Donnerstag, 1. August 2013
Eine neue Saison mit Verona in der Serie A
Hellas Verona ist wieder da. Zumindest da, wo sie nach Einschätzung ihrer Anhänger hingehören – in die Serie A, Italiens oberste Fußballklasse.
Hinter den Hellas-Fans liegen Jahre des Leidens: Bis in die dritte Liga stürzte ihr Klub ab. Zu allem Überfluss etablierte sich der Ortsrivale Chievo Verona in der Serie A. Welch eine Demütigung, der kleine Vorortverein lief dem großen Rivalen einfach den Rang ab.
Positive Schlagzeile macht der Verein aus Norditalien, als er 1985 den Großen des italienischen Fußballs – Inter, Milan, Juve, Roma, Lazio – eine lange Nase zeigte und Champion wurde. Mit dabei unter anderem Hans-Peter Briegel, die berühmte Walz aus der Pfalz. Maßgeblich beteiligt war zudem der wuchtige Däne Preben Elkjaer Larsen, der eindrucksvoll bewies, dass Nikotin und Spitzenfußball keine unüberbrückbaren Gegensätze sind.
Manche kennen Hellas Verona jedoch durch eine andere Tatsache: Teile seiner Fanszene zählten bzw. zählen zur rechten Szene in Italien. So gehörten in den neunziger Jahren die Urwald- und Affenlaute, wenn ein andersfarbiger Spieler den Ball hatte, zum Standard der Hellas-Fankurve. Weitere Hintergründe liefert dieser Artikel aus dem österreichischem Ballesterer. Und auch heute gehören rassistische Sprechchöre offenbar noch zum Repertoire vieler Fangruppen.

Doch Hellas ist nicht nur Rassismus und rechte Fans. Eines der besten Fußballbücher aller Zeiten beschäftigt sich ausgiebig mit dem Verein und seinen Anhängern. „Eine Saison mit Verona“, nannte der englische Autor Tim Parks sein Werk und reiste dafür eine Saison lang mit den Fans der „Gialloblu“ von Spiel zu Spiel. Parks, der in Verona lebt und ansonsten ganz andere Sachen schreibt, wollten einen Einblick in die italienische Seele bekommen – und da bot sich der Fußball an. Denn im Lande dreier täglich erscheinender Sportzeitungen scheint dieser das wichtigste für viele Menschen.

Die italienische Seele
Das Ergebnis ist ein Werk, das über weite Strecken süchtig macht. Erst einmal ist es wunderbar lebendig geschrieben. Wer selbst Fan einer Mannschaft ist, kann vieles nachvollziehen. Eine Saison gleicht fast immer einer Achterbahnfahrt – Freude und Jubel, aber auch Trauer und Depression. Und dann ist das Buch auch noch sehr witzig.
„Eine Saison mit Verona“ ist eine großartige Mischung aus Reisebeschreibung und Fußballreportage. Es ist eine Reise in die italienische Mentalität – die Liebe zum Fußball, die Liebe zum Verein, aber auch die strikte Rivalität zwischen Nord- und Süditalien.
Natürlich gibt es bei über 600 Seiten ein paar Längen, aber über weite Strecken ist es richtig packend. Parks nähert sich den Fans mit viel Verständnis, stellt sie aber nie bloß, bleibt immer distanziert und wachsam.
Natürlich spielt das Thema Rassismus eine Rolle. Doch auch hier wertet Parks nicht, bleibt scharfsinniger Beobachter. „Wenn Pastorello (der damalige Präsident) einen Schwarzen kauft, bringen wir ihn um. Dann zerreiße ich meine Jahreskarte. Wir wollen nichts mit Negern zu schaffen haben“, zitiert der Autor einen Beitrag aus einem Hellas-Forum.
Doch dann schreibt Parks weiter: „Und doch rasen sie vor Wut, wenn die Presse ihnen einen rassistischen Übergriff anhängt, wenn man ihnen vorwirft, tatsächlich etwas getan zu haben. Dann sind sie augenscheinlich davon überzeugt, dass solche Anforderungen Teil einer Kampagne sind, die zum Ziel hat, sie und ihre Stadt in den Dreck zu ziehen. Und das könnte sogar die Ergebnisse der Mannschaft beeinflussen……“
Manchmal nervt der Autor etwas, wenn er seine akademische Bildung in den Vordergrund stellt. Das sind zum Glück nur wenige Seiten, dafür bietet das Buch wieder anderen Nutzwert. Zum Beispiel kennt der Leser nach der Lektüre eine ganze Menge italienischer Schimpfwörter.
„Facci sognare“ beginnt das Buch. „Mach uns träumen. Bitte!“ In der Serie A, 2013/2014.



Dienstag, 23. Juli 2013
Spaßbremse Trading Leather
Wandert Novellist auf den Spuren von Danedream und gewinnt die King George XI und Queen Elisabeth Stakes am Samstag in Ascot (27.7, 16:50 Uhr)? Spätestens um 16:55 Uhr wissen wir mehr; diese Kolumne glaubt jedoch, dass ein Dreijähriger aus Irland die Party sprengen kann. nurpferdeundfussball stellt die Starter der traditionsreichen Gruppe 1-Prüfung über 2400 Meter vor. Das endgültige Starterfeld gibt es am Donnerstag.

Cirrus des Aigles: Zuletzt nur Fünfter im Grand Prix de Saint Cloud hinter Novellist. Aber das war das Comeback nach einer längeren Verletzungspause und so schlecht war die Leistung nicht, denn lange hielt der Stolz von Trainerin Corinne Barande Barbe an der Spitze stand. Vorher mehrfacher Gruppe 1-Sieger (unter anderem im hochdotierten Dubai Sheema Classic), ein Pferd der Spitzenklasse, das Distanzen von 1800 bis 2500 Meter kann. Inzwischen schon sieben Jahre alt und ein Beispiel dafür, dass auch Flachpferde sich in zunehmendem Alter steigern können. Leider ist das eher in kleineren Quartieren möglich, weil man dort nicht unbedingt Klassiker gewinnen muss.

Chamonix: Listensieger aus dem Ballydoyle-Quartier, hätte wahrscheinlich das Tempo für St. Nicholas Abbey gemacht.

Ektihaam: Frontrenner, zuletzt in den Gruppe 2 Hardwicke Stakes im Pech, als er seinen Reiter abwarf. Davor gut gesteigert, Listensieger und Dritter hinter dem guten Al Kazeem und dem so unglücklichen Thomas Chippendale. Dennoch muss das Pferd von Trainer Roger Varian noch einen deutlichen Sprung bewältigen, um hier zu gewinnen.

Ernest Hemingway: Nach der schweren Verletzung von St. Nicholas Abbey die Nr. 1 aus dem O’Brien-Stall. In diesem Jahr Gruppe 3-Sieger, aber wahrlich keiner der Topstars aus dem irischen Meister-Quartier.

Hillstar: Ein weiterer Dreijähriger, der seine Leistungen deutlich steigerte, als er die King Edward VII Stakes während Royal Ascot gegen Battle of Marengo entschied. Sollte noch einige Reserven haben, könnte alle überraschen. 2400 Meter sind die Idealdistanz. Zudem wurde der Hengst für 75 000 Pfund nach genannt. Das zeugt von einigem Optimismus, auch wenn für die Besitzerin aus der Rothschild-Familie dies eher ein Betrag aus der Portokasse ist.

Novellist: Vor Jahresfrist einer der größten Favoriten im Deutschen Derby seit langer Zeit. Obwohl im wichtigsten deutschen Rennen nur Zweiter, zeigte der Wöhler-Schützling danach, dass er ein herausragendes Pferd über die Derby-Distanz ist. Zuletzt überzeugender Sieger im Gruppe 1-Grand Prix de Saint Cloud, natürlich allererste Chancen. Aber vielleicht könnte der Boden schon eine Spur zu fest sein.



Die ersten King George Stakes, an die ich mich erinnere: Opera House siegte 1993 in den berühmten weinroten Sheikh Mohammed-Farben. Die Pferde dahinter lesen sich wie ein Who is Who des internationalen Turfs: White Muzzle, Commander in Chief, User Friendly, Tenby. Aus Deutschland war ein gewisser Platini am Start, über die Platzierung schweigen wir hier.

Red Cadeaux: Ich würde mich vor Respekt erheben und frenetisch klatschen, wenn dieser famose Weltenbummler im Herbst seiner Jahre noch so ein Prestigerennen gewinnen würde. Aber so recht glaube ich nicht daran, eher traue ich ihm eine weitere Attacke auf den Melbourne Cup zu.

Trading Leather: Der aktuelle irische Derbysieger, der eher über den „zweiten Bildungsweg“ kam. Denn bis zu seinem Flop in Epsom galt Dawn Approach als Derby-Kandidat des irischen Trainers Jim Bolger. Doch Trading Leather, von Bolger auch selbst gezogen, sprang in die Bresche und gewann überzeugend das irische Derby. Bolger sagte nach dem Rennen, das sei „der schönste Tag in seinem Leben“. Auch sonst ordentliche Formen und als Dreijähriger günstig im Gewicht.

Universal: In letzter Zeit sind die Pferde von Mark Johnston so richtig ins Rollen gekommen. Universal hat sich aus der Handicap-Klasse nach oben gelaufen, siegte zuletzt in einem Gruppe 2-Rennen in Newmarket. Die Gegner sind hier aber noch stärker.

Very Nice Name: Im letzten Jahr noch bei Freddy Head in Frankreich, jetzt in Katar im Training. Dort unter Obhut von Alban De Mieulle Seriensieger, international immerhin Dritter im diesjährigen Dubai Sheema Classic hinter St. Nicholas Abbey. Zwar deutlich geschlagen, aber dennoch macht ihn diese Form nicht ganz chancenlos. Zumal der Jockey Olivier Peslier heißt.


Urteil
Ich bin ein großer Freund von Trading Leather. Spätestens nach dem Erfolg im irischen Derby bin ich der festen Ansicht, dass der Bolger-Schützling noch einige Reserven hat und auf Dauer der beste Dreijährige über die Derby-Distanz in England/Irland ist. Einiges Potenzial traue ich zudem Hillstar zu, dessen Leistungsgrenzen noch lange nicht erkannt sind. Aber die größten Gegner auf dem Papier sind natürlich Novellist und Cirrus des Aigles.



Montag, 8. Juli 2013
Das Derby und die falschen Schlagzeilen
Eigentlich müsste dieser Text den „Helden von Hamburg“ gewidmet sein. Jockey Andrasch Starke etwa – der Erfolg mit Lucky Speed war der sechste Derbysieg des Reiters. Und der vielfache Champion-Jockey bewies erneut eindrücklich, dass keiner den Derby-Kurs in Hamburg-Horn besser reitet als er. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Starke jeden einzelnen Grashalm und jede unebene Stelle dort kennt. Lucky Speed bescherte er jedenfalls ein optimales Rennen und weil der Silvano-Sohn zudem ein hochveranlagtes Pferd ist, triumphierte er an diesem Tag.
Eigentlich wäre es auch mal an der Zeit, Trainer Peter Schiergen zu würdigen. Schon als Jockey war er „Mister Zuverlässig“. Andere ritten spektakulärer, Schiergen war aber viel effektiver und machte kaum Fehler. Als Trainer setzte er diese Erfolge nahtlos fort. Natürlich hatte er immer tolle Pferde im Stall, aber es war definitiv nicht einfach, einer Legende wie Heinz Jentzsch zu folgen.
Aber Schiergen meisterte dies in seiner unaufgeregten Art ohne größere Turbulenzen – so wirkte das zumindest nach außen. Und auch als die Schlenderhaner Pferde den Stall verließen, kompensierte er diese nicht leichte Situation ohne große Schäden.
Andere sind lauter, der einstige Rekordjockey aber bleibt bescheiden und liefert Jahr für Jahr beständig gute Ergebnisse ab. Zudem bildet er mit Andrasch Starke quasi das Dreamteam des deutschen Turfs. Danedream war die große Belohnung für das ganze Schiergen-Team. Es war der vierte Derbysieg für den Trainer; als Jockey blieb ihm ein Erfolg im Rennen der Rennen bekanntlich verwehrt.
Natürlich sollte man auch noch andere Pferde würdigen, die an diesem Tag ein großes Rennen liefen: Etwa Tres Blue, kurz sah es nach einem Derbysieg des französischen Gasts aus, doch dann kamen Starke und Lucky Speed mit eben letzterem. Oder Nordvulkan, der das Rennen seines Lebens lief und den ich in der Vorschau noch etwas despektierlich als „Feldfüller“ bezeichnet habe.
Selbstverständlich muss auch diese Kolumne gelobt wurden, denn unsere Tipps wurden Erster und Zweiter. Und dass, obwohl der Autor eigentlich eine ziemlich heftige Wettflaute durchleidet.
Also alles nur Friede, Freude, Eierkuchen in Hamburg-Horn? Wenn da nicht das dritte Rennen am Samstag gewesen wäre, das in den einschlägigen Foren bei Facebook deutlich mehr Resonanz als das Derby bekommt. Ein ganz normales Hürdenrennen, das Ergebnis ist bekannt: Zwei tote Pferde, ein verletzter Jockey nach einem Unfall, den ich in dieser Brutalität noch nie erlebt habe. Eigentlich hätte man das Rennen abbrechen müssen – schon zu Beginn, weil die drei reiterlosen Pferde für Behinderungen sorgten. „Mein Gott, springen die schlecht“, dachte ich noch und dann fielen auch bereits die Pferde an der ersten Hürde. Der Versuch, sie einzufangen, misslang. Sie drehten in die andere Richtung und krachten dann in die anderen Teilnehmer.

Katastrophe
Im Blickpunkt der Kritik danach: die Rennleitung. Ein Abbruch sei in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, argumentierten die Verantwortlichen in Person von Dr. Peter Tasch später. Ob das richtig ist, weiß ich nicht – allerdings waren die Verantwortlichen auf so ein Szenario nicht vorbereitet. Es war eine Verkettung unglücklicher Zustände, die zur Katastrophe führten.
Wenn ich auf der Bahn gewesen wäre, wäre ich nach Hause gegangen. Die Lust auf Pferderennen war mir jedenfalls vergangen. In Hamburg machten die Verantwortlichen bekanntlich weiter.
Und danach war die Diskussion um die Hindernisrennen mal wieder voll entbrannt. Bekanntlich bin ich ein großer Anhänger dieser Spielart. Gut geschulte springende Pferde sind ein Genuss, für mich sind die Top-Rennen in England und Irland die hohe Kunst des Galopprennens.
Natürlich sind die Kurse dort auf diese Zwischenfälle vorbereitet. Wenn dort Pferde ihre Jockeys abwerfen oder fallen, laufen sie reiterlos mit. Das führt zwar manchmal auch zu haarigen Situationen, wenn sie andere Teilnehmer behindern. Aber die Kurse bieten Fluchtwege an, zudem weiß das Personal, was es machen soll. Der Versuch, die Pferde einzufangen, führte ja in Hamburg gerade zur Richtungsänderung und damit zur Katastrophe.
In Hamburg löst man das Problem, in dem man zukünftig auf Hindernisrennen verzichten will. Das ist ein weiterer Todesstoß für den deutschen Hindernissport, wobei ich ihn in dieser Form auch nicht brauche. Es ist ein Teufelskreis: Zu wenig Rennen bedeuten auch zu wenig Praxis für Ross und Reiter. Das Ergebnis sind leider solche Rennen.
Eine Analyse der Ereignisse soll es für die Öffentlichkeit nicht geben – so habe ich das zumindest verstanden. Am besten löst man ein Problem, in dem man es ignoriert, so die Logik der Verantwortlichen. Das ist definitiv der falsche Weg.
Immerhin war der Galopprennsport auch in Medien vertreten, die ansonsten kein Wort über das wichtigste Rennen des Jahres geschrieben haben. So ist das leider heute, ich könnte auf diese Art von Schlagzeilen gut verzichten.