Die Aufregung steigt im englischen Hindernissport. Kein Monat mehr bis zum Cheltenham Festival (13. bis 16. März), dem unbestrittenen Höhepunkt des englischen „Wintersports.“ Es ist das 20. Festival, das ich bewusst verfolge - allerdings war ich schon mal euphorischer. Das mag auch daran liegen, dass es in den wichtigsten Rennen eindeutige Favoriten gibt, gegen die ich eigentlich nicht recht opponieren möchte. Zum Beispiel in der Champion Hurdle, dem wichtigsten Rennen des Eröffnungstages. Wie in den Jahren zuvor, stellt nurpferdeundfussball die Favoriten vor.
Hurricane Fly (Trainer Willie Mullins): Der Vorjahressieger und der eindeutige Favorit 2012, bei racebets steht er 18:10 und auch bei den englischen Buchmacherkollegen dürften Kurse über 20 eine Seltenheit sein. Sein Trainer Willie Mullins nennt den Wallach eines der besten Pferde, das er je trainiert hat. Das hat schon einiges zu sagen, denn seine Liste an Gruppe 1-Gewinnern ist lang. Aber der Montjeu-Sohn hat auch einiges zu bieten: 11 von 12 Starts hat er gewonnen, zuletzt war er leichter Sieger in der Irish Champion Hurdle in Leopardstown. 2011 konnte ihm nur Peddlers Cross in Cheltenham folgen – der soll beim Festival 2012 ein Rennen vorher im Arkle laufen.
Der Meister und sein Star: Willie Mullins über die Aussichten von Hurricane Fly (Quelle: Attheraces)
Zarkandar (Trainer Paul Nicholls): Noch ungeschlagen, aber mit fünf Jahren und erst vier Starts auch ein reichlich unerfahrenes Pferd. Im letzten Jahr gewann er die Triumph Hurdle für die Novices, am Freitag siegte er als Jahresdebütant gegen gute Handicapper in einem der schwierigsten Rennen der englischen Hindernissaison. Das soll nur die Vorspeise gewesen sein, versichert sein Trainer, die Hauptmahlzeit sei natürlich die Champion Hurdle. Ich bin bei diesen Trainer-Worten immer etwas skeptisch, aber um die Champion Hurdle zu gewinnen, muss sich der Wallach weiter steigern. Die schlechte Nachricht aus dem Nicholls-Stall ist allerdings eine Warnung, Zarkandar hat aber trotzdem gewonnen.
Binocular (Trainer Nicky Henderson): Der Sieger von 2010 scheint sich wieder an alte Glanztage zu erinnern. Am Samstag gewann er ganz leicht in Wincanton gegen Celestial Halo, vorher war er mit viel Kampfgeist gegen Rock on Ruby erfolgreich. Die englischen Buchmacher haben den Wallach gerade nach der Wincanton-Vorstellung ziemlich in der Quote gekürzt.
Grandouet (Trainer Nicky Henderson): Barry Geraghty, der Jockey, nannte ihn in seinem Blog bei attheraces ein stark verbessertes Pferd. Grandouet ist ebenfalls erst fünf Jahre, zählte im letzten Jahr zur Jahrgangsspitze (3. in der Triumph Hurdle hinter Zarkander) und hat schon gegen die großen Jungs gewonnen – zuletzt überzeugend in Cheltenham gegen Overthurn und Brampour, den er aber Gewicht gab. Natürlich muss er sich weiter steigern.
Rock on Ruby (Trainer Paul Nicholls): Der nächste Aufsteiger aus der Klasse der Novices: Rock on Ruby hat aber schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er bei den Großen angekommen ist. Die unglückliche Niederlage gegen Binocular zählte dazu, noch imponierender sein Sieg mit hohem Gewicht in einem gut besetzten Rennen in Newbury. Der Dritte aus dieser Prüfung hat diese Form bestätigt. Auch in der letzter Saison schon ein Top-Pferd, zum Beispiel Zweiter in der Neptune Investment Management Novices' Hurdle während des Festivals. Nur die Nachrichten aus dem Nicholl-Stall (siehe Zarkandar) sind nicht so toll…
Oscars Well (Trainer Jessica Harrington): Guter irischer Hürdler, in diesem Jajhr weiter gesteigert, dennoch kaum vorstellbar, dass er gegen Hurricane Fly den Spieß umdreht. Bestform auf weichem Boden.
Overturn (Trainer Donald Mc Cain): Frontrenner, der sowohl auf der Flachen als auch über die Hindernisse hochklassig ist. 2011 war der Wallach in der Form seines Lebens, aber so ganz reicht es in dieser Klasse nicht. Zumal ihm die steile Zielgerade in Cheltenham nicht entgegen kommt.
Urteil: Eigentlich ein schönes Rennen zum Wetten. Weil es eine Menge Pferde gibt wie Zarkandar, Grandouet oder Rock on Ruby, die in ihrem Leistungsvermögen noch gar nicht richtig erkannt sind und die noch Reserven haben sollten. Binocular scheint wieder auf dem Weg zur Bestform – eigentlich gebe es einige Gründe, gegen den unter 20-Favoriten Hurricane Fly zu spielen. Die Betonung liegt auf eigentlich: Der Mullins-Schützling steht für mich über den Dingen, sein größter Gegner läuft ein Rennen vorher im Arkle. Wer einen Buchmacher findet, der eine Wette ohne Hurricane Fly bietet, dem empfehle ich Rock on Ruby.
Da hat Michael Preetz, Manager des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin, Berlins Boulevard-Journaille aber mal ziemlich geleimt. Alle möglichen Namen hatten die Journalisten in die Trainerdiskussion bei Hertha gebracht – Stanislawski, Rangnick oder Thomas Doll, an den man sich in Dortmund nur mit Schaudern erinnert. Nur auf Otto Rehhagel kam keiner der findigen Leute von den Zeitungen mit den großen Buchstaben. Ausgerechnet dieser wird im zarten Alter von 73 Jahren Nachfolger von Michael Skibbe: Gemeinsam mit Assistenztrainer Rene Tretschok soll er die Hertha vor dem Abstieg in die 2. Liga retten.
Am Samstag blühte in der Bundesliga-Sendung auf WDR 2 schon wieder der Flachs. Zum Beispiel in Sachen Fußballtaktik a la Rehhagel: Ob denn Hertha wieder mit Libero agiere? Setzt Rehhagel wieder auf die Manndeckung? Feiert der gepflegte Oberlippenbart sein Comeback?
Am Sonntag präsentierte sich der Fußballlehrer in einem Interview mit der Bild am Sonntag in gewohnter Form. Er sei ab Montag Tag und Nacht für Hertha da – „und zwar immer pünktlich. Ich bin ein Vorreiter und erwarte Ordnung und Disziplin. Ich bin ein Preuße. Oder auch ein demokratischer Diktator.“ Oder: „Der Sinn des Lebens besteht in Arbeit – wie Immanuel Kant schon sagt.“
Experte für Fußball-Wunder
Doch bei allen Schrulligkeiten des gebürtigen Esseners: Otto Rehhagel ist ein hochgradig fähiger Fußball-Lehrer. Wer es schafft, mit dem Aufsteiger 1.FC Kaiserslautern Deutscher Meister zu werden und mit den griechischen Underdogs die Europameisterschaft zu holen, der muss schon einiges auf dem Kasten haben. Nicht zu vergessen die lange und erfolgreiche Zeit bei Werder Bremen mit Meistertiteln und Pokalsiegen. Es war diese Mischung aus Flexibilität und Starrsinn, die Rehhagel so erfolgreich machte. Nur in München beim FC Bayern scheiterte er – was auch nicht unbedingt gegen ihn spricht.
Jetzt also Hertha BSC. Die Berliner hatten im September 2011 beim Gastspiel in Dortmund eine taktisch sehr ausgereifte Vorstellung geboten und völlig verdient gewonnen. Das dachte nicht nur ich, dass die Verbindung mit Trainer Markus Babbel passt. Doch dann zofften sich Preetz und Babbel; Skibbe ersetzte Babbel, verlor fünf Spiele in Serie und musste gehen. Und in Berlin zittert man wieder um den Klassenerhalt.
Borussia Dortmund hatte mit einer ähnlichen Trainer-Lösung mal gute Erfahrungen gemacht: 2000 lösten Altmeister Udo Lattek und Matthias Sammer Bernd Krauss ab und hielten die Klasse.
Im Übrigen stimmt das gar nicht mit dem Libero. „Wir haben beim EM-Sieg 2004 mit Griechenland gar nicht mit Libero gespielt, sondern mit einer versetzten Viererkette. Ein Spieler, der nicht so schnell war, rutschte etwas heraus“, verriet der Meister im besagten BamS-Interview. Das wäre also geklärt.
Es ist stets das gleiche Ritual so gegen Ende des Programms. Ein Mann in den besten Jahren, ordentlicher Bauch, schwarzgelbes Stirnband und Jeansweste, betritt die Bühne und blickt in die Runde. Und dann kommt die bekannte Frage: „Schalker hier?“ Dann meldeten sich irgendwelche Versprengte aus den hinteren Bereichen des Saales und die schaut dann unser BVB-Fan Immi erstmal böse an. Er ist einer der „Zwei vonna Südtribüne“, wichtiger Bestandteil des Ruhrgebiets-Karnevals Geierabend. Etwas später kommt dann Lollo auf die Bühne. „Wo wahrse so lange“, fragt Immi im Slang des Ruhrgebiets. „Abitur machen“, nuschelt Lollo. Und dann wird die erste Bierflasche aufgemacht.
Die zwei BVB-Fans – gespielt von Hans Martin Eickmann und Franziska Mense-Moritz – stehen sonst auf der Südtribüne, der berühmten Tribüne im Dortmunder Signal-Iduna-Park (einst Westfalenstadion), wo der Hardcore-Anhang des amtierenden deutschen Fußballmeisters sich versammelt. Immi und Lollo philosophieren schon seit Ewigkeiten (1992 gab es den ersten Geierabend) über Borussia Dortmund – natürlich im Ruhrgebiets-Dialekt. Die Nummer ist aus dem Geierabend eigentlich nicht mehr wegzudenken, im Sommer 2011 gab es sogar ein eigenes Soloprogramm.
Bier ist unser Gemüse
Meistens hat Immi das große Wort. Von wegen alles friedlich im schwatzgelben Revier: Beim Geierabend 2012 ging es um das Scheitern des BVB in der Champions League; Immi verglich das mit der Angst, die er als Kind vor dem Nikolaus hatte, wenn er ein Gedicht aufsagen sollte. Die etwas tumb wirkende Lollo offenbart erstaunliche Einsichten. „Das Denken wird überschätzt“ philosophiert sie etwa.
Es wird ordentlich gezecht. „Nehma noch einen“, fragt Lollo, „Jaah sicher“ antwortet Immi und dann kommen Sprüche wie „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ oder „Bier ist unser Gemüse“.
Erstaunlicherweise halten die beiden ihr Niveau über die Jahre. Natürlich sind sie reichlich klischeehaft, aber sie treffen schon einen gewissen Typen, der auf der Südtribüne präsent ist. Und vielleicht werden Immi und Lollo mal die letzen Kutten-Fans in Dortmund sein.
Denn die Fans mit der markanten Jeansweste und den vielen Stickern kommen in die Jahre. Diese Anhänger stammen offensichtlich aus einer anderen Zeit. In den 70er und 80er Jahren war der Fußball noch nicht so angesagt, kamen nicht gefühlte 90 Prozent der Stadionbesucher im Trikot. Nur der Hardcore-Fan trug das Dress seines Klubs, dazu gerne mehrere Schals – und eben Kutte.
Auf den „normalen“ Tribünenbesucher wirkten diese Fans immer etwas asozial. Sie waren laut, tranken Alkohol in Unmengen und traten oft in Gruppen auf.
Kuttenfans litten mit ihrem Verein, sie waren die treuesten Fans und kamen auch, wenn es sportlich mal nicht so lief und die Schönwetter-Anhänger sich anderen Dingen widmeten. Sie dominierten eindeutig die Fanszene. Den Kuttenträger traf man auf der Stehtribüne, meist war er männlich – Frauen waren eher die Ausnahme. Auch die Hooligans kamen in den 70er und 80er Jahren aus der Kuttenszene, erst später bestimmten Leute ohne Vereinszeichen die gewalttätige Szene.
Heute sind die Kuttenträger in die Jahre gekommen, manche sind schon über 50 und haben sich auf die besseren Plätze zurückgezogen. Die Ultras mit ihren Ritualen bestimmen die Fankurven. Doch auch auf der Dortmunder Südtribüne gibt es immer noch die Leute mit den markanten Westen – wie Lollo und Immi.