Donnerstag, 21. November 2013
Die Polarisierer aus Bayern
Es geht schon wieder gut los vor dem Gipfeltreffen zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am Samstag. Die Dortmunder Mats Hummels und Marcel Schmelzer verletzten sich am Dienstag beim Länderspiel in England. Damit fehlt die komplette Viererkette der Vorjahre: Neven Subotic erlitt einen Kreuzbandriss; für Lukasz Piszczek kommt ein Einsatz noch zu früh.
Schon fühlen sich die Verschwörungstheoretiker bestätigt, die eine Bevorzugung des FC Bayern in der Nationalmannschaft sehen. Denn Bundestrainer Joachim Löw hatte vor dem Freundschaftsgipfeltreffen die Münchener Manuel Neuer und Philipp Lahm nach Hause geschickt; Thomas Müller bleib 90 Minuten auf der Bank. Diese Theorie ist natürlich Unsinn, aber die National-11 bedeutet für den BVB in letzter Zeit wenig Gutes.
Ganz ungeschoren kommen die Münchener auch nicht davon: Mit Bastian Schweinsteiger und Franck Ribery fallen zwei wichtige Spieler aus.
Dabei gibt es schon genügend anderen Zündstoff im Duell des FC Bayern, der finanziell immer noch in einer anderen Liga spielt, und seines größten nationalen Kontrahenten. Da ist zum Beispiel die Rückkehr des Mario Götze ins Dortmunder Westfalenstadion, der Empfang wird entsprechend sein.
Kaum eine Meldung traf die Borussen-Anhängerschaft so ins Herz wie der Wechsel des Top-Technikers zum FC Bayern. Sportlich schwer verständlich, doch wenn der zukünftige Bayern-Trainer Pep Guardiola den Brasilianer Neymar nicht bekommt, dann schaut man eben sich auf dem deutschen Markt um und kauft dem Wunschtrainer Mario Götze.
Dortmund kassierte 37 Millionen und holte Henrikh Mkhitarjan und Pierre-Emerick Aubameyang. So schlecht ist dieser Tausch nicht, mir ist Mario Götze am Samstag völlig egal. Ich fand es sogar gut, wie er bei seiner offiziellen Vorstellung mit einem Nike-Shirt auflief. Eine Art Guerilla-Marketing, denn der FC Bayern ist der adidas-Vorzeigeklub schlechthin. Erstaunlicherweise hatte keiner der Münchener Kommunikationsstrategen dies im Vorfeld bemerkt.

Warum polarisiert der FC Bayern so?
Von wegen „alle haben die Lederhosen an“: Nicht nur ich tanzte durchs Wohnzimmer, als die Bayern 1999 in letzter Minute das Champions League-Finale gegen Manchester United verloren. Halb Deutschland freute sich über die Niederlage. Es gibt kein Zwischending – entweder mag man den Klub oder nicht. Auch in Dortmund werden nur Rückstände der Schalker noch lauter bejubelt – und so groß sind die Unterschiede nicht.
Die Gründe? Natürlich ist es auch Neid auf die vielen sportlichen Erfolge. Es ist aber vor allen diese Arroganz, der durch die Erfolge entstanden ist. Dieses Selbstbewusstsein, dieses „Mia san mia“, das der Klub ganz offen zeigt. Und wenn es ein Problem gibt, kauft man es einfach weg.
Der FC Bayern ist heute der erfolgreichste Klub in Deutschland und da hat Manager Uli Hoeneß großen Anteil dran. Aber Hoeneß wusste auch immer, wann er attackieren musste. Gefangene machte er dabei meist nicht - der „gute Mensch vom Tegernsee" war er eher privat.
Bayern hatte zudem manche Jahre richtig unsympathische Mannschaften mit Spielern wie Oliver Kahn, Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus. Kahns Kung-Fu-Sprung gegen Stephane Chapuisat oder seine Vampir-Attacke gegen Heiko Herrlich bleiben unvergessen. Aber diese Teams hatten immer einen unheimlichen Siegeswillen. Sie zu besiegen, war unglaublich schwer – der BVB kann ein Lied davon singen.



Einer der Größten in der Geschichte des FC Bayern: Gerd Müller, der unnachahmliche „Bomber der Nation“

Der aktuelle FC Bayern
10 Siege, 2 Unentschieden, keine Niederlage in der Bundesliga, in der Champions League bereits nach vier Spielen im Achtelfinale – der FC Bayern setzt auch mit Pep Guardiola seine famose Form aus der Triple-Saison mit Trainer Jupp Heynckes fort. Aber dennoch maulen Kritiker, dass es manchmal noch zu viel Leerlauf im Bayern-Spiel gebe. Allen voran der sportliche Leiter Matthias Sammer, aber er soll offenbar hauptsächlich verhindern, dass die Stimmung zu gut wird.
In der Tat tun sich die Münchener besonders in der ersten Halbzeit manchmal ein wenig schwer. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, zumal Guardiola einiges umstellte.
37 Spiele sind die Münchener in der Bundesliga unbesiegt. Zuletzt waren sie im Champions League-Finale gegen den eingespielten BVB am Rande einer Niederlage.
Vielleicht haben die Bayern derzeit die stärkste Mannschaft aller Zeiten. Es ist eine gute Mischung aus Eigengewächsen wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller und teuer zugekauften Akteuren wie Franck Ribery, Arjen Robben, Jerome Boateng oder Manuel Neuer. Dabei spielen die Neuen wie Mario Götze und der von Barca gekommene Thiago Alcantara derzeit nur eine Nebenrolle.

Was wäre wenn?
Tja, was wäre wenn gewesen, wenn nicht ein Spieler des TSV 1860 München den damals 13jährigen Franz Beckenbauer vom SC 1906 München geohrfeigt hätte. Denn eigentlich wollte Beckenbauer zu den Sechzigern wechseln, der FC Bayern galt als Abiturienten-Verein aus dem Boheme-Viertel Schwabing. Auch heute kaum vorstellbar, dass der TSV 1860 München zu diesem Zeitpunkt der Top-Klub in München war und selbstverständlich den Platz in der Bundesliga erhielt. Die Bayern hingegen mussten noch zwei Jahre in der Regionalliga nachsitzen. Erst 1965 stiegen sie in die Bundesliga auf.
Was wäre also, wenn das Ausnahmetalent Beckenbauer bei 60 gelandet wäre? Ob er die gleiche Karriere gemacht hätte? Wären die Löwen jetzt Rekordmeister? So wechselte Beckenbauer zum FC Bayern, traf dort weitere zukünftige Weltklassespieler wie Sepp Maier und Gerd Müller, dazu kamen zuverlässige Wasserträger wie etwa Franz „Bulle“ Roth, Rainer Zobel und Georg „Katsche“ Schwarzenbeck und fähige Trainer wie Tschik Cajkovski und Branko Zebec. Später rückten noch Uli Hoeneß und Paul Breitner ins Team.
1969 holte der Verein den ersten Meistertitel in der Bundesliga (insgesamt die zweite Meisterschaft nach 1932) und spätestens ab diesem Zeitpunkt war eigentlich jedes Jahr ein Titel Pflicht. Das schafften die Bayern auch sehr häufig, wurden zum
Deutschen Rekordmeister
und holten auch internationale Titel. Eigentlich musste jede Trainer mit dem Spielermaterial mindestens Meister werden – ansonsten brannte der Baum. Der FC Hollywood ließ grüßen.
Dennoch hat der Verein eigentlich jeden Gegner in der Bundesliga wirtschaftlich und sportlich abgehängt. Ob Gladbach, Schalke, der HSV, Bremen, Dortmund oder Leverkusen – sie alle kratzten mal am Thron, doch dauerhaft hielt sich nur der FC Bayern oben. Derzeit halten nur Borussia Dortmund und mit Abstrichen Bayer Leverkusen stand, doch am Samstag braucht das Klopp-Team ein kleines Fußballwunder.

Die Bilanz des BVB gegen Bayern München



Kleiner Literatur-Tipp zum FC Bayern: Gute Freunde von Thomas Hüetlin ist eine spannende Biografie über den Klub, beginnt in den sechziger Jahre und schildert gerade die ersten Jahre sehr detailiert. Zum Ende wird die Geschichte aber etwas schwächer, dennoch auch für Bayern-Gegner eine interessante Lektüre.
In der Serie "Rivalen des BVB" wird immer der Verein portraitiert, der am nächsten Spieltag in Dortmund gastiert. Das Ganze geschieht gewohnt subjektiv und ist gnadenlos persönlich.