Donnerstag, 16. August 2012
Das Tauziehen ums Derby
Wo laufen die Pferde im Derby 2013? Weiterhin in Hamburg, wo es seit 1869 fast ohne Unterbrechungen stattfindet oder an einem anderer Ort? München? Oder vielleicht Hoppegarten. Das wichtigste Rennen der deutschen Turfsaison ist auf dem Markt. Im Klartext: Hamburg bekommt Konkurrenz, andere Bahnen wie München, Baden-Baden und Hoppegarten werden genannt.
Nach dem Derbymeeting 2012 hatte das Präsidium des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen (DVR) das Deutsche Derby und die damit zusammenhängende Derby-Woche für die Jahre 2013 und später neu ausgeschrieben. Das DVR suche neue, nachhaltige Konzepte zur Durchführung einer Premium-Veranstaltung rund um das wichtigste Vollblutrennen des deutschen Galopprennsports, heißt es in einer Pressemitteilung.
Am Dienstag meldeten sich die empörten Hamburger zurück. „Wir waren überrascht und konsterniert", sagte HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler auf einer Pressekonferenz. Das sei ein einmaliger und unglaublicher Vorgang, ohne Rücksprache mit dem Veranstalter eine so bedeutende Veranstaltung einfach allen anzubieten. „Wir werden uns ein solches Verhalten seitens des Direktoriums nicht bieten lassen“, erklärte Wahler und kündigte rechtliche Schritte an.

Gräben
So manches verstehe ich bei den Hamburgern aber nicht. HRC-Chef Wahler sitzt im DVR-Präsidium, hat aber von den Ausschreibungsplänen angeblich nichts mitbekommen. Normalerweise sollten bei Plänen dieser Kategorie alle im Vorstand informiert sein – im Idealfall. Oder waren die Derby-Pläne eine „Zwei-Mann-Veranstaltung“ ohne den Rest des Vorstandes? Sowohl das Vorgehen des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen (DVR) als auch die Reaktion des Hamburger Renn-Clubs zeigen eindrucksvoll die Differenzen zwischen Köln (DRV) und Hamburg. Und offenbar sind noch einige Rechnungen offen.
Nicht neu ist die Kritik am HRC als Veranstalter des Derbys. Der Zustand des Geläufs wird permanent bemängelt, hinzu kommen andere Aspekte wie rückläufige Zuschauerzahlen. „Die Gegebenheiten in Hamburg entsprechen nicht mehr dem modernen Standard“, formuliert es das DVR.
Allerdings: Was ist moderner Standard auf deutschen Rennbahnen? Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Rennverein in den letzten Jahren groß in Tribünen-Neubauten investiert hätte. In der Regel sind die meisten finanziell so angeschlagen, dass eigentlich nur Überleben die Devise ist.



Ein legendäres Derby mit einer legendären Reportage von Manfred Chapman: Samum im Besitz des damaligen HRC-Präsidenten triumphiert 2000 in Hamburg-Horn.

Wobei die Bahn in Hamburg schon ein besonderes Kaliber ist. Den Spruch mit dem lieben Gott im Zorn und der Galopprennbahn zu Hamburg-Horn erspare ich mir zwar hier, aber er ist nicht falsch. Mein erster (und letzter) Besuch liegt über 20 Jahre zurück, dem Jahr, als Temporal Lomitas besiegte. Meine Brüder begleiteten mich, am Ende waren die Daumen unten. Weil man auf den billigen Plätzen nur sieht, wie die Pferde die Zielgerade entlang laufen. Die Gegenseite war überhaupt nicht zu erkennen, Bäume und unzählige VIP-Zelte behinderten die Sicht. Wer die Rennen sehen wollte, war ohne Bildschirm aufgeschmissen.
Dazu die langen Wege zum Führring und wieder zurück, was bei Temperaturen von über 30 Grad nicht unbedingt ein Vergnügen war. Jedenfalls fiel das Urteil vernichtend aus, jeder Rennbahn in Nordrhein-Westfalen lohnte mehr den Besuch. Das Derby habe ich dann in den Jahren danach lieber zuhause oder beim Buchmacher geschaut. Zudem fiel die Derbywoche immer in die letzte Woche des Monats – und da hatte ich lange beruflich eh’ nie Zeit.

München will
Einiges mag in Hamburg besser geworden sein, vieles aber – wenn ich mir die Bilder anschaue – nicht. Was spricht für den Standort? Erst einmal die eigentlich faire Kursführung, zum anderen die Tradition – ein Pfund, aus dem aber der gesamte deutsche Galopprennsport viel zu wenig macht. Undenkbar etwa, dass die Briten die gleiche Diskussion über Epsom zulassen würden. Und natürlich ist Hamburg eine schöne Stadt, die immer einen Besuch wert ist.
Auch München hat seine Qualitäten, aber das wichtigste Rennen des deutschen Turfs dort? Können die das überhaupt finanziell schultern? Jedenfalls traut sich der Münchener Rennverein (MRV) das offensichtlich zu, obwohl sie auch nicht gerade schwarze Zahlen schreiben.
Aus Dortmunder Sicht ist München natürlich am Ende der Welt. Die Rennbahn in Riem hat mir aber bei meinen Besuchen ganz gut gefallen: Ein großes Gelände, eine lange Bahn und eine charmante Tribüne, wo man ziemlich weit oben eine fantastische Sicht hat. Ob diese aber die Menschenmassen, die zum Derby erwartet werden, fassen wird?
Hoppegarten wäre symbolisch natürlich nicht schlecht – Hauptstadt, alte Tradition etc. Und Baden-Baden? Die Hamburger sagen, dass Baden-Racing nicht interessiert sei, das Direktorium erklärt Gegenteiliges. Jedenfalls dürften die nächsten Monate spannend werden.



Montag, 13. August 2012
Nur Angst vor Alptraum Magath


Die Kunst des Stehens: Erleben die besten Fans der Liga auf Dortmunds gigantischer Südtribüne eine weitere legendäre Saison?

Es wird Zeit, dass die Bundesliga wieder anfängt. Immerhin sind die Sonderhefte inzwischen alle erhältlich und die 11 Freunde haben wieder ein Beiheft im auffälligen Reclam-Gelb gemacht. Dieses enthält neben historischen Mannschaftsbildern unter anderem die Antworten eines Bloggers zu vorgegebenen Fragen. Bei Borussia Dortmund stand wieder jemand vom formidablen Fanzine Schwatzgelb.de Rede und Antwort. Doch es gibt – erstaunlich – auch andere Anhänger der Schwarz-Gelben, die bloggen – zum Beispiel der Autor dieser beliebten Seiten. Exklusiv hier also meine Weisheiten zur Saison 2012/2013.

Die neue Saison wird legendär, weil
…also legendär waren schon die letzten beiden Spielzeiten in Dortmund. Diese zu übertreffen, sollte schwierig sein – außer der BVB rollt die Champions League auf.

An die alte Saison werde ich mich noch lange erinnern, weil
…Dortmund dreimal die Bayern geschlagen hat und auch sonst fast alle Wünsche erfüllt wurden.

Drei Wünsche frei für die nächste Saison? Hier sind sie:
Dortmund trumpft in der Champions League auf, Fürth hält die Liga und der Lothar findet endlich einen ordentlichen Job.

Huaaah! Mein größter Alptraum:
Dass sich in der obligatorischen kleinen Dortmunder September-Minikrise Watzke, Zorc und Klopp mächtig streiten und „Kloppo“ die Sachen hinschmeißt. Als Nachfolger kommt Felix Magath, der trainiert bis Weihnachten so hart, dass die Mannschaft keinen Punkt mehr holt. Daraufhin holt Magath 15 neue Spieler in der Winterpause.

Mein Lieblingsspieler im aktuellen Team ist:
Sebastian Kehl – Nach all den Seuchenjahren mit Verletzungen ein bemerkenswertes Comeback. Es ist ihm zu gönnen.

Mein Held vergangener Jahre:
Wolfgang Feiersinger – Legendär sein Ausspruch zur Begrüßung, dass er eigentlich besser Ski fahren kann. Sein Debüt ging fürchterlich daneben und die humorlose Dortmunder Lokalpresse haute ihm obiges Zitat genussvoll um die Ohren. Doch sie lag daneben. Immer wenn Matthias Sammer verletzungsbedingt fehlte, vertrat ihn Feiersinger elegant und fast fehlerfrei. Gesegnet sind eben die Skifahrer.

Lustigster Fangesang der letzten Saison war:
Ein Schuss, kein Tor – die Bayern.

Nie wieder! Was müsste passieren, damit Du nicht mehr ins Stadion gehst?
Wenn wir irgendwann Red Bull Dortmund oder Mc Donalds Dortmund oder … heißen. Oder wenn Felix Magath hier auftaucht.

Auf dieses Auswärtsspiel freue ich mich besonders, weil:
Ich fahre nicht zu Auswärtsspielen. Mir reichen die Heimspiele, zumal ich auch noch andere Hobbys habe. Zum Beispiel schnelle Pferde…

Unser aktuelles Trikot ist
Gelb und teuer…

Wenn Kathrin Müller-Hohenstein und Olli Kahn im nächsten Jahr auch die Champions League moderieren, dann
…ist das auch nicht mehr zu verhindern.

Wonti, ich komme! Hier ist meine beinharte These für den nächsten Doppelpass:
Wonti, mach Schluss! Ich gucke keine Sendung, in der 70 von 90 Minuten über den Zustand des FC Bayern diskutiert wird.

Im Stadion brauche ich nur Wurst, Bier und…
Ich brauche weder Wurst noch Bier im Stadion, zumal die Qualität der Rostbratwurst oft zu wünschen lässt. Wenn, esse ich meine Wurst außerhalb des Stadiums am Freibad und unterstütze so den Unterhalt des maroden Schwimmtempels in Dortmund.

Diesen Fußball-Twitteraccount habe ich immer im Auge:
Den von Oliver Kahn seit dieser großartigen ZDF-Sendung zur Fußball-EM.

Wer verpflichtet in der Winterpause Otto Rehhagel?
Niemand, doofe Frage.

Und wer Rolf Schafstall?
Immerhin haben die Bochumer mit Rolf Schafstall ihre erfolgreichste Zeit gehabt. Ansonsten aber gönne ich Schafstall die Rente.

Wer klagt sich nach dem Relegationsspiel durch alle Instanzen?
Vielleicht Felix Magath.

Die Erste Liga verlässt nach unten…
Vielleicht mal Wolfsburg oder der HSV als Strafe für jahrelange Misswirtschaft. Wird aber leider nicht passieren, aber ich hoffe, dass zumindest Fürth oder die Fortuna die Klasse hält.

Letzte Weisheit
Vermeidet Radiosender, die Bon Jovi spielen.



Mittwoch, 8. August 2012
Gute Freunde, alte Bekannte: Faszination Sprint
1200 Meter, gerade Bahn, 27 Pferde, der Favorit steht um die 100. Stewards’ Cup in Goodwood/England – eines dieser Handicaps, die die britischen Buchmacher so mögen. Viele Starter, viele Möglichkeiten, viele Chancen – verständlich, dass bei Ladbrokes, William Hill und den anderen großen Buchmachern die Kassen klingeln, wenn es über die kurze Distanzen geht. Der Stewards’ Cup ist das Wettrennen während „Glorious Goodwood“, einem Höhepunkt der englischen Rennsaison.
Die Rennen über die Kurzstrecken von 1000 und 1200 Metern erscheinen oft wie eine andere Welt verglichen mit den Prüfungen über längere Distanzen. Weil Faktoren eine Rolle spielen, die bei Strecken ab 1400 Metern wenig aussagekräftig sind. Die Position der Startbox beispielsweise: Auf welcher Seite ist der bessere Boden, wo sind die Tempomacher. Das sieht dann in der Praxis so aus, dass zwei Pulks über die Bahn jagen. Wer als Rennkommentator seine Reifeprüfung ablegen möchte, der sollte so eine Prüfung mit 30 Pferden mal kommentieren.

Große Felder, große Gelder
Sprints sind populär auf der Insel. Kaum ein Renntag kommt ohne Rennen über 1000 oder 1200 Meter aus. Und fast immer geht es über die gerade Bahn – in Deutschland kenne ich das nur noch aus Iffezheim oder Hoppegarten, früher bestand die Möglichkeit auch in Dortmund. Die Rennen für die schnelle Brigade genießen in Großbritannien einen deutlich höheren Stellenwert als hier. Und während die kleineren Rennen in England sehr dürftig dotiert sind, gilt das nicht für die großen Sprint-Handicaps wie etwa das Wokingham (Royal Ascot), der Epsom Dash (Epsom) oder den Ayr Gold Cup in Ayr/Schottland. Über 62 000 Pfund bekam zum Beispiel der Gewinner im Stewards’ Cup.
Hawkeyethenoo heiß der Held des Tages an diesem Nachmittag, der knapp die Nase vorn hatte. Ich ärgerte mich, weil ich das Pferd ursprünglich auf Sieg wetten wollte, dann aber davon absah, weil der Trainer des Starters, Jim Goldie, ziemlich außer Form war. Ich entschied mich für meinen alten Freund Borderlescott, der leider drei Längern hinter dem Sieger endete.
Beide Pferde sind typische Vertreter dieses Genres. Beide sind schon etwas älter, beide werden zudem von eher „kleineren“ Trainern betreut. Sie wurden mit zunehmendem Alter immer besser. Vielen dieser Starter begleiten einen schon seit Jahren, manches Pferde wie der jetzt seinen Ruhestand genießende The Tatling sind regelrecht Kult. Das Pferd hat seine eigene Facebook-Seite.
Hawkeyethenoon stammt immerhin vom einstigen Ballydoyle-Flaggschiff Hawk Wing und hat auch schon über die Meile gewinnen. Das war noch für Mick Easterby, doch so richtig kam er für den Altmeister aus Sheriff Hutton nicht ins Rollen. Nach 12 Starts wechselte der Wallach zu Trainer Jim Goldie nach Schottland und dort platzte der berühmte Knoten: Hawkeyethenoo siegte sofort in seinem ersten Einsatz für Goldie im September 2009 über 1000 Meter in Musselburgh und arbeitete sich Schritt für Schritt im Handicap hinauf.
34 Starts, acht Siege lautet die aktuelle Bilanz. Höhepunkte war – neben dem aktuellen Erfolg – der Triumph im Victoria Cup in Ascot über 1400 Meter. Allerdings war das Pferd auch schon Zweiter im Epsom Dash über schnelle 1000 Meter. „Er hat uns nie enttäuscht“, sagte Goldie nach dem Erfolg in Goodwood. Im Sattel saß im übrigen Graham Lee, der derzeit gerade einen erstaunlichen Wandel vom erfolgreichen Hindernis- zum erfolgreichen Flachjockey vollzieht.

Dandy Nicholls statt Stoute
Es sind nicht die großen Trainernamen, die die Siegerlisten in den Sprint-Handicaps prägen. Die Herren Cecil, Stoute oder Gosden sucht man ergeblich und auch Aidan O’Brien oder Saeed Bin Suroor fehlen. Weil sie eben andere Typen von Pferden trainieren, für die nur der klassische Erfolg ab 1600 Metern zählt.
Die Kurzstrecken dominieren andere Betreuer. Dandy Nicholls zum Beispiel, der scheinbar nur Sprinter in seiner Obhut hat. Mit 641 Starts in den letzten 12 Monaten zählt er allerdings nicht zu den kleinen Trainern im Lande. Und auch Goldies Stall ist nicht klein: 506 Mal sattelte der schottische Coach in Flach- und Hindernisrennen. Aber es sind überwiegend Handicaps, in denen ihre Pferde laufen.
Deutlich weniger Vollblüter liefen immer für Robin Bastiman: Dessen bestes Pferd und „ganzer Stolz“ ist Borderlescott, inzwischen 10 Jahre alt. Schon seine Bilanz liest sich nicht schlecht: 58 Starts, 13 Siege, 17 zweite Plätze, sieben dritte Plätze. Höhepunkt seiner Karriere war der Gruppe 1-Erfolg 2009 in den Nunthorpe Stakes in York. Spätestens nach dem Erfolg im Stewards’Cup 2006 zählte der Wallach zu meinen absoluten Favoriten. Das änderte sich auch nicht nach dem Drama im Stewards’Cup ein Jahr später, als ich mich schon über den lukrativen Sieg zum Toto 130 freute, doch die Zielrichter in Goodwood Zidane mit einem kurzen Kopf vorne sahen. Ich bin ja der Meinung, dass die Stewards in Goodwood mir dafür immer noch einen schulden.
Heute ist Borderlescott nicht mehr ganz so gut wie in seinen Glanzzeiten. Er kann aber immer noch mitmischen, zumal er im Handicap Nachlass gefunden hat. Zudem gab es vor dem Rennen fast schon euphorische Töne aus dem Bastiman-Camp. Schlecht lief er dann auch nicht, aber eine echte Siegchance hatte er nicht. Aber es sind solche Pferde, die lang genug dabei sind, die die Faszination Sprint ausmachen. Weil sie eben nicht wie ihre blaublütigen Verwandten spätestens mit vier Jahren in die Zucht gehen und man lange genug mit ihnen seinen Spaß hat.


Ein
Interview
mit Jim Goldie nach dem Stewards’ Cup