Montag, 15. Juni 2015
Der kleinste englische Derbysieger aller Zeiten


Es sind oft nicht die körperlich perfekten Pferde, denen die Sympathie der Turf-Enthusiasten zufällt. Klein, aber fein – so könnte man den englischen Vollblüter Hyperion (1930 – 1960) beschreiben. Das Turfvolk liebte den Fuchshengst. Und Hyperion war nicht nur ein Derby und St. Leger-Sieger, sondern auch in einer späteren Karriere ein höchst erfolg- und einflussreicher Deckhengst.


Es waren die Jahre der großen Wirtschaftsdepression in Europa und den USA. Auch in England, das einstige Empire schrumpfte immer mehr zusammen. Seit 1931 regierte eine Koalition der drei großen Parteien – auch eine Reaktion auf die ökonomische Krise.
Diese Dinge interessierten aber einen in Newmarket im Jahr 1930 geborenen Vollbluthengst namens Hyperion wenig. Sein Vater war der Triple Crown-Sieger Gainsborough, damals einer der erfolgreichsten Deckhengste auf der Insel. Auch die Mutter Selene vollbrachte Großes auf der Rennbahn, mit Sickle und Pharamond hatte sie schon zwei sehr gute Vollblüter gefohlt.
Sein Züchter und Besitzer trug einen klangvollen Namen. Es war der 17. Earl of Derby, bürgerlich Edward Stanley und im Leben ein konservativer Politiker. Einer seiner Vorgänger erfand das bekannteste Rennen der Welt.
Hyperion trug den Namen eines griechischen Sonnengottes. Doch der Hengst machte anfangs Probleme. Denn er war nicht nur ziemlich klein, sondern auch schwächlich. Die fehlende Größe war durchaus nachvollziehbar, weil sowohl Vater als auch Mutter von kleinerer Statur waren. Die schwache Physis bereitete eher Probleme – ob er jemals eine Rennbahn sehen würde, schien lange fraglich.
Der Gainsborough-Sohn fand jedoch einen wichtigen Fürsprecher in The Honorable George Lambton. Der Privattrainer (geboren 1860) des Earls of Derby befand sich schon auf den Zielgeraden seiner erfolgreichen Karriere, dank seiner jovialen Art mochten ihn sowohl der Rennadel als auch die Stall-Belegschaft. Hyperion sei das schönste kleine Pferd, das er je gesehen hätte, sagte der Trainer. Er würde zweifellos das Pony-Derby gewinnen. Lambton gefiel die „schöne Aktion und sein Kopf, voller Charakter und Mut.“

Muskeln eines Wrestlers
Der so geadelte blieb und wuchs aufgrund seiner Schwierigkeiten getrennt von den anderen Jährlingen im Side Hill Stud in Newmarket auf. Nur ein anderer etwas zurückgebliebener Hengst namens El Capitan leistete ihm Gesellschaft.
Bei El Capitan verlor sich später die Spur, Hyperion aber rückte in den Rennstall von George Lambton auf. Der Trainer erkannte das Potenzial seines Hengstes, der die „Muskeln eines Wrestlers“ habe und verglich ihn mit Swynford, seinem bisher erfolgreichsten Pferd.
In der Morgenarbeit aber war Hyperion eher faul. Er musste viel arbeiten, damit er fit wurde. Auf der Rennbahn zeigte der Hengst ein anderes Gesicht, da explodierte er regelrecht. Zweijährig war er früh auf den Beinen. Bereits im Mai 1932 gab er sein Debüt in Doncaster und belegte einen guten vierten Platz bei 18 Startern.
Beim zweiten Start besiegte er in den New Stakes in Ascot über 1000 Meter 21 Konkurrenten und brach den Kursrekord. Es folgten ein geteilter erster Platz (totes Rennen) in Goodwood, Platz 3 in den Boscawen Post Stakes in Newmarket und als krönender Abschluss der Triumph über 1400 Metern in den Dewhurst Stakes, auch heute noch eines der bedeutendsten Rennen für den Zweijährigen-Jahrgang auf der Insel.
Dreijährig präsentierte sich Hyperion gereift, gewachsen war er aber nicht. Für die 2000 Guineas besaß er keine Nennung. Sein Jahresdebüt gab er in der Chester Vase über 2400 Meter. Jockey Tommy Weston musste nach schlechtem Start ziemlich arbeiten, doch am Ende siegte Hyperion mit zwei Längen.
Eines wurde dabei schon deutlich: Der Fuchs hatte das Stehvermögen seines Vaters geerbt. Die 2400 Meter bzw. 12 Furlong in England passten sehr gut. In der Morgenarbeit war Hypérion weiterhin keine Leuchte, doch in das Derby 1933 ging er als Favorit. Es wurde sein Tag auf dem schwierigen Kurs in Epsom: Am Ende lautete der offizielle Richterspruch vier Längen, mit 2:34 Minuten gab es einen neuen Bahnrekord, aber viele Beobachter meinten damals, dass Hyperion an diesem Tag weitaus überlegener wirkte. „Finger in der Nase“ hätte später ein bekannter Rennkommentator bemerkt. Der kleine Hengst hatte endgültig die Herzen des Publikums gewonnen.



Der Sieg im Derby 1933: Man entschuldige den fehlenden Ton und die schlechten Bildqualität, aber dies ist ein historisches Dokument (Quelle British Pathe)

Dreijährig blieb der Lambton-Schützling ungeschlagen. Doch nach dem Erfolg in den Prince of Wales Stakes während Royal Ascot pausierte er verletzungsbedingt, erst knapp drei Monate später folgte der nächste Start im September im englischen St. Leger. Damals hatte dieser Klassiker über lange 2800 Meter noch einen ganz anderen Status, in Doncaster trafen sich die Besten des Jahrgangs. Es wurde eine Start-Ziel-Demonstration: Hyperion schlug den hoch gehandelten Felicitation leicht mit drei Längen.

Zucht-Ikone
Vierjährig bekam der Hengst einen neuen Trainer namens Colledge Leader. Denn der Earl of Derby war der Meinung, dass Lambton aufgrund seines Alters und seiner schlechten Gesundheit nicht mehr der Betreuer der Derby-Pferde sein sollte. Unter der Ägide von Leader siegte Hyperion in seinen nächsten zwei Rennen in Newmarket. Doch beim nächsten Start wurden ihm im Ascot Gold Cup die rund 4000 Meter zu lang: Der alte Rivale Felicitation siegte mit acht Längen Vorsprung, sogar Thor II überlief noch den nachlassenden Hyperion.
Nur zwei Pferde liefen beim nächsten Start in den Dullington Stakes in Newmarket: Nach hartem Kampf unterlag der Gainsborough-Sohn wieder über 2400 Meter dem im Gewicht deutlich günstiger stehendem Dreijährigen Caithness.
Es war sein letzter Auftritt auf einer Rennbahn. Neun Siege bei 13 Starts waren eine hervorragende Bilanz, das schlechteste war der vierte Platz beim Debüt. „Ich wusste bis auf jedes Pfund, wie gut Hyperion war. Aber ich wusste nie, wie gut Sywnford war”, meinte sein ehemaliger Trainer George Lambton.
Als Deckhengst startete Hyperion richtig durch und wurde zu einem der erfolgreichsten Vererber der Turf-Historie. Er zeugte die Gewinner von 752 Rennen; 53 von ihnen wurde zu Gruppe-Siegern. Sechs Mal war er der führende Deckhengst in England und Irland. Aber auch in Amerika, Australien und Neuseeland beeinflussten er und seine Nachkommen die Vollblutzucht maßgeblich.
1960 starb Hyperion im reifen Alter von 30 Jahren. Eine Statue aus Bronze von ihm steht am Eingang des Jockey-Clubs in Newmarket, sein Skelett ist im National Horse Racing Museum ebenfalls in Newmarket zu bewundern.

Links und Quellen
Informativer Artikel über Hyperion

George Lambton und andere

Neues von Lord Derby

Das St. Leger 1933 bei British Pathe



Donnerstag, 11. Juni 2015
Wer folgt Sea The Moon und Ivanhowe
Der Countdown läuft – nur noch drei Wochen bis zum Deutschen Derby in Hamburg-Horn. Am Sonntag in Köln treffen sich acht Kandidaten im Kölner Union-Rennen, der wichtigsten Derby-Vorprüfung.

Wer in der Union gut läuft, macht das auch im Deutschen Derby. Eine alte deutsche Turf-Weisheit, allerdings hätte ich gedacht, dass viel mehr Pferde das Double Union – Derby geschafft hätten. Aber so viele waren das nicht in den letzten 30 Jahren: Sea The Moon (2014), Wiener Walzer (2009), Dai Jin (2003), Next Desert (2002), Lavirco (1996) und Acatenango (1985).
Dabei machten viele Union-Sieger später richtig Karriere. Die Siegerliste des seit 1834 gelaufenen Union-Rennens ist gespickt mit vielen Großen des deutschen Turfs: Ivanhowe, der spätere King George-Triumphator Novellist, Aspectus, Sabiango, Silvano, Caitano, Kornado, Turfkönig, Alkalde oder Kondor etwa. Nur im Derby scheiterten sie aus diversen Gründen.



Favorit in der Union: Shimrano (Bild German Racing/Rühl)

Acht Kandidaten werden wahrscheinlich am Sonntag in der Union in die Boxen einrücken. Leider wird Quasillo, der Führende im Derby-Wettmarkt, wegen einer Hufprellung fehlen. Damit rückt Shimrano in die Pole-Position. Sein Trainer Paul Harley hat noch nie die Union gewonnen. Das verwundert nicht, denn so lange ist Harley ja noch gar nicht im Trainer-Geschäft. Sein Schützling ist ein würdiger Favorit, steigerte sich bislang von Rennen zu Rennen. Gespannt bin ich, ob er wieder von der Spitze aus läuft.
Dahinter folgt mit deutlichem Abstand Nutan, hoch geschätzt im Quartier von Peter Schiergen. Viel falsch gemacht hat der Duke-of-Marmalade-Sohn noch nicht. Der zweite Platz zum Debüt in einem starken Kölner Sieglosen-Rennen war eine gute Leistung, danach folgte ein souveräner Sieg. Jetzt heißt es Farbe in besseren Rennen bekennen, ich habe durchaus Mumm auf das Pferd.
Areo konnte hingegen schon in besserer Gesellschaft überzeugen. Was die Form im Frankfurter Metzler-Preis hinter dem Sensations-Sieger Shadow Sadness wert ist, muss sich aber zeigen. Zumindest wird der Boden am Sonntag in Köln nicht so weich wie in Frankfurt sein.
Summer Paradiese, Agosteo, Graasten, Los Cerritos (erster Start für Markus Klug) und die nachgenannte Stute Auctorita vervollständigen das Feld. Für die Lady aus dem Wöhler-Stall ist es die Generalprobe zum Preis der Diana, der Rest der Teilnehmer kämpft auch um einen Derby-Startplatz. Graasten und Summer Paradiese liefen zuletzt im italienischen Derby, beide Pferde waren jedoch meilenweit geschlagen.

Glücklich wieder vereint
Nordic Flight sollte hingegen seinen Platz im Derby sicher haben. Der Adlerflug-Sohn siegte im Iffezheimer Derby-Trial, bestätigte somit seine guten Formen. Aber so richtig Eindruck machte dieser Arbeitssieg nicht. Etwas enttäuschend lief Devastar, der dem Kolumnisten bei seinem live gesehenen Kampfsieg in Dortmund noch so gut gefallen hatte. Aber für das Derby reicht die Klasse nicht aus, auch wenn der Hengst noch reichlich Luft nach oben hat.
Es war so und so nicht das Wochenende des Kolumnisten. Die Tipps beim zweitägigen Epsom-Meeting waren ein einziges Desaster. Und natürlich siegte dann der Favorit Golden Horn im englischen Derby, dessen Favoriten-Kurs mir einfach zu niedrig war. Aber eventuelle Zweifel am Stehvermögen tilgte der Cape Cross-Sohn in den schwarzweißen Oppenheimer-Farben mit einer großartigen Vorstellung, die eines Favoriten würdig war.
Zudem freut es mich persönlich, dass mal nicht der mächtige O’Brien-Stall vorne war. Trainer John Gosden (der mit Jack Hobbs auf Platz 2 einen Doppelsieg feierte) hat es verdient. Zum einen ist er schon lang genug im Geschäft, zum anderen lässt er einen Pferden Zeit und jagt sie nicht in unerfüllbare Aufgaben. So könnte es durchaus sein, dass wir Golden Horn und Jack Hobbs auch im nächsten Jahr noch auf der Bahn sehen.
Es war zudem die Rückkehr eines altes Dream-Teams: In den neunziger Jahren arbeiteten John Gosden und Jockey Frankie Dettori schon sehr erfolgreich zusammen. Damals trainierte Gosden viele Pferde für Sheikh Mohammed, die in den bekannten weinroten Farben liefen. Später kam dann das Projekt Godolphin mit eigenem Trainer und aus weinrot wurde blau. Aber auch ohne die Scheich-Pferde feierte der Trainer, der einige Zeit in den USA verbracht hatte, weiterhin gute Erfolge.
Und Dettori reitet seit seinem Godolphin-Abschied besser denn je. Der Erfolg von Golden Horn war übrigens erst der zweite Treffer in diesem Prestige-Rennen für die Routiniers Gosden und Dettori.
Trotz allem Optimismus im Vorfeld blieb Rogue Runner im Epsom Derby chancenlos. Der Wöhler-Schützling hatte ähnliche Probleme mit dem schwierigen Epsom-Kurs wie der deutlich höher eingeschätzte und im gleichen Besitz stehende Elm Park, der ein rätselhaftes Rennen lief. Der Boden dürfte zudem nicht weich genug gewesen sein. Ob er dreijährig an die guten Youngster-Formen anknüpfen kann? Noch hat er eine Nennung für das Deutsche Derby, steht dort sowohl bei racebets als auch pferdewetten.de 15:1.



1985 lief das Union-Rennen sogar noch im Fernsehen. Acatenango siegte und wiederholte diesen Erfolg dann im Derby



Mittwoch, 10. Juni 2015
Coach Zoran und der Kampf gegen Windmühlen
„Coach Zoran and his African Tigers“, heißt eine Dokumentation der englischen BBC. Macher Sam Benstead hat den serbischen Coach Zoran Djordjevic bei seiner Arbeit als erster Trainer der neugegründeten Fußball-Nationalmannschaft des Südsudan begleitet. Das Ergebnis ist ein starkes Stück TV über die Kraft und Faszination des Fußballs in Afrika. Trotz aller Widrigkeiten und einem fehlendem Happy-End. Und Djordjevic fasziniert als Typ.

Satter grüner Rasen, First Class-Hotels, komfortable Reisen – der Job eines Nationaltrainers hat seine schöne Seiten. Wenn man die Fußball-Teams aus Deutschland, England oder Italien trainiert. Nicht aber im noch relativ jungen Staat Südsudan: Zoran Djordjevic ist Serbe, als Sportlehrer viel in der Welt herumkommen und 2012 der Coach der Fußball-Nationalmannschaft des 2011 unabhängig gewordenen Landes.
Zoran hat Nichts: kein Geld, kein Auto, der Trainingsplatz ist eine braune Fläche mit vereinzelten Rasenstücken. In Europa würde darauf kein Amateurteam trainieren. Für Scouting-Touren nimmt er den Bus, weil der zur Verfügung gestellte Wagen defekt ist. Bei seinem ersten großen Turnier hat der Verband nicht ausreichend Geld für alle Rückflüge. Das Leben als Nationaltrainer ist ein permanenter Kampf.
Aber Djordjevic verfügt über ein großes Selbstbewusstsein. „Ich bin verantwortlich für zehn Millionen junge Menschen in Südsudan“, sagt er, als er beim zuständigen Minister Geld locker machen will. „Niemand kann Zoran stoppen“.

Väterlich
Wehe, wenn der so gemütlich wirkende Serbe explodiert. Und das passiert häufig. Zoran poltert und flucht, das Verhältnis zum Präsidenten des Fußball-Verbandes ist schnell zerrüttet. Seine Führungsmethoden sind manchmal ein wenig eigentümlich. So ohrfeigt er einen seinen Spielern, damit dieser nicht mehr so weichlich in den Zweikämpfen agiert. Keiner der Spieler spielt als Profi. Zoran behandelt sie wie seine Kinder. Mal streng, mal fürsorglich.
„Wenn er bei mir trainiert, spielt er in zwei Jahren in Liverpool oder Manchester“, sagt Djordjevic über Hassan Ismail Konyi. Der hochaufgeschossene Spieler hat 26 Schwestern und 35 Brüder, doch der Traum von den Profiligen scheitert schon beim Probetraining für einen unbedeutenden kanadischen Klub.
Der erste Start beim CECAFA-Turnier 2012 wird zur Pleite: Der Südsudan verliert seine Gruppenspiele gegen Kenia, Äthiopien und Uganda und bleibt torlos. Und Zoran Djordjevic verliert seinen Job. „Er ist unglaublich arrogant“, meint der Verbands-Präsident Chabur Goc Alei. Freunde werden er und Djordjevic definitiv nicht mehr.

Die Kritik des Guardian.