Freitag, 5. Juni 2015
Hans Holbein kann überraschen
John Gosden ist einer der Top-Trainer in England, doch das englische Derby ist nicht unbedingt sein Lieblings-Rennen. Im letzten Jahr belegte Romsdal mal Platz 3, aber es gab auch lange Perioden, in denen Gosden überhaupt keinen Starter in dieser Prestigeprüfung hatte. Fast 20 Jahre ist es her, da triumphierte auf dem schwierigen Kurs in Epsom Benny The Dip mit Willie Ryan im Sattel und bescherte dem Trainer seinen einzigen Derbysieg.
2015 sattelt Gosden auf einmal gleich zwei chancenreiche Kandidaten: Golden Horn und Jack Hobbs, Erster und Zweiter in den Dante Stakes. Kann er die Aidan O’Brien-Serie der letzten Jahre brechen? Drei Kandidaten schickt der Ballydoyle-Maestro ins Rennen, doch diesmal fehlt ein klarer Favorit a la Australia oder Camelot. Starter und Chancen im Epsom-Derby 2015.


Carbon Dating (Trainer James Patrick Shanahan/Jockey Ronan Whelan): Nach vier Starts noch sieglos, nach keiner bislang gezeigter Form dürfte er eine Chance haben.

Elm Park (Trainer Andrew Balding/Jockey Andrea Atzeni): Überragender Zweijähriger, siegte unter anderem in der Gruppe 1 Racing Post Trophy auf weichem Boden. Der Hengst hat jedoch auch schon auf gut bis festem Boden gewonnen. Das Jahresdebüt in den Dante Stakes als Dritter war in Ordnung, zumal er wie viele Pferde seines Stalles den ersten Start noch benötigte. Muss sich dennoch steigern, das ist ihm aber zuzutrauen. Stehvermögen sollte da sein.

Epicuris (Trainer Christine Head-Maarek/Jockey Thierry Tulliez): Gast aus Frankreich, der zuletzt nicht in die Startboxen einrücken wollte. Davor vier Längen Zweiter hinter dem hochgehandelten Silverwave, der diese Form im französischen Derby jedoch nicht bestätigte. Zweijährig dreifacher Sieger, unter anderem im Gruppe 1 Criterium de Saint Cloud. Beste Formen auf weichem Untergrund, jedoch schon auf gutem Boden erfolgreich. Schwer einzuschätzen, das Pferd für die Überraschung.

Giovanni Canaletto (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Ryan Moore): Der Halbbruder des Derbysiegers Ruler of The World wird offenbar sehr geschätzt im O’Brien-Quartier und ist die Wahl von Ryan Moore. Die Formen lassen aber noch etwas zu wünschen. Der zweite Platz in den Gallinule-Stakes hinter Curvy reicht nicht, auf etwas weiterer Strecke hätte Giovanni Canaletto jedoch gewonnen. Immer noch etwas unreif, vielleicht könnte das Derby etwas zu früh kommen.

Golden Horn (Trainer John Gosden/Jockey Frankie Dettori): Überzeugender Sieger in den Dante Stakes in York, der wichtigsten Derby-Vorprüfung. Dabei besiegte er Jack Hobbs und Elm Park, die er Samstag wieder trifft. Noch ungeschlagen und hat in allen Prüfungen immer gute Pferde hinter sich gelassen. Der klare Favorit bei den Buchmachern, nachgenannt für 75 000 Pfund. Golden Horn sollte ursprünglich im kürzeren französischen Derby laufen, weil ihm sein Besitzer die englische Derbydistanz von 2400 Metern nicht zutraute. Es gibt dann auch kleine Fragezeichen zum Stehvermögen.



1997 feierte Trainer John Gosden seinen bislang einzigen Erfolg im Derby: Benny The Dip wehrte knapp den Ansturm des Schimmels Silver Patriach ab.

Hans Holbein (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Seamie Heffernan): Überzeugender Sieger in der Chester Vase, an mangelndem Stehvermögen wird der nach dem deutschen Maler benannte Hengst definitiv nicht scheitern. Storm The Stars, der Zweite in dem Rennen, bestätigte die Form mit seinem Erfolg im Goodwooder Derby-Trial. Hat auf weichem und gut bis weichem Grund gewonnen, kleines Fragezeichen bei gut bis festem Boden. Nicht zu unterschätzen.

Jack Hobbs (Trainer John Gosden/Jockey William Buick): Der Stern von Jack Hobbs ging auf, als er ein Handicap in Sandown im gewöhnlichsten Handgalopp gewann. Danach ging er als Favorit in die Dante Stakes, hatte dort aber keine Chance gegen den Stallgefährten Gold Horn. So recht glaube ich nicht an eine Formumkehr. Auch bei ihm gibt es leichte Zweifel, ob die 2400 Meter ideal sind. Wenn der Boden zu fest ist, soll er nicht laufen.

Kilimanjaro (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Joseph O’Brien): Gewinner des Derby-Trials in Lingfield. Dreijährig stark verbessert, aber andere Kandidaten haben deutliche bessere Meriten. Der Außenseiter aus dem O’Brien-Quartier.

Moheet (Trainer Richard M. Hannon/Jockey Pat Dobbs): Talentierter Hengst und einer der seltenen Starter des großen Hannon-Quartiers im Derby. Zuletzt landete Moheet im Mittelfeld der 2000 Guineas, jetzt geht man deutlich in der Distanz hinauf. Außenseiter.

Rogue Runner (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Oisin Murphy): Deutscher Gast mit Besitzern aus Katar. Noch nicht ausgereifter Kandidat, zuletzt aber enttäuschend im Frankfurter Metzler Preis. Die Wöhler-Stallform ist aktuell großartig, das ist jedoch der größte Pluspunkt für Rogue Runner. Ein Erfolg wäre eine Sensation, zumal die 2400 Meter etwas lang werden könnten.

Storm The Stars (Trainer William Haggas/Jockey Pat Cosgrave): Sieger der Vorprüfung in Goodwood, davor Zweiter hinter Hans Holbein in der Chester Vase. Steher durch und durch, aber trotz sechs Starts immer noch nicht ausgereift und laut Trainer-Gattin Maureen Haggas eher ein Typ für das St. Leger. Dem schließe ich mich an, aber zumindest für Platzwetter eine interessante Alternative.

Success Days (Trainer Ken Condon/Jockey Shane Foley): Ebenfalls für 75 000 Pfund nachgenannt, Sieger zweiter Derby-Trials in Leopardstown, die schon einigen irische Derbysieger als Sprungbrett dienten. Die größte Unbekannte bei Success Days ist jedoch der Boden, denn bislang ist er nur auf schwerem bzw. weichem Untergrund gelaufen.

Urteil
So richtig überzeugt mich in diesem Jahr keiner der Kandidaten, bei jedem gibt es irgendetwas etwas zu bemäkeln. Hans Holbein mag der Glamour anderer Teilnehmer fehlen, aber wenn anderen die Distanz auf dem schwierigen Epsom-Kurs zu lang wird, wird er weitermarschieren. Golden Horn wird aber nach der Dante-Form nur schwer zu schlagen sein, wenn er mit Bahn und Distanz zurechtkommt.



Mittwoch, 3. Juni 2015
Doch nicht der ewige Sepp
Nun ist er doch zurückgetreten, der Blatter Sepp, der mächtige Präsident des Weltfußballverbandes FIFA. Die Kacke, wie man uns beim Ruhrgebiet sagt, war dann doch zu sehr am Dampfen. So sehr, dass der machtbewusste Blatter sein Amt aufgab, in das er noch am Freitag von seinen FIFA-Kollegen gewählt wurde. Ich empfehle einfach mal die Artikel der in Sachen FIFA immer gut informierten Süddeutschen Zeitung.

Der Kolumnist interessiert sich schon sehr lange für das skandalöse Geschäftsgebahren des Weltfußballverbandes. Besser gesagt: seit den neunziger Jahren, als er das Buch „Das Milliardenspiel“ von Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung und Jens Weinreich las.
Da ging es nicht um die FIFA, sondern auch um das International Olympic Committee (IOC). Beide Verbände haben aber etwas gemeinsam: Für viele Funktionäre dient ein hoher Posten in einem Sport-Spitzenverband nur dazu, möglichst viel Geld in die eigene Tasche zu scheffeln.
Die Werke des englischen Journalisten Andrew Jennings brachten zusätzliche Erkenntnisse. Klar wurde: Korruption und Vetternwirtschaft prägten die jüngste Geschichte der FIFA. Spätestens nachdem der Brasilianer Joao Havelange die Geschäft übernahm.



Andrew Jennings in Hochform: Hier möchte er Sepp Blatter nur ein paar Fragen stellen

Gute Freunde kann niemand trennen
Und der Blatter Sepp, er war immer an maßgeblicher Stelle dabei. Erst als Generalsekretär der FIFA und dann, als er 1998 in einer dubiosen Abstimmung (deren Ergebnis offenbar ein paar Briefumschläge mit Geld maßgeblich beeinflussten) den damaligen UEFA-Präsidenten Johansson besiegte und Havelange als Präsident folgte.
Es waren immer die gleichen Namen, die dem Weltfußballverband schlechte Nachrichten bescherten: Joao Havelange, sein Schwiegersohn Ricardo Teixeira, Jack Austin Warner aus Trinidad und Tobago oder Chuck Blazer aus den USA zum Beispiel.
Der schlaue Blatter aber blieb im Hintergrund. Viele Delegierte aus den FIFA-Ländern liebten den Schweizer aus dem Wallis. Weil er der reiche Onkel aus Europa war, der sie reegelmäßig bescherte. Ob das Geld jetzt für den Fußball in den jeweiligen Ländern verwendet wurde oder direkt in die Tasche des jeweiligen Landeschefs wanderte, kontrollierte niemand. So waren sie glücklich, die Landesfürsten aus Afrika, Ozeanien und Mittelamerika und ihr Gönner, der Blatter Sepp von der FIFA. Treu wählten sie ihn immer wieder zu ihrem Präsidenten.
Außerhalb des Weltfußballverbandes schüttelten aber immer mehr Leute ihre Köpfe. Die fortlaufenden Skandale, die Korruption und Selbstbedienungs-Mentalität vieler Mitglieder schickten das Image der FIFA in den tiefsten Keller. Die dubiose Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und noch mehr 2022 nach Katar ruinierte den Ruf vollkommen. Selbst das Fachblatt kicker, früher immer auf Verbandskurs, forderte den Rücktritt von Sepp Blatter. Kistner, Weinreich, Jennings und der Kolumnist so und so. Doch Sepp schien unsterblich, wollte die FIFA von „innen reformieren“ und wurde dann doch erfasst von einem Tsunami der Proteste. Oder noch mehr von der amerikanischen Justiz.



Montag, 1. Juni 2015
Eine bittersüße Sinfonie zum Klopp-Abschied
Ende, Aus, Frust – Borussia Dortmund verlor das DFB-Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg. Kein erfolgreicher Abschied für Trainer Jürgen Klopp und Alt-Kapitän Sebastian Kehl. Doch das verdiente 1:3 der Wolfsburger war auch für den Kolumnisten ein wenig frustrierend. Ergebnis und Leistung der Schwarz-Gelben passten aber zu einer höchstens durchwachsenen Saison für den BVB.

Eigentlich wollte ich am Sonntagnachmittag ganz woanders sein. Definitiv nicht zu Hause vor dem PC und die Galopprennen des Tages verfolgend. Obwohl es mit den Deutschen 1000 Guineas und dem französischen Prix de Jockey Club zwei Klassiker des Turfjahres geboten wurden.
Aber ursprünglich wollte ich in der Dortmunder Innenstadt sein. Noch mal für ungefähr fünf Minuten (so lange dauert es, bis der Triumph-Bus mit Spielern und Offiziellen an den Besuchern am Straßenrand vorbeifährt) Klopp, Kehl und die anderen hochleben lassen. Und dabei einige Kaltgetränke zu sich nehmen. Die Wartezeit muss ja irgendwie überbrückt werden.
Doch mit dem letzten Triumphzug von Jürgen Klopp durch die Dortmunder Innenstadt wurde es bekanntlich nichts. Natürlich war das 3:1 des VfL Wolfsburg letztlich verdient. Ist ja auch ein starkes Team, Manager Klaus Allofs und Trainer Dieter Hecking haben die Gelder des Autobauers VW nach langer Zeit des sportlichen Frusts endlich mal gut investiert.
Dennoch hätte ich von der Borussia besonders in der zweiten Halbzeit mehr erwartet. Mehr Leben, mehr Initiative – ich hatte den Eindruck, dass sich Schwarz-Gelb spätestens ab der 70. Minute aufgegeben hatte.



A bittersweet Symphony von The Verve: Ein passendes Abschiedslied für Jürgen Klopp und Sebastian Kehl.

Gnadenlos effektiv
Dabei hatte es gut angefangen: Ein frühes 1:0 für den BVB nach großartiger technischer Leistung von Pierre-Emerick Aubameyang und brillanter Vorarbeit durch Shinji Kagawa. Und der Japaner knüpfte genauso wie Hendrik Mkhirtaryan an seine starken Vorstellungen aus den letzten Bundesligaspielen an.
Leider folgten ihnen nicht alle Mitspieler – Marco Reus vergab das 2:0 und war auch sonst nicht im Spiel. Eigentlich nachvollziehbar nach den ganzen Verletzungen des Spielers. Auch Ilkay Gündogan kam als Antreiber in seinem letzten Spiel für Dortmund nicht zur Geltung.
Und dann zeigte der VfL Wolfsburg seinem Gegner mal, was gnadenlose Effizienz ist. Die erste gute Chance der Grün-Weißen hatte Mitch Langerak im BVB-Tor noch stark vereitelt, doch die nächsten Minuten wurden für den Australier zu einem Erlebnis, dass er so schnell nicht vergessen wird.
Bei allen drei Gegentoren sah Langerak nicht gut aus – auch wenn die beiden ersten beiden Bälle durchaus schwer zu halten waren. Aber in überragender Form hätte er den Freistoß von Naldo (der knallhart war) nicht nach vorne geklatscht und den Schuss von De Bruyne (den er spät gesehen hatte) gehalten. Die Wolfsburger hatten aus vier Torchancen drei Tore gemacht – auch so etwas zeichnet eine Spitzenmannschaft aus.
Vielleicht wäre das Spiel anders gelaufen, hätte Shinji Kagawa nach der Pause zum 2:3 getroffen. Doch danach war das Finale irgendwie gelaufen. Dortmund haderte zwar noch zwei Mal wegen nicht gegebener Elfmeter mit Schiedsrichter Dr. Felix Brych, aber „richtige“ Strafstösse waren das auch nicht. Je länger das Spiel dauerte, desto lebloser wirkte der BVB. Auch die Dortmunder Anhänger im Stadion blieben erstaunlich ruhig.

Ein Tipp für Klopp
Die Niederlage im Finale passte zur höchst durchwachsenen Dortmunder Saison. Die Hinrunde katastrophal, in der Rückserie arbeitete sich der BVB immerhin langsam nach vorne – trotz einiger Rückschläge wie den Niederlagen gegen Augsburg, Juventus oder Gladbach., Es lag auch an der Schwäche der Konkurrenten, dass Borussia noch das internationale Geschäft in Form der Europa League erreichte
Die Europa League ist nach den Champions League-Zeiten der jüngsten Vergangenheit ein eher schaler Trost. Jedenfalls droht erstmal Ende Juli/Anfang August in der Qualifikation ein Reise in fußballerisches Neuland – Mazedonien, Litauen oder Island beispielsweise.
Jürgen Klopp macht jetzt erst mal Pause. Es waren großartige Zeiten, Klopp wird in Dortmund immer Heldenstatus genießen. Ich werde besonders seine Sprints entlang der Außenlinie vergessen, wenn die Borussia ein wichtiges Tor geschossen hatte.
Wenn er wieder an Arbeiten denkt, sollte er mal in den englischen Nordosten blicken. Da gibt es einen Verein namens Newcastle United, der ähnlich wie der BVB vor sieben Jahren im Niemandsland der Tabelle darbt. Die Fans im englischen Nordosten sind ähnlich treu wie die Dortmunder, die Stadt ist genauso auf United fixiert wie die Dortmunder auf die Borussia. Nur ihr Besitzer Mike Ashley scheint ein ziemlicher Idiot zu sein. Aber Klopp hat bislang noch jeden überzeugt.