Offenbar scheint das Deutsche Derby 2015 unter keinem guten Stern zu stehen. Weil die beiden Top-Favoriten verletzt pausieren müssen. Erst traf es den Fährhofer Quasillo, der nicht nur mir bei seinen Starts ungemein imponierte. Und dann kam Anfangs der Woche die Nachricht, dass auch der Top-Favorit Karpino, der überlegene Sieger im Mehl-Mülhens-Rennen, wegen einer Verletzung nicht an den Start kommt. Das ist besonders bitter für den Stall von Andreas Wöhler, der in den letzten Jahren schon ähnliches Pech mit dem großartigen Protectionist hatte. Aber hätte wenn aber? Das Derby wird somit eine durchaus offene Angelegenheit. 18 Pferde sollen am Sonntag in die Boxen einrücken. Auch dieses Jahr wieder die große Analyse: Starter und Chancen im Derby 2015.
1. Shimrano (Trainer Paul Harley/Jockey Adrie de Vries): Nach den Ausfällen von Quasillo und Karpino der Favorit. Zuletzt Sieger im Union Rennen, der wichtigsten deutschen Derbyvorprüfung. Von Start zu Start verbessert, gefiel in Köln auch mit viel Kampfgeist und sollte mit den 2400 Metern keine Probleme haben.
2. Molly le Clou (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Alexander Pietsch): Sehr guter Zweijähriger, dreijährig zwei Starts. In Frankfurt über 2000 Meter auf weichem Boden abgehängt, danach folgte eine gute Leistung als Dritter im Mehl-Mülhens-Rennen. 2400 Meter sind aber Neuland, immerhin könnte Vater Doyen Stamina vererbt haben.
3. Shadow Sadness (Trainer Christian von der Recke/Jockey Rene Piechulek): 2014 überraschte Trainer Christian von der Recke mit dem Derby-Vierten Eric, jetzt soll Shadow Sadness in dessen Spuren folgen. Der Hengst siegte sensationell als 299:10-Chance im Frankfurter Metzler Preis auf passendem weichen Boden und gefiel mit gutem Speed. Danach pausierte der Soldier Hollow-Sohn. Stamina sollte da sein, der Boden wird aber am Sonntag nicht weich sein.
4. Nordic Flight (Trainer Peter Schiergen/Jockey William Buick): Arbeitssieg im Iffezheimer Derby-Trial gegen eine gute Stute, der Düsseldorfer Sieg und der zweite Platz in Köln hinter Isidor, aber vor Shadow Sadness wurden durchaus ausgewertet. Stehvermögen sollte er als Adlerflug-Sohn haben, Nordic Flight ist aber nicht die Wahl von Stalljockey Andrasch Starke.
5. Areo (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Robert Havlin): Gefiel als Zweiter in der Union mit gutem Schlussakkord und sah schon wie der Sieger aus, ehe Shimrano noch mal zurückkam. Das war bislang die beste Leistung des Ittlingers, aber auch vorher konnte Areo überzeugen. Mit der Distanz von 2400 Metern sollte er nach dem Kölner Eindruck keine Probleme haben.
6. Nutan (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Dritter in der Union und die Wahl von Stalljockey Andrasch Starke. Noch wenig geprüft, sollte noch längst nicht alles gezeigt haben und Starke ist in Hamburg immer eine Empfehlung. Steher, guter Marschierer, aber ein wenig fehlt ihm der Speed. Und das stört mich etwas.
Der Ritt von Andrasch Starke: Nutan (Bild German Racing/Rühl)
7. Iraklion (Trainer Christian Sprengel/Jockey Wladimir Panov): Hauchdünner Siege im Bremer Derby Trial gegen Lovato, davor unter anderem Vierter im Bavarian Classic in Hannover. So hoch schätze ich die Bremer Siegform aber nicht ein. Kontinuierlich gesteigert, aber das letzte Stück Klasse könnte fehlen.
8. Lovato (Trainer Peter Schiergen/Jockey Daniele Porcu): Noch sieglos, zuletzt knapp besiegt von Iraklion im Bremer Derby Trial und davor in Hannover Dritter hinter Quasillo. Alles ordentliche Vorstellungen, 2400 Meter könnten ihm sogar noch besser liegen, dennoch wäre ein Erfolg eine Überraschung.
9. Summer Paradiese (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Antoine Hamelin): Der vierte Platz in der Union war nicht schlecht, aber eine echte Siegchance hatte Summer Paradiese nicht. Davor chancenlos im Derby Italiano und auch der leichte Maidensieg in Frankfurt wurde nicht unbedingt aufgewertet. Die Distanz sollte der Sohn des Epsom-Derbysiegers Authorized können, ein Sieg wäre dennoch eine große Überraschung.
10. Palace Prince (Trainer Andreas Löwe/Jockey Eddie Hardouin): Nachgenannt für 65 000 Euro nach seinem Sieg in einem französischen Listenrennen. Dieser geschah allerdings am grünen Tisch, nachdem der Sieger Zafiro disqualifiziert wurde. Form ist schwer einzuschätzen, davor war Palace Prince im Mehl-Mülhens-Rennen deutlich geschlagen. 2400 Meter könnten zudem ein wenig weit werden.
11. Fair Mountain (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eddie Pedroza): Nach den Ausfällen der Favoriten Quasillo und Karpino eine der Hoffnungen des Wöhler-Stalls, aber nach allen Formen – unter anderem Fünfter im Iffezheimer Derby-Trial – nur Außenseiter. Zudem könnte er weichen Boden bevorzugen. Immerhin wird er nicht am fehlenden Stehvermögen scheitern.
12. Graasten (Trainer Peter Schiergen/Jockey Richard Kingscote): Letztlich chancenlos in der Union, obwohl nur vier Längen geschlagen. Dafür abgehängt im Derby Italiano. Bruder vieler guter Pferde wie Girolamo, Gereon oder Goose Bay, die sich oft mit vier Jahren noch verbesserten. Aber Graasten muss sich für den Derbysieg schon deutlich steigern.
13. Hot Beat (Trainer Peter Schiergen/Jockey Dennis Schiergen): Enttäuschte als Favorit im Bremer Derby Trial, davor immerhin Dritter in Hannover hinter Shimrano. Aber diese Formen reichen nicht.
14. Rogue Runner (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Oisin Murphy): Immer hoch gehandelt im Wöhler-Stall, aber das englischen Derby war eine Nummer zu groß. Davor patzte er als klarer Favorit im Frankfurter Metzler-Preis, der Boden sei zu weich gewesen. Diesmal wird der Boden wahrscheinlich passend sein. Trainer Wöhler sagt zudem, dass der Hengst definitiv stehen kann. Da glauben wir einfach mal dem Trainer. Ein wenig die Wundertüte im Rennen. Aber es wäre schon der Hammer, wenn Rogue Runner für den Wöhler-Stall gewinnen würde – nach der bekannten Vorgeschichte.
15. Isidor (Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik: Lange Zeit führend im Wettmarkt. Der Maidensieg in Köln machte mächtig Eindruck, als er trotz deutlicher Unreife im Stile eines sehr guten Pferdes unter anderem Nordic Flight und Shadow Sadness hinter sich ließ. Es folgte ein Erfolg in einem französischen Altersgewichtrennen (die Pferde dahinter werteten die Form jedoch nicht auf). Dann kam der Flop in Hannovers Derby-Trial als chancenloser Vierter. Immer noch ziemlich kurz im Wettmarkt, stehen kann er allemal. Kann alle überraschen.
16. Koffi Prince (Trainer Hans Jürgen Gröschel/Jockey Jack Mitchell): Derbystarter für den Handicap-Spezialisten Hans Jürgen Gröschel. Qualifizierte sich durch Platz 3 im Bremer Derby Trial, war aber schon weit geschlagen. Einer der größten Außenseiter im Feld.
17. Shining Rules (Trainer Sascha Smrczek/Jockey Koen Clijmans): Frischer Doppelsieger, aber das war im Maidenrennen bzw. Ausgleich 3. Das Derby ist doch ein anderes Kaliber.
18. Bonusdargent (Trainer Erika Mäder/Jockey Michael Cadeddu): Tat dem Kolumnisten einen großen Gefallen, als er in Baden-Baden zu guten Odds siegte. Aber das war in der Sieglosenklasse, ein Erfolg von Bonusdargent wäre eine gewaltige Überraschung. Aber: In den letzten Jahren endete immer ein krasser Außenseiter ziemlich weit vorne.
Urteil Karpino wäre eigentlich meine Wahl gewesen, aber der läuft ja bekanntlich nicht. Ich versuche es mal mit Areo, der in Köln gegen Shimrano sehr gut aussah und diesmal vielleicht den Spieß umdrehen kann. Gefahren gibt es viele: Natürlich Shimrano, aber auch Nutan mit Starke oder Isidor, wenn er die letzte Form vergisst. Und vielleicht beweist Rogue Runner mal im Rennen, dass er so gut ist wie seine Umgebung ihn sieht.
Irgendwie ist das bislang eine Woche der schlechten Nachrichten: Erst am Montag die Hiobs-Botschaft über die Verletzung des Derby-Favoriten Karpino, am Dienstag kam die noch schlimmere Nachricht vom Tod des großartigen Kauto Star.
Eines der besten Hindernispferde aller Zeiten starb im Alter von 15 Jahren. „Der Champion aller Champions“, sagte sein langjähriger Trainer Paul Nicholls. „Das beste Jagdpferd, das ich je geritten habe“, betonte Ruby Walsh, bei den meisten Erfolgen im Sattel. „Die Reaktionen auf seinen Tod zeigten eindrucksvoll, dass Kauto Star immer noch der größte Star im englischen Hindernissport ist“, schrieb Greg Wood in seinem Nachruf im Guardian. Obwohl seine Rennkarriere bereits 2012 endete und Kauto Star im Gegensatz etwa zum Flach-Heroen Frankel nicht unbesiegt blieb.
„Steeplechaser of a lifetime“ nannten sie auf der Insel den in Frankreich gezogenen Wallach. In den Farben von Besitzer Clive Smith feierte er grandiose Triumphe: Fünf Mal gewann er die King George VI Chase in Kempton, vier Mal die Betfair Chase in Haydock, zwei Mal den Cheltenham Gold Cup – all die Top-Rennen für Steepler. Allein in 16 Grade 1-Prüfungen hatte er die Nase vorn.
Kauto Star war ein großer Kämpfer und verfügte sowohl über Stamina als auch Speed. Meist sprang er tadellos, gelegentlich neigte er aber zu kleinen Fehlern. Allerdings hatte er mit Ruby Walsh einen kongenialer Partner im Sattel, dessen ruhige Art wirkte. Zudem schaffte es Trainer Paul Nicholls immer wieder, den Wallach punktgenau in Form zu bringen.
Nur ich habe Kauto Star fast nie gewettet. Zum einen ging er fast immer zu niedrigen Quoten als Favorit an den Start, zum anderen gab es oft Alternativen. Dachte ich wenigstens und holte mir besonders im King George oftmals eine blutige Nase mit meinen Tipps.
Der ewige Rivale
Dann war da ja noch Denman, der ewige Rivale und ebenfalls von Paul Nicholls trainiert. Ich zählte eher zur Denman-Fraktion – auch weil er vielleicht einen Deut schlechter war als Kauto Star. Außenseiter-Bonus eben.
Die Duelle zwischen diesen beiden Spitzenpferden zählten zu den absoluten Höhepunkten des Hindernissports und zeigten, wie faszinierend dieser Sport sein kann, wenn ihn absolute Könner betrieben. Meist hatte Kauto Star die Nase vorn, aber es war immer spannend. Paul Nicholls beschrieb seine beiden Schützlinge später einmal so: Denman sei immer eher der „mürrische“ Typ gewesen, Kauto hingegen „freundlich“ und „zugänglich“.
Das Publikum liebte beide Protagonisten. Unvergessen der Cheltenham Gold Cup 2011, als die damals schon alten Herren in der Zielgerade in Führung lagen und das so und schon laute Publikum des Cheltenham Festivals regelrecht explodierte. Später überflügelte der jüngere Long Run die beiden und wies sie auf die Plätze 2 und 3.
2011 war noch mal ein großes Jahr für Kauto Star. Dabei war er im Frühjahr in Punchestown noch deutlich geschlagen gewesen. Doch im November triumphierte er zum vierten Mal in Haydock in der Betfair Chase, der Applaus wollte nicht mehr enden. Fünf Wochen später gewann er seinen fünften King George. „Es war einer der besten Tage, den man im Rennsport haben konnte“, erinnert sich Paul Nicholls.
2012 war dann Schluss. Ruby Walsh hielt ihn im Cheltenham Gold Cup früh an, irgendwas stimmte nicht. Kauto Star beendete seine illustre Karriere im Hindernissport und ging in den Ruhestand. Dort versuchte man es noch einmal im Dressursport – diesen Schritt hätte man diesen Champion aber ersparen können.
Auch in Haydock Park machte Kauto Star eine gute Figur: Viermal siegte der Nicholls-Schützling in der Betfair Chase.
Ausgerechnet Frankfurt! Warum musste Elizabeth Alexandra Mary Windsor aus dem Vereinigten Königreich, besser bekannt als Queen Elisabeth, unbedingt die Mainmetropole besuchen? Die Stadt, die ihre Galopprennbahn dem Fußball opfern will und dies nach dem Bürgerentscheid am Sonntag auch wahrscheinlich machen wird.
Definitiv nicht „very nice“, denn die Königin ist eine passionierte und erfolgreiche Besitzerin von Rennpferden. Die königliche Familie veranstaltet jedes Jahr das vielleicht aufregendste Galopp-Festival der Welt. Royal Ascot sind fünf Tage lang Pferderennen in exzessiver Fülle und von hoher Güte.
Das Festival war letzte Woche, jetzt stand Deutschland auf dem Programm. Erst Berlin, gestern Frankfurt und heute ging es wieder heim. Frankfurt bot sich schon allein aus familiären Gründen an. Die Mutter von Prinz Philipp, Alice von Battenberg, stammte aus dem Geschlecht der Großherzöge von Hessen. Für Nicht-Monarchisten: Das ist der Gatte der Königin, der immer so drollige Sprache macht. Zum Beispiel über Inder.
So besuchten die Windsors Frankfurt am Main, wurden freundlich von den Bürgern begrüßt und trafen allerlei Honoratioren: den Bundespräsidenten etwa, den hessischen Regierungschef zum Beispiel und natürlich auch Peter Feldmann, den Frankfurter Oberbürgermeister. Und vielleicht kam dann der folgende Dialog zustande – beim gemeinsamen Essen etwa, zwischen Suppe und erstem Gang.
Die Queen: „Junger Mann, ich bedanke mich für den herzlichen Empfang in ihrer Stadt. Einer Stadt voller aktiver Menschen.“
Peter Feldmann: „Vielen Dank. Wir sind eine Stadt des Fußballs – die große Eintracht, der kleine FSV und natürlich der Deutsche Fußball-Bund, der hier seinen Sitz hat. Die Weltmeister! Und jetzt wird der DFB sein großes Leistungszentrum in Frankfurt bauen. Die Bürger haben das so entschieden – auf dem Gelände der Galopprennbahn. Eine große Ehre für unsere Stadt.“
Die Queen war schon ein wenig müde. Die ungewohnten hessischen Spezialitäten hatten ihr zugesetzt und dann auch noch Fußball. Mit Grauen erinnerte sie sich an die neureichen englischen Kicker und ihre aufgedonnerten Frauen. Wie hieß noch der, den ich nie verstanden habe, weil er so undeutlich sprach. Rooney oder so ähnlich? Doch beim Thema Galopprennen wurde sie langsam wieder wach.
Die Queen fragte nach: „Das Zentrum entsteht auf der Galopprennbahn? Und was wird aus ihrer schönen Rennbahn? Keine Galopprennen mehr in Frankfurt. Das ist eine Schande!“
Feldmann war überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet: Sein königlicher Gast war wirklich empört. Die Leute guckten schon: „Pferderennen sind doch ein aussterbender Sport. Und die Bürger haben sich für den Fußball entschieden. Und bekommen jetzt auch noch einen schönen Bürgerpark.“ murmelte er.
Die Queen war nicht mehr amüsiert: „Sie können doch nicht einfach uraltes Kulturgut zerstören. Und wie sie wissen sollten, habe ich selber viele erfolgreiche Pferde besessen bzw. besitze sie noch.“
Die Queen war jetzt kaum noch zu stoppen: „Jedes Jahr lade ich meine Gäste zum Pferderennen nach Ascot ein. Da kommen Bürger aller Schichten, von alt bis jung. Und mehr Besucher als bei eurer Eintracht.“. Elisabeth zürnte. Diese Politiker, dachte sie. Aber vielleicht bekommt dieser Mann bei der nächsten Wahl ja die Quittung.
Der Oberbürgermeister hingegen guckte ratlos in die Runde und sucht seinen Pressesprecher. Vielleicht hätte man ihn vorher informieren sollen, dass sein königlicher Gast in Sachen Turf gut vernetzt sei. Feldmann war sauer, so hat ihn schon lange niemand mehr zurechtgewiesen. Auch nicht diese Möchtegern-Revoluzzer der Bürgerinitiative Pro Rennbahn. Die auch jetzt nicht ruhig sind und sagen, dass die Entscheidung kein Sieg des Fußballs ist. Da, denkt Feldmann, haben sie aber eigentlich Recht: Denn die Mehrheit entschied sich für die Rennbahn, es waren nur nicht genügend. Also interessierte es die Leute eigentlich gar nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben freute sich Feldmann über eine schlechte Wahlbeteiligung.
Natürlich war dieser Dialog rein fiktiv, das Gespräch hat so nicht stattgefunden. Hätte aber sein können.