Der war gebürtiger Dortmunder, lernte das Kicken beim damaligen SV (heute BSV) Schüren und feierte bei Borussia Mönchengladbach als Spieler und Trainer schöne Erfolge.
Doch sein Gastspiel in Dortmund entwickelte sich zum Desaster: Der BVB verlor Spiel um Spiel, die Heimspiele waren eine einzige Qual. Die Mannschaft taumelte dem Abstieg entgegen und mittendrin im Chaos stand Evanilson, der einstige Hoffnungsträger. Der Neue aus Brasilien zeigte große Schwächen in der Defensive und wirkte wie ein Fremdkörper.

Brasilianer oder nicht
Es gab Spiele, da konnte man nicht mehr hinschauen, weil der BVB so schlecht war. Etwa die zwei Partien gegen Galatasaray Istanbul im UEFA-Cup. Dortmund hatte gegen den türkischen Traditionsverein (der 2000 allerdings eine sehr starke Mannschaft hatte) nicht den Hauch einer Chance und irgendein Galatasaray-Verantwortlicher meinte nach den Spielen, dass er „noch nie einen so schlechten Brasilianer wie Evanilson“ gesehen habe.
„Kauft Dortmund seine Brasilianer etwa in einem anderen Brasilien als Leverkusen“, fragten sich manche BVB-Fans. Besonders Evanilson stand in der Kritik. „Seine Schwächen wurden ganz offensichtlich, während die Stärken so sehr im Verborgenen blieben, dass eben manch Einer seine (wahre) Nationalität in Frage stellte“, erklärte das Fanzine schwatzgelb.de.
Natürlich ist der Sprung aus dem sonnigen Brasilien ins kalte Deutschland gewaltig: eine fremde Sprache, eine andere Kultur, das kalte Wetter. Wenn es dann in der Mannschaft nicht läuft, dann wird es doppelt schwer.
Mit diesen Widrigkeiten musste Evanilson kämpfen – und er schien diesen Kampf zu verlieren. In seiner ersten Spielzeit kam er im Fachmagazin kicker auf den katastrophalen Notenschnitt von 4,13. Immerhin hielten die Dortmunder die Klasse.
In den nächsten Jahren wurde es etwas besser. Die Notenschnitte im kicker stiegen und manchmal zeigte Evanilson, warum Borussia Dortmund viel Geld für ihn bezahlt hatte. Da wirbelte der flinke Spieler offensiv auf der rechte Seite und belebte das BVB-Spiel. Doch die defensiven Schwächen blieben, manchmal konnte der Zuschauer nur den Kopf schütteln über unglaubliche Fehler.
Evanilson blieb höchstens Durchschnitt, die richtig guten Spiele waren an einer Hand abzuzählen. Bei der Meisterschaft 2002 war er eher Mitläufer. Schlagzeilen machte höchstens noch sein angeblicher Transfer nach Parma, aber das entpuppte sich als finanzielle Luftbuchung beim Amoroso-Transfer.
2005 endete Evanilsons Zeit in Dortmund – auch weil er schwer verletzt war. Später wechselte er noch mal zum 1.FC Köln, doch dieses Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Zum Einsatz kam er nur drei Mal, der FC stieg am Ende der Saison ab.