„Da fehlen mir die Worte. Da müsste ich ein Dichter sein“, stammelte einst der österreichische Kommentator Edi Finger in seiner berühmten Reportage aus Cordoba, als Österreichs Fußballer den übermächtigen deutschen Nachbarn besiegten. Übertragen auf Frankel heißt das: So langsam gehen die Superlative aus. Die Vorstellung gestern in den Sussex Stakes in Goodwood, wie er ein Klassepferd wie Canford Cliffs einfach stehenließ und „quasi aus den Hufen“ galoppierte, war atemberaubend. Die Zweifel nach seinem Erfolg in den St. James Stakes während Royal Ascot sind verstummt. Er sei das beste Pferd, das seine Augen je gesehen haben, sagte nach dem Rennen Frankels Trainer Sir Henry Cecil. Der Mann muss es wissen, er hat in seiner beispiellosen Trainingskarriere genügend Top-Pferde in seiner Obhut gehabt.
Die Racing Post greift im Vorfeld solcher großer Rennen gerne auf Brough Scott zurück. Der Mann ist auf der Insel wohlbekannt, war früher mal Jockey und ist so eine Art Elder Statesman unter Englands Turfjournalisten. Er ist ein Freund großer Worte, die manchmal ins pathetische abgleiten. Aber diese fand ich schön: „Wenn diese vier Startboxen sich öffnen um 3.10, sind wir nicht weniger als eine Minute und 40 Sekunden von einem Stück Geschichte entfernt, das für immer auf der Rennseiten geschrieben sind“, schrieb er in seiner RP-Vorschau. Und er fragte, ob Frankel der „ultimative Athlet auf vier Beinen ist, den alle suchen“. Die Antwort ist eindeutig, auch wenn das mit den Wunderpferden so eine Sache is. Das Letzte trug den Namen Sea The Stars.
Wer übrigens mal sehen möchte, wie Frankel bei seinem Debüt den späteren King George-Sieger Nathaniel besiegt, kann das hier noch mal.
Wie Sun und co. einen Schweizer Referee drangsalierten
Englands Tabloids schäumten vor Wut und hatten ihren Sündenbock nach dem Ausscheiden der englischen Fußballnationalmannschaft bei der EM 2004 gefunden: den Schweizer Referee Urs Meier. „Ursloch“ titelte Rupert Murdochs Sun (andere Quellen meinen, die Schlagzeile kommt vom Daily Star). Es war das Viertelfinale der Europameisterschaft 2004, England traf auf Gastgeber Portugal. Beide Teams lieferten sich ein packendes Match, es gab Torchancen auf beiden Seiten. Dann die 90. Minute: Englands Sol Campbell traf per Kopf, doch Meier gab das Tor nicht, weil John Terry vorher den portugiesischen Keeper Ricardo gefoult hatte. Die Three Lions verloren später – wie auch anders – im Elfmeterschießen und mussten nach Hause fahren. Und die Jagd auf den Schweizer Schiedsrichter begann.
Urs Meier, der spätere ZDF-Experte, hat jetzt im Interview mit dem Schweizer Sonntag verraten, mit welchen Methoden ihn englische Boulevardjournalisten unter Druck setzten. Allen voran die Sun aus dem Imperium von Rupert Murdoch – ihr Schwesterblatt News of The World schloss Murdoch jetzt bekanntlich nach diversen Abhörskandalen.
30 000 Pfund
„Sie haben ihr volles Geschütz auf mich gerichtet“, erklärte Meier in dem Interview. „Meiner Ex-Frau haben sie 30000 Pfund geboten, weil sie eine Story machen und mich in die Pfanne hauen wollten. Meinem damals 14-jährigen Sohn haben sie auf dem Schulweg abgepasst. Sie wollten wissen, von welcher englischen Mannschaft er Fan sei. Wenn er über seinen Vater rede, würden sie organisieren, dass er zu einem Spiel seiner Lieblingsmannschaft gegen Manchester United eingeladen werde.“
Die Sun veröffentlichte Meiers E-Mail-Adresse, am Morgen nach dem Spiel hatte er 16 000 Mails mit oftmals wüsten Beschimpfungen und sogar Morddrohungen von empörten Anhängern der Three Lions in seinem Posteingang. Meier: „Hätten wir mein Mail-Konto nicht aus dem Netz bekommen, wären es weit über eine Million geworden.“
Noch heute fühle er sich nicht ganz wohl, wenn er in eine Gruppe von Engländern gerate. Dabei hatte Meier eigentlich gar nichts falsch gemacht: Vom Fachblatt kicker erhielt er die Note 3, das Foulspiel von Terry gegen Ricardo im 5 m-Raum konnte man durchaus pfeifen.
Zwei Gruppe 1-Rennen über die Derbydistanz von 2400 Meter sind die Höhepunkte des Rennsport-Wochenendes in England und Deutschland. Denn sowohl in den King George VI and Queen Elisabeth Stakes im englischen Ascot als auch im Großen Preis von Berlin (der ehemalige Deutschland-Preis) in Berlin-Hoppegarten treffen Top-Pferde aufeinander. Vorschauen und Gedanken zum Berliner Rennen gibt es hier und hier. Diese Kolumne konzentriert sich jedoch auf das, was am Samstag um 17:30 deutscher Zeit auf der Rennbahn in der englischen Grafschaft Berkshire passieren wird.
Das King George ist einer der Höhepunkte des englischen Turfsommers, eine Prüfung mit sehr hohem Renommee. Doch wie so häufig in all den Jahren ist das Rennen mit nur fünf Startern quantitativ recht schwach besetzt, die Qualität stimmt jedoch. „Vier Asse und ein Joker“ schreibt der englische Guardian und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn sieht man einmal von Debussy ab, der wahrscheinlich als Pacemaker für seinen Stallgefährten Rewilding agieren wird, treffen mit Workforce, St. Nicholas Abbey, Nathaniel und eben jenem Rewilding vier hochklassige Protagonisten aufeinander.
King George 2001: Galileo besiegt Fantastic Light, vielleicht folgt ihm ja sein Sohn Nathaniel in der Ausgabe 2011.
Einziger Dreijähriger im Feld ist Nathaniel. Der Gosden-Schützling gewann zuletzt hoch überlegen die King Edward VII Stakes (Gruppe 2, 2400 Meter) und lief dort wie ein Pferd, dessen Leistungsvermögen noch gar nicht richtig erfasst ist. Auch die anderen Formen lesen sich nicht schlecht: nur mit Kopf geschlagen in der Chester Vase von Treasure Beach, dem späteren irischen Derbysieger und englischen Derbyzweiten. Beim Debüt unterlag er nur Frankel mit einer halben Länge. Im englischen Derby lief Nathaniel wegen des zu festen Bodens nicht, der weiche bis gute Untergrund in Ascot wird ideal sein. Er muss schon was in der Arbeit gezeigt haben, denn Trainer und Besitzer meldeten den Nachkommen des großen Galileo für 75 000 Pfund nach. Na gut, wenn jemand Lady Rothschild heißt und Besitzerin von Nathaniel ist, dann zahlt man diese Summe eher aus der Kaffeekasse.
Die Gegner sind aber erste Sahne: Zum Beispiel Workforce aus dem großen Quartier von Sir Michael Stoute. Er gewann grandios das englische Derby im Vorjahr und triumphierte außerdem im Oktober im Arc. 2400 Meter sind eindeutig die beste Distanz für den Kings Best-Sohn, die 2000 Meter gegen So You Think waren etwas kurz. Den einzigen Flop seiner Karriere leistete sich Workforce ausgerechnet im letztjährigen King George, als er abgeschlagen hinter seinem Stallgefährten Harbinger ins Ziel trudelte.
So You Think, der importierte Australier aus dem Quartier von Aidan O’Brien, dient auch als Referenz für Rewilding. Nur schlug er diesen im Gegensatz zu Workforce – Jockey Frankie Dettori wird das Rennen hingegen in nicht so guter Erinnerung haben, weil er danach eine lange Sperre wegen übermäßigem Gebrauch der Peitsche kassierte. Der Sohn von Tiger Hill galt schon immer als sehr veranlagtes Pferd und scheint in diesem Jahr den richtigen Schwung zu haben. Zudem überzeugt mich Mahmood Al Zarooni als Trainer der blauen Godolphin-Armada weitaus mehr als sein Kollege Saeed Bin Suroor.
Ballydoyle schickt natürlich auch einen aussichtsreichen Kandidaten. Allerdings keinen Dreijährigen und auch keinen So You Think, sondern St. Nicholas Abbey. Der galt im letzten Jahr bis zum Frühjahr als bester Dreijähriger im großen O’Brien-Stall, floppte dann in den englischen 2000 Guineas und wurde darauf nicht mehr gesichtet. In diesem Jahr ist er wieder da und gewann zuletzt nach einem unglücklichen Rennverlauf noch den Coronation Cup (2400 Meter, Gr. 1) in Epsom gegen die starke Stute Midday. Auch St. Nicholas Abbey muss noch nicht alle Karten aufgedeckt haben.
Urteil
Hochklassiges Feld, schön was zu rätseln. Für jeden der großen Drei Workforce, Rewilding und St. Nicholas Abbey spricht etwas. Aber auch wenn ich im King George wahrlich keine gute Bilanz habe und meine Tipps bei Pferden von Trainer John Gosden in der Regel daneben liegen: Nathaniel muss man zu diesem Kurs einfach mitnehmen.