Donnerstag, 24. Mai 2012
Ein Hauch zu viel Barca-Liebe
Alle lieben den Zauberfußball des FC Barcelona. Wenn Xavi und Iniesta den Ball laufen lassen und Messi dann elegant vollstreckt, dann ist das ganz großes Kino – Fußball für Ästheten. Diese Art des Fußballs steht für die besondere Philosophie des Vereins und es ist nicht die erste Generation, die so brilliert. Auch das Team um Ronaldinho in der Mitte der 2000er-Jahre oder die von Johann Cruyff trainierte Mannschaft aus den neunziger Jahren setzen Maßstäbe. „Barca oder: Die Kunst des schönen Spiels“, heißt ein Buch von Dietrich Schulze-Marmeling, das 2010 erschien und die Geschichte des katalonischen Renommierclubs beschreibt, der immer mehr als nur ein Fußballverein war.

Schulze-Marmeling skizziert den Weg des FC Barcelona durch die Jahre und schnell wird bei allen sportlichen Erfolgen deutlich: Barca war immer auch Politik, weil der Club sich als Repräsentant Kataloniens sah. Gerade in den Zeiten der Franco-Diktatur bildete der Verein das Pendant zum „Regime-Klub“ Real Madrid, verkörperte das Gute gegenüber dem Bösen aus dem fernen Kastilien. Barca leistete auf seine Weise Widerstand gegen den Faschismus des Generallissimo Franco. Weil das so war, benachteiligte der Verband den FC Barcelona immer wieder gegenüber dem königlichen Klub aus der Hauptstadt.
Es ist ein besonderes Merkmal der Vereinsbiografien aus dem Werkstatt-Verlag: Nicht nur die sportlichen Erfolge zählen, auch der gesellschaftliche und politischen Hintergrund ist wichtig. Allerdings: Es gibt Besseres über den Klub. Jimmy Burns „A peoples passion“ stammt aus dem Jahr 1999, ist aber ein glänzend geschriebenes Werk, das gerade die politischen und historischen Zusammenhänge detailliert und sachkundig schildert. Dagegen fällt Schulze-Marmelings Werk ziemlich ab, wirkt doch alles etwas monoton. Weil er die einzelnen Stationen oft nur abhakt und sich offenbar nur auf Sekundär-Quellen verlässt.

Scheckbuch-Politik
Der größte Kritikpunkt ist jedoch die fehlende Distanz. Schulze-Marmeling ist viel zu sehr begeistert von seinem Objekt – ob Johann Cruyff, ob die Spielkultur oder Barcas Rolle bei den Autonomiebestrebungen Kataloniens. Auch diese Differenz zwischen gutem linkem (Offensiv) und bösem rechten (ergebnisorientiertem) Fußball, einst von Cesar Luis Menotti in den Ring geworfen, halte ich heute für etwas übertrieben.
Zudem war Barca auch nicht immer der Verein, der vorbehaltlich auf seinen guten Nachwuchs setzte. Im Gegenteil: Barca war einst wie heute Real unter Perez. Man holte immer nur das Teuerste, das Konzept war egal. Von „linkem“ Fußball war das weit entfernt. Gerade die Scheckbuch-Politik unter Präsident Nunes hätte der Autor viel kritischer analysieren müssen.
Wie Barca sich finanziert, wäre ein weiteres Thema gewesen. Fest steht: Auch bei den Ausgaben war Barca immer ganz vorne. Leider fehlt dieser Aspekt vollkommen, kommt in der ganzen Heldenverehrung überhaupt nicht vor.
Und natürlich hat Johan Cruyff viel für den Verein gemacht. Nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer – dennoch ist mir das alles zu glorifizierend. Denn „El Salvador“ hinterlässt auch Gräben, weil er nur seinen Weg des Erfolges kennt und wenig andere Meinungen neben sich duldet.

Fazit: Interessantes Buch, dem aber etwas mehr Distanz gut getan hätte. Es gibt bessere Biografien über den FC Barcelona.

Dietrich Schulze-Marmeling; Barca oder: Die Kunst des schönen Spiels, Verlag Die Werkstatt