Popivodas Erben sind zu Gast
„Dortmund, wir kommen”, verkündet die Überschrift, im Hintergrund jubelnde Menschen in den Farben Gelb-Blau. Die Stadt Braunschweig geht in Dortmund per Plakat in die Offensive. „Wir sind wieder da“, heißt es selbstbewusst – plakatiert unter anderem am vielbefahrenen Königswall in der Nähe des Hauptbahnhofs. Eintracht Braunschweig spielt nach 28 Jahren Abstinenz wieder in der obersten deutschen Fußballklasse und die Kommune begleitet das. Am Sonntag gastiert der Aufsteiger vor mehr als 80 000 Menschen im Dortmunder Signal Iduna-Park/Westfalenstadion.
Am 28. Juli 2009 – beim letzten Gastspiel der Niedersachsen in Dortmund – waren die Anzeichen noch anders. Damals ging es in der 3. Liga gegen die zweite Mannschaft des BVB. Beim
0:0 waren etwas mehr als 3 000 Zuschauer (für die zweite Dortmunder Mannschaft ist das viel) im altehrwürdigen Stadion Rote Erde. Mindestens 1000 der Besucher unterstützten die Eintracht. Und sie schauten manchmal ein wenig ehrfürchtig auf das große Stadion im Hintergrund. Ob ihr Klub da in nächster Zeit mal spielen würde? Vier Jahre später ging ihr Wunsch in Erfüllung.
Aus der damaligen Braunschweiger Mannschaft zählen heute noch – zwei Ligen höher – die Torhüter Petkovic und Davari sowie die Feldspieler Dogan, Theuerkauf, Kruppke, Vrancic und Pfitzner zum Team. Zudem trainierte schon 2009 Torsten Lieberknecht, ein ehemaliger Mitspieler von Jürgen Klopp in Mainz, die Braunschweiger.
Der gebürtige Pfälzer ist einer der Garanten für den Aufschwung. Lieberknecht führte den lange kriselnden Traditionsclub gemeinsam mit Manager Marc Arnold von der dritten in die erste Liga – ohne große Stars, dafür mit viel taktischem Geschick. Die Zwei setzten zudem auf Kontinuität.
Besonders in der Hinrunde in der 2. Liga zeichnete sich die Eintracht durch ihre hohe mannschaftliche Geschlossenheit und ungemeine taktische Disziplin aus. Vielleicht stach Torjäger Kumbela etwas heraus, aber ansonsten galt hier wirklich einmal der Satz „Der Star ist die Mannschaft“.
Ein Spielbericht aus dem ZDF-Sportstudio, März 1975: Eintracht Braunschweig besiegte die Düsseldorfer Fortuna mit 3 :0. Die Eintracht spielte mit Franke, Grzyb, Haebermann, Hollmann, Merkhoffer, Ristic, Handschuh, Gersdorff, Erler, Frank, Weber; Trainer war Branko Zebec
Aktuelles
Auch in die Bundesliga geht die Eintracht ohne große Namen. Die Neuen heißen Caligiuri, Jackson, Hochscheidt, Oehrl oder Perthel – eben keine Stars, eher preiswert, aber entwicklungsfähig. Der Verein, sagte Manager Arnold, wäre dumm, wenn er die Erfolgsstrategie der letzten Jahre verlassen hätte.
Für viele Außenstehende ist die Eintracht der erste Absteiger. Der Kampf um den Klassenerhalt wird hart, vielleicht reichen taktische Disziplin, mannschaftliche Geschlossenheit und Euphorie. Es gibt Beispiele, wo das funktionierte – Mainz etwa oder Freiburg.
Der so wichtige Start ging jedenfalls daneben. Gegen die zuletzt so kriselnden Bremer gab es ein 0:1 vor heimischer Kulisse, schlechter waren die Braunschweiger jedoch nicht. Beim BVB folgt die nächste Mammutaufgabe.
Historie
Als ich aufwuchs in den siebziger Jahren, gehörte die Eintracht, immerhin Meister 1967, quasi zum Inventar der Bundesliga. Was konnte man immer punkten mit der Antwort auf die Frage, wer die Viererabwehr der Blau-Gelben in den siebziger Jahre bildete: Grzyb, Haebermann, Hollmann und Merkhoffer lautete die Antwort. Im Tor stand der reaktionsschnelle Bernd Franke, im Mittelfeld fiel der schnauzbärtige Gersdorff auf und vorne sorgte Mittelstürmer Wolfgang Frank, das Trainervorbild von Jürgen Klopp, für Tore.
Die Braunschweiger waren immer ein ziemlich harter Brocken und schwer zu spielen. Irgendwann tauchte dann mal Paul Breitner auf, verpflichtet vom damaligen Sponsor Günther Mast (Jägermeister). Nach den Stationen Bayern München und Real Madrid war die niedersächsische Provinz dem Herrn Breitner dann doch nicht gut genug; relativ schnell ging er nach München zurück.
Noch zwei Dinge verbinde ich mit den Niedersachsen. Zum einen waren sie der erste Verein mit Trikotwerbung (besagter Herr Mast und sein Jägermeister); zum anderen war da noch das Missgeschick des Danilo Popivoda, das ich nie vergessen werde, weil es eigentlich so ein klares Tor war.
Popivoda war ein
begnadeter dribbelstarker Flügelflitzer aus dem ehemaligen Jugoslawien, doch an diesem Samstag im Frühjahr 1977 war er das personifizierte Elend. Zugegeben, der Rasen im Westfalenstadion glich damals einer Kraterlandschaft und diese verhinderte den Braunschweiger Sieg. Denn der Eintracht-Stürmer hatte nur noch den Dortmunder Torwart vor sich, doch dann hüpfte der Ball so komisch, dass Popivoda ihn nicht richtig traf und der Ball am Tor vorbeiging.
1985 stieg dann Braunschweig aus der Bundesliga ab, es begann eine lange Zeit in der Wildernis der zweiten und dritten Liga. Jetzt sind sie wieder da.
Die
Bilanz von Borussia Dortmund gegen Eintracht Braunschweig
Zukünftig wird nurpferdeundfussball in der Serie "Rivalen des BVB" die Mannschaften der Bundesliga vorstellen. Portraitiert wird immer das Team, das in Dortmund gastiert. Den Anfang macht also Eintracht Braunschweig. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.
uknig22 am 14. August 13
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Kicker-Sonderheft 1992: Bei Otto regierte ein Herzog

Allein das Titelbild weckt Erinnerungen an diverse eigene Fußballschlachten. 1992 machte es der
kicker bei seinem Sonderheft auf dem Titel noch sehr schlicht: Roter Hintergrund, große gelbe Schrift, kleine schwarze Schrift. Und ein schlichter schwarz-weißer Ball, bestehend aus diesen berühmten zusammengenähten weißen und schwarzen Fünfecken. Meist war der noch aus richtigem Leder. Wenn es nass war, wurde er richtig schwer; bei jedem Kopfball drohte eine Gehirnerschütterung.
Das kicker-Sonderheft zur Saison 1992/1993: Die berühmte Stecktabelle gab es schon damals und auch sonst machte das Fachblatt vieles, was es heute schon macht. Zum Beispiel brachte es ganzseitige Teamfotos der Mannschaften der 1. und 2. Liga. Aber einiges, was damals modern schien, wirkt jetzt ziemlich amüsant. Und wenn es nur die Frisuren und die bunten Trainingsanzüge sind.
Ausgangslage: Die Bundesliga ging in ihre 30. Saison – und so schlecht waren die Aussichten nicht. „Die Bundesliga boomt, dass sich die Balken biegen“, formulierte Chefredakteur Rainer Holzschuh im Editorial. „Die Zuschauer strömen, die Sponsoren stehen Schlange mit stattlichen Summen, das Fernsehen finanziert feste – eine Freude für den Fußball.“ Gut, ein Zuschauerschnitt von 22 634 Besuchern würde heute belächelt (zum Vergleich: 2012/2013 waren es über 41 000 Zuschauer), aber zu diesem Zeitpunkt war das ein klarer Aufwärtstrend. Zumal viele Stadien wahrlich nicht komfortabel waren, die Zuschauer waren dank Laufbahn meilenweit vom Geschehen. Ältere Leser erinnern sich noch an Wind und Regen, denen sie ungeschützt ausgesetzt waren.
Die Vorsaison 1991/92 endete mit einem Herzschlagfinale, als der VfB Stuttgart sich im letzten Moment die Schale gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt sicherte. Es war die erste gesamtdeutsche Saison, die Liga spielte mit 20 Klubs. Doch von den ostdeutschen Vertretern ging Hansa Rostock sofort wieder runter, es blieb nur Dynamo Dresden. In der Bundesliga spielten damals Klubs wie Wattenscheid oder Karlsruhe, dazu kamen als Aufsteiger Bayer Uerdingen und der 1.FC Saarbrücken.
Für den FC Bayern München war die Saison übrigens ein Desaster. Nur Platz 10, ein negatives Punkteverhältnis von 36-40 und im UEFA-Cup das Aus in Runde gegen die Nobodies von B 1903 Kopenhagen – so schlecht waren sie nie wieder.
Noch etwas war neu: Sat 1 hatte erstmals für viel Geld die Bundesliga-Rechte fürs Fernsehen gekauft. Moderator Reinhold Beckmann moderierte in roter Jeansjacke und die Bundesliga war auf einmal eine große, bunte Unterhaltungsshow. Viele Reporter nervten, die Werbung soundso – doch SAT 1 revolutionierte mit ran die Fußball-Berichterstattung.
Inhalt : So viel hat sich da im Vergleich zu heute gar nicht verändert. Kern sind die ganzseitigen Teamfotos plus eine Seite Spielerdaten pro Verein der ersten und zweiten Liga, zudem gibt es für die Klubs aus der Eliteklasse einen meist zweiseitigen Text. Dort spekulieren die Redakteure des Fachmagazins häufig über die Stammelf, dazu werden Chancen und Erwartungen für die neue Spielzeit beschrieben. Dazu geben die Redakteure ihren Tipp ab, wo die Mannschaft landet. Das machen sie heute nicht mehr.
Das Thema Taktik spielt noch nicht die große Rolle – 3-5-2 mit Libero war das dominierende System, Manndeckung war meist angesagt.
Zudem bewerten die Experten Hans-Peter Briegel, Hansi Müller sowie die kicker-Redakteure die Bundesligisten nach Schulnoten. In die Wertung kommen zum Beispiel Kriterien wie Offensivstärke, Taktische Möglichkeiten, Neuzugänge oder Personal gesamt. Die Wertung führte im übrigen Borussia Dortmund mit einer Durchschnittsnote von 1,3.
Stil: Damals gab es wohl noch nicht die Regel, dass man mit Namen keine Wortspiele macht. Der kicker kannte da 1992 bei seinen Überschriften keine Hemmungen. Da hieß es „Der nächste Hammer ohne Sammer“ (über den VfB Stuttgart), „Bei König Otto regiert ein Herzog“ (Werder Bremen), „Vollgas mit Bremser“ (Bayer Uerdingen) oder „Schuster bleibt bei seinen Leisten“ (Bernd Schuster).
Auch sonst war das Zentralorgan des deutschen Fußballs um Wortspiele nie verlegen: „Mehr Kohle für den schwarzen Mann“ (über die Schiedsrichter), „Reuter ist der Renner (über Dortmund) oder „Sturm aus einem GUS“ (über den KSC und seine neuen Stürmer aus Russland).
Es ist eben vieles im typischen kicker-Stil: etwas phrasenhaft, ein wenig bieder, aber immer verlässlich.
Urteil: Solche Hefte sind immer ein schöner Blick in die Vergangenheit. Der Leser amüsiert sich über Frisuren und Mode, wundert sich über manche Dinge, die damals groß in Mode waren. Ein hochinteressantes Dokument der Zeitgeschichte.
Wen es interessiert: So endete die Spielzeit 1992/1993:
Bundesliga,
2. Liga.
Eigentlich wollte ich hier die aktuellen Sonderhefte von kicker und 11 Freunden zur Saison 2013/2014 rezensieren. Aber eigentlich hat sich nicht viel geändert in den letzten Jahren: Der kicker liefert die Daten, die 11 Freunde die interessanten Stories. Und deshalb habe ich in mein Regal gegriffen und obige Perle des deutschen Sportjournalismus heraus befördert.
Durchgeknallte russische Milliardäre unerwünscht
Inzwischen kann man sagen „Alle Jahre wieder“. 11 Freunde, das selbst ernannte Magazin für Fußballkultur, hat zur Bundesliga-Saison wieder ein knackiges kleines Heft der normalen Ausgabe beigelegt, das bequem in die Jackentasche passt. Es enthält nicht nur wunderbare alte Mannschaftsbilder, sondern auch die Antworten verschiedener Fans auf die immer gleichen Fragen. Borussia Dortmund vertritt ein Mann von schwatzgelb.de. Das ist nicht schlecht, denn dann kann ich meine Antworten auf die leicht modifizierten Fragen hier loswerden.
Die neue Saison wird legendär, weil … der BVB die Champions League gewinnt. Ernsthaft: Der BVB hat in den letzten Jahren so restlos überzeugt, das ist eigentlich kaum noch zu toppen. Zumindest wird es schwer.
Wenn ich an die vergangene Saison denke, dann …ist endgültig die Kuschelzeit mit dem FC Bayern München vorbei. Erst das Werben um Lewandowski, dann der Abgang von Mario Götze zum FC Bayern. Damit schwächen die Münchner in alter Tradition mal wieder ihren größten Mitbewerber - egal, ob sie die Spieler brauchen oder nicht.
Wenn ich einen durchgeknallten russischen Milliardär kennenlerne, dann schenke ich meinem Verein…: Das Letzte, was dem BVB fehlt, ist ein durchgeknallter russischer Milliardär.
Mein schlimmster Albtraum ist…, dass der FC Bayern München die Bundesliga so dominiert, dass der Meister schon wieder zu Ostern feststeht
Mein Held vergangener Jahre: Lukasz Piszczek, der beste rechte Defensivmann der Liga. Gemeinsam mit Jakub Błaszczykowski bildet er auf rechts ein Duo, das sich perfekt ergänzt und blind versteht. Dass „Kuba“ endlich sein großartiges Talent ausschöpft, liegt auch an seinem kongenialen Partner. Mal schauen, wie Borussia die Verletzungspause von Piszczek kompensiert. Es wird zumindest schwer, ihn zu ersetzen.
Interessanter Nachwuchsmann: Marvin Duksch, wuchtiger Stürmer und sehr torgefährlich. Zudem ein Ur-Dortmunder, kommt vom BSV Fortuna Dortmund, Luftlinie zum Westfalenstadion ca. 1 km.
Auf Auswärtsfahrten darf nie fehlen: Die Eintrittskarte
Ich gehe nie wieder ins Stadion, wenn …es keine Stehplätze mehr gibt und der Spieltag aus neun verschiedenen Spielterminen besteht, damit das Pay-TV übertragen kann.
Mit einer Klatschpappe kann man prima: Klatschpappe, was ist das?
Unser aktuelles Trikot ist... durchaus gelungen, aber immer noch viel zu teuer.
Wenn Pep Guardiola nicht mindestens vier Titel holt, dann... holt er drei oder zwei. Der alte Fuchs Heynckes hat eben richtig vorgelegt.
Meine Wunsch-Schlagzeile des Sommers: Kagawa und Barrios – wieder zurück beim BVB.
Fußball gucke ich am liebsten...im Stadion
Die erste Liga verlässt nach unten: Alle sagen Braunschweig, aber die Eintracht schafft auch dank ihrer großartigen Fans das Fußballwunder. Verdient hätten es andere aus dem Norden wie der HSV oder Wolfsburg, aber das Leben ist leider nicht gerecht. Neben Braunschweig werden Augsburg, Nürnberg, Hertha und Werder um den Klassenerhalt kämpfen.
uknig22 am 06. August 13
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