Anhänger eines blau-weißen Fußballclubs aus der Umgebung von Herne hätten an diesem Nachmittag in Dortmund einen schweren Stand gehabt.
Alle waren da – wegen ein paar Profifußballern, die gerade mal den DFB-Pokal gewonnen hatten. Na gut, davor hatte Borussia Dortmund auch noch die Deutsche Meisterschaft errungen. Rund 250 000 Zuschauer bevölkerten am Sonntag die Innenstadt von Dortmund, um die Triumphfahrt des frischgebackenen Double-Gewinners mitzuerleben.
Es ist schon erstaunlich, wie so ein paar Berufsfußballer die Stimmung in der Stadt beeinflussen können. Der Ballverein Borussia 09 ist in Dortmund eine Religion und wenn dieser dann erfolgreich Fußball spielt, dann brechen emotional alle Dämme. Dann ist eben der Ausnahmezustand in der Stadt, dann freut sich jeder, weil jeder irgendwie Anhänger ist. Der BVB ist wie eine Klammer, die die Leute zusammenhält. Borussia macht sie stolz – zumal es nicht so vieles gibt, worauf der Dortmunder unbedingt stolz sein könnte. Borussia Dortmund ist allerdings weltweit ein Begriff – zumindest dort, wo der Fußball eine Rolle in der Kulur des Landes spielt.
Und so machte auch ich mich – immerhin seit Ewigkeiten Besitzer einer BVB-Dauerkarte – am Sonntag auf den Weg in die Innenstadt, um den Bayern München-Dauerbezwinger zu feiern. Die Stimmung ist friedlich, die Leute freuen sich, singen, hüpfen und warten geduldig, bis der Triumphwagen mit der Mannschaft vorbeikommt. Für die mehr Gehirngesteuerten: Das bedeutet drei oder mehr Stunden Wartezeit, um dann vielleicht zehn Minuten die Mannschaft zu sehen.
Rummenigge findet "Blamache"
Und dann kam der Tross. Manche Aktiven auf dem Wagen wirkten schon reichlich angeschlagen, andere waren noch richtig aufgedreht. Trainer Klopp habe ich nicht entdeckt, Gündogan schwenkte den Pokal und vorne stand Dortmunds Japaner Shinji Kagawa und hatte richtig große Augen aufgrund der Menschenmassen, die ihn und seine Kollegen frenetisch feierten. Vielleicht ist Kagawa ja noch einmal weich geworden bei diesen Bildern, keine Ahnung, was er in Japan erzählt. Er war zumindest mächtig beeindruckt.
Wenn ich die Verehrung so sehe, die die BVB-Profis so erhalten, frage ich manchmal, wie es so in der Psyche manches Profis aussieht. Die Leute sind Anfang bis Mitte 20, verdienen auf einmal ein Schweinegeld, werden von allen hofiert und verehrt – da muss man schon ein starker Typ mit einem entsprechenden Umfeld sein, um normal zu bleiben. Erstaunlicherweise wirken viele aus der aktuellen Mannschaft überhaupt nicht arrogant oder abgehoben – falls man das als Außenstehender beurteilen kann. Das ewige Lob an die Fans scheint kein PR-Lippenbekenntnis zu sein.
Dieses Team hat sich die Zuneigung aber auch redlich verdient. Gegen den alten Rivalen Bayern gab es nach dem 1:1 einige kleinere Probleme, doch dann bestrafte der BVB mit selten gesehener Effizienz die Abwehrprobleme der Münchener. 5:2 war ein triumphales Ergebnis und Erlebnis und nicht umsonst sprach Bayern-Boss Karlheinz Rummenigge nach dem Spiel von einer „Blamage“ – und sprach das g wie ein ch aus. Der FC Bayern geht nun reichlich angeschlagen ins Champions League-Finale. In Dortmund endet die Saison hingegen auf Wolke 7.
Auch die örtliche Bierindustrie, einst der Stolz der Stadt und heute im Besitz von Herrn Dr. Oetker aus Bielefeld, freute sich über zusätzliche Umsätze
Nachtrag
Leider ist Kagawa
nicht weich geworden, der BVB kann ihn jetzt verkaufen und kassiert immerhin ein nettes Sümmchen. Was so schlecht auch nicht ist, so ist das Business eben.