Dienstag, 18. März 2014
Das Gute und das Schlechte: Cheltenham-Momente 2014
Cheltenham 2014 ist Geschichte. Nach vier Tagen fühlt sich der Beobachter erst einmal leer – so ist es zumindest bei mir. Vier Tage Anspannung, vier Tage Emotionen, vier Tage Sport der Extraklasse hinterlassen ihre Spuren. Diese vier Tagen in Cheltenham sind für mich Feiertage und inzwischen das wichtigste Sportereignis des Jahres. Das Wochenende danach ist zum Entspannen – ohne Pferderennen und ohne Wetten. Erst am Montag, wenn der Alltag wieder da, kommt die Realität zurück. Und der Kolumnist blickt zurück – auf Cheltenham 2014. Selten lagen Triumph und Tragödie so nah zusammen. Ein Fazit.

Bester Moment
Nirgendwo werden Siege so ausgelassen gefeiert wie in Cheltenham. Und wie im Pokal feiern die Kleinen am lautesten, wenn die Sensation geschafft ist. Nun klingt es ein wenig despektierlich, das Team von Sire De Grugy als sportlich klein zu bezeichnen. Eine Sensation war der Erfolg des Fuchses mit dem großen weißen Gesicht in der Queen Mother Champion Chase beim besten Willen nicht, war doch der Sire nach dem Fehlen von Sprinter Sacre definitiv das herausragende Pferd in der Zwei Meilen-Champion-Klasse.
Aber für Trainer Gary Moore, Sohn und Reiter Jamie Moore und Besitzer Steve Preston ist dieses Pferd wie ein Sechser im Lotto. So ein Gutes haben sie noch nie trainiert/geritten und besessen. Der Besitzer hat da allerdings wenig Vergleiche, denn es war sein erstes Rennpferd.
Es waren emotionale Bilder, die selbst den Coolsten berührten. Die Besitzer jubelten im Schal mit den Stallfarben; Gary Moore rang um Worte und Sohn Jamie stand nach dem Triumph mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm bei Racing UK am Mikrofon.
„Er hasste den Boden, er hasste den Kurs, aber er hat gewonnen und das zeigt seine ganze Klasse“, sagte der Reiter nach dem Rennen über Sire De Grugy. „Selbst Ryan würde ihm einen guten Ritt geben“, flachste Jamie Moore. Ryan Moore ist sein berühmter Bruder, einer der besten Flachjockeys der Welt und stand lächelnd im Hintergrund.
Für Jamie Moore war es der erste Erfolg beim Festival, die Jockey-Kollegen standen Spalier und applaudierten dem siegreichen Team. Ein wahrlich magischer Moment…

Traurige Momente
Vier tote Pferde nach dem Festival – Our Conor, Akdam, Stay the Deck, Raya Star sind vier tote Pferde zuviel. Doch wer jetzt auf die Brutalität des Hindernissportes weist und diesen als zu gefährlich verbieten möchte, möchte bitte die Tatsachen notieren.
Stay the Deck starb nach einer Verletzung im Champion Bumper, dem Flachrennen des Festivals. Die anderen Unfälle geschahen über die Hürden, also die kleineren Hindernisse. Und es liefen über 450 Pferde an den vier Tagen in Cheltenham. Allerdings hatte mir der Tod des großartigen Our Conor am Dienstag so ziemlich die Stimmung verdorben.
Ruby Walsh sagte am Dienstag danach Bemerkenswertes: „Pferde sind Pferde”, so der Top-Jockey. „Man kann ein Pferd ersetzen. Es ist traurig, aber Pferde sind Tiere, außerhalb unseres eigenen Kreises. Menschen sind Menschen, sie gehören zu uns. Man kann ein Pferd ersetzen, aber nicht ein menschliches Wesen.“ Weiteres dazu in diesem sehr lesenswerten Artikel des Telegraph.
Ruby Walsh selbst erlebte an Tag 4 die Schattenseiten des Sportes, stürzte mit Abbyssial und brach sich das Handgelenk. Seine Verletzungs-Historie zeigt eindrücklich, wie gefährlich Hindernisjockeys leben. Kollege Bryan Cooper brach sich schon am zweiten Tag das Bein, fällt jetzt lange aus und verpasste am letzten Tag einige große Erfolge.
Und dann sollte man noch unbedingt Daryl Jacob erwähnen. An den ersten drei Tagen lief nicht viel beim Jockey und seinem Trainer Paul Nicholls, der Freitag übertraf das alles noch für Jacob: Erst verlor er mit Calipto die Eisen, schaffte noch heldenhaft den vierten Platz, dann gewann er endlich sein erstes Rennen mit Lac Fontana und dann folgt das Schlimmste: Port Melon, sein Ritt im vierten Rennen, kollidierte mit den Rails und warf Jacob zu Boden. Und dieser brach sich Knie, Bein und Ellbogen. So etwas nenne ich Horror.



Diese lila-gelben Farben von Dr. R. Lambe machten Furore während des Cheltenhams Festivals: Zuerst gewann Robby Mc Namara (Mitte) in ihnen den Champion Bumper, dann war Mc Namara in ihnen in der Fulke Walwyn Kim Muir Handicap Chase erfolgreich und dann triumphierte in diesen Farben auch noch Davy Russell mit Lord Windermere. Dieses starke Bild stammt von Florian Christoph, der auf seiner Facebook-Seite noch weitere sehenswerte Fotos präsentiert.

Spruch der Woche
Der Spruch der Woche kam von Jim Culloty, Trainer des Gold-Cup-Gewinners Lord Windermere. Als Jockey holte er sich einst dreimal den Gold Cup mit dem unvergessenen Best Mate, doch als Trainer lief es in dieser Saison überhaupt nicht. Seit August gewann er kein Rennen mehr, doch jetzt siegte er zweimal während des Cheltenham-Festivals. Und er bewies prophetische Fähigkeiten.
„Ich hoffe, morgen noch einmal hier zu stehen“, sagte er nach dem Erfolg von Spring Heeled in der abschließenden Prüfung am Donnerstag. Er stand am nächsten Tag da: Lord Windermere gewann als 210:10-Außenseiter nach bangen Minuten, in denen die Stewards den Rennverlauf überprüften, das wichtigste Rennen des Festivals.
Im letzten Jahr hatte das Pferd die RSA Chase entschieden, doch in dieser Saison lief nicht viel. Immerhin hatte diese Kolumne den Sieg des Pferdes im Hennessy prognostiziert. Das geschah nicht, aber der Gold Cup-Erfolg des Lords zeigte doch, dass diese Kolumne ein wenig Ahnung hat.
Und der Autor freut sich zudem über den großartigen dritten Platz seines alten Lieblings The Giant Bolster. „Schaut Ihn euch nicht im Führring an“, empfahl Racing UK-Experte Jonathan Neesom. „Er sieht aus wie ein Pferd der Verkaufsklasse und nicht wie ein Steher der Extraklasse.“ Da hatte Neeson durchaus Recht, aber zum Glück laufen schöne Pferde nicht automatisch schneller.

Persönliche Bilanz
Nach dem ersten Tag dachte ich schon, es kann nicht mehr schlimmer kommen. Der Sturz und Tod von Our Conor, das schlechte Laufen von Rock on Ruby, der Sturz am ersten Hindernis von Vintage Star – ein Tag zum Vergessen. Immerhin gab es einen zweiten Platz von Shotgun Paddy.
Doch der Mittwoch toppte den Vortag noch: Red Sherlock lief schwach, Le Bec und Baileys Green fielen. Kein Rennen, indem einer meiner Tipps eine echte Chance hatte. Frustrierend!
Am Donnerstag aber kam die Erleichterung in Form der ersten Treffer: Tarquin de Seuil siegte nach einer Weltklasse-Finish von Tony Mc Coy, der danach vom Pferd humpelte und mit schmerzverzerrtem Gesicht Interviews gab. Spring Heeled gewann für Trainer Jim Culloty nach einem wohldosierten Ritt von Robbie Mc Namara den Marathon für die Amateure.
So ging es am Freitag weiter: Tiger Rolls regierte in der Triumph Hurdle und zahlte 110:10. Das war es dann, der Rest blieb ohne Erfolg. Aber gerade der Freitag zeigte noch einmal deutlich, dass das Cheltenham Festival so eine Art Masterprüfung für Wetter ist. An der selbst gestandene Tipster der englischen Rennpresse scheitern.