Mittwoch, 4. März 2015
Von wegen der ewige McCoy
Im Februar dreht sich im englischen Hindernissport oft schon alles um den März. Das große Cheltenham Festival steht vor der Tür, die Ereignisse im Februar stehen ein wenig im Schatten – außer sie bieten neue Erkenntnisse für die Olympiade der Hindernissportler. An den Februar 2015 wird die Rennwelt sich aber auch so erinnern. Es war der Monat, in dem Anthony Peter McCoy, kurz AP oder auch Tony genannt, seinen Rücktritt erklärte. Der erfolgreichste Hindernisjockey aller Zeiten, der alle Rekorde brach, beendet seine illustre Karriere zum Ende der Saison. Natürlich ist McCoy einer unserer Helden des Februars.

AP McCoy (Jockey): Der 7. Februar war für mich eigentlich mal ein turffreier Samstag. Da ist selten, aber manchmal stehen eben andere Dinge im Vordergrund. Die Überraschung folgte am Abend beim Blick auf die Renn-News des Tages: Tony McCoy gewann die Game Spirit Chase in Newbury (Gr.2) mit Mr Mole – und verkündete daraufhin seinen Rücktritt am Ende der National-Hunt-Saison.
Unfassbar! Hindernisrennen ohne den erfolgreichsten Jockey aller Zeiten sind doch eigentlich undenkbar, so lange begleitet er mich schon. Richard Dunwoody war zwar stilistisch schöner, aber McCoy war und ist Energie, Leidenschaft, Willen und Mut. Eben ein Ausnahme-Reiter.
Zum Annähern an das „Phänomen McCoy“ empfehle ich diesen Artikel aus der Turf-Times. Wer noch mehr Zeit hat, dem sei eine Doku aus dem Jahr 2002 ans Herz gelegt, die den Typen McCoy sehr gut erfasst. Einer seiner besten Ritte war der auf Wichita Lineman beim Cheltenham Festival 2009 (das Video gibt es hier). Einfach nur staunen.
Was er danach macht, steht noch nicht fest. Ehemalige Jockeys sind übrigens ganz schlechte Tipster.

Carlingford Lough (Pferd): Noch mal McCoy. Einen Tag nach seiner Rücktrittserklärung feierten ihn die Zuschauer im irischen Leopardstown frenetisch. Im Sattel von Carlingford Lough hatte der Jockey den Hennessy Gold Cup 2015 (Gruppe 1) gewonnen und dabei die irischen Steepler-Elite geschlagen. Den Wallach, im Besitz seines Patrons J P Mcmanus und trainiert von John Kiely, wird McCoy auch im Cheltenham Gold Cup reiten. Chancenlos ist Carlingford Lough dort nicht: ein Pferd, das sich aus Handicaps Stück für Stück nach oben gearbeitet hat und das mit dem Championjockey bestens harmoniert.

Balder Succes (Pferd): Vor der Ascot Chase (Gruppe 1) sprachen die Experten eher vom starken Novice Ptit Zig, vom irischen Gast Ballycasey oder der Stute Ma Filleule, die zudem günstiger im Gewicht stand. Doch am Ende mussten sich alle Balder Succes aus dem Stall von Alan King beugen. Gut, keiner weiß, wie das Rennen ausgegangen wäre, wenn es Ptit Zig beendet hätte. Aber dennoch war es eine beeindruckende Vorstellung des Siegers, der phantastisch sprang. Wayne Hutchinson musste ihn nur im Rhythmus halten.
Es war die bislang beste Form des Goldneyev-Sohnes, die längere Distanz von über 4000 Metern passte sehr gut. In Cheltenham hat er noch Nennungen für die Champion Chase (3219 Meter) und die Ryanair Chase (4225 Meter), für letztere steht er deutlich tiefer im Wettmarkt. Das einzige, was ein wenig stört, ist die schlechte Form von Balder Succes auf dem Cheltenham-Kurs.

Sire De Grugy (Pferd): „Es war schon ein wenig verrückt“, sagte Jockey Jamie Moore nach dem Rennen. Doch die Strategie zahlte sich aus: Jamie und Trainer-Vater Gary Moore hatten Sire De Grugy einen letzten Aufgalopp vor der Champion Chase gegeben und ihn im Bombay Hunt Cup, einem Handicap, gesattelt. Dort trug der Wallach das Höchstgewicht von über 75 kg, die Gegner zehn Kilo weniger.
Der Sire aber gewann problemlos und standesgemäß gegen Gegner, die er allerdings auch schlagen musste. Es war die Art des Erfolges, die Jamie Moore glücklich machte: „In der Gerade dachte ich, das ist er wieder.“ Die alte Klasse blitzte auf, vergessen war das missglückte Comeback in der Game Spirit Chase, wo er Fehler machte und Jamie Moore am letzten Hindernis zu Boden beförderte.
Cheltenham und die Titelverteidigung in der Champion Chase kann kommen. In der letzten Saison hatte Sire De Grugy in Abwesenheit von Sprinter Sacre die Zweimeilen-Jagdrennen dominiert, nach einer Verletzung im April aber bis zum Newbury-Start pausiert. Nicht nur Jamie und Gary Moore sind für den 11. März gerüstet. Es wird eine Champion Chase zum Niederknien (siehe unten).




Montag, 2. März 2015
Vier Wochen BVB: Aus Angst wurde Euphorie
So schnell geht das im Fußball: War vor rund vier Wochen in Sachen Borussia Dortmund nach dem 0:1 gegen den FC Augsburg noch das große Klagen angesagt, hat sich nach vier Erfolgen in Serie die Stimmung um 360 Grad gedreht. Das triumphale 3:0 im Revierderby gegen den FC Schalke 04 war quasi das letzte Ausrufezeichen. Keiner spricht mehr vom Abstieg.

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78 Minuten lang fühlte sich am Samstag mancher Besucher des Revierderbys an den 4. Februar 2011 erinnert. Auch an diesem Tag dominierte die Borussia die Schalker Gäste in allen Belangen, nur das Runde wollte nicht ins Eckige. Der BVB schoss daneben oder scheiterte am überragenden Manuel Neuer. Und als dann Mario Götze schon an seinem späteren Mannschaftskollegen vorbei war und dennoch nur den Pfosten traf, blieb es bei einem sehr, sehr glücklichen 0:0 für den FC Schalke 04. Im Endeffekt war es dann auch egal, denn Dortmund wurde am Ende dieser Saison ein würdiger Deutscher Meister.
Am Samstag war die Borussia ähnlich überlegen, spielte so wie in alten Meistertagen und ließ Schalke eigentlich keine Luft zum Atmen. Es war eine grandiose Vorstellung, Borussia fand immer einen Weg durch die löcherige Gäste-Abwehr – nur das Tor wollte nicht fallen.

Die Angst ist weg
Bis dann Pierre Emerick Aubameyang in besagter 78 Minute die Lücke fand, danach Henrikh Mkhitaryan seine schwarze Serie mit dem 2:0 beendete und Aubayemang-Kumpel Marco Reus mit dem 3:0 den Schlusspunkt setzte. „In der absurd einseitigen Partie waren seltsam apathische Schalker noch gut bedient“, analysierte das Fachblatt kicker und bilanzierte 13:0-Chancen zugunsten des BVB. Bei mir waren es gefühlte 20 Dortmunder Chancen gegenüber einer halben der Schalker, wenn man diesen einen weit am Tor vorbeigehenden Schuss als Torchance werten würde.
Es ist schon erstaunlich, wie Schwarz-Gelb wieder die Kurve bekommen hat. „BVB in der Angst-Falle“, orakelte diese Kolumne nach dem depressiven 0:1 gegen den FC Augsburg. Nur wenige Tage später folgte ein starker 3:0-Erfolg gegen den SC Freiburg, gegen Mainz 05 machte der BVB erstmalig einen 0:1-Rückstand wett und überzeugte auch spielerisch. Zudem gab es beim Tabellenletzten Stuttgart einen Pflichtsieg. Hinzu kam die Vertragsverlängerung von Marco Reus und jetzt der Derby-Sieg: Es herrscht wieder schwarz-gelbe Euphorie und Jürgen Klopp muss schon wieder ein wenig die Stimmung dämpfen. Vor vier Wochen wäre das noch undenkbar gewesen.
Krise also beendet? So ganz hat der BVB die Abstiegsangst noch nicht besiegt. Dennoch: 90 Prozent aller Klubs hätten nach so einer desolaten Hinrunde den Trainer entlassen, die Borussia aber hat sich nicht von Jürgen Klopp getrennt. Diese Entscheidung war richtig, glücklicherweise.
Nur eines stimmt nicht: So ein Derbysieg entschädigt nicht für eine ganze schlechte Saison. Auch wenn es für alle, die mit Schwarz-Gelb sympathisieren, zweifellos ein schöner Tag war.



Mittwoch, 25. Februar 2015
Warten auf ein Wunder im Cheltenham Gold Cup
Es wäre eine Riesen-Sensation. Aber selber Schuld, wer dieses Pferd unterschätzt. Aller Dinge sind vier für The Giant Bolster im Cheltenham Gold Cup. Es ist der vierte Start im Blauen Band des englischen Hindernissports und nach den Plätzen 4, 3 und 2 folgt jetzt Platz 1? Na ja, Träume sind nicht verboten. Ansonsten empfiehlt der Kolumnist noch Smad Place zu einem etwas tieferen Kurs.

Nette Umfrage vor kurzem auf dem englischsprachigen Facebook-Portal Cheltenham 2012: Welches Pferd verdient es am meisten, in Cheltenham zu gewinnen? Die Beteiligung war wie bei vielen Themen auf dem Portal sehr rege: Den alten Kämpfer Hurricane Fly nannten viele, Sprinter Sacre war ein Favorit. Andere erwähnten Carlingford Lough im Gold Cup, quasi als Belohnung der grandiosen Laufbahn des A P Mc Coy. Der Schreiber dieser Kolumne aber favorisierte The Giant Bolster im eben genannten Cheltenham Gold Cup, einer Person gefiel das immerhin.
Natürlich müsste ein kleines Wunder geschehen, wenn der inzwischen 10jährige Dauerliebling dieser Kolumne im prestigereichsten Rennen des Cheltenham-Festivals triumphieren würde. 340:10-Festkurs gab es zuletzt bei Racebets für den im Gestüt Fährhof gezogenen Wallach. Das ist ein durchaus realistischer Kurs, denn jünger ist er auch nicht geworden.
Dazu fehlt zur absoluten Spitzenklasse auch ein wenig das Sprungvermögen. Bitte nicht missverstehen, denn ein schlechter Springer ist der Bolster nicht. Aber der Schützling von David Bridgewater neigt schon mal zu kleinen Fehlern, bei ihm sieht das immer nach harter Arbeit aus. Kauto Star oder Denman – um nur zwei Top-Pferde der letzten Jahre zu nennen – glitten hingegen leicht und souverän über die schweren Hindernisse. Zumindest wenn sie in Top-Form waren.

Hall of Fame
Auf der Positivseite von The Giant Bolster stehen ein großes Renn-Herz und viel Stehvermögen – eben beste deutsche Vollblutzucht. Wenn andere Pferde auf der ansteigenden Zielgerade in Cheltenham müde werden, dann dreht der Black Sam Bellamy-Sohn noch mal auf. Ein schönes Beispiel ist der Gold Cup des Vorjahres.
Auch beim letzten Cheltenham-Start in der Argento Chase zog The Giant Bolster auf der Zielgeraden noch mal kräftig an, obwohl er unterwegs schon ein paar Notsignale sendete. Dieses Pferd liebt die Bahn, läuft dort immer die besten Rennen. 2015 also die Krönung? Einiges spricht dagegen, aber zumindest eine kleine Sieg-/Platzwette ist er mir wert. Es wäre zudem der Wetttreffer, der in meinen persönlichen Hall of Fame ganz oben stehen würde.

Die Alternative
Ansonsten ist es eine sehr offene Prüfung in diesem Jahr. Silviniaco Conti ist der Favorit, hat diese Saison unter anderem das King George gewonnen und dabei ungemein imponiert. Aber Haydock und Kempton sind Flachkurse und im letzten Jahr stand der Nicholls-Schützling quasi auf der Zielgeraden in Cheltenham. Many Clouds, der Zweite im Wettmarkt, wäre ein Investition bei weichem Boden. Mein Mumm allerdings ist Smad Place, dessen Kurs um die 170:10 sehr großzügig ist. Rechnerisch kann das eigentlich nicht gehen, denn zuletzt gab er Many Clouds in der Argento Chase Gewicht und wurde dennoch geschlagen. Aber das Rennen verlief damals ein wenig unglücklich, im Gold Cup wird mehr Tempo sein und der etwas trockenere Boden wird dem Schimmel entgegen kommen.