Donnerstag, 19. März 2015
Mehr Licht als Schatten dank PMU
Eigentlich war es noch mal ein ganz netter Renntag gestern in Dortmund. Einige interessante Prüfungen mit ein paar Formpferden, auch wenn die Starterfelder schon ein wenig dünn waren. Zudem erinnerten die Prüfungen an bekannte Pferde des so tragisch verstorbenen Dortmunder Trainer-Urgesteins Norbert Sauer, in dessen Namen auch die wichtigste Prüfung des Tages gelaufen wurde. Aber dennoch: So langsam wird es wieder Zeit für den „richtigen“ Sport auf Gras. Zum Glück beginnt am Sonntag die Grasbahn-Saison in Krefeld, auch wenn am Montag noch einmal ein Renntag auf dem Allwetter-Geläuf in Neuss geplant ist.

Wie war also die Winterbahnsaison 2014/2015 in Deutschland?
Grundlegend positiv, denn erst einmal fehlte in diesem Jahr die übliche schlechte Laune, wenn es um die Sandbahnrennen in Dortmund und Neuss geht. Der Winterblues der vergangenen Jahre blieb weg. Das mag zum großen Teil daran liegen, dass dank der Unterstützung des französischen Wettanbieters PMU die finanzielle Ausstattung sich deutlich besserte. 6000 Euro Preisgeld für einen Ausgleich IV und 8000 Preisgeld für einen Ausgleich 3 gab es früher nicht. Damit sind diese Rennen für die Basis ganz ordentlich dotiert.

Der Haken? Jeder Vorteil hat auch einen Nachteil: Weil die PMU die Rennen finanziert, bestimmt sie auch die Termine. Und da die Hauptzeiten den Bahnen in Frankreich gehört, bleiben für die deutschen Veranstaltungen nur Wochen- oder Sonntage mit Beginn ab 17 Uhr. Erwartungsgemäß hält sich zu diesen Zeiten der Besucherandrang in Grenzen, manchmal trafen sich auf den Rennbahnen nur die Aktiven. Diesen Eindruck vermittelten zumindest die TV-Bilder. Es fehlte deutlich an Atmosphäre.
Auch die gestrige Veranstaltung sorgte nicht gerade für Zuschauerrekorde, zumal zeitlich wenig später und geographisch ca. vier Kilometer weiter westlich Borussia Dortmund gegen Juventus Turin im Achtelfinale der Champions League spielt. Da sitzt der Dortmunder doch lieber auf dem heimischen Sofa bzw. genießt die Live-Atmosphäre des Signal-Iduna-Parks. Wobei von genießen gestern wahrlich nicht die Rede sein konnte.
So lange die PMU allerdings die Rennen finanziert, wird sich an den Terminen wenig verändert. Denn ohne die Gelder der Franzosen würde es wahrscheinlich keinen Wintersport in Turf-Deutschland geben. Und früher – wo angeblich ja immer alles besser war – gab es auch an den Sonntagen im Winter keine Besucher-Rekorde.



Selbst der Bratwurst-Profi soll an manchen Wochentagen auf der Dortmunder Rennbahn gefehlt haben. Wenn das so gewesen ist, sehr bedauerlich. Dieses Foto stammt aus dem Winter 2011

Die Bahnen? Auch hier nichts Neues. Beiden Bahnen fehlt es einfach an Atmosphäre, dazu müsste das Geläuf auf beiden Kursen dringend mal überarbeitet werden. Dafür fehlt jedoch das Geld und wenn es dann wie in diesem Jahr ein relativ harmloser Winter ist, kommt man mit einem blauen Auge davon, weil eben die Extreme wegfallen.
Mich persönlich nervt an beiden Rennkursen, dass kaum Pferde von hinten nach vorne kommen und der Kandidat oft von Beginn an im Vorderfeld platziert sein muss. Gerade in Neuss fällt Speed-Pferden das Gewinnen unheimlich schwer. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie macht viele Prüfungen langweiliger.

Sportliche Bilanz? Die Resonanz seitens der Ställe war da, die Felder waren in der Regel quantitativ gut besetzt. Je drei Rennen gewannen Walkabout (Trainer der verstorbene Norbert Sauer), Victorious, Endoran (beide Trainer Andreas Bolte), Dragoslav (Trainer Wilfried Schütz) sowie Emirati Spirit (Trainer Mario Hofer), dazu avancierten unzählige Pferde zu Doppelsiegern. Ich würde mir noch ein paar bessere Handicaps wünschen, weil es für viele Spezialisten einfach keine Startmöglichkeiten mehr gibt.

Persönliches Highlight? Eigentlich habe ich relativ wenig gemacht, allerdings gab es im Dezember mit Pretty Highness zum Toto 168 einen wirklichen Höhepunkt. Zwar nur für kleines Geld, aber drin ist drin. Das Ganze auch noch auf der Bahn in Neuss, wo ich sonst nie etwas treffe.



Mittwoch, 11. März 2015
Alles Mullins beim Cheltenham-Festival
Eine Inszenierung, die nur der Rennsport so gestalten kann. Drei Rennen hatte das irische Dream-Team mit Trainer Willie Mullins und Jockey Ruby Walsh bereits am ersten Tag des Cheltenham-Festivals gewonnen. Die heißen Favoriten Douvan, Un De Sceaux und Faugheen hatten leicht gepunktet, die berühmten „Ruby, Ruby-Rufe“ tönten laut über die Rennbahn. Alle warteten auf Annie Power in der Mares Hurdle, die nach Vorleistungen deutlich über dem Feld stand und als klare Favoritin an den Start ging.

Annie ging fantastisch, zog leicht in Front, doch das Drama nahte in Gestalt der letzten Hürde. Die Stute sprang einen Hauch zu früh ab, stolperte und beförderte Ruby Walsh aus dem Sattel. Pferd und Reiter waren zum Glück schnell wieder in Ordnung, doch nichts war es mit dem vierten Favoritensieg für Mullins/Walsh. Kleiner Trost für den Trainer: Die Erste Glens Melody wird ebenfalls betreut von Willie Mullins.
Die Buchmacher kamen nach eigenen Angaben mit einem blauen Auge davon. „Jeder Ire hier auf der Bahn hat diese Pferde in Schiebewetten gespielt“, sagte Buchmacher Ray Mulvany auf Channel 4. „Ich bin schon ein wenig ängstlich“, erklärte eine Buchmacherin schon nach den Erfolgen von Douvan und Un de Sceaux.
Viele Engländer müssen es den Iren nachgemacht haben und die Favoriten DouvanUn De Sceaux (1,66), Faugheen (1,8) und Annie Power (1,5) geschoben haben. Doch Annie „rettete“ die Wettunternehmen.
Für die Buchmacher sind diese Tage auch schöne PR. Da kann man betonen, dass auch der Wetter mal gewinnt, aber ansonsten haben sie die Nase vorn. Wer das nicht glaubt, möge sich nur mal die Zahlen von Ladbrokes, William Hill und co. anschauen.

Champions League
Es war ein denkwürdiger Tag: Fünf Mal siegten die Gäste aus Irland, vier Mal allein Trainer Willie Mullins. Dieser sattelte auch die ersten drei in der Champion Hurdle mit Faugheen, Arctic Fire und Altmeister Hurricane Fly. Alle drei liefen ein fantastisches Rennen.
Die Pferde von Willie Mullins sind das „FC Bayern des Rennsports“. Denn keiner seiner Kollegen trainiert so ein hochkarätiges Aufgebot. Douvan, Un De Sceaux, Faugheen oder auch der in Deutschland gezogenen Arctic Fire sind Kandidaten, die die Gruppe 1-Rennen im Hindernissport über Jahre dominieren können. Hinzu kommt Stalljockey Ruby Walsh, vielleicht der beste Taktiker unter den Reitern und speziell in Cheltenham noch famoser als sonst.
Leider sind Mullins-/Walsh-Tage für mich keine Glückstage, weil deren Pferde mir immer zu tief stehen und ich ungern Kandidaten unter Toto 2 wette. Meine Wetten des ersten Tages kamen nicht an, aber das Cheltenham-Festival ist eben die Champions League. Nirgendwo ist es schwerer zu treffen, Erfolge dort sind allerdings Meilensteine.
Am Dienstag habe ich das Festival auf Channel 4, dem englischen TV-Sender, geguckt. In den englischen Rennforen und bei Facebook wird häufig über die Übertragungen gelästert, aber aus deutscher Sicht sind sie das Paradies. Weil es in Deutschland so etwas nicht gibt.

Mittendrin statt nur dabei
Allein der personelle Aufwand vor den Kameras ist immens: Drei Mitarbeiter im Studio analysieren das Geschehen, zwei sind bei den Buchmachern, zwei sind zuständig für die schnellen Interviews, dazu noch Moderatorin Clare Balding (die ebenfalls Interviews führt) und Ex-Jockey Mick Fitzgerald.
Zudem produziert Channel 4 fantastische Bilder, die die Atmosphäre großartig wiedergeben. Besonders die Bilder aus der Panorama-Kamera sind famos. Ich habe mich noch bei keiner Veranstaltung so „mittendrin“ gefühlt. Die Bilder von Racing UK sind schon deutlich besser als die von den deutschen Bahnen, aber Channel 4 ist noch mal eine Liga besser. Da verzeihe ich einige Plattheiten doch gerne.



Mittwoch, 4. März 2015
Von wegen der ewige McCoy
Im Februar dreht sich im englischen Hindernissport oft schon alles um den März. Das große Cheltenham Festival steht vor der Tür, die Ereignisse im Februar stehen ein wenig im Schatten – außer sie bieten neue Erkenntnisse für die Olympiade der Hindernissportler. An den Februar 2015 wird die Rennwelt sich aber auch so erinnern. Es war der Monat, in dem Anthony Peter McCoy, kurz AP oder auch Tony genannt, seinen Rücktritt erklärte. Der erfolgreichste Hindernisjockey aller Zeiten, der alle Rekorde brach, beendet seine illustre Karriere zum Ende der Saison. Natürlich ist McCoy einer unserer Helden des Februars.

AP McCoy (Jockey): Der 7. Februar war für mich eigentlich mal ein turffreier Samstag. Da ist selten, aber manchmal stehen eben andere Dinge im Vordergrund. Die Überraschung folgte am Abend beim Blick auf die Renn-News des Tages: Tony McCoy gewann die Game Spirit Chase in Newbury (Gr.2) mit Mr Mole – und verkündete daraufhin seinen Rücktritt am Ende der National-Hunt-Saison.
Unfassbar! Hindernisrennen ohne den erfolgreichsten Jockey aller Zeiten sind doch eigentlich undenkbar, so lange begleitet er mich schon. Richard Dunwoody war zwar stilistisch schöner, aber McCoy war und ist Energie, Leidenschaft, Willen und Mut. Eben ein Ausnahme-Reiter.
Zum Annähern an das „Phänomen McCoy“ empfehle ich diesen Artikel aus der Turf-Times. Wer noch mehr Zeit hat, dem sei eine Doku aus dem Jahr 2002 ans Herz gelegt, die den Typen McCoy sehr gut erfasst. Einer seiner besten Ritte war der auf Wichita Lineman beim Cheltenham Festival 2009 (das Video gibt es hier). Einfach nur staunen.
Was er danach macht, steht noch nicht fest. Ehemalige Jockeys sind übrigens ganz schlechte Tipster.

Carlingford Lough (Pferd): Noch mal McCoy. Einen Tag nach seiner Rücktrittserklärung feierten ihn die Zuschauer im irischen Leopardstown frenetisch. Im Sattel von Carlingford Lough hatte der Jockey den Hennessy Gold Cup 2015 (Gruppe 1) gewonnen und dabei die irischen Steepler-Elite geschlagen. Den Wallach, im Besitz seines Patrons J P Mcmanus und trainiert von John Kiely, wird McCoy auch im Cheltenham Gold Cup reiten. Chancenlos ist Carlingford Lough dort nicht: ein Pferd, das sich aus Handicaps Stück für Stück nach oben gearbeitet hat und das mit dem Championjockey bestens harmoniert.

Balder Succes (Pferd): Vor der Ascot Chase (Gruppe 1) sprachen die Experten eher vom starken Novice Ptit Zig, vom irischen Gast Ballycasey oder der Stute Ma Filleule, die zudem günstiger im Gewicht stand. Doch am Ende mussten sich alle Balder Succes aus dem Stall von Alan King beugen. Gut, keiner weiß, wie das Rennen ausgegangen wäre, wenn es Ptit Zig beendet hätte. Aber dennoch war es eine beeindruckende Vorstellung des Siegers, der phantastisch sprang. Wayne Hutchinson musste ihn nur im Rhythmus halten.
Es war die bislang beste Form des Goldneyev-Sohnes, die längere Distanz von über 4000 Metern passte sehr gut. In Cheltenham hat er noch Nennungen für die Champion Chase (3219 Meter) und die Ryanair Chase (4225 Meter), für letztere steht er deutlich tiefer im Wettmarkt. Das einzige, was ein wenig stört, ist die schlechte Form von Balder Succes auf dem Cheltenham-Kurs.

Sire De Grugy (Pferd): „Es war schon ein wenig verrückt“, sagte Jockey Jamie Moore nach dem Rennen. Doch die Strategie zahlte sich aus: Jamie und Trainer-Vater Gary Moore hatten Sire De Grugy einen letzten Aufgalopp vor der Champion Chase gegeben und ihn im Bombay Hunt Cup, einem Handicap, gesattelt. Dort trug der Wallach das Höchstgewicht von über 75 kg, die Gegner zehn Kilo weniger.
Der Sire aber gewann problemlos und standesgemäß gegen Gegner, die er allerdings auch schlagen musste. Es war die Art des Erfolges, die Jamie Moore glücklich machte: „In der Gerade dachte ich, das ist er wieder.“ Die alte Klasse blitzte auf, vergessen war das missglückte Comeback in der Game Spirit Chase, wo er Fehler machte und Jamie Moore am letzten Hindernis zu Boden beförderte.
Cheltenham und die Titelverteidigung in der Champion Chase kann kommen. In der letzten Saison hatte Sire De Grugy in Abwesenheit von Sprinter Sacre die Zweimeilen-Jagdrennen dominiert, nach einer Verletzung im April aber bis zum Newbury-Start pausiert. Nicht nur Jamie und Gary Moore sind für den 11. März gerüstet. Es wird eine Champion Chase zum Niederknien (siehe unten).